eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken – Ein Blick in die Zukunft

0925
2024
Dominik Merkle
Valentin Vierhub-Lorenz
Jannis Gangelhoff
Jan Jung
Alen Nasic
Alexander Reiterer
Die präzise automatisierte Detektion und Vermessung von z. B. Rissen und Hohlstellen an Betonbauwerken bleibt aufgrund der Diversität von Schadensbildern, Oberflächenarten und Anforderungen an die Messgenauigkeit nach wie vor eine anspruchsvolle Aufgabe, die noch nicht vollständig gelöst ist. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über neue Technologien im Bereich Sensorik und Autonomie, die für die automatisierte Inspektion von Betonbauwerken eingesetzt werden können. Im Rahmen des Vortrags werden aktuelle Forschungsarbeiten und Ergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM für die Inspektion von Betonbauwerken vorgestellt. Dies umfasst die automatisierte Detektion von oberflächigen Schäden wie z. B. Risse per Unmanned Aerial System (AUS). Hierbei wird ein Ausblick auf autonome mobile robotische Lösungen zur hochgenauen Vermessung von Rissbreiten gegeben. Zusätzlich werden aktuelle Light Detection and Ranging (LiDAR) Entwicklungen präsentiert, die durch die Verwendung von unterschiedlichen Wellenlängen die Detektion des Feuchtegehalts an Betonoberflächen ermöglichen. Darüber hinaus werden aktuelle Arbeiten zur laserbasierten Hohlstellendetektion präsentiert und gezeigt, wie ein entwickeltes Unterwasser-LiDAR System z. B. für Unterwasser-Betonstrukturen eingesetzt werden kann. Abschließend gibt der Beitrag einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Trends im Bereich Sensorik und Autonomie und Möglichkeiten für deren Integration in bestehende Inspektionsabläufe.
kbr610177
6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 177 Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken - Ein Blick in die Zukunft Dr. Dominik Merkle Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg im Breisgau Valentin Vierhub-Lorenz Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg im Breisgau Jannis Gangelhoff Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg im Breisgau Jan Jung Universität Freiburg, Institut für Nachhaltige Technische Systeme - INATECH, Professur für Monitoring von Großstrukturen Alen Nasic Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg im Breisgau Prof. Dr. Alexander Reiterer Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg im Breisgau; Universität Freiburg, Institut für Nachhaltige Technische Systeme - INATECH, Professur für Monitoring von Großstrukturen Zusammenfassung Die präzise automatisierte Detektion und Vermessung von z.-B. Rissen und Hohlstellen an Betonbauwerken bleibt aufgrund der Diversität von Schadensbildern, Oberflächenarten und Anforderungen an die Messgenauigkeit nach wie vor eine anspruchsvolle Aufgabe, die noch nicht vollständig gelöst ist. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über neue Technologien im Bereich Sensorik und Autonomie, die für die automatisierte Inspektion von Betonbauwerken eingesetzt werden können. Im Rahmen des Vortrags werden aktuelle Forschungsarbeiten und Ergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM für die Inspektion von Betonbauwerken vorgestellt. Dies umfasst die automatisierte Detektion von oberflächigen Schäden wie z. B. Risse per Unmanned Aerial System (AUS). Hierbei wird ein Ausblick auf autonome mobile robotische Lösungen zur hochgenauen Vermessung von Rissbreiten gegeben. Zusätzlich werden aktuelle Light Detection and Ranging (LiDAR) Entwicklungen präsentiert, die durch die Verwendung von unterschiedlichen Wellenlängen die Detektion des Feuchtegehalts an Betonoberflächen ermöglichen. Darüber hinaus werden aktuelle Arbeiten zur laserbasierten Hohlstellendetektion präsentiert und gezeigt, wie ein entwickeltes Unterwasser-LiDAR System z. B. für Unterwasser-Betonstrukturen eingesetzt werden kann. Abschließend gibt der Beitrag einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Trends im Bereich Sensorik und Autonomie und Möglichkeiten für deren Integration in bestehende Inspektionsabläufe. 1. Einführung Die Inspektion von Brückenbauwerken nach Norm DIN 1076 stellt nach wie vor eine herausfordernde Aufgabe für die große Anzahl an Betonbauwerken dar. Große zum Teil nur mit Hilfsplattformen erreichbare Flächen und zugleich feine Schadensstrukturen wie Risse oder Hohlstellen, die bisher mit dem Hammerschlag detektiert werden, erschweren automatisierte Ansätze. Hinzu kommt die Diversität der Bauwerke, Oberflächen, Schäden und Umgebungen. Kombiniert mit Verschmutzung, Vegetation, Graffiti und weiteren Artefakten ist die menschliche Expertise und Erfahrung von großer Bedeutung. Trotz der Herausforderungen, werden immer mehr Methoden für die automatisierte Detektion und Interpretation von Schäden entwickelt. Die meisten Verfahren basieren auf optischen Verfahren. Vorwiegend werden mittels semantischer Segmentierung basierend auf Deep-Learning pixelbasiert (mehrere) oberflächige Schadensklassen wie z.-B. Risse oder Abplatzungen in RGB-Kamera-Daten, erkannt. Der Fokus liegt in den meisten Fällen auf der Detektion und nicht der genauen Vermessung der Abmaße. Während bei großflächigen Schäden wie Abplatzungen die Auflösung der Bilddaten gering sein kann und die Genauigkeit im Randbereich nicht essenziell ist, ist es im Falle von Rissen umgekehrt. Hier sind eine sehr hohe Auflösung und Genauigkeit erforderlich, um die sehr feinen Strukturen sicher erkennen zu können und die breiteste Stelle des Risses zu messen. 178 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken - Ein Blick in die Zukunft Allein die Erkennung von oberflächigen Schäden reicht jedoch nicht aus, um die vollständige Inspektion nach Norm abzudecken bzw. zu unterstützen. Für die Verkehrssicherheit sind besonders Hohlstellen und Ablösungen kritisch. Teile, die drohen abzuplatzen, werden direkt weggeschlagen. Perspektivisch ist es jedoch hilfreich im Vorfeld besonders betroffene Bereiche zu erkennen und im Nachgang nur eine Auswahl von Stellen manuell zu untersuchen. Hierfür gibt es mehrere Methoden. Passive Thermografie nutzt den Temperaturgradient der Umgebungstemperatur. Dadurch kann z.-B. vormittags der warme abgelöste Bereich von der umgebenden kalten Brückenstruktur unterschieden werden. Hierbei ist das Zeitfenster jedoch limitiert und die Erkennung stark abhängig von der relativen Messgenauigkeit des Sensors. Im Gegensatz dazu, erfordert die aktive Thermografie eine ausreichende und homogene Erwärmung der Oberfläche, was schwer realisierbar ist. Zusätzlich ist die Feuchtemessung von Betonbauwerken während dem Bau und dem Bestand relevant. Diese Information kann in RGB-Bildern oder klassischen Laserscan-Daten nicht erkannt werden. Eine Option ist die Erkennung bzw. die Messung von Feuchte indirekt über den Temperaturunterschied, Anomalien oder Verdunstungseffekte. Zusätzlich kann eine Multi- oder Hyperspektral- Kamera genutzt werden. Doch auch hier ist die Methode abhängig vom Umgebungslicht. Für die oben beschriebenen Problemfelder - genaue Rissbreitenmessung, Hohlstellendetektion und Feuchtedetektion - soll dieser Artikel unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten aus der aktuellen Forschung am Fraunhofer IPM präsentieren. Die Lösungen umfassen die automatisierte Detektion von z.-B. Rissen per UAV. Besonderes Augenmerk wird auf die autonome mobile robotische Lösung zur hochgenauen Vermessung der Rissbreite gelegt. Darüber hinaus werden aktuelle Arbeiten zur laserbasierten Hohlstellendetektion präsentiert und gezeigt, wie ein entwickeltes System z.-B. für Tunnel- oder Brückenbauwerke eingesetzt werden kann. Zur Detektion von Feuchte an Betonoberflächen wird zudem ein multispektraler Laserscanner vorgestellt, der mit zwei unterschiedlichen Wellenlängen, am gleichen Punkt im Raum die Distanz und Intensität des rückgestreuten Lichts misst und damit die Bestimmung des Feuchtegehalts erlaubt. Die Eignung eines entwickelten Unterwasser-LiDAR Systems wird zudem auf Eignung zur Detektion von Schäden untersucht. Abschließend werden zukünftige Entwicklungen und Trends im Bereich Sensorik und Autonomie und Möglichkeiten für deren Integration in bestehende Inspektionsabläufe diskutiert. 2. Methoden zur Inspektion von Betonbauwerken 2.1 Automatisierte UAS-Pfadplanung Für die Datenerfassung bieten sich für Brückenbauwerke handgehaltene, fliegende und fahrende Sensorsysteme an. Fahrende Plattformen, wie zum Beispiel Unmanned Ground Vehicles (UGV) haben den Vorteil, dass sie beim Einsatz in abgesperrten Bereichen, zum Beispiel durch eine Teilsperrung der Straße, ein geringes Risko darstellen. Für Unmanned Aircraft Systems (UAS) gelten hingegen besonders für Brücken an Bundesfernstraßen oder Bahnanlagen gewisse rechtliche Mindestabstände. Aktuell darf ein UAS in der Kategorie A2 nach der 1: 1 Regel (Flughöhe kleiner als der Abstand) bis zu 10-m nah fliegen. Andere Möglichkeiten bietet der Betrieb in der speziellen Kategorie oder wenn eine ausdrückliche Zustimmung der zuständigen Stelle oder des Betreibers vorliegt. In Zukunft könnte jedoch aufgrund zusätzlicher Sicherheitssysteme und Betriebsgenehmigungen, eine automatisierte Befliegung bei eingeschränktem Betrieb wie z.-B. nachts oder mit einer Teilsperrung möglich sein. Dies hängt auch stark von der Brückengröße und der Infrastruktur ab, die die Brücke überspannt. Aufgrund diverser Geometrien und sich verdeckenden 3D-Strukturen ist die optimierte Flugplanung essenziell zur vollständigen Erfassung mit der erforderlichen Qualität. Hierfür wurde ein Algorithmus entwickelt, um für ein UAS mit definiertem Kamerasystem, der maximal zulässigen Pixelgröße am Objekt (Ground Sampling Distance (GSD)) sowie Überlappungs- und Winkelanforderungen iterativ die optimierten Kamerapositionen zu berechnen, die eine vollständige photogrammetrische 3D-Rekonstruktion sowie eine Detektion von z.-B. Sub-Millimeter- Rissen ermöglicht [1]. Als Grundlage wird ein As-Built- Modell bzw. das umhüllende 3D-Mesh mit wählbarem Detailgrad und optional eine Punktwolke der Umgebung benutzt wie in Abb. 1 dargestellt. Das 3D-Mesh dient dabei als Grundlage für die Flugplanung und die Punktwolke hilft hauptsächlich zur Verschneidung zur Identifikation von inspizierbaren Flächen. Flächen die unterirdisch liegen oder aufgrund des Bauwerks bzw. des UAS-Designs (Größe, Mindest-Sicherheitsabstand, Freiheitsgrad des Kamera-Gimbals, etc.) nicht die minimale Datenqualität erfassen können, werden automatisiert identifiziert. Als Schlussfolgerung können diese Bereiche entweder durch ein anderes UAS oder durch einen Menschen inspiziert werden. Zusätzlich kann das Tool genutzt werden, um die Eignung eines UAS für ein spezielles Bauwerk zu prüfen. Zusätzlich können Hindernisse wie z.-B. Vegetation schon bei der globalen Vorplanung berücksichtigt werden. Bei dynamischen Umgebungen und einer Änderung zur 3D-Punktwolke ist eventuell eine lokale Pfadplanung in Echtzeit notwendig. Ein zusätzliches Käfig- Design kann zudem helfen, so nah wie möglich and die Oberfläche und auch in verwinkelten engen Bereichen zu fliegen. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 179 Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken - Ein Blick in die Zukunft Abb. 1: Schrägansicht (oben) und Seitenansicht (unten) der automatisierten Flugplanung mit optimierten Kameraposen zur vollständigen und hochaufgelösten Erfassung von Bauwerken am Beispiel einer Brücke in Freiburg. 3D-Mesh und 3D-Punktwolke der Umgebung fließen in die Berechnung mit ein. Bisher sind 3D-Modelle bzw. selbst ein 3D-Mesh nur selten für ein Bestandsbauwerk vorhanden. Bei neuen Bauwerken ist das selten ein Problem. Doch auch bei Bestandsbauwerken, muss dieser Aufwand nur einmal betrieben werden, da größere bauliche Änderungen selten vorkommen und diese Änderungen auch mit vergleichsweise niedrigem Aufwand angepasst werden können. Zudem gibt es viele Bemühungen der automatisierten Ableitung von 3D Modellen aus photogrammetrischen oder Laserscanning Punktwolken [2], [3]. Zusätzlich wurden bereits Methoden untersucht und entwickelt, um aus 2D- Bestandsplänen 3D Modelle zu erzeugen [4]. 2.2 Rissbreitenmessung Die Messung der Breite von Sub-Millimeter-Rissen erfordert eine ausreichend niedrige GSD. Zur Messung der Breite eines 0,2-mm Risses ist für einen Faktor 10 eine GSD von kleiner als 0,02 mm optimal. Jedoch ist oft die Unterscheidung in 0,05-mm Schritten üblich. Daher kann bereits eine GSD von ca. 0.05-mm ausreichend sein. Da jedoch erst der Riss erkannt werden muss, bevor die Breite bestimmt werden kann und die Sensorauflösung begrenzt ist, gibt es einen Konflikt zwischen notwendigem Kontext durch ein ausreichendes Sichtfeld und ausreichend niedriger GSD. Die Lösung ist entweder ein System aus zwei Kameras mit unterschiedlichen Objektiven und Brennweiten, eine optische Pan Tilt Zoom Einheit oder eine Echtzeit-Navigation, die es erlaubt, aus der Distanz einen Riss zu erkennen und aus der Nähe zu vermessen. Aktuelle Untersuchungen mit Hilfe einer kleinen, kompakten DJI Tello Drohne zeigen erste vielversprechende Ergebnisse. Durch ihre geringe Größe und ihr geringes Gewicht von ca. 80g, hat die Drohne den Vorteil, dass sie in engen und schwer erreichbaren Bereichen fliegen kann. Zudem kann die Drohne mit Python programmiert werden, insbesondere mit der Bibliothek djitellopy [5], die es einfach macht, einen autonomen Flug zu implementieren. Mit 82,6° Field of View (FoV) und einer Auflösung von 2592 × 1936 Pixel ermöglicht eine GSD von 0,07 mm/ Pixel bei einem Arbeitsabstand von 10 cm. Hiermit konnten schon erste Ergebnisse erzielt werden. Im ersten Schritt wird wie in Abb. 2 gezeigt, der Riss aus der Distanz mit Hilfe des YOLOv8-Modells [6], erkannt. Im zweiten Schritt wird der Riss gemessen, falls der Riss vollständig im FoV zu sehen ist. Andernfalls wird der Anfang des Risses autonom gesucht und bis zum Ende geflogen. Dabei werden kontinuierlich Screenshots gemacht, sobald eine Überlappung von ca. 70 % zwischen den Screenshots erreicht ist. Anschließend, werden diese Screenshots mittels Image Stitching zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Im letzten Schritt kommt die Analyse des Rissbildes, bei der die Länge und Breite präzise berechnet wird. Abb. 2: Links: DJI Tello Drohne im Flug über dem Bodem in Richtung des Rissbildes. Rechts: Risserkennung mittels YOLOv8-Modells aus größerer Distanz. Abb. 3: Rissmessung nach der Erkennung, wenn der Riss vollständig aus der Nähe aufgenommen wurde, mittels Image Stitching. Der Riss wird zusätzlich mit YOLOv8 segmentiert. 2.3 Laser-basierte Hohlstellendetektion Am Fraunhofer IPM wurde ein System zur Laser-basierten Hohlstellendetektion entwickelt. Hieber wird auf der Betonoberfläche durch einen starken Laserpuls ein Plasmablitz erzeugt. Die resultierende Schockwelle bringt den lokalen Bereich zum Schwingen und ersetzt somit den klassischen Schlag mit dem Hammer. Ein zweiter Laser misst per Laser-Doppler-Vibrometrie die angeregten Schwingungen mit hoher Präzision. Durch eine Abrasterung mit definierter Gitterauflösung können damit großflächig z.-B. Tunnel aber perspektivisch auch Brückenbauwerke inspiziert werden. In Zukunft soll zusätz- 180 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken - Ein Blick in die Zukunft lich die räumliche Auflösung während der Messung angepasst werden, um direkt auf Anomalien zu reagieren und deren Umrisse genauer zu erfassen. Die Kombination mit Punktwolken, photogrammetrischen Modellen als auch Methoden des maschinellen Lernens für RGB- Bildinformationen kann zusätzlich die Plausibilitätsanalyse unterstützen bzw. dafür sorgen, dass die Messungen nur an geeigneten Stellen stattfinden und nicht z.-B. an sonstiger Infrastruktur wie Lüftungen, Schilder, Metallstrukturen, oder auf Vegetation. Abb. 4 zeigt das System bei der Vermessung eines Probekörpers mit künstlicher Fehlstelle im Labor. Abb. 4: Oben: System basierend auf Pulslaser und Laser-Doppler-Vibrometrie für den optischen Hammerschlag bei der Vermessung eines Betonprobekörpers mit künstlicher Hohlstelle. Unten: Farblich dargestellte gemessene Vibrationsstärke bei 1500-Hz Schwingungsfrequenz (dunkel - geringe Schwingung, hell - starke Schwingung), jeder Punkt repräsentiert einen Messpunkt auf der Oberfläche. 2.4 Multispektraler Laserscanner zur hochaufgelösten 3D-Feuchtedetektion Ein multispektraler Laserscanner entwickelt am Fraunhofer IPM ermöglicht die simultane Erfassung der 3D- Information eines Messpunkts sowie die rückgestreute Intensität bei zwei verschiedenen Laserwellenlängen (1320-nm und 1450-nm). Durch das Wissen über das Absorptionsspektrum von Wasser kann über den Vergleich der Intensitäten des rückgestreuten Lichts für die beiden unterschiedlichen Wellenlängen die Information über den Wassergehalt der Oberfläche gewonnen werden. In Kombination mit einer mobilen Trägerplattform und einer Verortung ist das Ergebnis eine hochaufgelöste 3D-Punktwolke mit den jeweiligen Intensitätsinformationen und der Information über den Feuchtegehalt. Damit lässt sich beispielsweise wie in Abb. 5 dargestellt eintretendes Wasser in Tunneln automatisiert detektieren. Wie in Abb. 6 zu erkennen ist, lässt sich über den Wassergehalt auch Vegetation sehr einfach von der Umgebung unterscheiden. Abb. 5: Ausschnitt einer Punktwolke eines Tunnelscans. Obere 3D-Punktwolke mit Intensität des rückgestreuten Lichts als Grauwert und untere Punktwolke mit Feuchtewert von niedrig in Blau über weiß bis hoch in Rot. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 181 Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken - Ein Blick in die Zukunft Abb. 6: Ausschnitt einer Punktwolke eines Wohngebietes. Obere 3D-Punktwolke mit Intensität des rückgestreuten Lichts als Grauwert und untere Punktwolke mit Feuchtewert von niedrig in Blau über weiß bis hoch in Rot. 2.5 Unterwasser-Laserscanning zur Inspektion von Unterwasserbetonstrukturen Zur Inspektion von Unterwasserstrukturen wurde ein Unterwasser LiDAR System (ULi) entwickelt [7]. Mit einer Wellenlänge von 532-nm und einer Pulswiederholrate von 100 kHz ist über eine rotierende Doppel-Keilprisma Optik [8] eine hochaufgelöste flächige Erfassung möglich. Unterschiedliche Scanmuster ermöglichen eine linien- und kreisförmige Erfassung aus der Bewegung oder durch die 2D-Strahlablenkung eine vollflächige Erfassung einer Szene ohne notwendige Bewegung des Messsystems. Für Testkampagnen und zur Evaluierung der Messgenauigkeit und maximalen Messdistanz bei unterschiedlichen Wasserbedingungen wurde hierfür eine 40-m lange Unterwassermessstrecke gebaut, in der die Trübung variiert werden kann. Hier können unterschiedliche Strukturen platziert werden, die für die Unterwasserinspektion von z.-B. Betonstrukturen relevant sind. Abb. 7 zeigt einen Auf bau mit Steinen, einem Rohr, einem Fass aus Kunststoff und den umliegenden Betonwänden. Die Trübung im Wasser erschwert hierbei die Sicht der Kamera. Abb. 7: Aufnahme in der Unterwassermessstrecke am Fraunhofer IPM mit einer Kamera in Kombination mit einer in 40 cm seitlichem Abstand angebrachten Taucherlampe. Die Objekte sind aufgrund der Trübheit nur noch schwer zu erkennen. Gut zu erkennen ist die Streuung des Lichtkegels und der damit einhergehenden Blendung der Kamera, welche den Kontrast im Bild weiter reduziert. Zum Größenvergleich: der Regenrohrdurchmesser beträgt ca. 10 cm. Wie in Abb. 8 dargestellt, wurde die Szene aus Abb. 7 zeitgleich zur Kameraaufnahme mit dem Unterwasser- LiDAR System erfasst. Das System misst gleichzeitig die Intensität des rückgestreuten Lichts und die hochaufgelöste und genaue 3D-Information von Strukturen unter Wasser. Damit können z.-B. Artefakte wie Fugen, Auswölbungen, Abplatzungen oder größere Risse detektiert werden. Aktuell werden Methoden des maschinellen Lernens zur automatisierten Schadens- und Objektdetektion entwickelt. Diese Information kann in Zukunft für die automatisierte Pfadplanung genutzt werden, um eine vollständige und hochaufgelöste Erfassung selbst in trübem Wasser zu ermöglichen. Abb. 8: Unterwasser-Punkwolke von der Unterwassermessstrecke am Fraunhofer IPM aufgenommen mit dem Unterwasser LiDAR System (ULi). Intensität des rückgestreuten Lichts in Graustufen und Unebenheiten (Abstand der Punkte zur gemittelten Ebene) an der Wand links und dem Fassboden in Viridis Farbskala- Darstellung. 182 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Neue Technologien für die Inspektion von Betonbauwerken - Ein Blick in die Zukunft 3. Ausblick auf die robotische Messtechnik In Zukunft werden die in Abschnitt 2. vorgestellten Sensorsysteme auf mobilen robotischen Plattformen integriert. Das Ziel ist es dadurch, eine vollständige und qualitäts-optimierte Erfassung zu ermöglichen. Zudem soll damit eine hohe Auflösung nur in relevanten Bereichen erreicht, Fehlmessungen z.-B. in trübem Wasser erkannt und durch Optimierung der Scan-Einheit oder der angepassten Distanz zum Zielobjekt korrigiert und eine Echtzeit-Schadensinterpretation zur Submillimeter-Vermessung realisiert werden. Hierfür spielt Echtzeit-KI eine entscheidende Rolle, um z.-B. die großen Datenmengen während der Operation filtern und visualisieren zu können. Letzteres ist von hoher Bedeutung, um in Zukunft Menschen in die Messabläufe stärker einzubinden. Ein großes Potenzial bieten zudem kooperative Systeme wie Schwarmsysteme aus mehreren gleichen Systemen zur Effizienzsteigerung oder die Zusammenarbeit unterschiedlicher Plattformen zur Aufgabenteilung. Besonders für Brückenbauwerke bietet sich eine Kombination von fahrenden und fliegenden Plattformen ab. Die mobilen Plattformen umfassen z.-B. robotische Hunde, Unterwasser-Rover, fahrende Rover sowie autonome UAS oder USVs. Besonders UAS werden in Zukunft durch Systeme zur Risikominderung wie Fallschirmsysteme deutlich sicherer. Hiermit ist der Betrieb in Zukunft eventuell auch trotz Unbeteiligten in anliegender Infrastruktur von Betonbauwerken möglich. Neben der Auflösung und Genauigkeit der Sensorsysteme ist die Miniaturisierung essenziel, um kostengünstige autonome Lösungen durch den Einsatz von kompakten Plattformen bereitzustellen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird in Zukunft die handnahe Prüfung weiterhin notwendig sein jedoch ergänzt und unterstützt durch automatisierte Methoden. Auch handgetragene Systeme oder sogenannte Helm-Scanning Systeme sind möglich für eine effektive Mensch-Maschine Interaktion und die Erfassung während der Ausübung anderer Aufgaben. Eine vollautomatisierte Inspektion kann zusätzlich durch eine Multi-Sensordatenfusion robuster werden. Hierbei kann z.-B. die Kombination der Interpretation von RGB- Bildinformationen und z.- B. der laserbasierten Hohlstellendetektion oder Feuchtemessung ein vollständiges Verständnis ermöglichen. Zusätzlich wird dadurch die digitale Inspektion zur stichprobeartigen Überprüfung der automatisierten Ergebnisse ermöglicht, da eine realitätsnahe Darstellung zur Inspektion hilfreich ist. 4. Zusammenfassung In dieser Arbeit wurde ein Überblick über neue Technologien im Bereich Sensorik und Autonomie für die automatisierte Inspektion von Betonbauwerken präsentiert. Lösungen für die automatisierte Detektion von oberflächigen Schäden wie z.-B. Risse per UAS im autonomen Betrieb bieten hier den Vorteil, einen kostengünstigen Kompromiss zwischen Kontext und ausreichender GSD zu ermöglichen. Hierfür wurden aktuelle Untersuchungen präsentiert. Zusätzlich wurden Möglichkeiten zur Verwendung von unterschiedlichen Wellenlängen für die Detektion des Feuchtegehalts an Betonoberflächen aufgezeigt. Abgesehen von der oberflächigen Untersuchung von Betonbauwerken, wurde aufgezeigt, wie mittels Laser-Doppler-Vibrometrie Hohlstellen automatisiert detektiert werden können. Zielobjekte sind Tunnel aber perspektivisch z.-B. auch Brückenbauwerke. Die Intensitäts- und 3D-Information von einem Unterwasser-Li- DAR System zeigt zudem die mögliche Detektion von Unterwasserdefekten. Abschließend wurde ein Ausblick auf robotische Messtechnik zur Automatisierung von Inspektionsaufgaben diskutiert. Neben der Verwendung von Echtzeit-KI wurde herausgestrichen, dass besonders die Miniaturisierung, die erweiterten Messparameter, die Messgenauigkeit und die Integration in robuste autonome Gesamtsysteme eine entscheidende Rolle spielen. Danksagung Diese Arbeit ist finanziert durch das Fraunhofer-Leitprojekt „Ganzheitliches Verfahren für eine nachhaltige, modulare und zirkuläre Gebäudesanierung - BAU-DNS“. Literaturverzeichnis [1] J. Jung, D. Merkle und A. Reiterer, „Automated Camera Pose Generation for High-Resolution 3D Reconstruction of Bridges by Unmanned Aerial Vehicles,“ Remote Sensing, Bd. 16, Nr. 8, p. 1393, 2024. https: / / doi.org/ 10.3390/ rs16081393 [2] J. J. Lin, A. Ibrahim, S. Sarwade und M. Golparvar- Fard, „Bridge Inspection with Aerial Robots: Automating the Entire Pipeline of Visual Data Capture, 3D Mapping, Defect Detection, Analysis, and Reporting,“ Journal of Computing in Civil Engineering, Bd. 35, Nr. 2, 2021. https: / / doi.org/ 10.1061/ (ASCE)CP.1943-5487.0000954 [3] Z. Shang und Z. Shen, „Flight Planning for Survey-Grade 3D Reconstruction of Truss Bridges,“ Remote Sensing, Bd. 14, Nr. 13, p. 3200, 2022. https: / / doi.org/ 10.3390/ rs14133200 [4] K. N. Poku-Agyemang und A. Reiterer, „3D Reconstruction from 2D Plans Exemplified by Bridge Structures,“ Remote Sensing, Bd. 15, p. 677, 2023. https: / / doi.org/ 10.3390/ rs15030677 [5] D. F. Escoté, J. Löw und weitere, „DJITelloPy,“ 9. Juni 2023. [Online]. Available: https: / / github.com/ damiafuentes/ DJITelloPy [6] University, „crack Dataset. OpenSource Dataset,“ Roboflow Universe, 2022. [Online]. Available: https: / / universe.roboflow.com/ university-bswxt/ crack-bphdr [Aufruf am 31. Juli 2024]. [7] C. S. G. Werner, J., S. Frey, D. Steiger und A. Reiterer, „Development of a compact pulsed time-offlight LiDAR platform for underwater measurements,“ The International Hydrographic Review, Bd. 29, Nr. 2, pp. 200-207, 2023. https: / / doi. org/ 10.58440/ ihr-29-2-n09 [8] „Compact, large aperture 2D deflection optic for Li- DAR underwater applications,“ Proceedings Volume Remote Sensing of the Ocean, Sea Ice, Coastal Waters, and Large Water Regions 2022, p. 1226306, 2022. https: / / doi.org/ 10.1117/ 12.2634709