eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen

0925
2024
Florian Schill
Gregor Schacht
Torsten Harke
Die Verkehrsinfrastruktur ist in die Jahre gekommen. Der heutige Zustand ist auf eine Kombination aus Alterung und damit einhergehender fortschreitender Schädigung bei weiter steigendem Verkehrsaufkommen zurückzuführen. Aber auch neuere Brücken können bereits erhebliche fertigungsbedingte Schäden aufweisen. Das Erhaltungsmanagement des Brückenbestandes gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Häufig fehlen jedoch aktuelle Informationen über den tatsächlichen Zustand der Bauwerke. Dies liegt daran, dass der Einsatz konventioneller taktiler Sensoren sehr zeit- und personalintensiv ist. Zudem können aufgrund der Messprinzipien nur an wenigen ausgewählten Stellen Messungen durchgeführt werden. In der Kombination dieser Probleme liegt das große Potenzial für den Einsatz des berührungslosen Profilscannings (PLS) an Brückenbauwerken. Dabei wird das Tragwerk mit einem Laserstrahl hochfrequent abgetastet, ohne dass es betreten werden muss. Durch die so sehr effizient gewonnenen räumlich verteilten Verschiebungsmessungen kann eine deutlich höhere räumliche Informationsdichte am Bauwerk erreicht werden, als dies bisher möglich war.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 197 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen Prof. Dr.-Ing. Florian Schill Hochschule Mainz, i3mainz, Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik Dr.-Ing. Gregor Schacht Marx Krontal Partner GmbH, Dresden Dipl.-Ing. Torsten Harke Marx Krontal Partner GmbH, Weimar Zusammenfassung Die Verkehrsinfrastruktur ist in die Jahre gekommen. Der heutige Zustand ist auf eine Kombination aus Alterung und damit einhergehender fortschreitender Schädigung bei weiter steigendem Verkehrsaufkommen zurückzuführen. Aber auch neuere Brücken können bereits erhebliche fertigungsbedingte Schäden aufweisen. Das Erhaltungsmanagement des Brückenbestandes gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Häufig fehlen jedoch aktuelle Informationen über den tatsächlichen Zustand der Bauwerke. Dies liegt daran, dass der Einsatz konventioneller taktiler Sensoren sehr zeit- und personalintensiv ist. Zudem können aufgrund der Messprinzipien nur an wenigen ausgewählten Stellen Messungen durchgeführt werden. In der Kombination dieser Probleme liegt das große Potenzial für den Einsatz des berührungslosen Profilscannings (PLS) an Brückenbauwerken. Dabei wird das Tragwerk mit einem Laserstrahl hochfrequent abgetastet, ohne dass es betreten werden muss. Durch die so sehr effizient gewonnenen räumlich verteilten Verschiebungsmessungen kann eine deutlich höhere räumliche Informationsdichte am Bauwerk erreicht werden, als dies bisher möglich war. 1. Einführung Vor dem Hintergrund einer alternden Infrastruktur und dem deutlichen Trend zu schnelleren Zügen, höheren Streckenauslastungen und zunehmendem Güterverkehr auf der Straße wird immer häufiger über den schlechten Zustand der Verkehrsinfrastruktur, über marode Brücken und die Probleme von Stahl- oder Spannbetonbrücken aus den 1960er und 1970er Jahren berichtet. Eher selten wird über Schäden an neueren Brückenbauwerken berichtet [1], da die Planungs- und Ausführungsqualität sowie die Prüfung und Überwachung i. A. eine entsprechende Qualität sicherstellen sollten. Um das gesamte Spektrum abzudecken, werden im Folgenden zwei völlig unterschiedliche Bauwerke betrachtet: Eine Autobahnbrücke aus den 60er Jahren, die durch den enormen Güterverkehr auf der Brennerautobahn und den Ausbau auf 3 Fahrspuren pro Richtung im Prinzip ihr Lebensende erreicht hat. Und eine wenige Jahre alte Eisenbahnbrücke, die aufgrund von Herstellungsfehlern bereits massive Schäden aufweist. Beiden Bauwerken ist gemeinsam, dass die Zustandsbeurteilung bestehender Brücken zunehmend zu einer Herausforderung wird, wenn wichtige Entscheidungen über kostenintensive Ersatz- oder Sanierungsmaßnahmen getroffen werden müssen, insbesondere wenn diese bereits nach wenigen Jahren erforderlich werden. In diesem Zusammenhang ist die genaue Kenntnis des tatsächlichen Tragverhaltens ein wertvolles Instrument zur Zustandsbewertung, das in vielen Fällen zu einer Verlängerung der Restlebensdauer und damit zu erheblichen Vorteilen für die Brückeneigentümer und die Gesellschaft führen kann. Das tatsächliche Tragverhalten wird in der Regel durch experimentelle Untersuchungen ermittelt, die Messungen von Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Dehnungen, Neigungen oder Temperaturen umfassen können [2-4]. Darüber hinaus werden Wegmessungen auf der Basis linearer Wegaufnehmer (LVDT) eingesetzt, um relative Verschiebungen an Auflagern [2], zwischen benachbarten Überbauten derselben Brücke [5] oder die Breite vorhandener Risse zu ermitteln. Diese Art der Verschiebungsmessung ist prinzipiell möglich, da ein fester Referenzpunkt für die Installation des Sensors verwendet werden kann. Ein weiterer wichtiger Parameter des Tragverhaltens wäre die absolute vertikale Verschiebung der Brücke. Diese kann direkte Informationen über die tatsächliche Steifigkeit des Tragwerks liefern, die wiederum in den Aktualisierungsprozess des Tragwerksmodells einfließen können [6, 7]. Die direkte Messung absoluter Verschiebungen mit klassischen LVDTs ist jedoch in der Regel zumindest sehr aufwendig, wenn nicht sogar unmöglich, da feste Referenzpunkte fehlen [4] bzw. die Brücke einfach zu hoch ist. Um diese Lücke zu schließen, wurden in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte auf dem Gebiet der berührungslosen Verschiebungsmessung erzielt. Entsprechende Sensoren ermöglichen die Messung von Bauwerksverschiebungen, ohne dass Sensoren am Bauwerk angebracht werden müssen. 198 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen Geeignete Technologien für berührungslose Verschiebungsmessungen sind z. B. das terrestrische Laserscanning (TLS) [8, 9, 10, 11, 12], die Laservibrometrie [13, 14], bildgestützte Totalstationen [15], und die Mikrowelleninterferometrie [10, 16, 17, 18]. Im Vergleich zu anderen berührungslosen Messtechniken, die nur Messungen an einem Punkt erlauben, können mit TLS oder Profillaserscannern (PLS) zusätzlich räumlich verteilte Messungen durchgeführt werden. Die räumliche Auflösung bietet den großen Vorteil, dass größere Bereiche der Struktur mit nur einem Sensor überwacht werden können, was ein tieferes Verständnis der Strukturantwort auf effiziente Weise ermöglicht. Bevor in Abschnitt 3 näher auf das terrestrische Laserscanning (TLS) und insbesondere auf dessen Einsatz als PLS für dynamische bzw. statische Belastungstests eingegangen wird, werden in Abschnitt-2 die beiden untersuchten Brücken vorgestellt. 2. Brücken und Belastungstests Wie in Abschnitt 1 erwähnt, werden im Folgenden Belastungsversuche an zwei recht unterschiedlichen Brücken vorgestellt, die in diesem Abschnitt zunächst näher betrachtet werden sollen. 2.1 Autobahnbrücke Die österreichische Brennerautobahn ist Teil der Europastraße E45, die Europa in Nord-Süd-Richtung von Nordfinnland bis Süditalien durchquert. Die Alpenüberquerung in Österreich ist ein wichtiger Teil der Strecke und auch für den grenzüberschreitenden Güterverkehr in Europa von entscheidender Bedeutung. Die Autobahnstrecke über die Alpen wurde hauptsächlich in den 1960er Jahren gebaut, und in dieser Zeit wurde auch die untersuchte Brücke errichtet. Abb. 1: Ansicht der Autobahnbrücke: Feld 7 Ursprünglich war die Brücke für zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung ausgelegt, aufgrund des zunehmenden Verkehrsaufkommens wurde in den 1980er Jahren eine dritte Fahrspur eingerichtet. Die grundlegende Tragstruktur der Brücke blieb im Laufe der Jahre im Wesentlichen unverändert. Als wichtiger Bestandteil einer europäischen Transitroute muss das Bauwerk daher sorgfältig überwacht werden. Das Bauwerk selbst besteht aus einer Stahl-Beton-Verbundkonstruktion und ist als 7-feldiger Durchlaufträger ausgebildet, wobei die äußeren Felder eine Länge von 70-m und alle anderen Felder eine Länge von 84 m aufweisen. Die Gesamtlänge beträgt somit 560-m. Teil dieser Überwachungsstrategie war ein Belastungstest, der im Mai 2023 durchgeführt wurde. Dabei wurde eine Fahrtrichtung der Autobahnbrücke temporär gesperrt, um zwei Lkw mit einem Gewicht von jeweils 50-Tonnen auf der Brücke zu platzieren und so verschiedene Belastungsszenarien zu erzeugen. Zusätzlich wurden auch noch vier quasi-statische Versuche durchgeführt, Die Profilscannermessungen konzentrierten sich auf das Äußerste Feld (Feld 7) neben dem südlichen Brückenlager, wie in Abbildung 1 dargestellt. Neben dem Profilscanner kamen 3D-TLS [19, 20, 21], faseroptische Sensoren [19, 21, 22], dynamisch und statisch messende Totalstationen [19, 20, 23], ein terrestrisches Mikrowelleninterferometer, modulare Digitalkamera-Tachymeter [24], GNSS [21] und Beschleunigungssensoren [21] zum Einsatz. 2.2 Eisenbahnbrücke Bei der Eisenbahnbrücke handelt es sich um eine 370-m lange zweigleisige Eisenbahnüberführung, die als Bogenbrücke ausgeführt wurde. Die längste Spannweite beträgt 165-m. Das Gleis liegt bis zu 71 m über der Talsohle und ist im Bauwerksbereich bei einer Entwurfsgeschwindigkeit von 300-km/ h gerade, siehe Abbildung-2. Abb. 2: Ansicht der Eisenbahnbrücke Das Brückenbauwerk steht erst seit wenigen Jahren unter Verkehr und weist bereits erhebliche, herstellungsbedingte Schäden auf. Im Zuge der Bauwerksprüfung wurden zunächst Gefügestörungen und Betonabplatzungen erkannt und entsprechende Instandsetzungsmaßnahmen geplant. Bei der Instandsetzung stellte sich heraus, dass die Kiesnester und die starke Entmischung des Gefüges nicht nur lokal begrenzt waren, sondern großflächige Bereiche von mehreren Quadratmetern betroffen sind, siehe Abbildung 3. Die Schäden sind auf Entmischungs- und Auswaschungsvorgänge während der Betonage zurück- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 199 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen zuführen. Um das gesamte Ausmaß zu erfassen, wurden bauwerksdiagnostische Untersuchungen an der gesamten Bogenbrücke durchgeführt. Die Untersuchungen bestätigten die Vermutungen hinsichtlich der schlechten Betonqualität des Bogenbetons. Aufgrund der Ergebnisse stellten sich Fragen zur Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit des Bauwerks unter Verkehr. Da eine rechnerische Bewertung der Schäden allein nicht aussagekräftig war, entschied sich der Bauherr für die Durchführung eines Belastungsversuches. Der statische Belastungsversuch wurde mit fünf Lokomotiven mit einem Gesamtgewicht von 550 Tonnen in verschiedenen Laststellungen durchgeführt. Um die Verformungen unter der aufgebrachten Last möglichst einfach und zuverlässig ermitteln zu können, wurde ein berührungslos messender Profilscanner (PLS) eingesetzt. Abb. 3: Schadstelle mit stark entmischtem Betongefüge 3. Terrestrisches Laserscanning (TLS) Terrestrische Laserscanner (TLS) wie der Z+F IMA- GER 5016 ermöglichen die Digitalisierung der gesamten Umgebung in einem 360°-Panorama in Form einer 3D- Punktwolke. Während des Scanvorgangs lenkt ein hochfrequent rotierender Spiegel den Laserstrahl ab und der TLS rotiert zusätzlich um seine vertikale Achse. Durch dieses sequenzielle Aufnahmeverfahren entsteht eine hochaufgelöste Punktwolke der sichtbaren Umgebung, siehe Abbildung 4. Die berührungslose Distanzmessung des Z+F IMAGER 5016 arbeitet nach dem AMCW-Verfahren (Amplitude Modulated Continuous Wave). Um den absoluten Distanzwert zu erhalten, wird die Phasenverschiebung zwischen reflektiertem und ausgesendetem Signal genutzt, die durch den Lichtweg in dem intensitätsmodulierten periodischen Signal induziert wird. Zur Auflösung der Phasenmehrdeutigkeiten und damit zur Bestimmung der absoluten Entfernung werden der Trägerwelle mehrere Wellenlängen aufmoduliert. Zusätzlich wird dem Nutzer die Amplitude (Intensität) bereitgestellt, die das Verhältnis von ausgesendeter zu empfangener Energie darstellt, siehe Graustufen in Abbildung 4. Abb. 4: Auszug aus der 3D-Punktwolke von Feld 7 der Autobahnbrücke. Intensitätswerte sind als Graustufen dargestellt. Das Messverfahren zeichnet sich prinzipiell durch eine sehr hohe räumliche Auflösung aus, erlaubt aber wiederum nur eine geringe zeitliche Auflösung. Zudem liegt die Einzelpunktgenauigkeit im Millimeterbereich und ist damit für die meisten Monitoringanwendungen nicht ausreichend genau. 3.1 Profilscanner (PLS) dynamisch Ein Profilscanner (TLS im Profilmodus, 2D) [8, 10, 25, 26] verwendet dagegen nur den hochfrequent rotierenden Ablenkspiegel, es findet jedoch keine Rotation um die Stehachse statt, siehe Schema in Abbildung 5 und Ausschnitt eines Profils in Abbildung 6. Die räumliche Auflösung innerhalb des Profils („Winkelinkrement“) hängt von der Kombination der Rotationsgeschwindigkeit des Ablenkspiegels mit der gewählten Lasermessrate ab. Durch die Reduzierung der räumlichen Auflösung auf ein einzelnes Profil ist eine deutlich höhere zeitliche Auflösung möglich. Bei dem hier vorgestellten TLS liegt die wählbare Wiederholrate zwischen 14 und 55 Hz. Ein weiterer Aspekt bei der Betrachtung der tatsächlich verfügbaren räumlichen Auflösung in praktischen Anwendungen ist, dass die Einzelpunktgenauigkeit eines Profilscanners ähnlich wie beim 3D-TLS für die Anforderungen im Monitoringbereich in der Regel nicht ausreichend ist. Um die geforderte Genauigkeit zu erreichen, wird daher eine Mittelung über benachbarte Messpunkte durchgeführt, siehe Abbildung 6, was jedoch die räumliche Auflösung des Profilscannings zugunsten einer qualitativ besseren Ableitung der Verschiebungen weiter reduziert. 200 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen Abb. 5: Schematisierte Darstellung des Profilscanning Um eine Vorstellung von der erreichbaren räumlichen Auflösung zu bekommen, sind im Folgenden zwei Beispiele aufgeführt: 1. Bei einer Messfrequenz von 55 Hz werden pro Profil 20.000 Punkte gemessen, was einem theoretischen Winkelinkrement von 0,018° entspricht. Werden 75 benachbarte Messpunkte zusammengefasst (Klassenbildung, siehe Farbcodierung in Abbildung 6), so reduziert sich das tatsächlich verfügbare Winkelinkrement auf 1,35°, was einer räumlichen Auflösung von 0,24 m in 10 m Entfernung entspricht. 2. Wird die Messfrequenz auf 14 Hz reduziert, werden 80.000 Punkte pro Profil gemessen und eine räumliche Auflösung von 0,06-m in 10-m Entfernung erreicht. Abb. 6: Auszug aus Profilmessung, mit farblicher Darstellung der Klassenbildung. Aus den so erzeugten räumlich verteilten Zeitreihen können je nach Messgeometrie Verformungszeitreihen mit einer Genauigkeit im Submillimeterbereich abgeleitet werden. Im Vergleich zu anderen Messtechniken für Monitoringanwendungen, die nur Messungen an einem einzigen Punkt ermöglichen, erlauben PLS somit zusätzlich eine räumlich verteilte Erfassung der Strukturantwort. Die räumliche Auflösung bietet den Vorteil, dass größere Bereiche der Struktur mit einem einzigen Sensor überwacht und verifiziert werden können, was letztlich ein tieferes Verständnis der Strukturantwort auf sehr effiziente Weise ermöglicht. 3.2 Profilscanner (PLS) statisch Für den Einsatz bei statischen Belastungsversuchen spielt die Zeitkomponente eine untergeordnete Rolle, jedoch kann bei statischen Profil-Laserscans durch zusätzliche zeitliche Mittelung während der Lasthaltephasen die Genauigkeit und räumliche Auflösung weiter erhöht werden. Bei einer Lasthaltephase von 5 Minuten werden mindestens 4200 Profile gemessen. D. h. im oben definierten Beispiel mit 75 Punkten pro Klasse und Profil können 315.000 Einzelmessungen für die weitere Ableitung der Messwerte verwendet werden, was eine deutliche Genauigkeitssteigerung ermöglicht. Die größere Herausforderung bei statischen Belastungsversuchen mit Profilscannern besteht darin, die äußeren Rahmenbedingungen konstant zu halten, so dass z. B. keine Stativkippungen z. B. durch Sonneneinstrahlung oder instabilen Untergrund auftreten. Terrestrische Laserscanner sind, wie fast alle berührungslos messenden Sensoren, empfindlich gegenüber atmosphärischen Bedingungen, die im Extremfall, z. B. durch Regen oder Nebel, die Messung gänzlich verhindern können. 4. Quasi-statischer Belastungsversuch Bei quasi-statischen Belastungsversuchen wird die Geschwindigkeit, mit der die Belastung (LKW oder Lokomotive) das Messobjekt (Brücke) überfährt, in der Regel gering gehalten, um dynamische Effekte, die das Ergebnis verfälschen könnten, zu minimieren. Dies kommt dem Einsatz von Profilscannern entgegen, da die Messrate insgesamt nicht mit konventionellen Sensoren vergleichbar ist und zudem die räumliche Auflösung bei höheren Wiederholraten reduziert wird. Dementsprechend ist es in diesen Fällen sinnvoll, die niedrigste Wiederholrate von 14 Hz zu verwenden, da damit bis zu 80.000 Punkte pro Profil gemessen werden können und die räumliche Auflösung maximiert wird. Für die beiden Beispielbrücken wurde ein quasi-statisches Belastungsszenario nur für die Autobahnbrücke durchgeführt, daher konzentriert sich dieser Abschnitt auf diese Messungen. Der quasi-statische Belastungsversuch wurde mit zwei LKWs von je 50-t durchgeführt, die direkt hintereinander die gesamte Brücke mit einer Geschwindigkeit von 5 bzw. 30 km/ h überquerten. Die Position und Geschwindigkeit der beiden LKWs wurde mittels GPS überwacht, so dass die auftretenden Verformungen mit der Position der LKWs synchronisiert werden konnten. Die Messungen mit dem Profilscanner fanden in Feld 7 statt, der Scanner befand sich ca. 13 m unterhalb der Brü- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 201 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen cke, gemessen wurde ein Hauptträger. Da sich die Brücke in einer Kurve befindet, war der horizontale Messbereich am Hauptträger durch die Krümmung der Brücke auf ca. 50 m der gesamten Feldlänge von 70 m begrenzt. Pro Klasse werden in diesem Fall ca. 75 Messpunkte gemittelt, so dass letztlich 117 Klassen, d. h. 117 räumlich verteilte Verformungszeitreihen abgeleitet werden können, deren Standardabweichungen in einem Bereich um 0,1 mm liegen. Dabei nimmt die Standardabweichung aufgrund der sich verschlechternden Geometrie zum Rand hin tendenziell zu. Abbildung 7 zeigt einen Ausschnitt der Messergebnisse für eine Überfahrt mit 5 km/ h. Im oberen Diagramm ist eine Zeitreihe etwa in der Mitte des Feldes in schwarz dargestellt. Zusätzlich zeigen drei farbige Markierungen die Zeitpunkte, zu denen sich die beiden Lkw in der Mitte des Feldes 5 (blau), in der Mitte des Feldes 6 (rot) und in der Mitte des Feldes 7 (gelb) befinden. Hier zeigt sich die Konstruktion der Brücke als Durchlaufträger, da das gemessene Feld (Feld 7) bereits auf die Belastungen in den anderen Feldern reagiert und sich entsprechend hebt bzw. senkt. Diese Darstellung als Zeitreihe auf Basis einer ausgewerteten Klasse entspricht dem Ergebnis, das ein LVDT liefern würde. Im unteren Diagramm in Abbildung 7 sind die farbig markierten Zeitpunkte (LKW auf Feld 5, Feld 6, Feld 7) in voller räumlicher Auflösung mit 117 Klassen in der entsprechenden Farbe dargestellt. Der PLS ermöglicht somit zu jedem Zeitpunkt die Auswertung der Biegelinie für den gesamten gescannten Feldausschnitt. Die Begrenzung auf 50 m des 70 m-Feldes ergibt sich in diesem Fall nur durch den Krümmungsradius der Brücke. Die Datenlücke in der Mitte der Darstellung entsteht durch eine Kombination aus eingebauter Sensorik (Verkabelung) und einem verstärkten, stark genieteten Bereich (siehe Abbildung 4 in der Mitte des Hauptträgers). Abb. 7: Beispielhafte Ergebnisse der Auswertung eines quasi-statischen Belastungsversuches: Im oberen Diagramm ist eine reine punktuelle Zeit Verschiebungsdarstellung zu sehen, während das untere Diagramm das Potenzial des Profilscannings aufzeigt, da zu jedem Zeitpunkt eine Biegelinie über den gesamten sichtbaren Bereich ausgewertet werden kann. 5. Statische Belastungsversuche An beiden Bauwerken wurde ein statischer Belastungsversuch durchgeführt Dabei wurden an der Autobahnbrücke 2 LKW (insgesamt ca. 100 t) und an der Bogenbrücke 5 Lokomotiven (insgesamt ca. 550 t) in jeweils unterschiedlichen Laststellungen positioniert und die Bauwerksreaktion erfasst. Durch das in Abschnitt 3.2 beschriebene Potenzial zur Steigerung der räumlichen Auflösung beim statischen Profilscanning konnte jeweils ein Messpunktabstand von 10 cm über den gesamten Messbereich gewählt werden, dementsprechend stehen bei der Autobahnbrücke über 400 und bei der Eisenbahnbrücke nahezu 1000 räumlich verteilte Verschiebungs-messungen zur Verfügung, siehe Abbildung 8 bzw. Abbildung 9 jeweils im oberen Diagramm. Darin sind jeweils die Verschiebungen für die einzelnen Laststellungen in unterschiedlichen Farben dargestellt. Es zeigen sich die gleichen Datenlücken durch Sensorik bzw. genietete Bereiche wie bereits in Abbildung 7. Um das Genauigkeitspotenzial des Profilscannings für statische Belastungsversuche zu verdeutlichen, werden an den beiden Brücken zwei unterschiedliche Ansätze vorgestellt. Bei der Autobahnbrücke (Abbildung 8) wird der Vergleich von unabhängigen Realisierungen der einzelnen Laststellungen verglichen, siehe unteres Diagramm. Bei der Eisenbahnbrücke wird dagegen der Vergleich von zwei unabhängigen Nullmessungen verwendet, siehe Abbildung 9 im unteren Diagramm. Beide Genauigkeitsmaße stellen eine Art „worst case“ Abschätzung der Genauigkeit dar, da z.-B eine geringfügig andere Positionierung der LKWs beim Vergleich in Abbildung 8 oder verbleibende Restverformungen beim Vergleich in Abbildung 9 sowie weitere systematische Effekte die Genauigkeitsabschätzung verzerren können. 202 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen Dennoch liegen die Abweichungen zwischen den Versuchen an der Brennerautobahn überwiegend unter 0,25 mm, wobei entsprechend den obigen Ausführungen ein Offset von 0,1 mm bzw. 0,05 mm vorliegt. Bei den Messungen an der Eisenbahnbrücke war eine Genauigkeit von 0,5-mm im Bereich der Pfeiler (-60-m bis 60-m), die die Fahrbahn auf dem Bogen tragen, vorgegeben. Wie das untere Diagramm in Abbildung 9 zeigt, konnte diese Größenordnung eingehalten werden. Zum Rand hin nehmen die Abweichungen etwas größere Werte an, was einerseits durch die großen Abmessungen des Bauwerks und andererseits durch die sich zum Rand hin verschlechternde Messgeometrie zu erklären ist. Darüber hinaus ist in den Differenzen noch eine deutliche Restsystematik zu erkennen, die z.- B. aus einer Restverformung des Brückenbogens resultieren kann. Unabhängig von der tatsächlichen Ursache verfälscht dies die Genauigkeitsabschätzung zusätzlich, so dass eigentlich noch bessere Ergebnisse zu erwarten wären. Abb. 8: Ergebnisse der Auswertung von vier statischen Belastungsversuchen: Im oberen Diagramm sind die Biegelinien der beiden Laststellungen jeweils doppelt dargestellt. Das untere Diagramm zeigt die Differenzen zw. den jeweiligen Versuchen und gibt eine Abschätzung über die erreichbare Genauigkeit der Messungen mittels Profilscanning. Abb. 9: Ergebnisse der Auswertung von drei statischen Laststellungen: Im oberen Diagramm sind die durch die Laststellungen induzierten Biegelinien dargestellt. Das untere Diagramm zeigt die Differenzen zw. zwei unabhängigen Nullmessungen (Brücke ohne Last) vor bzw. nach den eigentlichen Messungen. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 203 Berührungsloses Profilscanning (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen Für das Profilscanning wurden für beide Brücken Lasthaltephasen von 5 Minuten als ausreichend erachtet, so dass ein Versuch mit 3 Lasthaltephasen und doppelter Nullmessung unter idealen Bedingungen in ca. 30-Minuten durchgeführt werden könnte. Bei den beiden statischen Belastungsversuchen musste jedoch von diesem idealen Ablauf abgewichen werden: Auf der Brennerautobahn waren aufgrund der umfangreichen eingesetzten Sensorik (siehe Abschnitt 2.1) Lasthaltephasen von 10- Minuten vorgesehen, die aufgrund von Problemen noch verlängert werden mussten. Dies führte auch dazu, dass ein Versuch wegen eines Rückstaus auf der Autobahn abgebrochen und wiederholt werden musste. Bei der Bogenbrücke wurde nur Profilscanning eingesetzt und eine Belastungszeit von 5 Minuten geplant, die jedoch aufgrund von durchziehendem Nebel teilweise auch verlängert werden, musste. 6. Fazit Im Vergleich zu konventionellen Sensoren kann mittels Profilscanning eine Vielzahl von räumlich verteilten Messungen mit nur einem Sensor durchgeführt werden, was eine äußerst effiziente Erfassung und darüber hinaus ein bisher ungeahntes Verständnis der Bauwerksreaktion ermöglicht. Bereits für den quasi-statischen Belastungsversuch konnten dabei über 100 räumlich verteilte Verformungszeitreihen über einen Bereich von knapp 50-m abgeleitet werden. Dabei wurde der auswertbare Bereich der Feldlänge nicht durch den Sensor, sondern durch den Krümmungsradius der Brücke begrenzt. Beim Übergang zu den statischen Belastungsversuchen kann die räumliche Auflösung weiter erhöht werden, da zusätzlich Messwerte über die Zeit gemittelt werden können. Dies zeigt sich eindrucksvoll an der Eisenbahnbrücke, bei der die Verformung des gesamten 160- m langen Bogens mit fast 1000 Messwerten dargestellt werden kann. Dabei konnten trotz teilweise widriger Bedingungen Genauigkeiten im unteren Submillimeterbereich erreicht werden. Zusammenfassend betrachtet konnte das Potenzial des berührungslosen Profilscannings (PLS) für den Einsatz bei Belastungsversuchen aufgezeigt werden. Durch die Möglichkeit, eine Vielzahl absoluter vertikaler Verschiebungsmessungen zu erfassen, können direkt Informationen über die tatsächliche Steifigkeit des Tragwerks generiert werden, die bei der Aktualisierung von Tragwerksmodellen einen entscheidenden Mehrwert bieten können. 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