Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
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Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden
0925
2024
Sebastian Schulze
Für Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit von Spannbetonbauteilen im nachträglichen Verbund sind vollständig verpresste Hüllrohre essenziell. Ohne ausreichende Verpressung ist ein langfristiger Korrosionsschutz der Litzen nicht sichergestellt, die Lebensdauer einer Brücke durch den „Geburtsfehler“ Verpressmangel ggf. deutlich reduziert. Erkannt werden derartige Mängel üblicherweise erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Fertigstellung einer Brücke, da leere Hüllrohre und daraus folgende Schäden wie Korrosion und Litzenbrüche im Rahmen der Bauwerksuntersuchungen häufig nicht (oder zu spät) erkannt werden. Der Beitrag zeigt anhand aktueller Praxisbeispiele Einsatzmöglichkeiten zur schadfreien Untersuchung des Verpresszustands bestehender Brückenbauwerke. Insbesondere die Radiographie (Röntgen) hat dabei ihre Praxisrelevanz als direkt bildgebende, millimetergenaue Vermessung ermöglichende zerstörungsfreie Untersuchungsmethode erwiesen. Auch Ultraschall lässt sich in vielen Fällen zielführend zur Abschätzung des Verpresszustands einsetzen. In Kombination mit minimal-invasiven endoskopischen Eingriffen kann der Verpresszustand in der Regel gut bewertet werden. Das Potential der Methoden wird an Bauwerken aus ganz Deutschland mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen erläutert.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 183 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden Einsatz von Ultraschall, Röntgen und Endoskopie Dr.-Ing. Sebastian Schulze bauray GmbH, Hamburg Zusammenfassung Für Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit von Spannbetonbauteilen im nachträglichen Verbund sind vollständig verpresste Hüllrohre essenziell. Ohne ausreichende Verpressung ist ein langfristiger Korrosionsschutz der Litzen nicht sichergestellt, die Lebensdauer einer Brücke durch den „Geburtsfehler“ Verpressmangel ggf. deutlich reduziert. Erkannt werden derartige Mängel üblicherweise erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Fertigstellung einer Brücke, da leere Hüllrohre und daraus folgende Schäden wie Korrosion und Litzenbrüche im Rahmen der Bauwerksuntersuchungen häufig nicht (oder zu spät) erkannt werden. Der Beitrag zeigt anhand aktueller Praxisbeispiele Einsatzmöglichkeiten zur schadfreien Untersuchung des Verpresszustands bestehender Brückenbauwerke. Insbesondere die Radiographie (Röntgen) hat dabei ihre Praxisrelevanz als direkt bildgebende, millimetergenaue Vermessung ermöglichende zerstörungsfreie Untersuchungsmethode erwiesen. Auch Ultraschall lässt sich in vielen Fällen zielführend zur Abschätzung des Verpresszustands einsetzen. In Kombination mit minimal-invasiven endoskopischen Eingriffen kann der Verpresszustand in der Regel gut bewertet werden. Das Potential der Methoden wird an Bauwerken aus ganz Deutschland mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen erläutert. 1. Einführung Etwa zwei Drittel der großen Fernstraßenbrücken Deutschlands sind in Spannbetonbauweise mit nachträglichem Verbund errichtet. Der Großteil dieser Brücken wiederum wurde in der Hochzeit des Spannbetonbaus in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erbaut [1], und erfährt Jahrzehnt für Jahrzehnt zunehmende Belastung durch Verkehr. Umso erstaunlicher ist es, dass die Qualität der Verpressung der Hüllrohre der allermeisten Brücken nie systematisch überprüft wurde, weder während der Herstellung noch im Zuge der Abnahme oder späterer Hauptprüfungen. Stets wurde eine - sehr einfache - Qualitätssicherung beim Einpressvorgang selbst als hinreichend für den Nachweis des Verpresserfolgs angesehen. Dabei können die Beprobung des Verpressmörtels, der gleichmäßige Austritt von Verpressmörtel an den Entlüftungsröhrchen sowie das Anlegen von Verpressprotokollen kaum als hinreichend betrachtet werden, um die „Black Box“ des Hüllrohrinnern ohne Weiteres als „vollständig verpresst“ zu bewerten. In der Praxis hatte (und hat immer noch? ) eine Vielzahl möglicher Faktoren einen Einfluss auf den tatsächlichen Verpresserfolg - Mörtelrezeptur, Geschwindigkeit des Einpressvorgangs, Beton-, Mörtel- und Lufttemperatur während der Verpressung, tatsächliche Lage von Einpress- und Entlüftungsöffnungen, tatsächliche Neigungen und Krümmungen im Spanngliedverlauf, Querschnitt des verwendeten Hüllrohrs, tatsächliche Lage der Litzen im Hüllrohr, usw. Eine systematische Nachprüfung der Verpressung von Spanngliedern erfolgt unserer Erfahrung nach grundsätzlich nur in drei Fällen: 1. Bei Auftreten von Schäden, deren Ursache in Verpressmängeln vermutet wird 2. Im Zuge von Rückbaumaßnahmen mit zeitlich begrenzten, besonderen Lastzuständen (z. B. freigeschnittene Kragarme) 3. Bei Umbau/ Nachrechnung/ Umnutzung Die Ambivalenz im Umgang mit Spannbeton (und mit Bauwerken im Allgemeinen) wird hier sehr deutlich: Einerseits wird, solange keine Schäden erkennbar sind, stets fehlerfreie Herstellung angenommen, andererseits wird man bei den Punkten 2 und 3 dann doch nervös und traut dem Bauwerk versteckte Mängel zu, die es zu überprüfen gilt. In den folgenden Praxisbeispielen werden Ansätze zur zerstörungsfreien bis -armen Bewertung des Verpresszustands von Spanngliedern an Bestandsbrücken vorgestellt. 2. Bildgebende Bauwerksdiagnostik per Radiographie und Ultraschall Radiographie bzw. Röntgen, Ultraschall und auch Endoskopie sind dem Laien als diagnostische Methoden aus der Medizin bekannt. Das Prinzip der Radiographie ist einfach und ähnelt sehr dem der klassischen Schwarz-Weiß-Fotografie, bei der ein Film belichtet wird und über Belichtungs-, d. h. Helligkeitsunterschiede ein für das menschliche Auge interpretierbares Kontrastbild entsteht. Beim medizinischen Röntgen entsteht dieser Helligkeitsunterschied durch die unterschiedliche Absorption der auf den Körper einfal- 184 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden lenden Strahlung, die insbesondere von der Dichte der „Einbauteile“ des menschlichen Körpers abhängt. So absorbieren z. B. Knochen mehr Strahlung als das umliegende Gewebe geringerer Dichte und es entsteht auf der Fotoplatte, dem Röntgenfilm bzw. dem digitalen Detektor ein Kontrastbild mit stärker und schwächer belichteten Bereichen, auf denen die Bestandteile des durchleuchteten Körperteils sichtbar werden. Das Prinzip ist dasselbe wie bei der Lichtbildfotografie, lediglich die genutzte Energie ist beim Röntgen deutlich höher, die Strahlung „härter“. Bei beiden Anwendungen werden elektromagnetische Wellen genutzt - aus dem Spektrum des sichtbaren Lichts bzw. aus dem mehrere Größenordnungen höhenergetischen Spektrum der Röntgenstrahlung. Abb. 1 zeigt ein einfaches Beispiel für den Einsatz von Röntgen bei der Untersuchung von Bauteilen. Aus dem Röntgenbild lassen sich alle Abmessungen, insbesondere die Durchmesser der eingebauten Bewehrung, ablesen. Abb. 1: Visualisierung der Bewehrung einer Rundstütze per Radiographie (Röntgen). Rechts das Bild mit der Röntgenröhre (orange) rechts von der Stütze und dem Detektor direkt links der Stütze; links das Röntgenbild des Stützenfußes mit sechs Vertikaleisen sowie der Wendelbewehrung Beim Ultraschallechoverfahren im Bauwesen werden an der Betonoberfläche elastische Wellenimpulse durch hochfrequentes Schwingen von Erregerprüfköpfen erzeugt. Diese Signale breiten sich im Beton gemäß physikalischen Gesetzen aus, werden an Grenzflächen zu Stoffen anderer akustischer Eigenschaften reflektiert und an Empfängerprüfköpfen aufgezeichnet (Impuls-Echo-Prinzip). An Grenzschichten zu Luft erfolgt dabei stets eine Totalreflexion, zu darunterliegenden Bauteilen/ Schichten kann keine Aussage getroffen werden. Über die Laufzeit des Signals kann bei bekannter Schallgeschwindigkeit die Entfernung zum Prüfkopf bestimmt werden. In Abhängigkeit des Zustandes von Oberfläche und Betonstruktur können Bauteile bis in Tiefen von ca. 100 - 150 cm untersucht werden. Bewehrung kann bei guten Randbedingungen bis in Tiefen von ca. 80 cm detektiert werden (ohne den Durchmesser feststellen zu können). Rückwände massiver Bauteile sind mit manuell einsetzbaren Messgeräten in Tiefen von bis zu ca. 250 cm detektierbar. Werden entlang einer Linie oder Fläche mehrere Signale erzeugt und empfangen, so kann mittels geeigneter Rekonstruktionsalgorithmen eine bildgebende Darstellung des Bauteilinnern erzeugt werden (vgl. Abb.-2). Abb. 2: Rekonstruktion eines horizontalen Wandquerschnitts per Ultraschall (exemplarische Abbildungen). Oben Ultraschallechomessung an Wandoberfläche, unten Ultraschallbild als rekonstruierter horizontaler Wandquerschnitt auf Planausschnitt. Der wesentliche Vorteil bei Einsatz der Röntgentechnik im Bauwesen: Die direkte Bildgebung ermöglicht dem fachkundigen Baubeteiligten einen direkten, ohne Auslegungsschwierigkeiten interpretierbaren Blick ins Bauwerksinnere. Wo bei Ultraschall- oder anderen Verfahren (z. B. Radar) der Auftraggeber auf die Interpretation durch den erfahrenen Bauwerksprüfer angewiesen ist, ist dies im Falle von Spanngliedern oder schlaffer Bewehrung an Bauwerken nicht erforderlich. Die Bilder sprechen für sich, ähnlich z. B. wie beim Menschen, bei dem auch der Patient selbst den Knochen(-bruch) auf dem Röntgenbild zu erkennen vermag. Der Nachteil der Röntgentechnik im Vergleich mit anderen Untersuchungsmethoden liegt in dem Erfordernis der beidseitigen Zugänglichkeit, handelt es sich doch um eine Durchstrahlungs- und keine Echoprüfung. 2.1 Bewertung des Verpresszustands an einer Brücke mit schadhaften Spanngliedern Während Ausbesserungsarbeiten an Längsträgern der Hochstraße Elbmarsch im Zuge der A7 in Hamburg wurden 2022 bauseits unverpresste Spannglieder mit Litzenbrüchen vorgefunden (Abb. 1). Die Brücke wurde Anfang der 1970er erbaut, die betroffenen Hüllrohre waren demnach seit 50 Jahren völlig unverfüllt. Infolge der Verpressmängel sind irgendwann in diesem Zeitraum dann auch die festgestellten Litzenbrüche entstanden. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 185 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden Abb. 3: Bauzeitlich unverfülltes Spannglied mit weitgehend abgerostetem Hüllrohr und korrosiven, teils gebrochenen Spannlitzen, festgestellt im Zuge von Betonausbesserungsarbeiten 50 Jahre nach Bau der Brücke. Um den gesamten Schadensumfang zu erfassen und die nachträgliche Verpressung der Hüllrohre zu ermöglichen, war der Verpresszustand der Spannglieder zerstörungsfrei und minimal-invasiv zu erkunden. Zum Einsatz kamen die Methoden Ultraschall und Radiographie (Röntgen). Ergänzend wurden minimal-invasive endoskopische Untersuchungen durchgeführt. Abb. 4: Ultraschall- (links) und Röntgenuntersuchung (rechts; oben Detektorseite, unten Strahlerseite) am Brückenlängsträger Die Ultraschallbilder wurden hinsichtlich der Hüllrohrrückseite bewertet, die nur dann im Ultraschallbild sichtbar sein kann, wenn das Hüllrohr mörtelverfüllt ist (Abb.- 5). Anderenfalls würde das Signal von der Vorderseite des leeren Hüllrohr vollständig reflektiert werden. Dieser Ansatz funktioniert für relativ oberflächennah liegende Hüllrohre in erster Spanngliedlage, bei wenig Störanzeigen z. B. aufgrund von Betonbewehrung, und auch nur dann, wenn keine Ablösungen zwischen Verpressmörtel und Hüllrohr vorliegen. Abb. 5: Ausgewertetes Ultraschallbild der Messung aus Abb.-4 (senkrechte Messung an Steg hier horizontal dargestellt). Grün: Hüllrohrvorderseite; blau: Hüllrohrrückseite; rot: Bauteilrückseite, gelb gestrichelt: hintere/ zweite Spanngliedlage (nicht bewertbar). Abb.-5 zeigt ein Röntgenbild aus einem Bereich, in dem der Steg ca. 35 cm stark ist. Die eingesetzte Technik kommt hier an die Grenzen des technisch Möglichen, für die Durchstrahlung größerer Bauteilabmessungen wäre eine Röntgenröhre bzw. ein Beschleuniger mit höherer Energie erforderlich. Die Grauwerte des Bildes, d. h. die Belichtungsstärke außerhalb und (abseits der Litzen) innerhalb des Hüllrohrs sind ähnlich, was hier als Nachweis des verpressten Hüllrohrs ausreicht, da Mörtel und umliegender Beton in etwa dieselbe Schwächung der Strahlung bewirken. Ein unverpresstes Hüllrohr würde eine deutlich stärkere Belichtung, d. h. ein helleres Bild, aus dem Hüllrohrinnern zeichnen, da in diesem Falle keine Schwächung der Strahlung durch den Verpressmörtel auftreten würde. 186 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden Abb. 6: Exemplarisches Röntgenbild eines Spanngliedes aus dem Trägersteg mit ca. 35 cm durchstrahlter Bauteilstärke. Sichtbar ist das Hüllwellrohr mit tangential durchstrahlter Hüllrohrwandung sowie das Litzenbündel (einzelne Litzen nicht unterscheidbar) und die außerhalb des Hüllrohrs befindliche Betonstabbewehrung. Soweit möglich, wurde Ultraschall und Röntgen eingesetzt, um den Verpresszustand der Hüllrohre zerstörungsfrei zu untersuchen. War Röntgen nicht möglich und das Ultraschallbild nicht eindeutig, wurden ergänzend Endoskopien durchgeführt. Dafür wurde die Lage der Spannglieder per Ultraschall und Radar möglichst genau geortet und die Hüllrohre dann vorsichtig oberseitig angebohrt, um den Verpresszustand visuell zu überprüfen (Abb.-7). Abb. 7: Typische Ergebnisse der endoskopischen Untersuchung - links oberseitig angeschnittenes, vollverpresstes Hüllohr (Blick frontal in den Bohrkanal), rechts leeres Hüllrohr (Blick seitlich in das Hüllrohr nach Auf bohren des Hüllrohrs wie Abb.7 links). Insgesamt wurden an diesem Bauwerk ca. 300 Spannglieder untersucht. Festgestellt wurden zwei leere Spannglieder und vereinzelte nicht voll verpresste Spannglieder, das Gros der Hüllrohre wies jedoch keine Auffälligkeiten auf, so dass der Instandsetzungsaufwand in engen Grenzen gehalten werden konnte. 2.2 Zustandsuntersuchung als Vorbereitung der Planung von Verstärkungsmaßnahmen An einer dreifeldrigen Hohlkastenbrücke über die Agger in NRW sind Verstärkungsmaßnahmen vorgesehen. Dazu war neben der Überprüfung der Betonqualität (Druckfestigkeit) und des Planabgleichs der Lage der Quer- und Längsspannglieder auch die stichprobenartige Untersuchung des Verpresszustands der Hüllrohre von Interesse. Die Lageortung erfolgte auch hier mit Ultraschall, die zerstörungsfreie Einschätzung des Verpresszustands war aufgrund massiver Bauteilabmessungen (ungünstig für Röntgen) sowie Beton mit hohem Luftporenanteil und teilweise stark verwitterter Oberfläche (ungünstig für Ultraschall) schwierig, daher wurde vielerorts ausschließlich endoskopisch untersucht. Abb. 8: Brücke über die Agger Abb.-9 zeigt exemplarisch einige Ergebnisse der Sondierungen. Festgestellt wurden an etwa 20 % aller Untersuchungsstellen Verpressfehler unterschiedlichen Ausmaßes; vereinzelt waren Hüllrohre - zumindest im jeweils endoskopierten Bereich nahe der Hochpunkte des Spanngliedverlaufs - vollständig unverpresst und teilweise korrosiv (Abb.9 oben). An vielen Stellen entsprachen die Befunde Abb.-9 unten mit teilverfüllten Hüllrohren, bei denen davon auszugehen ist, dass die Hüllrohre weiter oben Richtung Hochlage noch geringer verfüllt oder unverfüllt vorliegen. Aufgrund der festgestellten Befunde wird das Untersuchungsprogramm zum Zeitpunkt der Abgabe dieses Manuskripts noch ausgeweitet. Vorgesehen sind weitere Öffnungen insbesondere der von den Seiten aus nicht zugänglichen Hüllrohre des Spanngliedpakets an den Hochpunkten der Spanngliedverläufe von der Straßenoberseite aus. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 187 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden Abb. 9: stichprobenartig endoskopierte Hüllrohre (in seitlich zugänglichen Bereichen unterhalb des hier abgebildeten Schnitts der Hochlage) mit Ampelbewertung des Verpresszustands; exemplarische Endoskopien aus dem Hüllrohrinnern. 2.3 Hochauflösende Untersuchung des Verpresszustands An einer einfeldrigen Brücke mit schlanken Fertigteilträgern konnte die Radiographie eingesetzt werden (Abb.-10 und 11), es waren keine Eingriffe in die Brückensubstanz zur Bewertung des Verpresszustands erforderlich. Abb. 10: Brücke über den Illerkanal; Längsschnitt mit Lage der unten abgebildeten Röntgenbilder Abb. 11: oben mobile Röntgenkontrollstation; unten Anordnung Röntgenröhre (hinten) und Detektor (vorne, zwischen Rohrleitungen und Steg) Der Steg weist eine Stärke von lediglich 14 cm auf, wodurch eine extrem hochauflösende Röntgenaufnahme des Bauteilinnern möglich wird, vgl. folgende Abbildungen. Sichtbar sind die Hüllrohrwindungen nicht nur im tangentialen Anschnitt, sondern umlaufend, außerdem sind die Litzen teilweise unterscheidbar, und selbst der Befestigungsdraht des Bewehrungskorbes (unter- 2 mm Durchmesser) und die Rippung des bauzeitlichen Tor- Rippenstahls sind deutlich erkennbar. Die vollständige Verfüllung der Hüllrohre ist eindeutig feststellbar, selbst eine augenscheinliche Kaltfuge oder Versackung im Verpressmörtel (welche mutmaßlich keinen Einfluss auf Dauerhaftigkeit und Kraftschlüssigkeit hat) ist sichtbar. 188 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden In den Röntgenbildern ist außerdem deutlich die Kornstruktur des Betons erkennbar. Abb. 12: Röntgenbilder der Spannglieder (vgl. Lage in Abb.-10). Abb. 13: Vergrößerte Details aus Abb.-12: Hüllrohr und Befestigungsbügel; Kaltfuge/ Versackung im Verpressmörtel unterhalb des Litzenbündels 3. Fazit und Ausblick Insbesondere die Radiographie zeigt anhand der hier vorgestellten Praxisbeispiele eindrucksvoll ihr Potential für die Bauwerksuntersuchung, speziell für den Blick ins Innere von Spanngliedern, der ansonsten mit so hoher Aussagefähigkeit zerstörungsfrei nicht möglich ist. Zwar kann das Ultraschallverfahren in einigen Fällen bei der Bewertung des Verpresszustands helfen, aber nur per endoskopischer Sichtprüfung ist ansonsten eine gesicherte Aussage möglich - wobei auch dies stets nur für den einen Öffnungspunkt gilt, an anderen Stellen des Spanngliedverlaufs, besonders in den teils schwer zugänglichen Hochlagen oder im Bereich von Verankerungen, kann ein anderer Verpresszustand vorliegen. Um künftig auch massivere Bauteile als die bisher möglichen ca. 35 cm bildgebend durchstrahlen zu können, laufen aktuell Machbarkeitsstudien zum Einsatz von 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 189 Untersuchung des Verpresszustands von Spannbetonbauten mit non- und minimal-invasiven Methoden Elektronenbeschleunigern mit hohen Beschleunigungsenergien. Erste Ergebnisse bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin deuten auf einen Einsatzbereich von bis zu etwa 80 cm Bauteilstärke hin (Abb.-14). Damit wären dann auch massivere Konstruktionen (breite Hohlkastenstege, dünne bis mittlere Plattenbalken) untersuchbar, insbesondere auch in ggf. relevanten Verankerungsbereichen. Abb. 14: Röntgenbild der Verankerung eines Spannankers mit Gesamtbauteilstärke von 77 cm (zusammengesetzte Laborprobekörper) Literatur [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS): Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), Mai 2011
