Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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2024
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Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen
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Matthias Bettin
Reinhard Maurer
Im Rahmen eines grenzüberschreitenden internationalen Projektes – dem 18 km langen Unterwassertunnel in der Ostsee zur Verbindung der dänischen Insel Lolland mit der deutschen Insel Fehmarn – wurde deutlich, dass im internationalen Vergleich die Übergreifungslängen von Betonstahlbewehrung nach deutschem nationalen Anhang DIN EN 1992-2/NA mit Abstand am größten sind. Da der Tunnel auch auf deutschem Staatsgebiet nach dänischem technischen Regelwerk gebaut wird, kam dem Thema unter Sicherheitsaspekten sowie in wirtschaftlicher und ausführungstechnischer Hinsicht eine große Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang wurden daher, auch aus übergeordnetem deutschen Interesse im Hinblick auf künftige Regelwerke für Bauwerke der Verkehrsinfrastruktur, sowohl im Auftrag der BASt als auch von Femern, an der TU Dortmund, sowie dem am Danish Technological Institute (DTI) in Kopenhagen, in einer Kooperation projektspezifische Versuchsreihen durchgeführt.
Nachfolgend wird lediglich auf zwei spezielle Aspekte eingegangen:
– Das Stoßen bei mehrlagiger Bewehrung von bis zu 100 % der Bewehrung in einer Lage ist nach EC2 i. A. nicht zulässig, es sei denn, dass nach deutschem NA in jeder entsprechenden Bewehrungslage die Übergreifungsstöße durch Bügel, die für die Kraft aller gestoßenen Stäbe zu bemessen sind, umschlossen werden.
– Führen bei gleichem Bewehrungsgrad alternierende größerer und kleinere lichte Stababstände zur Verbesserung der Betonierbarkeit auf die gleiche Tragfähigkeit eines Übergreifungsstoßes, wie konstante gemittelte lichte Stababstände. Hintergrund ist das spröde Materialverhalten im Hinblick auf die Zugringe im Beton. Müssen dadurch bei den alternierenden Abständen die kleineren lichten Abstände der Bemessung zugrunde gelegt werden?
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 207 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Dr.-Ing. Matthias Bettin Technische Universität Dortmund Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer ehemals Technische Universität Dortmund Zusammenfassung Im Rahmen eines grenzüberschreitenden internationalen Projektes - dem 18 km langen Unterwassertunnel in der Ostsee zur Verbindung der dänischen Insel Lolland mit der deutschen Insel Fehmarn - wurde deutlich, dass im internationalen Vergleich die Übergreifungslängen von Betonstahlbewehrung nach deutschem nationalen Anhang DIN EN 1992-2/ NA mit Abstand am größten sind. Da der Tunnel auch auf deutschem Staatsgebiet nach dänischem technischen Regelwerk gebaut wird, kam dem Thema unter Sicherheitsaspekten sowie in wirtschaftlicher und ausführungstechnischer Hinsicht eine große Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang wurden daher, auch aus übergeordnetem deutschen Interesse im Hinblick auf künftige Regelwerke für Bauwerke der Verkehrsinfrastruktur, sowohl im Auftrag der BASt als auch von Femern, an der TU Dortmund, sowie dem am Danish Technological Institute (DTI) in Kopenhagen, in einer Kooperation projektspezifische Versuchsreihen durchgeführt. Nachfolgend wird lediglich auf zwei spezielle Aspekte eingegangen: - Das Stoßen bei mehrlagiger Bewehrung von bis zu 100 % der Bewehrung in einer Lage ist nach EC2 i. A. nicht zulässig, es sei denn, dass nach deutschem NA in jeder entsprechenden Bewehrungslage die Übergreifungsstöße durch Bügel, die für die Kraft aller gestoßenen Stäbe zu bemessen sind, umschlossen werden. - Führen bei gleichem Bewehrungsgrad alternierende größerer und kleinere lichte Stababstände zur Verbesserung der Betonierbarkeit auf die gleiche Tragfähigkeit eines Übergreifungsstoßes, wie konstante gemittelte lichte Stababstände. Hintergrund ist das spröde Materialverhalten im Hinblick auf die Zugringe im Beton. Müssen dadurch bei den alternierenden Abständen die kleineren lichten Abstände der Bemessung zugrunde gelegt werden? Vorbemerkungen Derzeit sind für Ingenieurbauwerke der Verkehrsinfrastruktur in Betonbauweise in Deutschland die Regelwerke DIN EN 1992-2 und DIN EN 1992-2/ NA maßgebend. Die im deutschen NA gegenüber DIN EN 1992-2 enthaltenen Zuschärfungen in Form von NCIs führen teilweise dazu, dass die danach bemessenen Übergreifungslängen für die Bewehrung im internationalen Vergleich mit Abstand am größten sind. Dies gilt vor allem bei kleinen lichten Abständen zwischen den gestoßenen Stäben und großen Stabdurchmessern (Ø ≥ 16 mm). In den benachbarten europäischen Ländern, in denen die Übergreifungslängen nach dem original Eurocode 2 (EN 1992-2) bemessen werden, sind keine Schäden bekannt, die auf die teilweise deutlich geringeren Übergreifungslängen zurückzuführen sind. Die verschärfenden deutschen Regelungen in DIN EN 1992-2/ NA sollen nicht nur die Tragfähigkeit, sondern auch das Rissverhalten unter einer Dauerbelastung, besonders an den Stoßenden, in zulässigen Grenzen abdecken. Dabei gehen die Festlegungen historisch bedingt bezüglich der Betondeckung konservativ von c-=-1,0-Ø aus. Der günstige Einfluss einer größeren Betondeckung darf nach DIN EN 1992-2 mit dem Faktor α 2 berücksichtigt werden, der Werte bis 0,7 annehmen kann. Dieser Faktor ist nach DIN EN 1992-2/ NA generell vereinfachend in Anlehnung an DIN EN 1992-1-1/ NA mit 1,0-anzusetzen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ergibt sich in Abhängigkeit von Stoßanteil und Stabdurchmesser aus dem Stoßfaktor α 6 bei kleinen lichten Abständen (a < 8 Ø) zwischen den gestoßenen Stäben. Daher stellte sich die Frage nach einer Überprüfung der im internationalen Vergleich sehr konservativen Regelungen im deutschen NA. Da Ingenieurbauwerke i. A. deutlich größere Betondeckungen als c = 1,0 Ø aufweisen, können sich allein bei Anwendung des Faktors α 2 um bis zu 30-% kürzere Übergreifungslängen ergeben. Daraus resultieren konstruktiv und ausführungstechnisch günstigere Bewehrungen und Reduzierungen der Materialkosten. Nicht zuletzt wirkt sich das auch hinsichtlich der Nachhaltigkeitskriterien vorteilhaft aus. Vor diesem Hintergrund wurde an der TU Dortmund im Auftrag der BASt ein Forschungsprojekt [1] durchgeführt, welches auch die Basis einer Dissertation [2] bildetet, um 208 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen die Regelungen im original Eurocode 2 (DIN EN 1992-2) experimentell zu überprüfen. Im Ergebnis konnte in allen Versuchen mit Bemessung der Stoßausbildung nach DIN EN 1992-2, mit im Vergleich zum deutschen NA kürzeren Übergreifungslängen, eine ausreichende Tragfähigkeit und ein Rissverhalten mit Rissbreiten an den Stoßenden innerhalb der zulässigen Grenzen nachgewiesen werden. Bei den nachfolgend vorgestellten Untersuchungen wurden die Zugstöße durch Übergreifung bei allen Versuchsbauteilen basierend auf dem original EC2 bemessen. Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung 1. Problemstellung In Ländern, wie beispielsweise Dänemark und den Niederlanden, ist bei Anordnung einer 2-lagigen Bewehrung die Ausbildung eines 100 %-Stoßes in einer Lage eine bei Tunnelbauwerken im Bereich von Arbeitsfugen praktizierte Konstruktionsweise. In Abbildung 1 sind Möglichkeiten für die Anordnung von Übergreifungsstößen bei 2-lagiger Bewehrungsführung abgebildet. Bei allen dargestellten Stößen handelt es sich jeweils um einen 50 %-Stoß der Gesamtbewehrung in einem Querschnitt. Im Tunnelbau werden in den genannten Ländern in der Praxis bei Anwendung des original Eurocode 2 (EN 1992-2) üblicherweise diese Übergreifungsstöße entsprechend Abbildung 1 (b) und (c) ausgeführt. Dabei wird die Bewehrung in einer Lage zu 100 % gestoßen, während sie in der zweiten Lage durchläuft. Nach deutschem Regelwerk DIN EN 1992-2/ NA ist eine solche Ausführung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings kommt diese aufgrund zusätzlicher hoher Anforderungen an die Ausbildung der Querbewehrung in Form von Bügeln im Übergreifungsbereich i. d. R. nicht zum Einsatz. In Deutschland werden die Übergreifungsstöße bei 2-lagiger Bewehrung i. d. R. entsprechend der Anordnung in Abbildung 1 (d) ausgeführt. In einer Lage werden dabei maximal 50 % der Bewehrung gestoßen. Abbildung 1: Möglichkeiten für die Anordnung von Übergreifungsstößen bei 2-lagiger Bewehrungsanordnung Bei Ausführung nach EN 1992-2 ist die Abbildung 1 (b) dargestellte Anordnung der Übergreifungsstöße günstig für den Tunnelbau, insbesondere wenn der Tunnel in Ortbetonbauweise mit Arbeitsfugen hergestellt wird. Ein Beispiel für eine Stoßausbildung in Anlehnung an die Konfiguration (b) ist in Abbildung 2 dargestellt. An Stellen mit hoher Momentenbeanspruchung, an denen die Grundbewehrung nicht ausreicht, wird eine zusätzliche zweite Bewehrungslage (evtl. sogar eine dritte Lage) angeordnet. Die Länge, über die diese zusätzlichen Bewehrungsstäbe benötigt werden, ist normalerweise so kurz, dass in der zweiten Lage keine Stöße erforderlich sind. In den Arbeitsfugen werden alle Stäbe in der ersten, durchlaufenden Lage gestoßen. Die Stäbe in der zweiten Lage sind außerhalb dieses Stoßbereichs verankert. Unter der Annahme, dass der Durchmesser der gestoßenen Stäbe ≥ 20-mm ist und nicht mehr als 50 % im Querschnitt gestoßen werden, darf nach EN 1992-2 i.- d.-R. bei der Ausbildung der Querbewehrung die Gesamtquerschnittsfläche ΣA st (Summe aller Schenkel die parallel zur Lage der gestoßenen Bewehrung verlaufen) nicht kleiner sein als die Querschnittsfläche A s eines gestoßenen Stabes (ΣA st ≥ A s ). Die Querbewehrung sollte an der Außenseite orthogonal zur Richtung der gestoßenen Bewehrung gemäß EN 1992-2, Bild 8.9 angeordnet werden. Abbildung 2: Typische Stoßausbildung bei mehrlagiger Bewehrung im Bereich der Bodenplatte und der Außenwand am Beispiel des Tunnels im Zuge der North-South Metro Linie in Amsterdam 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 209 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen 2. Unterschiede zwischen den Regelungen der EN-1992-2 und DIN EN 1992-2/ NA für die Ausbildung von Übergreifungsstößen bei mehrlagiger Bewehrung In Abschnitt 8.7.2 in DIN EN 1992-2 sind die Grundlagen für die konstruktive Ausbildung von Übergreifungsstößen festgelegt. Danach ist nach Abschnitt 8.7.2 (4) i. d. R. für Stäbe in mehreren Lagen der Anteil der in einer Lage gestoßenen Zugstäbe auf 50 % zu reduzieren. Ein 100 % Stoß in einer Lage bei mehrlagiger Bewehrung wird zwar nicht grundsätzlich gänzlich ausgeschlossen. Allerdings enthält der deutsche Nationale Anhang zur DIN EN 1992-2 im Abschnitt 8.7.4.1 (3) ein NCI: Werden bei mehrlagiger Bewehrung mehr als 50 % des Querschnitts der einzelnen Lagen in einem Schnitt gestoßen, sind die Übergreifungsstöße durch Bügel zu umschließen, die für die Kraft aller gestoßenen Stäbe zu bemessen sind. Diese Forderung nach Verbügelung ist in der Ausführung sehr aufwändig. In flächigen Bauteilen darf die Querbewehrung nach diesem NCI auch gerade sein, wenn die Übergreifungslänge um 30 % erhöht wird oder der Abstand der Stoßmitten benachbarter Stöße in Längsrichtung etwa 0.5 l 0 beträgt. Dann ist kein bügelartiges Umfassen der Längsbewehrung erforderlich. 2.1 Stand des Wissens bei Stößen in mehrlagiger Bewehrung In der Literatur konnten Hintergründe zu den Regelungen der DIN EN 1992-2/ NA und der EN 1992-2 im Hinblick auf die Ausbildung eines 100 %-Stoßes in einer Lage bei 2-lagiger Bewehrungsanordnung (entspricht einem 50-% Stoß der Gesamtbewehrung in einem Querschnitt bei 2-lagiger Bewehrung) nicht recherchiert werden. In DIN EN 1991-1-1/ NA wird dazu auf DAfStb Heft 300-verwiesen. Hiernach fehlen für Stöße mehrlagiger Bewehrungen ausreichende Versuchserfahrungen, um weitergehende Regeln einzuführen. Daher wurden an der TU Dortmund Versuche zu Übergreifungsstößen bei 2-lagiger Bewehrung durchgeführt [1], [3] auch aufgrund der positiven Erfahrungen in Dänemark und den Niederlanden. Die Ergebnisse dieser Versuche werden im Folgenden vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen eine klare Tendenz für die Einordnung und Bewertung derartiger Stöße hinsichtlich Tragfähigkeit im GZT und Einhaltung der Kriterien im GZG auf. 2.2 Entwicklung der systematischen Versuchsreihen Definition der Randbedingungen Für das Versuchsprogramm waren 3 Varianten für die zu stoßende Bewehrung vorgesehen. Um die zu erwartenden Streuungen ebenfalls zu erfassen wurde jede Bewehrungskonfiguration jeweils 3-mal getestet. Dementsprechend ergaben sich insgesamt neun 4-Punkt- Biegeversuche. Die Übergreifungsstöße waren dabei im Bereich der konstanten Momentenbeanspruchung angeordnet. Im Fokus der experimentellen Untersuchungen stand neben der Bestimmung der Tragfähigkeit das Rissverhalten. Zusätzlich wurden die Verformung und der Stahlspannungsverlauf im Stoßbereich messtechnisch erfasst. Das vollständige Versuchsprogramm ist in Tabelle 1 dargestellt. Wahl der Prüfkörperabmessungen Alle Versuchsträger B11, B12 und B13 wurden im Feld und somit im Übergreifungsbereich mit den Querschnittsabmessungen von b/ h- =- 64/ 60- cm, hergestellt. Zur Gewichtsreduktion wurden die 1,70 m langen Kragarme über eine Länge von 135-cm als T-Querschnitt mit den Abmessungen von b/ b Steg / h Platte von 64/ 30/ 25-cm ausgebildet. Der Querschnitt war so dimensioniert, dass die vorab experimentell an Proben bestimmte Streckgrenze der Biegebewehrung erreicht werden konnte, ohne dass ein Versagen der Betondruckzone zu erwarten war. Eine Verbügelung im Stoßbereich war nicht vorgesehen, da die Versuchskörper den Ausschnitt eines flächigen plattenartigen Bauteils repräsentieren sollten. Eine Übersicht der geometrischen Parameter der einzelnen Versuchskörper ist der Tabelle 2 zu entnehmen. Die Herstellung erfolgte so, dass durch Umdrehen der Versuchsbauteile gute Verbundbedingungen (η 1- =-1,0) maßgebend waren. Die Übergreifungsstöße waren nicht gemäß DIN EN 1992-2/ NA, NCI zu 8.7.4.1 (3) durch Bügel umschlossen. Tabelle 1: Versuchsprogramm 4-Punkt-Biegeversuche (Übergreifungslänge l 0 auf Grundlage des Mittelwerts der Verbundfestigkeit f bm ) Versuch Ø s [mm] c l [mm] α 2 α 6 l 0 [cm] Stoßanteil lichter Stababstand Betonfestigkeit Verbundbedingungen B11 32 92 0,798 1,4 53,9 50 % a = 15,0 cm < 8Ø C 35/ 45 gut B12 32 92 1,0 1,4 67,6 a = 6,5 cm < 8Ø B13 28 67 0,871 1,4 51,5 a = 10,4 cm < 8Ø 210 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Tabelle 2: Geometrische Parameter der Versuchsträger Versuch Querschnitt Parameter B11 C35/ 45 B500 Ausführung l 0 : l 0 = l 0,EC2 Stoßanteil 50 % Bewehrungsdurchmesser: Ø s,l = 32 mm Ø s,q = 12 mm Betondeckung: c l = 9,2 cm c q = 8,0 cm lichter Stababstand: a = 15,0 cm < 8Øs B12 C35/ 45 B500 Ausführung l 0 : l 0 = l 0,EC2 Stoßanteil 50 % Bewehrungsdurchmesser: Ø s,l = 32 mm Ø s,q = 12 mm Betondeckung: c l = 9,2 cm c q = 8,0 cm lichter Stababstand: a = 6,5 cm < 8Øs B13 C35/ 45 B500 Ausführung l 0 : l 0 = l 0,EC2 Stoßanteil 50 % Bewehrungsdurchmesser: Ø s,l = 28 mm Ø s,q = 12 mm Betondeckung: c l = 6,7 cm c q = 5,5 cm lichter Stababstand: a = 10,4 cm < 8Øs Die Bemessung der Übergreifungslängen erfolgt nach DIN EN 1992-2, um zu überprüfen, ob die gegenüber DIN EN 1992-2/ NA kleineren Übergreifungslängen ausreichend für ein einwandfreies Bauteilverhalten unter Gebrauchslasten sind und ausreichend tragfähig sind. 3. Versuchsergebnisse Tragverhalten In allen Versuchen trat ein sprödes Stoßversagens auf. Dabei entstanden vor dem Versagen zuerst die typischen breiten , senkrecht zur Balkenachse verlaufenden , Risse an den Stoßenden. Das Versagen wurde durch die Bildung von Längsrissen über den Stoßmitten parallel zur Stoßachse und der anschließenden Bildung des horizontalen Bruchrisses, an der Balkenseitenfläche in Achse der Längsbewehrung, infolge der Ringzugspannungen mit Überschreiten der Betonzugfestigkeit eingeleitet. Infolgedessen löste sich im Stoßbereich der Beton oberhalb der Bewehrung (Betondeckung) bei Erreichen der Traglast des Stoßes schlagartig und schollenartig ab (vgl. Abbildung-3). 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 211 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Abbildung 3: Rissbild unmittelbar beim Stoßversagen Traglasten im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) In Tabelle 3 sind die Versuchstraglasten F u in Form der daraus berechneten maximalen Momentenbeanspruchung (M u = F u × 1,55 m) dargestellt. Auf Grundlage der für die Versuchsbalken ermittelten tatsächlichen Betondruckfestigkeiten und des zur Bruchlast zugehörigen Biegemomentes können die zugehörigen Stahlspannungen im Zustand II unter der Bruchlast mit einem Querschnittsprogramm berechnet werden (s su,test ) . Die so rechnerisch bestimmten durch den Stoß übertragenen maximalen Stahlspannungen lagen mit Werten zwischen 262-349 MN/ m² ausnahmslos unter dem Wert aus der Vorbemessung basierend auf dem Mittelwert der Verbundfestigkeit f bm für den angestrebten C35/ 45. So war bei der Vorbemessung zunächst von einer zu übertragenden Stahlspannung s su,cal = 435 N/ mm² und einem Beton der Festigkeitsklasse C35/ 45 (f bm = 7,2 N/ mm²) ausgegangen worden. Für die Überprüfung der Tragfähigkeit der Stöße ist die an die tatsächlich erreichte Betonfestigkeit angepasste übertragbare Stahlspannung s su,cal für das l 0 im Versuchsträger in Abhängigkeit von der tatsächlich vorhandenen Verbundfestigkeit f bm zu ermitteln. Die Verifizierung des Bemessungsmodells erfolgt mittels der übertragenen maximalen Stahlspannung s su,test in der Bewehrung unter der Versuchstraglast Fu unmittelbar bevor der Verbund versagt im Vergleich zu s su,cal . s su,cal ∙ A s = Ø ∙ π ∙ l 0 ∙ τ bm Die so ermittelten Werte für g mod = s su,test / s su,cal sollten um den Wert 1,0 streuen. Dabei sollte die untere Grenze basierend auf dem 5-%-Quantilwert der charakteristischen Zugfestigkeit bzw. Verbundfestigkeit bei 0,7 bezogen auf den Mittelwert liegen. Aufgrund der Bemessung der Stöße auf dem Niveau der mittleren Verbundfestigkeit f bm sollte der Modellsicherheitsbeiwert g mod = s su,test / s su,cal um 1,0 streuen und den Werte 0,7 nicht unterschreiten. Dies trifft hier für alle Einzelversuche zu (vgl. Abbildung 4). Damit wurde mit den Versuchen eine ausreichende Tragfähigkeit der unverbügelten Stöße nachgewiesen. Abbildung 4: Modellsicherheitsfaktor auf Mittelwertniveau g mod = s su,test / s su,cal Tabelle 3: Zusammenfassung der Tragfähigkeiten auf Mittelwertniveau Versuchsträger B11C1 B11C2 B11C3 B12C1 B12C2 B12C3 B13C1 B13C2 B13C3 f cm ,cube [N/ mm²] 25,85 39,16 40,05 25,32 39,05 39,00 29,36 39,16 40,05 f cm,cyl = 0,82 f cm,cube [N/ mm²] 21,20 32,11 32,84 20,76 32,02 31,98 24,08 32,11 32,84 f ck = f cm,cyl -4 [N/ mm²] 17,20 28,11 28,84 16,76 28,02 27,98 20,08 28,11 28,84 f ctm = 0,30 f ck 2/ 3 [N/ mm²] 1,99 2,77 2,82 1,96 2,77 2,76 2,22 2,77 2,82 f bm = 2,25 f ctm [N/ mm²] 4,50 6,24 6,35 4,42 6,23 6,22 4,99 6,24 6,35 s su,cal [N/ mm²] für l 0 mit f bm 272 377 384 267 376 376 301 377 384 M u im Versuch [kNm] 580,2 642,7 587,1 829,5 814,9 868,4 603,0 649,6 729,5 zugh s su,test [N/ mm²] 313 337 307 275 263 281 293 311 349 γ mod = s su,test / s su,cal für l 0 mit f bm 1,16 0,89 0,80 1,03 0,70 0,75 0,97 0,82 0,91 212 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Rissbreiten im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit liegen die Stahlspannungen etwa zwischen 150 bis 300 N/ mm². Die Messung und Bewertung der Rissbreiten erfolgte unter Gebrauchslastniveau. Durch das Eigengewicht und die aufgebrachte Prüfzylinderkraft entstanden zunächst Biegerisse über den Auflagern. Bei weiterer Laststeigerung entstanden weitere Biegerisse im Bereich des konstanten Momentes zwischen den Auflagern. Im unmittelbaren Bereich des Übergreifungsstoßes waren die Rissbreiten aufgrund des doppelt so großen Bewehrungsgrades sichtbar kleiner. Mit Hilfe der Setzdehnungsmessung konnte die Rissverteilung und die Rissbreitenentwicklung im Bereich des konstanten Momentes sehr akkurat erfasst und dokumentiert werden. Abbildung 5 zeigt beispielhaft die Auswertung der Rissbreitenverteilung des Trägers B13C1. In der Abbildung steht jede Farbe für einen Riss und dessen Breitenentwicklung. Die Risse, die sich an den Stoßenden einstellten sind als schwarzes Dreieck dargestellt sowie durch die gestrichelten Linien verbunden. In allen Versuchen konnte ein großer Streubereich der gemessenen Rissbreiten festgestellt werden. Die Rissbreiten unmittelbar am Ende des Übergreifungsbereichs befanden sich tendenziell stets im oberen Streubereich. Vergleichbare Rissbreiten traten allerdings auch außerhalb des Stoßbereiches auf. Die maximalen Rissbreiten an den Stoßenden und außerhalb des Stoßes sind in der Abbildung 5 und der Tabelle 4 zusammengefasst. Auf Grundlage der Ergebnisse unter Gebrauchslastniveau konnte bei den durchgeführten Versuchen kein Einfluss der Übergreifungslänge hinsichtlich einer übermäßigen Rissbreitenzunahme an den Stoßenden gegenüber den Bereichen außerhalb des Stoßes beobachtet werden. Abbildung 5: Beispielhafte Rissbreitenverteilung des Versuchsträger B13C1 Tabelle 4: Zusammenstellung der maximal gemessenen Rissbreiten auf der Balkenoberseite Versuchsträger s s = 150 [N/ mm²] s s = 175 [N/ mm²] s s = 200 [N/ mm²] s s = 250 [N/ mm²] w max Stoßenden [mm] w max außerhalb Stoßbereich [mm] w max Stoßenden [mm] w max außerhalb Stoßbereich [mm] w max Stoßenden [mm] w max außerhalb Stoßbereich [mm] w max Stoßenden [mm] w max außerhalb Stoßbereich [mm] B11C1 0,201 0,262 0,273 0,31 0,341 0,368 - - B11C2 0,250 0,306 0,328 0,357 0,406 0,445 0,581 0,605 B11C3 0,146 0,273 0,214 0,341 0,329 0,348 0,443 0,458 B12C1 0,398 0,348 0,482 0,428 0,565 0,467 0,843 0,568 B12C2 0,220 0,224 0,389 0,374 0,342 0,306 0,504 0,521 B12C3 0,225 0,224 0,319 0,325 0,398 0,413 0,454 0,480 B13C1 0,241 0,308 0,301 0,318 0,359 0,379 0,491 0,512 B13C2 0,243 0,227 0,373 0,382 0,317 0,323 0,462 0,482 B13C3 0,189 0,207 0,257 0,283 0,302 0,351 0,444 0,452 rot = w max, Stoßende > w max außerhalb Stoß 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 213 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Bewertung der Ergebnisse Die entscheidende streuende Materialkenngröße ist die Verbundfestigkeit. Sie kann auf Mittelwertniveau oder auf charakteristischem Niveau angegeben werden: f bm = 2,25 ∙ f ctm f bk = 2,25 ∙ f ctk = 2,25 ∙ (0,7 ∙ f ctm ) mit η 1 = η 2 = 1,0 Bei allen Versuchen erfolgte die Bemessung der Stöße auf dem Niveau der mittleren Verbundfestigkeit f bm . Der Modellsicherheitsbeiwert g mod.Mittelwert = s su,test / s su,cal sollte daher den Werte 0,7 nicht unterschreiten. Entsprechend kann auf charakteristischem Niveau für die Stöße eine ausreichende Tragfähigkeit nachgewiesen werden, solange kein Versuchswert g mod bei Bezug auf die charakteristische Verbundfestigkeit f bk unter 1,0 liegt. Beide Kriterien treffen für alle Versuche zu (vgl. Abbildung 4). Es ist jedoch zu erkennen, dass insbesondere die Ergebnisse für die Versuchsträger der Reihe B2 (Bewehrungsstöße mit Ø s -32-mm mit minimalen Mindestabstand 2d zwischen den Stößen) jeweils am unteren Rand des zulässigen Bereichs liegen. Die Ursache lässt sich durch die sehr engen tatsächlichen lichten Abstände zwischen den Bewehrungsstäben erklären, da sich keine so großen Zugringstärken bilden konnten wie bei den anderen Versuchen. Der nominell planmäßige lichte Abstand ist mit 2d zwar normgerecht, beträgt aber bei der praktischen Ausführung mit Ø s = 32 mm, wenn die Rippen des Stabstahls nicht berücksichtigt werden, praktisch nur rund 50 mm statt theoretisch 64 mm (vgl. Abbildung-6; ohne Rippen: Ø s = 32 mm, mit Rippen: Ø A =-1,15 · 32 = 37 mm). Zudem befinden sich die Rissbreiten unmittelbar am Ende des Übergreifungsbereichs stets am oberen Rand des Streubereichs. Es muss allerdings angemerkt werden, dass sich bei den durchgeführten Versuchen, der Stahlspannungsbereich für den Gebrauchszustand deutlich nach unten verschiebt und die gewählten Laststufen den üblichen Grenzzustand nicht repräsentieren. Die errechneten Stahlspannungen im Bruchzustand lagen bei den Versuchen in einem Intervall von 275-N/ mm² und 349 N/ mm². Unter normalen Bedingungen, wenn die Tragfähigkeit auf der Streckgrenze der Bewehrung basiert, beträgt die Beanspruchung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit nur etwa 30-60 % der Beanspruchung im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Bei einer Stahlspannung von 150 N/ mm² konnten stets Risse außerhalb des Stoßbereichs gemessen werden, die maßgebend waren. Abbildung 6: Überprüfung der tatsächlichen Stababstände unter Einfluss der Rippen (Versuchsträger B12C1) Bei den Versuchen auf Mittelwertniveau sollten die Modellsicherheitsfaktoren g mod.Mittelwert im Sinne der statistisch begründeten Sicherheitstheorie entsprechend der Streuung der Betonzugfestigkeit zwischen oberem und unterem Quantilwert in etwa zufällig um dem Mittelwert streuen. Dass alle Werte am unteren Rand des zulässigen Streubereichs liegen, deutet auf einen ungünstig wirksamen systematischen Einfluss hin, der plausibel mit dem zu geringen lichten Stababstand erklärt werden kann. Daher sollte bei der Ausführung eines 100 %-Stoßes der zweiten Lage aufgrund des Rissverhaltens der reale Außendurchmesser berücksichtigt werden. Der reale Außendurchmesser Ø A beträgt in der Regel: Ø A -≈-1,15- Ø Nenn . Alternativ können die Stoßenden gemäß EN 1992-1-1 um 0,5 · l 0 längs versetzt angeordnet werden oder die Übergreifungslänge l 0 um 30 % vergrößert werden. 214 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei alternierenden Stababständen 1. Problemstellung Die Fehmarnbelt-Querung soll Lolland (Dänemark) mit der Insel Fehmarn (Deutschland) verbinden. Der Tunnel verbindet zwei Länder, die unterschiedliche nationale Anhänge zum Eurocode 2 verwenden. Es wurde vereinbart, dass das Tunnelbauwerk nach dänischem Regelwerk gebaut wird, der auf dem dänischen Anhang zu Eurocode-2 mit spezifischen Anpassungen basiert. Die „Design Basis“ wurde eigens für dieses Projekt erstellt, geprüft, genehmigt und einige projektspezifische Genehmigungen wurden in Form von ZiEs von den deutschen Behörden erteilt. Derzeit liegen Bewehrungskonzepte für eine Stoßausbildung vom Auftragnehmer vor, die zur Verbesserung der Betonierbarkeit, statt konstanter Stababstände alternierend größere und kleinere Stabstände aufweisen (vgl. Abbildung 7). Dabei stellt sich die Frage, ob die Übergreifungslängen für die gemittelten konstanten Stababstände bemessen werden können, ohne dass daraus ein Verlust der Tragfähigkeit resultiert. Abbildung 7: Bewehrungsprinzip außerhalb des Stoßbereiches; links regelmäßige Abstände; rechts Konstruktion des Auftragnehmers aus [3] Ausgehend von einem regelmäßigen Raster mit konstanten Stababständen von 150-mm wurden diese zur besseren Betonierbarkeit modifiziert: 150 - 43 = 107-mm 150 + 43 = 193-mm Diese Variation hat Auswirkungen auf die Stärke der Zugringe, welche die Verbundfestigkeit beeinflussen. Es stellt sich die Frage, ob die erforderlichen Übergreifungslängen für den mittleren Stababstand von 150-mm bemessen werden dürfen oder ob sie für den kleinsten Stababstand von 107-mm bemessen werden müssen. Kann die kleinere Zugringstärke beim minimalen Stababstand von 107-mm durch die gleichzeitig größere Zugringstärke bei 193 mm Stababstand kompensiert werden, da es sich bei Beton um ein relativ sprödes Material handelt. Das gilt besonders für die Zugfestigkeit, die mit den üblichen Betondeckungen mit Sprengrissversagen für die Verbundfestigkeit maßgebend ist. 2. Entwicklung der systematischen Versuchsreihen Im Auftrag von Femern A/ S wurden am Danish Technological Institute (DTI) in Kopenhagen sechs Großversuche durchgeführt um den Einfluss von alternierende Stababständen bei gestoßenen Stäben, die für konstante Stababstände bemessen wurden, systematisch zu überprüfen. Das Tragverhalten von Übergreifungsstößen kann anhand von 4-Punkt- Biegeversuchen oder mithilfe von zentrischen Zugversuchen analysiert werden. Um den Effekt des Aufklappens der Biegebewehrung infolge der abgesprengten Betondeckung während des Spaltversagens zu erzeugen, wurden die Untersuchungen an 4-Punkt- Biegeversuchen durchgeführt. Das Versuchsprogramm umfasste zwei verschiedene Bewehrungsanordnungen, die aus statistischen Gründen jeweils anhand von drei 4-Punkt-Biegeversuche getestet wurden. Die Übergreifungsstöße waren im Bereich der konstanten Momentenbeanspruchung angeordnet. Bei den drei Versuchsträgern der Versuchsreihe „Config. R“ (R1-R3) betrug der Stabstand der gestoßenen Stäbe konstant 150 mm, wohingegen die drei Versuchsträger der Versuchsreihe „Config. A“ (A1-A3) alternierende Stababstände von 107-mm und 193-mm aufwiesen (vgl. Abbildung 8). Der Bewehrungsgrad war bei beiden Konfigurationen identisch. Im Vordergrund stand neben der Tragfähigkeit die Dokumentation der Rissbreitenentwicklung. Zusätzlich wurden das Verformungsverhalten, der Stahlspannungsverlaufe im Stoßbereich messtechnisch erfasst. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Versuche vergleichend gegenübergestellt. Die Versuchsträger hatten eine Gesamtlänge von 5,00-m. Die Spannweite zwischen den Auflagern betrug 1,50-m (vgl. Abbildung 8), sodass der Abstand der Auflager zum Übergreifungsstoß mindestens dem zweifachen der Nutzhöhe d entsprach. Um ein Querkraftversagen auszuschließen, wurde in den Kragarmbereichen aller Träger eine Bügelbewehrung Ø16/ 15-cm angeordnet (vgl. Abbildung 8). 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 215 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Abbildung 8: Bewehrungsanordnung der Konfigurationen Config. R (gleichmäßige Stababstände) und Config.-A (alternierende Stababstände) [3] Ein weitere Versuchsträger wurde mit Ø25 im Abstand 150-mm bewehrt, ohne Stoßausbildung (Bez. Dummy). Er diente dem Vergleich der Tragfähigkeit. Die Bemessung von Versuchsbauteilen erfolgt grundsätzlich mit den Mittelwerten der Baustofffestigkeiten. Die hier untersuchten Bauteile wurden alle für den konstanten Stababstand von 150 mm bemessen. So wurden die Übergreifungslängen anhand der mittleren Verbundfestigkeit f bm nach DIN EN 1992-2 bestimmt. Die Faktoren α 2 (Betondeckung) und α 6 (Stoßanteil, haben sich als maßgeblich für die erforderliche Übergreifungslänge erwiesen. Bei geraden Stabenden gilt α 1 -=-1,0 und bei fehlender Querpressung oder Querzug wird α 5 ebenfalls zu 1,0 gesetzt. Der Faktor für die Querbewehrung sollte hier aufgrund des geringen Einflusses nicht weiter untersucht werden ( α 3 = 1,0). Die Ermittlung der Übergreifungslänge für die Versuchsbauteile ist der Tabelle 5 zu entnehmen. 216 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Tabelle 5: Ermittlung der Übergreifungslänge der Versuchsträger [2] 3. Versuchsergebnisse Tragfähigkeit der Stöße in den Versuchen Die Auslegung der Übergreifungslängen erfolgte unter Ansatz des Mittelwertes der Verbundfestigkeit f bm . Um bei den Versuchen ein Verbundversagen sicherzustellen und ein vorzeitiges Versagen durch Fließen der Bewehrung zu vermeiden, wurde bei der Ermittlung der Übergreifungslängen der Bemessungswert der Streckgrenze des Betonstahls zugrunde gelegt. In Tabelle 6 sind die in den Versuchen erreichten Versagenslasten und die jeweils zugehörige maximale Momentenbeanspruchung (zugh. M Bruch = F Bruch × 1,50 m) dargestellt. Auf Grundlage der für die Versuchsbalken ermittelten tatsächlichen Betondruckfestigkeiten und des zur Bruchlast zugehörigen Biegemomentes kann auf die zugehörigen Stahlspannungen im Zustand II unter der Bruchlast geschlossen werden. Diese wurden im Rahmen des Gutachtens (zugh s s,Bruch,cal ) durch Nachrechnung mit einem Querschnittsprogramm bestimmt. Die rechnerisch maximal durch den Stoß übertragbaren Stahlspannungen liegen bei den Versuchen mit Werten zwischen 500,1-518,1- MN/ m² 14 % bis 19 % über dem Bemessungswert der für die Ermittlung der Übergreifungslängen zugrunde gelegten Steckgrenze des Betonstahls. Bei der Bemessung der Versuchsbauteile wurde von einer zu übertragenden Stahlspannung von f yd- =- 435- N/ mm² und einem Beton der Festigkeitsklasse C40/ 50 ausgegangen. Für die Überprüfung der ausreichenden Tragfähigkeit und einen Vergleich zwischen der Config. A und R muss die durch den Verbund begrenzte Kraft im Stoßbereich mit der zug. Stahlspannung (min.-s sd ) noch an die tatsächliche am Versuchsbauteil festgestellte Betonfestigkeit angepasst werden, da diese die Verbundfestigkeit beeinflusst. Der Modellsicherheitsbeiwert g mod = zugh. s s,Bruch,cal / min.- s sd liegt bei den durchgeführten Versuchen zwischen 1,01 und 1,07 und ist für beide Versuchsreihen „Config. R“ und „Config. A“ etwa gleich groß. Eine negative Auswirkung aus der Bemessung der Stöße mit alternierenden Stababständen näherungsweise wie für Stöße mit mittleren konstanten Stababständen (150-mm) auf die Tragfähigkeit der Stöße ist hier nicht zu erkennen. Weiterhin muss bei einer Bemessung der Stöße auf dem Niveau der mittleren Verbundfestigkeit f bm der Modellsicherheitsbeiwert g mod = zugh. s su,Bruch,cal / min. s sd im Mittel um dem Wert 1,0 liegen und darf den Wert 0,7 nicht unterschreiten. Dies trifft hier bereits für alle Einzelversuche zu. D. h. mit den durchgeführten Versuchen konnte für die nach DIN EN 1992-2 und auf Mittelwertniveau ausgelegten Stöße eine ausreichende Tragfähigkeit nachgewiesen werden. Auswertung der Rissbreiten Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit liegen die Stahlspannungen etwa zwischen 150 bis 250-N/ mm². Die Messung und Bewertung der Rissbreiten im Stoßbereich erfolgte daher unter Gebrauchslastniveau. Für die Versuchsreihen Config. R und Config. A ergaben sich bei einer Versuchslast von 137,7- kN (zugh. M- =- 182,6- kNm) rechnerisch Stahlspannungen von 250-N/ mm². Für dieses Lastniveau wurden die Rissbreiten mittels optischer Messung ausgewertet und mit einer Setzdehnungsmessung überprüft. Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit hatten bei den Versuchen die alternierenden Stababstände keinen negativen Einfluss auf die Rissverteilung und die Rissbreiten. Die Ergebnisse der Messungen für das Gebrauchslastniveau im Hinblick auf die maximalen Rissbreiten sind in Tabelle 7 zusammengefasst. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 217 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Tabelle 6: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Tragfähigkeit Versuchsbalken R1 R2 R3 A1 A2 A3 f cm ,cyl,Test [MN/ m²] 63,0 62,7 61,2 63,1 62,3 64,30 f ctm = 0,30 f ck 2/ 3 [MN/ m²] 4,55 4,53 4,45 4,55 4,51 4,61 f bm [MN/ m²] 10,23 10,20 10,02 10,25 10,15 10,38 min. s sd [MN/ m²] für l 0 mit f bk 510,6 509,0 500,1 511,5 506,5 518,1 F Bruch im Versuch [kN] 353,5 361,6 350,5 363,3 363,4 384,4 M Bruch im Versuch [kNm] 506,2 518,4 501,7 521,1 521,1 552,6 zugh. s s,Bruch,cal [MN/ m²] 517,8 530,8 513,5 532,8 533,4 552,9 g mod = zugh s s,Bruch,cal / min s sd für l 0 mit f bk 1,01 1,04 1,02 1,04 1,05 1,07 Tabelle 7: Maximale Rissbreite [mm], gemessen an der Oberseite und an der Stirnseite der Balken (Die Stahlspannung wird als das 0,2-, 0,3-, 0,4-, 0,5- und 0,6-fache der Streckgrenze der Bewehrung bestimmt) [3] Beam surface Reinforcement stress [MPa] Beam ID R1 R2 R3 A1 A2 A3 Top of beam 100 0,010 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 150 0,019 0,000 0,010 0,000 0,011 0,000 200 0,101 0,065 0,051 0,039 0,024 0,031 250 0,236 0,218 0,196 0,215 0,210 0,212 300 0,336 0,316 0,316 0,312 0,299 0,324 Face of beam 100 0,010 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 150 0,022 0,016 0,012 0,012 0,000 0,013 200 0,087 0,063 0,051 0,026 0,013 0,020 250 0,218 0,185 0,173 0,196 0,182 0,186 300 0,294 0,281 0,276 0,282 0,265 0,292 4. Zusammenfassung Bei der Fehmarnbelt-Querung ist für die Bewehrung ein mittleres Stabraster von 150mm vorgesehen. Aus ausführungstechnischen Gründen soll das Stabraster hinsichtlich einer besseren Betonierbarkeit mit alternierend größeren und kleineren Stababständen modifiziert ausgeführt werden: 150 - 43 = 107-mm 150 + 43 = 193-mm Daraus folgte vor dem Hintergrund des spröden Materialverhaltens von Beton die Frage, ob die Übergreifungsstöße bei strenger Auslegung des Eurocode 2 für den kleineren Stababstand bemessen werden müssen, aufgrund der damit einhergehenden kleineren Stärke der Zugringe (bei kleinerem c d größerer α 2 -Wert und damit größere erforderliche Übergreifungslänge). Die Tragfähigkeit der Zugringe sind für die Verbundfestigkeit maßgebend. Oder reicht eine Bemessung der Zugstöße näherungsweise für den konstanten gemittelten Achsabstand 150-mm aus, um die gleiche Tragfähigkeit zu erzielen? Da diese Frage auf theoretischem Weg nicht mit ausreichender Zuverlässigkeit beantwortet werden konnte, wurden gezielte Versuche durchgeführt. Dabei wurden drei Versuchsbauteile mit Zugstößen und konstantem Achsabstand der Stäbe von 150-mm, und drei auf gleiche Weise für einen mittleren Stababstand von 150 mm bemessenen Versuchsbauteile mit Zugstößen und alternierenden Achsabständen der Stäbe von 107 und 193-mm getestet. Die Übergreifungslängen waren bei allen sechs Versuchsbauteilen gleich groß. Das Ziel bestand darin festzustellen, ob die Versuchsbauteile mit alternierenden Achsabständen (Konfiguration A) im Stoßbereich systematisch kleinere Tragfähigkeiten aufweisen als die Versuchsbauteile mit konstanten Achsabständen (Konfiguration R) der Bewehrung. 218 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Erkenntnisse aus neueren Untersuchungen zu Zugstößen durch Übergreifung bei mehrlagiger Bewehrung und alternierenden Stababständen Im Ergebnis lieferten die Versuche für beide Konfigurationen A und R etwa die gleichen Tragfähigkeiten für die Zugstöße. Auch im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit (Rissverhalten) erwiesen sich beide Bewehrungs- Konfigurationen als gleichwertig. Unter der Voraussetzung eines vollkommen spröden Zugtragverhaltens des Betons wäre dieses Ergebnis nicht zu erwarten gewesen. Allerdings verfügt der Beton beim Zugversagen durch den abfallenden Ast in der Spannungs-Verformungs-Beziehung (vgl. Abbildung 9) über eine gewisse Duktilität, die offensichtlich ausreicht, um die geringere Tragfähigkeit der Zugringe bei den kleinen Stababständen durch die größere Tragfähigkeit der Zugringe bei den größeren Abständen durch innere Spannungsumlagerungen zu kompensieren. Abbildung 9: Beton unter Zugbeanspruchung - Lokalisierung der Rissbildung [4] Literaturverzeichnis [1] Maurer, R; Bettin, M.: Übergreifungslängen von Betonstahlbewehrung BASt-Bericht B 148, Technische Universität Dortmund, Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen, Lehrstuhl Betonbau, 2020. [2] M. Bettin: Zum Zugstoß der Bewehrung bei Bauwerken der Verkehrsinfrastruktur mit großer Betondeckung, Dissertation, Universitätsbibliothek Dortmund, Dortmund, 2023. doi: 10.17877/ de290r-24053. [3] DTI76-UJO-051-ATR 51 Testing of reinforcement lapping in beams cast by FLC. Final Report, Femern A/ S. Danish Technological Institute 09.02.2024 (nicht veröffentlicht). [4] Zilch, K.; Zehtemaier, G.: Bemessung im konstruktiven Betonbau, 2., neu bearbeitete Auflage, Springerverlag, 2017.
