eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton

0925
2024
Martin Hönig
Hans-Dieter Bossemeyer
David Sanio
Volker Thome
Bei Abbrucharbeiten von Infrastrukturbauwerken aus Stahlbeton besteht die Notwendigkeit, die oft verdeckten Abstandhalter, die in den Jahren zwischen 1960 und 1993 verbaut wurden, zu erkennen und sicher auszubauen. So kann der Stoffstrom des mineralischen Bauschutts vor Asbest abgesichert werden, um ein Recycling zu ermöglichen. Abstandhalter kommen in verschiedenen Materialien (z. B. Beton, Kunststoff, Asbestzement) und Formen vor. Sie wurden in Brücken mit einer Dichte von ca. 4 Stk. /m², in einem Abstand von ca. 50-100 cm zueinander verbaut. Das Vorgehen bei der Erkundung erfolgt in drei Schritten: historische Recherche, Vorprüfung und Vollprüfung. Bei der Vorprüfung wird die Brücke visuell nach Abstandhaltern abgesucht und es werden ggf. erste Materialproben zur Analyse im Labor entnommen. Bei der Vollprüfung kommen zur Sichtbarmachung der Abstandhalter Maschinen zum Abtrag der Oberfläche zum Einsatz. Die Ausschleusung asbesthaltiger Abstandhalter erfolgt idealerweise entweder durch Abtrennung vorab des Rückbaus oder durch Abtrennung aus dem Bauschutt nach dem Abbruch.
kbr610263
6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 263 Abb. 1: Vorschlag eines Bearbeitungsablaufes bei Abstandhaltern im Stahlbeton. Abfallschlüssel gem. Abfallverzeichnis-Verordnung AVV (17 01 01 „geringfügig asbesthaltig“: Beton mit asbesthaltigen Abstandhaltern; 17 06 05*: asbesthaltige Baustoffe; 17 01 01: Beton). 1. Einführung Der Baustoff Asbest wurde bis zu seinem Verbot 1993 in Deutschland sehr häufig eingesetzt und ist daher in nahezu jedem Gebäude aus der Zeit zwischen 1950 und 1993 vorhanden. In Stahlbetonbauwerken kommen besondere Einbauteile in Form von Abstandhaltern oder Wandstärken („Spannhülsen“) vor, welcher Asbest enthalten können. Die Lokalisierung, Beprobung und (bei nachgewiesener Asbestbelastung) der sichere Ausbau dieser Bauteile in Stahlbeton stellen eine große Herausforderung dar. Bisher fehlen Normen oder Handlungsanweisungen für die Erkundung im Bestand, die es dem Sachverständigen/ Gutachter/ Planer ermöglichen, mit ausreichender Sicherheit eine diesbezügliche Asbestfreiheit im Stahlbeton zu attestieren. Abbruchmaterial aus Beton ist eine wichtige Ressource im Bausektor. Jährlich fallen in Deutschland ca. 20 Mio. Tonnen dieses Materials an, aufgrund von Sa- Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt „Konzeption zur Bestimmung von Lage und Anzahl asbesthaltiger Abstandhalter in Betonbrücken und Trennung vom Konstruktionsbeton“ Dr. Martin Hönig Wessling Consulting & Engineering GmbH & Co. KG Hans-Dieter Bossemeyer Wessling Consulting & Engineering GmbH & Co. KG Dr.-Ing. David Sanio Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Massivbau Dr. rer. nat. Volker Thome Fraunhofer Institut für Bauphysik Zusammenfassung Bei Abbrucharbeiten von Infrastrukturbauwerken aus Stahlbeton besteht die Notwendigkeit, die oft verdeckten Abstandhalter, die in den Jahren zwischen 1960 und 1993 verbaut wurden, zu erkennen und sicher auszubauen. So kann der Stoffstrom des mineralischen Bauschutts vor Asbest abgesichert werden, um ein Recycling zu ermöglichen. Abstandhalter kommen in verschiedenen Materialien (z. B. Beton, Kunststoff, Asbestzement) und Formen vor. Sie wurden in Brücken mit einer Dichte von ca. 4 Stk. / m², in einem Abstand von ca. 50-100 cm zueinander verbaut. Das Vorgehen bei der Erkundung erfolgt in drei Schritten: historische Recherche, Vorprüfung und Vollprüfung. Bei der Vorprüfung wird die Brücke visuell nach Abstandhaltern abgesucht und es werden ggf. erste Materialproben zur Analyse im Labor entnommen. Bei der Vollprüfung kommen zur Sichtbarmachung der Abstandhalter Maschinen zum Abtrag der Oberfläche zum Einsatz. Die Ausschleusung asbesthaltiger Abstandhalter erfolgt idealerweise entweder durch Abtrennung vorab des Rückbaus oder durch Abtrennung aus dem Bauschutt nach dem Abbruch. 264 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton nierungsdringlichkeit großer Infrastrukturbauwerke mit steigender Tendenz. Um die Verwertbarkeit dieses Stoffs im Sinne der Kreislaufwirtschaft abzusichern, bedarf es der Identifizierung und insbesondere der Ausschleusung von asbesthaltigen Abstandhaltern im Brückenbestand. Im Rahmen eines im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, durchgeführten Forschungsvorhabens [1] wurde eine Handlungsanleitung für den Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen, insbesondere Abstandhalter, in und an Brückenbauwerken aus Beton entworfen. Diese umfasst die folgenden Stufen der Planung und Durchführung einer Sanierung oder eines Rückbaus: a) die historische Recherche (Sichtung Bestandsunterlagen, etc.); b) die Erkundung des Bauwerkes vor Ort; c) die Begleitung der Sanierung/ des Rückbaus sowie d) den Umgang mit den anfallenden Baurestmassen. 2. Erkundung Erste Hinweise auf konkrete Produkte für Abstandhalter aus Asbestzement finden sich in Form von Patentanmeldungen ab 1966. Diese legen eine Verwendung schon einige Zeit vorher nahe, da Patente oftmals einen bereits bestehenden Sachverhalt abbilden. In den 1970er Jahren herrschte in der Baubranche Konsens über die hervorragenden Eigenschaften von Abstandhaltern aus Asbestzement. Es ist von einer breiten Verwendung auszugehen. Die Wahrscheinlichkeit für die Verwendung asbesthaltiger Abstandhalter ist im Zeitraum zwischen ca. 1965 und 1991 hoch, zwischen 1970 und 1985 (DDR bis ca. 1989) besonders hoch. Eine Verwendung davor und danach kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Ab Oktober 1993 waren Herstellung und Verwendung gem. der Gefahrstoffverordnung [2] verboten. Das Vorhandensein von Asbest im Bauwerk hat großen Einfluss auf den Ablauf einer Rückbaumaßnahme. Es empfiehlt sich daher, die Erkundung nach Asbest und anderen Schadstoffen so früh wie möglich im Planungsprozess durchzuführen. Vorab eines Eingriffs in die Bausubstanz (Rückbau, Teilrückbau, Teilerneuerung, etc.) ist das Vorhandensein von Asbest zu prüfen. Die Erkundung sollte grundsätzlich in drei Stufen erfolgen. Wenn in einer Stufe ein eindeutiger Befund (Abstandhalter mit Asbest ja/ nein) erreicht wird, können die nachfolgenden Stufen entfallen. Im ersten Schritt erfolgt die historische Recherche, dann die Vorprüfung (nicht invasiv, evtl. mit Probenahme) und als dritte Stufe die invasive Vollprüfung des Bauwerks. 2.1 Historische Recherche Das wichtigste Kriterium bildet die Ermittlung der Bauzeit. Die Datierung der Baupläne liefert hier meist das erste entscheidende Kriterium. Die Haupteinsatzzeit für asbesthaltige Abstandhalter in Deutschland liegt zwischen 1963 und 1983. Nach heutigen Erkenntnissen wurden asbesthaltige Abstandhalter von 1960 bis 1993 eingesetzt. Für Bauwerke mit Bauzeit außerhalb dieses Zeitraums ist die Verwendung nicht gänzlich auszuschließen, ist jedoch als unwahrscheinlich anzusehen. Bei Bauwerken von vor 1960 gilt es zu ermitteln, ob in der Zeit möglicher Verwendung asbesthaltiger Abstandhalter (1960 bis 1993) größere Um- oder Anbaumaßnahmen stattgefunden haben, bei denen möglicherweise Betonbauteile mit asbesthaltigen Abstandhaltern nachträglich eingebracht wurden. Die Planunterlagen liefern darüber hinaus weitere nützliche Informationen, wenn die Betonüberdeckung angegeben ist. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass Abstandhalter in geeigneter Größe eingesetzt worden sein müssten. Ab 1980 sind Hinweise zum Verlegeraster und geeigneten Typen in den Bewehrungsplänen wahrscheinlicher. Die tatsächliche Ausführung (Material, Form, Anordnung, Anzahl oder Verlegemuster) der Abstandhalter wird in aller Regel auch in Bewehrungsplänen nicht zuverlässig beschrieben. 2.2 Vorprüfung Bei der Vorprüfung handelt es sich um die visuelle Prüfung auf Abstandhalter und eine visuelle Bestandsaufnahme des gesamten Bauwerks. Dabei werden alle Bauwerksteile der Brücke, ggf. an auszuwählenden, durch die Erreichbarkeit vorgegebenen, aber dennoch repräsentativen Teilflächen durch eine handnahe Sichtprüfung untersucht. Insbesondere bei größeren Brücken gilt zu beachten, dass sie u. U. in mehreren Betonierabschnitten, über mehrere Wochen oder Monate hinweg, evtl. mit veränderten Materialien oder sogar wechselnden Auftragnehmern, errichtet wurden. Diese Betonierabschnitte sind dann separat zu betrachten. Soweit die Abstandhalter den Kontakt zur Schalung nicht beim Betongießen und -verdichten verloren haben, können an offenen Sichtseiten des Betonbauwerkes bestimmte Muster erkannt werden. Die Asbestzement-Abstandhalterfabrikate zeigen charakteristische Kontaktmuster an den Untersichten oder Seitensichten (Schlangen oder Stangen mit dreieckigem Querschnitt, stumpfe Pyramiden, Knochen). Bei visuell erkennbaren (bei genauer Betrachtung; mit einem Arbeitsabstand von ca. 70 cm) asbestverdächtigen Materialien (Verdachtsmaterialien) können ggf. Materialproben entnommen werden. Bei guter Erreichbarkeit und Erkennbarkeit von Abstandhaltern kann hiernach ggf. die Untersuchung der Brücke abgeschlossen werden. Wenn Abstandhalter an allen relevanten Flächen in plausiblen Abständen und Arten in statistisch ausreichender Anzahl gefunden wurden, können diese möglicherweise im Zuge der Sichtprüfung in Abhängigkeit des verwendeten Materials als eindeutig asbestfrei eingestuft werden (z. B. Kunststoff oder Metall). Bei bestehendem Asbestverdacht des vorgefundenen Materials (Asbestzement) sind Materialproben zur Analyse an ein geeignetes Labor zu geben. Sind die Analysebefunde eindeutig (in allen Proben kein Asbest nachgewiesen oder in allen bzw. einer Mehrzahl der Proben Asbest nachgewiesen), so kann die Untersuchung der Brücke mit eindeutigem Befund abgeschlossen werden. Zur Attestierung der Asbestfreiheit der Baurestmassen ist dann eine Begleitung des konventionellen Rückbaus durch den Sachverständigen für Asbest durchzuführen, unter Umständen mit analytischer Überprüfung nach VDI 3876 [3]. Ergibt die Laboranalyse ein diffuses Bild (einige Proben Asbest nachgewiesen, einige 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 265 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton Proben kein Asbest nachgewiesen), so ist im Einzelfall zu entscheiden, ob eine erneute Prüfung der Brücke mit Probenahme durchgeführt wird, oder die Abstandhalter insgesamt gemäß VDI 6202-3 [4] als asbesthaltig eingestuft werden. Können in der nicht-invasiven Vorprüfung keine Abstandhalter in ausreichendem Maße gemäß VDI 6202-3 erkundet werden, ist für die weitere Erkundung eine invasive Vollprüfung notwendig. Alternativ kann für das weitere Vorgehen (z. B. der Rückbau der Brücke) auch generalisiert von asbesthaltigen Abstandhaltern ausgegangen werden. 2.3 Vollprüfung Beschichtungen, wie z. B. Sanierputze, Anstriche, Graffiti, Algenbewuchs, Zementleim und Zement-ausblühungen sowie Schalungsmuster mit Nägeln, Hammerschlägen, Fugen, Holzmaserungen und Astlöcher, verhindern oder behindern die Erkennung soweit, dass zur Erfassung aller verwendeten Arten von Abstandhaltern eine Freilegung notwendig wird. Die Freilegung einer Prüffläche kann überwiegend erfolgreich durch Abfräsen der ersten 1-3 mm der Oberflächen mit einem geeigneten Verfahren mittels handgeführter Fräse mit direkter Absaugung erfolgen. Die freigelegten bzw. bereits leicht angefrästen Abstandhalter fallen danach durch ihre regelmäßigen, charakteristischen Formen, im Gegensatz zu den natürlichen Betonzuschlägen, auf. Durch Benässen der gefrästen Fläche kann die Erkennbarkeit weiter verbessert werden. Da im Zuge des Erkundungsprozesses von asbesthaltigen Abstandhaltern auszugehen ist, sind nur solche Verfahren einzusetzen, die für die Bearbeitung asbesthaltiger Materialien geeignet sind (z. B. emissionsarme Verfahren). Verschiedentlich liegen Verkleidungen mit Steinen, Klinkern und Fliesen vor. Diese Verkleidungen müssen vorab der Entschichtung entfernt werden (hier sind ggf. Schadstoffe zu beachten). Es muss im Einzelfall entschieden werden, welches Verfahren zur Sichtbarmachung eingesetzt werden kann. Dies hängt zum Beispiel von den projektspezifischen Parametern, wie der Zugänglichkeit, der Verkehrssituation und -sicherung, der freizulegenden Fläche, etc. ab. Bei hoher Abtragstärke bis zur Bewehrung muss ggf. mit einem Stemmverfahren gearbeitet werden. Die technischen Lösungen in diesem Bereich entwickeln sich zurzeit rasant. So kann beispielsweise bei größeren Flächen ein fahrbarer Roboter mit Schienensystem und Frästechnik sinnvoll sein. Zerstörungsfreie Prüfverfahren, wie Röntgentechnik, Radar oder Thermografie, ermöglichen nach heutigem Stand nicht das Erkennen von überdeckten Abstandhaltern. Durch Röntgen können unter Umständen die Bindedrähte zur Fixierung der Abstandhalter als sehr dünne Linien sichtbar gemacht werden, welche wiederum einen Hinweis auf die Position der Abstandhalter geben können. Sie sind jedoch von den Bindedrähten der Bewehrung kaum unterscheidbar. Um die Art der Abstandhalter zu erkennen und eine Beprobung zu ermöglichen, ist ein Freilegen notwendig. Bei Spannhülsen ist auf dem Röntgenbild der Hohlraum im Inneren der Hülsen deutlich als heller Fleck erkennbar. Abb. 2: Visuell erkennbare Abstandhalter. A: Beschichteter Unterzug. Abstandhalter durch zwei parallele, dünne Striche erkennbar. Material ohne Weiteres nicht zu erkennen. B: Untersicht mit regelmäßigem Verlegemuster. Abstandhalter durch zwei parallele, dicke Striche erkennbar. Material ohne Weiteres nicht zu erkennen. C: Abstandhalter in Knochenform sichtbar. Material augenscheinlich Faserzement. 2.4 Beprobung Vor Ort kann dazu eine erste visuelle Bestimmung durchgeführt werden. Es müssen nur zementäre, potentiell asbesthaltige Abstandhalter beprobt werden. Oftmals lässt eine genaue visuelle Inaugen-scheinnahme eine Vorbestimmung zu. Kunststofffasern und -schnüre können allerdings auch in einer Mischung mit Asbestfasern vorhanden sein. Die asbesthaltigen Abstandhalter zeichnen sich im Quer-schnitt durch eine etwas dunklere Matrix und eine feine Körnung, im Gegensatz zu asbestfreien Be-tonabstandhaltern, aus. Sie enthalten zumeist keinen groben Sand. An den Bruchflächen sind zum Teil sehr feine Asbestbündel zu erkennen, die an Rasierpinsel erinnern (wenn vorwiegend die Asbestart Anthophyllit enthalten ist). Liegt hingegen die Asbestart Chrysotil vor, fallen die Bündel eher länger und gewundener aus. Abstandhalter aus Bruchstücken von Steinen, Holz, Kunststoff oder Metall gelten als asbestfrei und müssen nicht beprobt bzw. analysiert werden. 266 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton Abb. 3: Gebrochener Abstandhalter (länglich) mit sichtbaren Asbestfaserbüscheln (Chrysotil) und langen Kunststofffäden Jeder vorgefundene Typ asbestverdächtiger Abstandhalter je Tragelement ist als ein Verdachtsmoment im Sinne der VDI 6202-3 anzusehen. In dieser VDI-Richtlinie wird die Anzahl der zu entnehmenden Proben asbestverdächtiger Materialien geregelt. Ein Verdachtsmoment ist hier ein „möglicherweise schadstoffhaltiges Material oder Produkt, das an einem oder mehreren Bauteilen gleichartig lokalisiert wird“. Werden also in einem Tragelement der Brücke augenscheinlich gleichartige Abstandhalter in plausiblen Abständen und Arten festgestellt, können sie zu einem Verdachtsmoment zusammengefasst werden. Entsprechend wird die Anzahl der zu entnehmenden Proben ermittelt. Diese wird wiederum beeinflusst von der sogenannten angenommenen Trefferwahrscheinlichkeit (ein Richtwert für die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Untersuchung eines Verdachtsmoments ein einheitlicher Analysenbefund zu beobachten ist, also ein Indikator für die angenommene Homogenität innerhalb eines Verdachtsmoments). Die VDI 6202-3 gibt in ihrem Standartuntersuchungsumfang für Abstandhalter eine sehr hohe angenommene Trefferwahrscheinlichkeit von 98 % an (vermutlich, da sie zu einer Zeit mit relativ wenigen Erfahrungen zu diesem Thema entstand). Die VDI 6202- 3 sieht allerdings auch vor, angenommene Trefferwahrscheinlichkeiten in begründeten Fällen anzupassen und entsprechend die Anzahl der zu entnehmenden Proben zu erhöhen oder zu verringern. Aufgrund von Erfahrungswerten empfiehlt sich zurzeit eine angenommene Trefferwahrscheinlichkeit für Abstandhalter von maximal 80 % (analog zu Faserzement in der VDI 6202-3), insbesondere auch, um das Risiko eines falsch-negativen Befundes (Asbest nicht nachgewiesen, obwohl Asbest vorhanden ist) aufgrund einer zu geringen Probenanzahl zu minimieren. Da nicht nur das Äußere der Abstandhalter, sondern auch ein abweichender Asbestbefund ein Unterscheidungsmerkmal der Varietäten sein kann, kann sich die notwendige Anzahl zu untersuchende Proben auch im Nachgang zu einer Erstbeprobung erhöhen. Bei der Ermittlung der Anzahl der zu entnehmenden Proben ist das Berechnungstool der VDI 6202-3 einzusetzen. Bei einer angenommenen, niedrig angesetzten, Verlegedichte von zwei Abstandhaltern pro m² ist in einem Tragelement mit 100 m² Sichtfläche von 200 Abstandhaltern auszugehen. Geht man davon aus, dass diese alle typengleich sind, so müssen vier Proben zur Laboruntersuchung entnommen werden (Standarduntersuchungsumfang VDI 6202-3 für punktuelle Anwendungen, angenommene Trefferwahrscheinlichkeit 80 %, Aussagesicherheit des Befundes „kein Asbest nachgewiesen“ > 99 %). Bei der Untersuchung der Abstandhalter von Brücken ist eine Aussagesicherheit von mindestens 95 % für den Befund „Asbest nicht nachgewiesen“ anzustreben. Bei größeren Bauwerken verändert sich die Anzahl der zu entnehmenden Proben statistisch bedingt nicht. Werden beispielsweise bei 1.000 m² Sichtfläche 10 m², verteilt auf fünf Einzelflächen von je 2 m², freigelegt und ein regelmäßiges Verlegemuster von typengleichen Abstandhaltern aus Faserzement wird festgestellt, so genügt es ebenfalls, vier einzelne Abstandhalter zur Analyse zu beproben. Die Proben werden gem. VDI 6202-3 nicht an einer Stelle, sondern möglichst verteilt entnommen. Es genügt also z. B. nicht, auf einem Quadratmeter erkennbare vier Abstandhalter zu beproben, sondern es kann an dieser Stelle nur eine Probe entnommen werden und die übrigen drei Proben jeweils in anderen Teilbereichen. Entsprechend viele Flächen sind freizulegen. Voraussetzung ist die getrennte Betrachtung je vorgefundenem Tragelement und je vorgefundenem Abstandhaltertyp. Die Abstandhalter werden gem. VDI 3866-1 [5] sicher beprobt. Größere Proben können gewonnen werden, wenn im nebenliegenden Beton ein Schnitt mit einem Trennschleifer angesetzt wird oder eine Kernbohrung entnommen wird, ohne dabei den Abstandhalter zu zerstören. Die Proben des asbestverdächtigen Materials werden dann analog zum emissionsarmen BT-32-Verfahren („Stemmverfahren“, DGUV-Information 201-012) mittels Beutel als Schleuse gewonnen. Die Probe ist so zu entnehmen, dass sie die Zusammensetzung des Materials gemäß VDI 3866-1 ausreichend repräsentiert. 2.5 Analytik Die Proben der Abstandhalter sind an ein akkreditiertes Prüflabor zu übergeben. Die Analyse erfolgt nach den Vorgaben der VDI 3866-5 [6] mittels Raster-elektronenmikroskop (REM) und energiedispersiver Röntgenspektroskopie Analyse (EDXA). Der Negativbefund (kein Asbest nachgewiesen) ist ausschließlich mit diesem Verfahren möglich. Eine erste Abschätzung vor Ort und insbesondere einen Positivbefund (Asbest nachgewiesen) können Handgeräte, beispielsweise mittels Röntgen-fluoreszenzsanalyse (pXRF) oder Infrarotspektroskopie (IR) liefern. 3. erfahren zur Ausschleusung und Behandlung Ziel der Ausschleusung von Asbest aus dem Stoffkreislauf ist die Absicherung von Recyclingmaterial. Beim Abbruch von Stahlbeton-brücken ist im Vorfeld eines Rückbaus eine Abwägung über vorherige oder nachheri- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 267 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton ge Trennung notwendig. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle und Entscheidungen sind für jeden Einzelfall neu zu treffen. Im Zuge der Planung des Rückbaus ist ein Sanierungs- und Entfrachtungskonzept zu erstellen, dass die Asbestbelastungen beschreibt und die Möglichkeiten der Entfrachtung darlegt. Grundsätzlich sollte das Entfernen von asbesthaltigen Abstandhaltern aus einem Brückenbauwerk, wenn möglich, einem Rückbau mit Asbest vorgezogen werden. Für das Entfernen asbesthaltiger Abstandhalter und Rohrhülsen vorab des Rückbaus sind erprobte und noch in der Erprobung befindliche Verfahren verfügbar. Auch nach dem Abbruch können die asbesthaltigen Abstandhalter aus Beton-Bauschutt abgetrennt werden, was ebenfalls einen technisch asbestfreien Bauschutt mit Eignung zum Recycling gemäß LAGA-M 23 [6] liefert. Alternativ besteht bei einem Asbestbefund die Möglichkeit, den gesamten anfallenden Bauschutt als asbesthaltig zu entsorgen. Dies gilt es im Sinne der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), der Ressourcenschonung und aufgrund begrenzter Deponiekapazitäten zu vermeiden. 3.1 Sanierung und Entfrachtung Bei jedem Brückenrückbau mit Asbest ist durch einen sachverständigen Planer ein Konzept aufzustellen, in welchem alle Maßnahmen beschrieben werden, mit denen das Entfernen von Asbest durchgeführt werden kann. Folgende Themen sollten als Mindestumfang enthalten sein: Ergebnisse der Erkundung der asbesthaltigen Abstandhalter, Beschreibung und Dokumentation der Sichtbarkeit an der Oberfläche, Dokumentation der Verortung der Abstandhalter, eingesetzte Methoden zur Sichtbarmachung, Beschreibung möglicher Abtrennungsverfahren, Auswahl eines empfohlenen Abtrennungsverfahrens anhand der Randbedingungen des Projektes, Konzept zur gutachterlichen Überwachung der Entfrachtung und des Bauschutts, Anforderung an den Arbeitsschutz, Beschreibung der Entsorgungswege. 3.2 Abtrennung vorab Rückbau Die Trennung der Asbestbauteile kann vorab des Abbruches erfolgen. Dabei kann weitgehend ohne Freisetzung von Asbestfasern gearbeitet werden. Für die Separierung vorab ist die Lage aller Abstandhalter, ggf. durch Sichtbarmachung mittels Abfräsens, zu ermitteln. Anschließend können die Abstandhalter per „Überbohren“, „Ausstrahlen“ oder „Ausschlitzen“ beseitigt werden. Vorab des großflächigen Eingriffs in das Bauwerk ist ein Statiker zu konsultieren, unter anderem deshalb, da es zu Beschädigungen an der Bewehrung kommen kann. Beim Überbohren wird eine nasse Kernbohrung angesetzt. Der Durchmesser des Bohrkerns ist so groß anzusetzen, dass der Abstandhalter selbst nicht berührt wird. Es wird nur die Betonüberdeckung durchbohrt, die Bewehrung bleibt erhalten. Die Kernbohrung findet also nicht in oder durch asbesthaltiges Material statt. Der Kern mit dem Abstandhalter kann sodann in eine angesetzte Beutelschleuse, analog zum emissionsarmen Verfahren BT 32, oder unter direkter Absaugung ausgestemmt werden. Das Verfahren kann auch für Rohrhülsen angewendet werden, wobei die Ausrichtung von Rohrhülse und Bohrung sehr genau beachtet werden muss. Dabei werden allerdings die Bewehrungsstähle regelmäßig mit durchtrennt. Beim Ausstrahlen wird eine Wasserhochdruck-Strahllanze in einer abgesaugten Glocke eingesetzt. Der entstehende Asbest- und Betonschlamm wird abgefiltert. Das Verfahren schont die Bewehrung. Es ist insbesondere für Rohrhülsen beim Bauwerkserhalt geeignet. Erste Erprobungen wurden durchgeführt, breitere praktische Erfahrungen stehen jedoch noch aus. Beim Ausschlitzen werden zuerst zwei parallele Schlitze auf zwei Seiten des Abstandhalters mittels eines Trennschleifers gesetzt. Die Schlitze werden durch einen Höhenbegrenzer ca. 5 mm vor den Stahleinlagen gestoppt. Danach kann, wie beim Überbohren der Abstandhalter, in einer Beutelschleuse ausgestemmt werden. Das Verfahren eignet sich auch für lineare Abstandhalter, jedoch nicht für Rohrhülsen. Beim direkten Ausstemmen von Abstandhaltern werden diese in der Regel zu stark zerstört. Erste Arbeitsplatzmessungen in einem geschlossenen Bereich zeigten hier Faserbelastungen deutlich über der Toleranzkonzentration von 100.000 Fasern/ m³. Aufgrund dieser Hinweise ist das bereits an Be-tonwänden im Hochbau erprobte Abschälverfahren der gesamten Betonüberdeckungsschicht kritisch zu betrachten, auch wenn mit Wasser gearbeitet wird. Mit dem Abschälen der Betonüberdeckung kann, im Gegensatz zur Deponierung des gesamten Bauschutts, auch die Menge an zu entsorgendem asbesthaltigem Abfall reduziert werden, es entstehen aber weiterhin erhebliche Mengen an zu deponierendem Bauschutt. Die ausgebauten Abstandhalter werden der Entsorgung (als asbesthaltiger Abfall) zugeführt und das entfrachtete Bauwerk kann maschinell zurückgebaut werden. Nach Entfernung der Abstandhalter mit Asbest vorab des Rückbaus mit gutachterlicher Abnahme ist anschließend von technisch asbestfreiem Bauschutt auszugehen, der auch einer nachgeschalteten Überprüfung nach VDI 3876 standhalten sollte. 3.3 Abtrennung aus Bauschutt Der Abbruch ist gemäß LAGA-M 23 auch mit den asbesthaltigen Abstandhaltern möglich. Die nach-folgende Trennung muss als Sanierung konzipiert und angemeldet werden, da aktuell Abfallbehand-lungsverfahren für Asbest nicht zugelassen sind. Entsprechend sollte die Faserfreisetzung in die Um-gebungsluft und in das Abbruchmaterial anhand von Prüfungen aus vergleichbaren Projekten oder von vorhergehenden Probesanierungen bekannt sein und bewertet werden. Dabei ist die Betrachtung der mechanischen Abbruchverfahren mitentscheidend und es ist stets von einer Faserfreisetzung in das Abbruchgut und die Umgebungsluft, wenn auch in geringerem Maße, auszugehen. Erste Studien in diesem Bereich zeigen, dass Abbruchmaterial mit asbesthaltigen Abstandhaltern in den Feinfraktionen Asbest ent- 268 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton hält, wenn auch zumeist unter 0,005 % (Nachweisgrenze des Analyseverfahrens VDI 3876). Erfahrungen haben außerdem gezeigt, dass Abstandhalter oftmals an Phasengrenzen zum Beton brechen und charakteristische Formen und Bruchstücke entstehen, welche wiederum relativ gut zu erkennen sind. Bei ähnlichen Vermischungen von Schutt und asbesthaltigen Bauteilen wurden händische Sortierverfahren erfolgreich eingesetzt, sodass bei genügender Umsicht auch hier die Trennung erprobt werden sollte. Für die Abtrennung wird das Abbruchmaterial mit geringer Beladungsdichte (ohne Überlagerungen, z. B. einige Stücke pro m²) auf ein ausreichend langsam laufendes Förderband gegeben und Abstandhalter oder deren Bruchstücke werden händisch durch unterwiesene Personen aussortiert. Das Aussortieren sollte gutachterlich begleitet werden. Die aussortierten Abstandhalter werden entsorgt und das entfrachtete Abbruchmaterial kann dem Recycling zugeführt werden. Bei vollständiger Entfernung aller Abstandhalter mit Asbest ist dann von technisch asbestfreiem Bauschutt auszugehen. Dies ist durch analytische Kontrollen des auf bereiteten Bauschutts gem. VDI 3876 nachzuweisen. Perspektivisch erscheint eine Abfallbehandlung von Abbruchmassen aus Beton und asbesthaltigen Abstandhaltern in speziell hierfür konzipierten und zugelassenen Anlagen möglich, vergleichbar beispielsweise mit der Sanierung von Nachtspeicherheizungen mit Asbest. Zurzeit arbeiten verschiedene Institutionen an der Entwicklung von Auf bereitungstechnik für Abbruchmaterial aus Beton und asbesthaltigen Abstandhaltern. Geplant ist es, verschiedene Erkennungsmethoden mit Auf bereitungs- und Sortiertechnik zu kombinieren, um die asbesthaltigen Abstandhalter bzw. deren Bruchstücke automatisiert auszusortieren. 3.4 Untersuchung von Bauschutt Wenn Bauschutt unbekannter Zusammensetzung oder Herkunft bzw. generell mit möglichen Asbest-kontaminationen vorliegt, ist eine Untersuchung des Materials und eine Einstufung des Abfalls ent-sprechend den Vorgaben der LAGA-M 23 mittels VDI 3876 durchzuführen. Das gesamte Haufwerk wird zunächst durch eine qualifizierte Person einer Sichtprüfung unterzogen. Sichtbare asbestverdächtige Bestandteile werden als Hot-spots beprobt und im Labor nach VDI 3866-5 auf Asbest untersucht. Die Anzahl der zu entnehmenden Einzelproben je Verdachtsmoment obliegt dem qualifizierten Probenehmer. Es empfiehlt sich zurzeit die Orientierung an den Vorgaben der VDI 6202-3. Voraussichtlich wird das Vorgehen bei der Hot-spot-Beprobung asbestverdächtiger Haufwerke in naher Zukunft normativ geregelt werden. Wenn Asbest nachgewiesen wird, ist das gesamte Haufwerk als asbesthaltig einzustufen. Wird bei der Hot-spot- Untersuchung kein Asbest ermittelt, so ist das gesamte Haufwerk nach den Vorgaben der LAGA PN 98 [7] zu beproben. Diese regelt die Menge und die Anzahl der zu entnehmenden Proben, die anschließend einer Analyse nach VDI 3876 zuzuführen sind. Wird dabei in allen Laborproben kein Asbest nachgewiesen bzw. liegt das Untersuchungsergebnis unter dem durch die LAGA-M 23 festgelegten Beurteilungswert von 0,010 Masse-%, so gilt das Haufwerk als technisch asbestfrei und kann dem Recycling zugeführt werden. 3.5 Rückbau Beim Rückbau von Brücken werden verschiedene Verfahren, oft in Kombination, eingesetzt. Diese lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen werden vorbereitende Rückbaumethoden angewendet, bei denen es zu einem Ausbau ganzer Brückenelemente oder einzelner Felder kommt (z. B. Ausschwimmen, Absenken mit Litzen). Hier ist ein besonderes Augenmerk auf die dafür notwendigen Trennverfahren (Sägeschnitte, o. Ä.) zu legen. Durch ihre Anordnung in asbestfreien Bereichen und durch nasse Verfahren mit Absaugung kann hier die Faserfreisetzung weitgehend vermieden oder zumindest reduziert werden. Zum anderen werden Maßnahmen eingesetzt, bei denen es zur kompletten Zerkleinerung des Stahl-betons kommt (z. B. Sprengen, konventioneller Rückbau mittels Abbruchzange). Auch hier kann durch gezielte Maßnahmen die Faserfreisetzung zumindest reduziert, aber nicht gänzlich vermieden werden. Das Rückbauverfahren ist so zu wählen, dass Asbestfaserfreisetzung vermieden wird. Gemäß LAGA M-23 sollte aus abfallwirtschaftlicher Sicht auf einen Sprengabbruch verzichtet werden. Der selektive Rückbau ist zu bevorzugen und sollte nach Teilbauwerken untergliedert erfolgen. Bei der Planung des Rückbaus mit asbesthaltigen Abstandhaltern ist die Abstimmung aller Schritte im Rückbauprozess entscheidend. Ist ein Ausbau der Abstandhalter vorab des Rückbaus möglich, kann anschließend ein konventioneller Rückbau erfolgen und die anfallenden Baurestmassen können dem Recycling zugeführt werden. Bei einem Ausschwimmen einzelner Tragelemente der Brücke kann die Separierung der Abstandhalter in geordneter Form an einem dafür geeigneten Ort stattfinden. All dies sollte in enger Abstimmung mit allen Beteiligten beim Planungsprozess erfolgen. Grundsätzlich ist kein Verfahren gänzlich ungeeignet, da jeder Vor- und Nachteil in Bezug auf das Vorkommen asbesthaltiger Abstandhalter hat. 3.6 Hochleistungsimpulsverfahren zur Fragmentierung Allein mithilfe von mechanischen Auf bereitungsmethoden, welche Verbundwerkstoffe lediglich zerkleinern aber nicht selektiv trennen können, lässt sich üblicherweise keine selektive Auftrennung in die Einzelkomponenten und damit auch kein hochwertiges Recycling erzielen. Es werden daher neue Trennverfahren gesucht, um Verbundwerkstoffe, wie z. B. asbesthaltige Betone, in die Bestandteile Gesteinskörnung, Zementstein und Asbest(fasern) aufzutrennen. Eine potentielle innovative Trenn-Technologie ist die sog. elektrodynamische Fragmentierung (EDF). Dabei werden durch einen Hochleistungsimpulsgenerator elektrische Unterwasser-Entladungen erzeugt, welche bevorzugt durch einen Festkörper hindurch entlang von Korngrenzen verlaufen. Kommt es 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 269 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton zu einem elektrischen Durchschlag zwischen den beiden Elektroden, wird ein Plasmakanal erzeugt, welcher den Verbundwerkstoff durch eine Elektroexplosion schließlich auseinandersprengt. Diese Methode fand für Altbeton bislang keine großtechnische Anwendung, da trotz effektiver Auftrennung die Durchsatzraten von 1 t/ h zu gering und die Energiekosten zu hoch waren. In diesem Projekt wurde nun erstmalig untersucht, ob sich mittels der EDF-Technologie Abstandhalter aus Beton selektiv freilegen lassen. Es konnte gezeigt werden, dass bei geeigneten Generatorenparametern und Elektrodenkonfigurationen eine selektive Freilegung von Abstandhaltern aus einer Betonmatrix möglich ist. In nachfolgenden Projekten sollte die EDF-Anlage speziell für die Auf bereitung von asbesthaltigen Betonteilen angepasst werden. 3.7 Umwandlung/ Behandlung Die Deponierung von asbesthaltigen Abfällen ist die weit verbreitetste Methode zur Entsorgung as-besthaltiger Abfälle. Es handelt sich hier nicht um eine Behandlungsmethode, sondern um eine Entledigung und Verwahrung der Altlast Asbest. Es werden aber gemäß TRGS 519 [8] und LAGA-M 23 bei Bedarf Verfahren zur Sicherung, Bindung oder Verfestigung der asbesthaltigen Abfälle angewendet, um das Freisetzen von Fasern zu verhindern. Darüber hinaus sind zurzeit vier Verfahrenstypen zur Umwandlung bzw. Behandlung von asbesthaltigen Materialien bekannt. a) Thermische Behandlung: Die Methode ist technisch ausgereift und wird für Metalle mit Asbestanhaftungen eingesetzt. Bei hohen Temperaturen zersetzen sich die Asbestfasern und verschiedene Prozesse wie Dehydrierung und Verglasung setzen ein. Die Mineralien werden umgewandelt und verlieren ihre gefährliche Faserstruktur. Der Energiebedarf ist jedoch hoch, sodass die Methode aktuell aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund hoher CO 2 -Emissionen nicht für andere asbesthaltige Abfälle eingesetzt wird. b) Biologische Behandlung: Bestimmte Bakterien und Pilze bestimmter Böden produzieren Chemikalien oder beinhalten Chemikalien, welche den asbesthaltigen Materialien bestimmte Elemente entziehen. Somit wird Asbest durch die Produktion und Reaktion mit diesen Chemikalien umgewandelt und unschädlich gemacht. Der Energieverbrauch sowie der CO 2 -Fußabdruck dieser Methoden sind minimal. Die Techniken befinden sich allerdings noch in der Entwicklungs- und Erprobungsphase und sind somit von der Marktreife weit entfernt. c) Chemische Behandlung: Es finden bei der chemischen Behandlung Umwandlungsprozesse statt. Säuren oder Basen zerstören die kristalline Faserstruktur. Dies wird im vorgroßtechnischen Maßstab bereits für Asbestzement angewendet. Zur Anwendung kommen Säuren, bei denen es sich ebenfalls um Abfälle handelt. Aktuell fehlt es unter anderem an ankerkannten Nachweisen für die sichere Zerstörung der Asbestfasern. Außerdem sind Vorgehensweisen zur sicheren Handhabung der asbesthaltigen Abfälle vorab der eigentlichen Behandlung nicht abschließend geregelt. d) Mechanische Behandlung: Mittels Hochleistungsmühlen wird Asbest zermahlen. Hier entstehen hohe Energien, sodass die Asbestfasern zerfallen bzw. umgewandelt werden. Diese Methode wird daher auch als mechanisch-physikalisch-chemische Behandlung kategorisiert, wobei aber keine Chemikalien oder andere Zusätze verwendet werden. Die Technik ist relativ weit fortgeschritten und benötigt verhältnismäßig wenig Energie. Die Marktreife ist aufgrund fehlender großtechnischer Erprobung und noch ungeklärter Prozesse bei der Handhabung der asbesthaltigen Abfälle noch nicht erreicht. Es ist aktuell kein Verfahren etabliert, das unter Einbeziehung aller technischen und ökonomischen Kriterien sowie in Bezug auf Energieverbrauch und CO 2 -Emissionen bzw. Klimaneutralität universell zur Behandlung asbesthaltiger Abfälle im großtechnischen oder industriellen Maßstab einsetzbar ist. 4. Entsorgung Der Umgang mit asbesthaltigen Abfällen wird in der LA- GA-M 23 geregelt. Generell gilt, dass asbesthaltige Abfälle der Entsorgung zuzuführen sind und nicht im Stoffkreislauf verbleiben dürfen. Sie sind so zu lagern und zu handhaben, dass keine Asbestfasern freigesetzt werden und somit keine Gefahr von ihnen ausgeht. Betonabbruchabfälle, welche asbesthaltige Abstandhalter enthalten, müssen nicht zwingend staubdicht verpackt werden. Durch Befeuchten, Abdecken oder Ähnliches ist das Freisetzen von Asbestfasern zu verhindern. Das Zerkleinern asbesthaltiger Abfälle ist nicht zulässig, das geordnete Zerlegen ist jedoch gestattet. Dies ist mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abzustimmen. Des Weiteren ist der Umgang mit asbesthaltigen Abfällen streng reglementiert. Es gelten besondere Vorschriften für die Handhabung und die Verpackung der Abfälle. Es empfiehlt sich generell, im Zuge der Entfrachtungs- und Rückbauplanung eine detaillierte Planung der Entsorgungswege und eine Abstimmung mit dem zuständigen Entsorger. In vielen Regionen sind Entsorgung und Deponierung asbesthaltiger Abfälle durch Andienungspflichten geregelt. Für die gefährlichen Abfälle besteht gemäß Nachweisverordnung eine Nachweispflicht mittels elektronischem Abfallnachweisverfahren (eANV). Für die nicht gefährlichen Abfälle (hier Abfallschlüssel AVV 17 01 01 - geringfügig asbesthaltig) wird die Durchführung des eANV empfohlen. Gemäß LAGA-M 23 sind die wichtigsten Abfallschlüssel für den Rückbau von Stahlbetonbauwerken zur Deponierung die 17 01 01 - geringfügig asbesthaltig für asbesthaltigen Betonbruch und die 17 06 05* für asbesthaltige Baustoffe sowie zur möglichen Weiterverwertung die 17 01 01. 5. Arbeitssicherheit Der Umgang mit Asbest ist verboten, mit Ausnahmen in Form bestimmter Tätigkeiten, die in der TRGS 519 geregelt sind. Für den Schutz Dritter gilt ein Grenzwert von 1.000 Fasern/ m³. Für Beschäftigte, welche mit Asbest 270 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Handlungsanleitung: Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brücken aus Stahlbeton arbeiten, gilt zurzeit in Deutschland eine Akzeptanzkonzentration von 10.000 Fasern/ m³. Wird dieser Wert nicht sicher eingehalten, sind geeignete Maßnahmen zu treffen. Für den Umgang mit schwach gebundenem Asbest sind ausschließlich zugelassene Fachunternehmen zu beauftragen. Tätigkeiten, die den Umgang mit Asbest betreffen, sind in der Gefahrstoffverordnung geregelt. In der TRGS 519 werden die Regelungen der GefStoffV zum Thema Asbest konkretisiert. Generell sind zugelassene emissionsarmes Verfahren zu bevorzugen und es empfiehlt sich, Verfahren mit staubmindernden Maßnahmen, wie direkter Absaugung und Bewässerung, zur Staubbindung einzusetzen. Beim händischen Separieren ist geeignete PSA zu tragen. Das Abbruchmaterial ist feucht zu halten, um das Freisetzen von Fasern zu verhindern. Gemischter Bauschutt aus Beton und asbesthaltigen Abstandhaltern sind bis zum Abtransport feucht zu halten oder abzudecken. Für den Abbruch von Bauwerken ist ein Abbruch- und Entsorgungskonzept notwendig, das bei der Anlieferung des Bauschuttes an den Abfallannahmestellen als Zertifikat für ein asbestfreies Material akzeptiert wird. Generell ist davon auszugehen, dass bei einer nicht-invasiven Prüfung (kein Eingriff in ein potentiell asbesthaltiges Produkt) keine Asbestfasern freigesetzt werden. Sobald eine invasive Erkundung mittels Abtrags der Oberflächen und potentiellen Eingriff in asbesthaltige Materialien erfolgt, ist das Faserfreisetzungspotential vorab zu prüfen und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wird eine Brücke mit enthaltenden asbesthaltigen Abstandhaltern zurückgebaut, ist für die geplanten Arbeitsschritte (Zerlegen, Trennschnitte, etc.) die jeweilige Asbestfaserexposition individuell vorab abzuschätzen und bei der Ausführung zu ermitteln. 6. Handlungsanleitung Für die Handhabung bei der Umsetzung der Vorgaben dieses Forschungsprojekts wurde eine Handlungs-anleitung erstellt. Es werden Randparamater abgefragt und für jeden Schritt im Projektablauf Aufgaben definiert und erläutert. Zunächst gilt es, im Rahmen der Vorbereitung zu prüfen, ob das zu bearbeitendes Bauwerk in einem relevanten Baujahr errichtet wurde, bzw. Bauteile, mit deren Errichtung zwischen 1960 und 10/ 1993 begonnen wurde, enthält, in denen Asbest zum Einsatz gekommen sein könnte. Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Maßnahme ohne die Berücksichtigung von Asbest fortgeführt werden. Wird im Rahmen der Vorbereitung der Asbestverdacht erhärtet (relevantes Baujahr), so ist zunächst das Vorhandensein von Asbest als wahrscheinlich anzunehmen. Diese Annahme besteht solange, bis nach Abschluss einer Erkundung (bestehend aus Vor- und Haupterkundung), belastbar und durch einen Sachverständigen, die Asbestfreiheit attestiert wird. Wird im Zuge der Erkundung Asbest festgestellt, so empfiehlt es sich, diesen vorab des eigentlichen Rückbaus des kompletten Bauwerks auszubauen. Nachdem die asbesthaltigen Komponenten entsorgt wurden, kann das entfrachtete Bauwerk konventionell, asbestfrei, abgebrochen werden. Die dabei entstehenden Abbruchmaterialien können dem Recycling zugeführt werden. Alternativ kann das Bauwerk mit Asbest zurückgebaut werden. Es können dann im Rahmen einer Sanierung die Ab-bruchmaterialien von Asbest befreit werden, um den Großteil des Abbruchmaterials anschließend dem Recycling zuzuführen. Wird Asbest weder vor noch nach dem Abbruch entfernt, so ist der gesamte anfallende Bauschutt als asbesthaltig zu entsorgen. Anmerkung Diesem Bericht liegen Teile des im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter 15.0717/ 2023/ DRB laufenden Forschungs-vorhabens zugrunde. Die Verantwortung für den Inhalt liegt allein bei den Autoren. Literatur [1] Konzeption zur Bestimmung von Lage und Anzahl asbesthaltiger Abstandhalter in Betonbrücken. Handlungsanweisung für den Umgang mit asbesthaltigen Hilfsbauteilen in Brückenbauwerken aus Stahlbeton. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft B 200, Bergisch Gladbach 2024 [2] Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahr stoffverordnung - GefStoffV), 11/ 2010 [3] VDI 3876: Messen von Asbest in Bau- und Abbruchabfällen sowie aus daraus gewonnenen Recyclingmaterialien - Probenaufbereitung und Analyse, 11/ 2018 [4] VDI 6202-3: Schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen - Asbest - Erkundung und Bewertung, 09/ 2021 [5] VDI 3866-1,-5: Bestimmung von Asbest in technischen Produkten - Entnahme und Aufbereitung der Proben, 12/ 2021; - Rasterelektronenmikroskopisches Verfahren, 06/ 2017 [6] LAGA M-23: Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA): Mitteilung 23: Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle, 11/ 2022 [7] LAGA PN 98: Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA): Richtlinie für das Vorgehen bei physikalischen, chemischen und biologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Verwertung/ Beseitigung von Abfällen, 12/ 2001 [8] TRGS 519: Technische Regel für Gefahrstoffe - Asbest - Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten, 01/ 2014