eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite

0925
2024
Maximilian Schnieders
Marc Gutermann
Die Brückenbauwerke in der Verantwortung des Bundes weisen bekanntermaßen einen schlechten Erhaltungszustand auf. Gleichzeitig verzeichnet auch die kommunale Infrastruktur erhebliche Mängel. Neben den üblichen Herausforderungen im Erhaltungsbereich treten hier oft weitere Schwierigkeiten auf, da Bestandsunterlagen erfahrungsgemäß häufig nicht vollständig sind. Diese Lücken können eine präzise Bewertung der Tragsicherheit zusätzlich erschweren und dazu führen, dass rechnerische Untersuchungen der Tragsicherheit zu schlechten Ergebnissen führen. Alternativ kann der Nachweis einer ausreichenden Tragsicherheit durch Belastungsversuche erfolgen. Zur wirtschaftlichen Umsetzung solcher Versuche an Brücken mit geringerer Stützweite wurde ein neues Belastungssystem entwickelt und in einem Forschungsprojekt eingehend untersucht. Erste Ergebnisse dieser Erprobung wurden bereits 2018 in der Bautechnik [1] veröffentlicht. Nach mehreren Jahren praktischer Anwendung und verschiedenen Einsätzen des Belastungssystems „SyMoB“ wird in diesem Bericht das Verfahren anhand ausgewählter Beispiele erläutert. Es wird aufgezeigt, wie die Restnutzungsdauer kleinerer Straßenbrücken auch mit Erhöhung der Verkehrslasten verlängert.
kbr610219
6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 219 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite Maximilian Schnieders Ingenieurgesellschaft Experimentelle Statik mbH, Bremen Prof. Dr.-Ing. Marc Gutermann Institut für Experimentelle Statik, Hochschule Bremen Zusammenfassung Die Brückenbauwerke in der Verantwortung des Bundes weisen bekanntermaßen einen schlechten Erhaltungszustand auf. Gleichzeitig verzeichnet auch die kommunale Infrastruktur erhebliche Mängel. Neben den üblichen Herausforderungen im Erhaltungsbereich treten hier oft weitere Schwierigkeiten auf, da Bestandsunterlagen erfahrungsgemäß häufig nicht vollständig sind. Diese Lücken können eine präzise Bewertung der Tragsicherheit zusätzlich erschweren und dazu führen, dass rechnerische Untersuchungen der Tragsicherheit zu schlechten Ergebnissen führen. Alternativ kann der Nachweis einer ausreichenden Tragsicherheit durch Belastungsversuche erfolgen. Zur wirtschaftlichen Umsetzung solcher Versuche an Brücken mit geringerer Stützweite wurde ein neues Belastungssystem entwickelt und in einem Forschungsprojekt eingehend untersucht. Erste Ergebnisse dieser Erprobung wurden bereits 2018 in der Bautechnik [1] veröffentlicht. Nach mehreren Jahren praktischer Anwendung und verschiedenen Einsätzen des Belastungssystems „SyMoB“ wird in diesem Bericht das Verfahren anhand ausgewählter Beispiele erläutert. Es wird aufgezeigt, wie die Restnutzungsdauer kleinerer Straßenbrücken auch mit Erhöhung der Verkehrslasten verlängert. 1. Einführung Das Straßennetz hat für Deutschland einen hohen Stellenwert. Für eine intakte Verkehrsinfrastruktur sind Brückenbauwerke ebenso wichtig wie die Straße an sich. Der eher schlechte Erhaltungszustand der Straßenbrücken in der Baulast des Bundes ist hinlänglich bekannt. Der Zustand der Straßenbrücken in kommunaler Baulast steht jedoch eher im Hintergrund, obgleich dieser für die jeweiligen Regionen ebenfalls einen hohen Stellenwert bezüglich der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung hat [2]. Aus einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik aus dem Jahr 2013 geht hervor, dass etwa die Hälfte der Brücken in kommunaler Baulast einen schlechten Zustand aufweisen, etwa 15 % der kommunalen Straßenbrücken weisen sogar einen Ersatzneubaubedarf auf. Bezogen auf die Brückenfläche machen kleinere Brücken dabei den größten Anteil aus [2]. Treten bezüglich der Tragsicherheit bestehender Brücken Fragen auf, oder ist eine Nutzlasterhöhung erforderlich, kann der Nachweis oft rechnerisch nicht erbracht werden. Dann besteht die Möglichkeit, einen Tragsicherheitsnachweis experimentell zu führen. In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche Brücken auf diese Weise nachgewiesen. Besonders kleinere Brücken haben ein hohes Potential für Nutzlasterhöhungen wie eine Auswertung von durchgeführten Belastungsversuchen an Brückenbauwerken mit dem Belastungssystem BELFA zeigt (Abb.-1). Abb. 1: Statistische Auswertung der erreichten mittleren Nutzlasterhöhungen [3] (100 % = rechnerische Prognose) Die verschiedenen Möglichkeiten zur Erzeugung der Versuchslasten für Belastungsversuche an Brückenbauwerken sind in [4] ausführlich beschrieben. Der zeitliche und wirtschaftliche Aufwand für eine solche Untersuchung ist aufgrund der Komplexität der Lasterzeugung meist hoch, was zur Folge hat, dass kleinere Kommunen, deren Haushalt verhältnismäßig gering ist, diese Möglichkeit nicht wahrnehmen können oder wollen. Motoviert durch eine Anfrage zu Belastungsversuchen an einer Reihe von Brücken kleinerer Stützweite wurde am Institut für Experimentelle Statik der Hochschule Bremen ein Verfahren entwickelt, um den Aufwand für die Lasterzeugung und somit die Kosten für einen Belastungsversuch stark zu reduzieren. Unter der Num- 220 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite mer 10 2017 118 041.9 wurde das „System zur Verwendung von Mobilkranen für die Durchführung von Belastungsversuchen an Straßenbrücken kleinerer Stützweite“ (SyMoB) patentiert. Über die ersten Erfahrungen mit dem neuen Prototyp wurde bereits in [1] berichtet. Zwischen Februar 2020 und August 2021 wurde das neue Verfahren in einem WIPANO-Forschungsprojekt (Wissenstransfer durch Patente und Normen), gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, bearbeitet [5]. Anhand einer Defizitanalyse der bereits durchgeführten Belastungsversuche wurde ein Pflichtenheft für die Entwicklung einer neuen Konstruktion erarbeitet. Durch verschiedene Erprobungen konnten Möglichkeiten und Grenzen sowie Eigenschaften des neuen Prototyps untersucht werden. In diesem Artikel wird über die wesentlichen Ergebnisse des Forschungsprojektes berichtet. Im Anschluss werden System und Verfahren anhand von Beispielen aufgezeigt. 2. Verfahren des Belastungsversuchs Mit dem Belastungssystem SyMoB können Versuchslasten durch die entwickelte Prüfvorrichtung mit integrierter Prüf hydraulik fein regelbar gegen die Masse eines Mobilkrans in das zu untersuchende Bauwerk eingeleitet werden. Durch zwei integrierte Kraftmessdosen oberhalb der Hydraulikzylinder ist die Versuchslast jederzeit bekannt. Die Einleitung der Versuchslasten in das zu untersuchende Bauteil erfolgt unterhalb der Lasttraverse über definierte Platten. Dies ermöglicht neben der Erzeugung der Normlastbilder der DIN 1072 auch eine individuelle Wahl der Lastbilder. Der Auf bau der Belastungstraverse mit den integrierten Bestandteilen ist in Abb. 2 dargestellt. Abb. 2: Auf bau und Bestandteile der im Forschungsprojekt überarbeiteten Konstruktion Der erforderliche Mobilkran kann in der Nähe des Einsatzortes für die Dauer der Untersuchung angemietet werden. Die Prüfvorrichtung wird vor Ort zusammen- und angebaut und kann über eine flexible Anschlussfunktion an diverse gängige Mobilkrantypen angeschlossen werden. In Abb. 3 ist der Anschluss an einen Mobilkran Liebherr LTM 1070-4.2 dargestellt. Abb. 3: Links: neuer Prototyp im Einsatz mit ausgefahrener Prüf hydraulik; rechts: Detail Anschluss an Mobilkran Aufgrund des hohen Eigengewichts des Mobilkrans ist ein direktes Befahren der zu untersuchenden Brücke nicht möglich. Ein schrittweises Verfahren dient dazu, die Tragfähigkeit des Bauwerks für das Vorrücken des Mobilkrans auf das Bauwerk sicherzustellen, bis die Zielposition für den Belastungsversuch erreicht ist. Hierbei befindet sich der Mobilkran zum Start der Messung außerhalb des Einflussbereichs der Brücke und fährt in Zwischenschritten von etwa ~50 cm rückwärts auf die Brücke auf. In jedem Zwischenschritt wird durch eine messtechnisch überwachte Probebelastung die Tragfähigkeit der Brücke für den nächsten Schritt sichergestellt. Zu berücksichtigende Laststellungen sind vor dem Widerlager, auf dem Auflager, im Viertelspunkt und in Feldmitte (Abb. 4). Das Bauwerk wurde vorher mit Messtechnik ausgestattet. Das Messkonzept wird jeweils individuell an die Problemstellung angepasst, damit eine Zustandsänderung rechtzeitig erkannt und die Last reduziert werden kann. Abb. 4: Schrittweises Vorgehen - minimale Anzahl der Laststellungen 3. Anwendungsbeispiele 3.1 Wegebrücke über ein Sielbauwerk Das zu untersuchende Sielbauwerk aus Stahlbeton regelt den Wasserstand zwischen Hinterland und Ostsee, wo- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 221 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite bei das landseitige Ende von einer zweispurigen Straße überquert wird, die für den Lieferverkehr (BK 30/ 30) und Militärtransporte (MLC 100) nachgewiesen werden sollte. In Abb. 5 ist der Längsschnitt des Sielbauwerks dargestellt. Abb. 5: Längsschnitt des Sielbauwerks Der Querschnitt des landseitigen Sielbauwerks stellt somit den Längsschnitt der Brücke dar, siehe Abb. 6. Abb. 6: Querschnitt des Sielbauwerks = Längsschnitt der Stahlbetonbrücke Abb. 7: Lasteinleitung Nachweis Stützmoment (rot: Lasteinleitungsflächen) Da keine statischen Unterlagen vorhanden waren, wurde vorgeschlagen, die Tragsicherheit durch Belastungsversuche nachzuweisen. Aufgrund der Fahrbahnbreite von 6,0- m musste für die Brückenklasse 30/ 30 die Haupt- und Nebenspur mit dem Lastbild SLW30 berücksichtigt werden. Eine FE-Vergleichsrechnung zur Versuchslastermittlung ergab für den Nachweis der Brücke Versuchslasten in Summe von F Ziel = 970 kN. Zur Erzeugung dieser Versuchslasten wurden zwei Mobilkrane mit der Belastungskonstruktion SyMoB ausgestattet und 40t zusätzlicher Ballast eingesetzt. Exemplarisch ist der Lasteinleitungsplan zur Erzeugung des minimalen Stützmoments in Abb. 7 dargestellt. Um die Tragfähigkeit der Brücke für das Auffahren der Mobilkrane und die Ablage des Ballasts nachzuweisen, gliederte sich der Versuchsablauf in die folgenden 5 Schritte: 1. Auffahrt Mobilkran 1 und Belastungsversuch für den Nachweis ‚20t Ballast‘ auf Feld 1 und 2 2. Abfahren des Krans und Ablage von je 20t Ballast auf Feld 1 und 2 3. Schrittweise Auffahrt Mobilkran 1 und 2 und Belastungsversuch für den Nachweis des Stützmomentes-M Stütz 4. Abfahren der Krane und Umlegen des Ballast von Feld 1 auf Feld 2 (40t Ballast auf Feld 2) 5. Abfahren Mobilkran 1 und Belastungsversuch für Nachweis max. M Feld in Feld 2 Durch das schrittweise Vorgehen bei der Lastauf bringung konnten die Versuchslasten aus den Mobilkranen sowie aus dem zusätzlichen Ballast abgesichert auf der Brücke eingeleitet werden. Abb. 8: Lagerung der Messbasis (1), Durchbiegungsmessung (2), integrale Dehnungsmessung (3) und Neigungsmessung (4) Vor den Versuchen wurde das Bauwerk mit Messtechnik ausgestattet um die notwendigen Informationen zur Zustandsbewertung während des Versuches beobachten zu können. Aufgenommen wurden neben den eingeleiteten Kräften aus den Mobilkranen auch die Durchbiegung des Überbaus relativ zu den Wänden und Betondehnungen an der Brückenunterseite. Neigungssensoren überwachten Verdrehungen an den Außenwänden (Quer zur Fahrbahn) und der Mittelwand. Zur Ermittlung einer möglichen Durchlaufwirkung wurden während der Belastungen zwei Neigungssensoren jeweils ca. 50 cm vom Mittelauflager eingesetzt. Während der Versuche konnten die Bauteilreaktionen in Abhängigkeit der aufgebrachten Versuchslasten beobachtet und analysiert werden. Insgesamt wurden nur sehr geringe Bauteilreaktionen gemessen, welche vorwiegend im linear-elastischen Bereich blieben und nur geringe bleibende Verformungen hervorgerufen haben. Eine Einstufung in die Brückenklasse 30/ 30 und in die militärische Lastklasse MLC 100 konnte durch die Belastungsversuche nachgewiesen werden. In Abb. 9 sind die aufgenommenen Vertikalverschiebungen in Feldmitte (Feld 2) in Abhängigkeit des erzeugten Feldmoments dargestellt. 222 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite Abb. 9: Vertikalverschiebung in Feldmitte in Abhängigkeit des erzeugten Feldmoments (Nachweis max. Feldmoment in Feld 2) Abb. 10: Mobilkrane und Ballast zum Nachweis des Stützmoments 3.2 WIB-Brücken in Apelern In der Gemeinde Apelern lagen für zwei Wegebrücken keine aussagekräftigen Bestandsunterlagen vor. Gutachterliche Stellungnahmen bezüglich der Tragfähigkeit der Brücke reduzierte die zulässigen Nutzlasten aufgrund von Korrosionsschäden an den Stahlträger in die Brückenklassen BK12 und BK9. Durch experimentelle Tragsicherheitsbewertungen an Überbau und Gründung sollte für beide Brücken überprüft werden, ob eine Einstufung in die Brückenklasse BK30 möglich ist. Bei den Brücken handelt es sich um WIB-Brücken (Walzträger in Beton). Die kleinere der beiden Brücken ist besonders schiefwinklig (~41 gon), siehe Abb. 11. Die lichte Weite zwischen den Auflagern beträgt 3,42-m. Die Gesamtbreite der Brücke beträgt etwa 5,37-m mit einer Fahrbahnbreite von 4,5-m. Bei der Besichtigung der Brücke war ein eher schlechter Erhaltungszustand sowie augenscheinlich starke Korrosion ersichtlich (Abb. 12, links). Auffällig war zudem, dass einer der Stahlträger „liegend“ eingebaut worden ist (Abb. 12, rechts). Abb. 11: Draufsicht der WIB-Brücke mit eingezeichneten Stahlträgern Abb. 12: Links: Brückenuntersicht mit augenscheinlich starker Korrosion; rechts: Detail des „liegend“ eingebauten Stahlträgers Aufgrund der Fahrbahnbreite von 4,5 m musste für die Berechnung der maßgebenden Schnittgrößen nur eine Fahrspur mit den Lastbildern des SLW30 bzw. der schweren Einzelachse der BK30 berücksichtigt werden. In einer FE-Vergleichsrechnungen wurden die extremen Schnittgrößen und Lagerkräfte unter den Lastbildern der Brückenklasse BK30 nach DIN 1072 ermittelt und die Versuchslasten so bestimmt, dass die maximalen Schnittgrößen an sämtlichen Trägern und Plattenbereichen erzeugt werden. Dadurch konnte auf einen Übertragungsbeiwert auf nicht getestete Bereiche verzichtet werden und die erforderlichen Versuchslasten von F ext ≤ 300 kN alleine durch einen Mobilkran erzeugt werden. Dieser tastete sich, begonnen mit Laststellung 1, schrittweise über die Brücke. Die acht verschiedenen Laststellungen sind in Abb. 13 dargestellt. In den Laststellungen 1 und 5 wurden die Brückenwiderlager untersucht. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 223 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite Abb. 13: Versuchslaststellungen im Belastungsversuch Abb. 14: Messstellenplan Zur Zustandsbewertung während des Versuchs wurden wesentliche Bauteilreaktionen wie die Durchbiegung der Stahlträger, Dehnungen an den Feldbereichen, die Setzungen der Widerlager und die erzeugte Kraft aufgenommen und konnten zur zeitgleichen Zustandsbewertung am Bildschirm analysiert werden. Zur messtechnischen Ausstattung siehe Abb. 14. Abb. 15: Links: Durchbiegungsmessung der Stahlträger und integrale Dehnungsmessung an den Feldern zwischen den Trägern; rechts: Detail Durchbiegungs- und Dehnungsmessung Die Versuchslasten konnten kontrolliert bis zum Erreichen der Versuchsziellast gesteigert werden, womit die Brücke erfolgreich in die Brückenklasse BK30 eigestuft werden konnte. Bis zum Gebrauchslastniveau zeigten alle gemessenen Bauteilreaktionen ein linear-elastisches Verhalten auf. Oberhalb dieser Last zeigte sich in den Randträgern ein nichtlineares Tragverhalten (Abb. 16). Abb. 16: Belastung vs. Vertikalverschiebung in Laststellung 4 Bei der zweiten untersuchten Brücke in der Gemeinde Apelern handelte es sich ebenfalls um eine WIB-Brücke. Die lichte Weite der Brücke beträgt ~7,0-m bei einer Fahrbahnbreite von ~5,5-m. In Abb. 17 sind Querschnitt und Grundriss der Brücke dargestellt. 224 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite Abb. 17: Querschnitt und Grundriss der WIB-Brücke Bei einem Ortstermin wurde auch hier Korrosion an den Stahlträgern festgestellt, der Gesamteindruck war jedoch besser als bei der vorherigen Brücke. Eine Ansicht der Brücke von unten ist in Abb. 18 dargestellt. Abb. 18: Brückenuntersicht Die erforderlichen Versuchslasten wurden ebenfalls durch einen Schnittgrößenvergleich mithilfe einer FE- Berechnung ermittelt. Bei einer Fahrbahnbreite von 5,50-m musste nur eine Spur mit einem SLW30 berücksichtigt werden. Aufgrund der Spannweite der Brücke reichten die Versuchslasten allein aus der Belastungsvorrichtung jedoch nicht aus, weshalb neben der regelbaren Versuchslasteinleitung zusätzlicher Ballast auf der Brücke abgestellt wurde. Die Tragfähigkeit der Brücke wurde für das Abstellen des Ballasts vorher durch regelbare Belastungen mit der Belastungsvorrichtung erprobt. Insgesamt ergaben sich 4 Laststellungen, siehe Abb. 19. Abb. 19: Versuchslaststellungen; links: Nachweis max M y des Randträgers; mitte: Nachweis max m y des Plattenbereichs zwischen den Trägern; rechts: Nachweis der max. Auflagerkräfte Die am Bauwerk installierte Messtechnik ist in Abb. 20 dargestellt. Aufgenommen wurden: • Vertikalverschiebungen der Stahlträger (13-17, 23-26) • Betondehnungen an der Unterseite (18, 27) • Dehnungen am Stahlträger (101) • Verdrehungen am Auflager (33-36) • Setzungen (11, 12, 21, 22) • Kraftmessung (31, 32) Abb. 20: Messstellenplan Die Bauwerksreaktionen waren bis zur Versuchsziellast in einen vorwiegend linear-elastischen Bereich. In Abb. 21 sind die Vertikalverschiebungen der Stahlträger in Feldmitte dargestellt, hier ist auch eine geringe bleibende Verformung zu erkennen, welche im Wesentlichen auf die Lagersetzungen zurückzuführen ist. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 225 System zur Verwendung von Mobilkranen für Belastungsversuche an Brückenbauwerken kleinerer Stützweite Abb. 21: Belastung vs. Vertikalverschiebung an den Stahlträgern 4. Zusammenfassung Die Brückenbauwerke des Bundes sowie der kommunalen Infrastruktur zeigen einen schlechten Erhaltungszustand und weisen teils erhebliche Mängel auf. Um dieser Problematik zu entgegnen, wurde ein neues Belastungssystem namens „SyMoB“ entwickelt, das Belastungsversuche an Brücken mit geringerer Stützweite wirtschaftlich ermöglicht. Das System wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt und erprobt. Es ermöglicht die Feinregelung und zuverlässige Bestimmung aufgebrachter Lasten sowie die Anpassung an verschiedene Mobilkrane. Die Belastungsversuche erfolgen schrittweise, um die Tragfähigkeit des Bauwerks sicherzustellen. Anhand ausgewählter Beispiele, wie einer Wegebrücke über ein Sielbauwerk und WIB-Brücken in Apelern, wurde die Anwendung des Verfahrens demonstriert. Die Versuche zeigten, dass das Belastungssystem erfolgreich eingesetzt werden kann, um die Tragsicherheit von Brücken zu prüfen und die zulässigen Nutzlasten gegebenenfalls zu erhöhen. Die ermittelten Bauteilreaktionen blieben überwiegend im linear-elastischen Bereich, was auf eine gute Tragfähigkeit der untersuchten Brücken hinweist. Das SyMoB-System bietet somit eine effektive Möglichkeit, Tragreserven zu erschließen und so die Restnutzungsdauer kleinerer Straßenbrücken zu verlängern sowie die zulässige Nutzlast zu erhöhen. Literatur [1] Gutermann, M., Schröder, C., Böhme, C., 2018: Nachweis von Straßenbrücken kleiner Stützweite am Beispiel von Wegebrücken in der Eilenriede, Hannover in: Bautechnik 95, H. 7, S. 477-484. [2] Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (DIfU) [Hrsg.], 2013: Ersatzneubau Kommunale Straßenbrücken. Verfügbar unter: https: / / www.bauindustrie.de/ fileadmin/ bauindustrie.de/ Themen/ Verkehr_ Infrastruktur/ Studie_Ersatzneubau-Bruecken.pdf [3] Gutermann, M.; Schröder, C. 2011: 10 Jahre Belastungsfahrzeug BELFA in: Bautechnik 88, H. 3, S. 199-204. [4] Bretschneider, N.; Fiedler, L.; Kapphahn, G.; Slowik, V.,2012: Technische Möglichkeiten der Probebelastung von Massivbrücken in: Bautechnik 89, H. 2, S. 102-110. [5] WIPANO-Forschungsprojekt 03THW04K04, 2020: 1. Zwischenbericht SyMoB. Hochschule Bremen, unveröffentlicht.