Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Modellbasierte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zur Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit
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Birga Ziegler
Sabine Reim
Die regelmäßige Bauwerksprüfung nach DIN 1076 stellt einen entscheidenden Bestandteil der Instandhaltungsstrategie für Brücken und Infrastrukturprojekte dar. Der aktuelle Workflow ist jedoch häufig von zeitintensiven manuellen Prozessen geprägt, die die Effizienz beeinträchtigen und das Risiko von Fehlern erhöhen. Digitale Lösungen, insbesondere die modellbasierte Bauwerksprüfung, bieten vielversprechende Ansätze zur Optimierung dieser Prozesse. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen und Entwicklungen im Workflow der Bauwerksprüfung, untersucht die Rolle von Building Information Modeling (BIM) im Erhaltungsmanagement und erörtert die Vorteile der modellbasierten Schadensverortung. Es wird aufgezeigt, wie digitale Technologien die Qualität der Instandhaltung verbessern können, indem sie eine präzise Visualisierung und direkte Erfassung von Schäden ermöglichen. Zudem werden Anforderungen und Standards für BIM-Modelle im Erhaltungsmanagement diskutiert, während die praktische Anwendung und die erforderlichen Features für einen effektiven Viewer hervorgehoben werden. Abschließend wird ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und die Integration von digitalen Lösungen in die Bauwerksprüfung gegeben.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 297 Modellbasierte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zur Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit Dipl.-Ing. (FH) Birga Ziegler, M. Sc. m2ing GmbH, München Dipl.-Ing. Sabine Reim m2ing GmbH, München Zusammenfassung Die regelmäßige Bauwerksprüfung nach DIN 1076 stellt einen entscheidenden Bestandteil der Instandhaltungsstrategie für Brücken und Infrastrukturprojekte dar. Der aktuelle Workflow ist jedoch häufig von zeitintensiven manuellen Prozessen geprägt, die die Effizienz beeinträchtigen und das Risiko von Fehlern erhöhen. Digitale Lösungen, insbesondere die modellbasierte Bauwerksprüfung, bieten vielversprechende Ansätze zur Optimierung dieser Prozesse. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen und Entwicklungen im Workflow der Bauwerksprüfung, untersucht die Rolle von Building Information Modeling (BIM) im Erhaltungsmanagement und erörtert die Vorteile der modellbasierten Schadensverortung. Es wird aufgezeigt, wie digitale Technologien die Qualität der Instandhaltung verbessern können, indem sie eine präzise Visualisierung und direkte Erfassung von Schäden ermöglichen. Zudem werden Anforderungen und Standards für BIM-Modelle im Erhaltungsmanagement diskutiert, während die praktische Anwendung und die erforderlichen Features für einen effektiven Viewer hervorgehoben werden. Abschließend wird ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und die Integration von digitalen Lösungen in die Bauwerksprüfung gegeben. 1. Einführung Die normkonforme Bauwerksprüfung nach DIN 1076 ist ein zentraler Bestandteil der Instandhaltung und Sicherheit von Ingenieurbauwerken, insbesondere von Brücken. Diese regelmäßigen Prüfungen sind notwendig, um die Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit der Bauwerke zu gewährleisten. Die DIN 1076 legt klare Standards und Prüfintervalle fest, um sicherzustellen, dass mögliche Schäden rechtzeitig erkannt und behoben werden. Durch die strukturierte Erfassung von Schäden gemäß des Schadenskataloges der RI-EBW-PRÜF [1] und die Anwendung eines Bewertungsalgorithmus, der die maßgebenden Schäden und die betroffenen Bauteilgruppen berücksichtigt, wurde in Deutschland ein Standard etabliert, der international als Vorbild dient. Dieser Ansatz ermöglicht eine konsistente und objektive Bewertung des Bauwerkszustands, fördert die frühzeitige Identifikation von Sanierungsbedarf und trägt wesentlich zur Verlängerung der Lebensdauer von Ingenieurbauwerken bei. Die Einführung dieses Standards hat die Qualität und Effizienz der Bauwerksprüfungen deutlich gesteigert und zeigt, wie wichtig eine systematische Vorgehensweise in der Instandhaltung von Infrastrukturen ist. In der Praxis ist der aktuelle Workflow jedoch häufig durch manuelle und zeitaufwendige Prozesse geprägt, die sowohl die Effizienz als auch die Genauigkeit der Prüfungen beeinträchtigen. Ingenieure und Ingenieurinnen dokumentieren Schäden während der regelmäßigen Prüfungen oft noch mit Stift und Papier. Diese traditionelle Vorgehensweise, bei der Schäden auf Plänen vermerkt und anschließend in digitale Systeme übertragen werden, birgt das Risiko von Übertragungsfehlern und beeinträchtigt die Effizienz der Prüfungen. Moderne Technologien und Programmsysteme beginnen jedoch, diesen konventionellen Ansatz zu revolutionieren. Durch die digitale Erfassung und sofortige Bewertung von Schäden vor Ort wird nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit der Prüfungen verbessert. Ein entscheidender Fortschritt stellt die modellbasierte Bauwerksprüfung dar, bei der Schäden direkt im digitalen Modell des Bauwerks erfasst und analysiert werden können. Diese Innovation führt zu einer Optimierung der Prüfprozesse und einer höheren Qualität der Instandhaltungsmaßnahmen. In den folgenden Abschnitten wird die Rolle von Building Information Modeling (BIM) als Datengrundlage für das Erhaltungsmanagement beleuchtet. Die Vorteile der modellbasierten Schadensverortung und die aktuellen Entwicklungen im Bereich BIM werden analysiert, um zu verdeutlichen, wie digitale Bauwerksmodelle die Effizienz der Prüfungen erhöhen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten können. 2. Aktueller Workflow Der aktuelle Workflow der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 ist oft noch stark von manuellen Prozessen geprägt. Bei der regelmäßigen Prüfung, die alle drei beziehungsweise sechs Jahre als Hauptprüfung durchgeführt wird, dokumentieren Ingenieure und Ingenieurinnen Schäden häufig noch mit Stift und Papier. Schäden werden häu- 298 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Modellbasierte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zur Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit fig auf einem Plan mit einem zusätzlich aufgenommenen Foto dokumentiert, anschließend werden die Ergebnisse händisch in das Bauwerksprüfprogramm SIB-Bauwerke eingegeben. Das Vorgehen basiert bislang nur bedingt auf einem maschinenlesbaren Format, so ist es nicht vorgeschrieben, Schäden in BIM Methodik attributiert aufzunehmen oder georeferenziert zu verorten. Die alte Vorgehensweise in SIB-Bauwerke mit einer langwierigen Baumstruktur zur Auswahl des richtigen Schadensbeispiels ist nicht mehr zeitgemäß und kostet viel Zeit. Moderne Programmsysteme beginnen jedoch, diesen traditionellen Ansatz zu ergänzen. Diese Systeme ermöglichen es, Schäden direkt vor Ort digital zu erfassen und sofort zu bewerten, was die Effizienz und Genauigkeit der Prüfungen erheblich steigert. Der nächste Schritt in der Weiterentwicklung dieser Workflows ist die modellbasierte Bauwerksprüfung, bei der Schäden direkt im digitalen Modell des Bauwerks erfasst und analysiert werden können. Dies führt zu einer weiteren Optimierung der Prüfprozesse und einer verbesserten Qualität der Instandhaltung. 3. BIM als Datengrundlage für das Erhaltungsmanagement 3.1 Vorteile modellbasierte Schadensverortung Die Vorteile von BIM sind weitgehend bekannt. Die modellbasierte Schadensbewertung ermöglicht eine visuelle und interaktive Darstellung der zu prüfenden Brücken. Im Gegensatz zu einer traditionellen reinen Beschreibendung der Lokalisierung oder einer 2D-Dokumentationen auf Skizzen oder Plänen bieten 3D-Modelle eine klare und präzise Visualisierung und Verortung, die Missverständnisse reduziert und Zusammenhänge zwischen Schädigungsarten und Bauteilgruppen verdeutlicht. Planer, Architekten und Ingenieure können durch die dreidimensionale Darstellung schneller Entscheidungen treffen und Änderungen effizient umsetzen. Zudem erleichtert es die Kommunikation zwischen den verschiedenen Projektbeteiligten, da alle denselben visuellen Referenzpunkt nutzen. Eine modellbasierte Verortung von Schäden ermöglicht eine präzisere und umfassendere Analyse von Schadenszusammenhängen zwischen verschiedenen Bauteilgruppen. Durch die dreidimensionale Darstellung im Modell können Ingenieure erkennen, wie Schäden an einem Bauteil möglicherweise andere Bauteile beeinflussen und wie sich diese Zusammenhänge auf die Gesamtstruktur des Bauwerks auswirken. Diese ganzheitliche Sichtweise erleichtert die Bewertung von Schadensursachen und -folgen erheblich. Darüber hinaus unterstützt die modellbasierte Verortung die Überwachung und Bewertung des Erfolgs von Instandsetzungsmaßnahmen. 3.2 Status BIM im Erhaltungsmanagement BIM vereint als Methode der vernetzten Zusammenarbeit sämtliche relevanten Daten in einem digitalen Modell, dem digitalen Zwilling des Bauwerks. Da alle wesentlichen Akteure im Bauprozess mit diesen Modellen arbeiten, stehen die verarbeiteten Informationen allen Beteiligten zur Verfügung. Ändert ein Planer beispielsweise einen Querschnitt, können die anderen Projektbeteiligten ihre Fachplanungen sofort anpassen. Dadurch werden potenzielle Kollisionen frühzeitig erkannt, bevor sie während des Bauprozesses zu kostspieligen Verzögerungen führen. [12] BIM ist in der Planung von Neubaubrücken daher nicht mehr wegzudenken und seit 1. Januar 2021 besteht in Deutschland eine BIM-Pflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge von Infrastrukturprojekten des Bundes, seit 2023 auch für den gesamten Bundesbau [3]. Doch wie sieht es nach Fertigstellung der Brücke aus? Im „Masterplan BIM Bundesfernstraßen“ [2] bzw. bei „BIM Deutschland“ wurde hierfür der BIM-Anwendungsfall 190 „Projekt und Bauwerksdokumentation“ erstellt, indem As-built-Modelle (Revisionsmodelle) mit detaillierten Informationen zur Ausführung, z. B. verwendete Materialien und Produkte sowie ggf. Verweise auf Prüfprotokolle und weiteren Revisionsunterlagen erstellt werden, weiterführend wurde auch der Anwendungsfall 200 „Nutzung für Betrieb und Erhaltung“ definiert [4] bzw. BIM Hamburg strukturiert dies noch weiter in die Anwendungsfälle 210 „Unterhaltungs- und Wartungsmanagement“, 220 „Zustandserfassung, Prüfung und Inspektion“ und 230 „Nutzungsmanagement“[5]. Auch die VDI 2552 spricht sich für BIM im Betrieb aus: „Die gewonnen Erkenntnisse über das tatsächliche Verhalten von Bauwerken im Betrieb müssen dann wieder in die Planung und der Bau der nächsten Generation von Bauwerken einfließen.“ [6] Digitale Bauwerksmodelle sind ideal für das Erhaltungsmanagement von Brücken wie bereits 2016 in der Machbarkeitsstudie BIM für Bestandsbrücken beschrieben wurde. Und haben Nutzen in folgenden Teilbereichen des Erhaltungsmanagements [7]: • Informationen bereitstellen: Dauerhafte Zugänglichkeit zu Daten wie Lokalisierung, Bauteilabmessungen und Materialien zum Zeitpunkt der Errichtung. • Inspektion: Modelle unterstützen bei der direkten Verortung von Inspektionsergebnissen, einschließlich Schadensbeschreibungen und Fotografien. • Zustandsbewertung: Einsatz des Modells für die Bewertung des Bauwerkszustands und die Instandsetzungsplanung. • Zustandsprognose: Vorhersage des weiteren Zustandsverlaufs. • Planung von Maßnahmen: Grundlage für die Planung von Ertüchtigungs-, Erneuerungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen. • Schadenshistorie: Visualisierung der Schadensentwicklung. BIM in der Betriebsphase hilft dazu beizutragen, Schäden und Beanspruchungen transparenter und nachvollziehbarer zu dokumentieren. Dies ermöglicht es, frühzeitig Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen, was die Lebensdauer eines Bauwerks erheblich verlängern und den CO₂-Fußabdruck reduzieren kann. Eine verlänger- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 299 Modellbasierte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zur Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit te Lebensdauer von Brücken hat eine positive Auswirkung auf die CO₂-Bilanz, da sie die Notwendigkeit von Neubauten und umfangreichen Sanierungen verringert. Dies reduziert den Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen CO₂-Emissionen erheblich. Die Erhaltung bestehender Brücken erfordert weniger Material und Energie als der Abriss und Neubau, was zur Schonung natürlicher Ressourcen und zur Minimierung des ökologischen Fußabdrucks beiträgt.[8] Zudem bietet BIM im Erhaltungsmanagement die Möglichkeit, aus wiederkehrenden Schadensmustern zu lernen, um diese in zukünftigen Generationen zu vermeiden. Doch gibt es auch für Erhaltungsbzw. Betriebsmodelle bundesweite Vorgaben oder Standardisierungen? Werden hierfür die As-built Modelle verwendet oder adaptiert? Der BIM Leitfaden für die freie Hansastadt Hamburg definiert Betriebs-/ Facility Management-Modelle wie folgt: „In diesen Modellen werden alle für die Betriebsphase relevanten Informationen abgebildet. […] Hierfür werden die betriebsrelevanten geometrischen und alphanumerischen Daten herausgefiltert und komplexe Geometrien und Informationen mit ausschließlicher Planungs- und Baurelevanz entfernt oder vereinfacht, um den modellbasierten Betrieb und die Pflege des Modells zu erleichtern. Weitere betriebsrelevante Informationen, wie Wartungsintervalle und Prüfzyklen, werden dem Modell hinzugefügt.“ [9] Bisher gibt es keine einheitlichen Vorgaben, jedoch wird intensiv daran gearbeitet, durch kontinuierlichen Austausch und Zusammenarbeit Standardisierungen voranzutreiben. 3.3 Anforderungen an BIM-Modelle Um die Vorteile von BIM auch im Erhaltungsmanagement voll ausschöpfen zu können, müssen die Modelle wie im Zitat oben beschrieben bestimmte Anforderungen erfüllen. Als Grundlage sind unterschiedliche BIM-Modelle möglich. „As-designed“ („wie geplant“) bezieht sich auf Modelle, die aus der Ausführungsplanung stammen und das angestrebte Ergebnis des Bauwerks darstellen. „Asbuilt“ („wie gebaut“) Modelle hingegen zeigen das tatsächlich realisierte Bauwerk und reflektieren somit den aktuellen Zustand. Unterschiede zwischen diesen Modelltypen können beispielsweise Daten zum Bauablauf, wie das Herstelldatum oder die vermessungstechnisch validierte exakte Position eines Bauteils, umfassen. „Asmaintained“ („wie erhalten“) Modelle beinhalten zusätzlich Informationen, die im Laufe des Betriebs gesammelt werden. [7] Unabhängig davon, welches Modell verwendet wird, ist Folgendes entscheidend: Die Standardisierung von Modellen erleichtert die Auswertung erheblich. Eine Verortung im globalen Koordinatensystem ist unerlässlich, um Schäden nachvollziehbar und präzise zu lokalisieren. Zudem ist die Vollständigkeit der Bauteile sowie deren Abgrenzung zueinander von großer Bedeutung. Fehlt beispielsweise die Böschungstreppe im Modell, kann dort kein Schaden verortet werden. Ist die Gründung im Modell sichtbar, liefert das zwar nützliche Informationen für den Prüfer, sie ist jedoch in der Realität unterirdisch und erhöht unnötig die Modellgröße. Eine Darstellung des Geländes stellt daher eine wertvolle Zusatzinformation dar, die den Prüfer bei der Navigation im 3D-Modell unterstützt. Darüber hinaus sind einige Attribute, wie das Material oder die Art des Korrosionsschutzes, wichtige Informationen für die Bauwerksprüfung. 3.4 Offlineverfügbarkeit abhängig von Dateigröße und Detaillierungsgrad Ein häufig diskutiertes Thema im Kontext von BIM ist der erforderliche Level of Detail (LOD) für verschiedene Phasen des Bauwerks. Bei der modellbasierten Schadenserfassung spielt die Dateigröße eine entscheidende Rolle. Ein sehr hoher LOD führt zu großen IFC-Dateien und erfordert erheblichen Rechenaufwand für das Rendern detaillierter Bauteile. Vor Ort kommen mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones zum Einsatz, wobei viele Bauwerke oft an Orten ohne mobiles Netzwerk liegen. Daher müssen diese Geräte und die Modelle offline für die Bauwerksprüfung funktionsfähig sein. Detaillierte Modelle großer Brücken können schnell mehrere hundert Megabyte erreichen, was bei älteren mobilen Endgeräten zu Anzeige- und Navigationsproblemen führen kann und die Performance beeinträchtigt. Ein geringerer Detaillierungsgrad kann helfen, dieses Problem zu vermeiden. 3.5 Optimiertes „As-maintained“- Modell oder Nutzung vorhandener Fachmodelle Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Gesamt- oder Koordinationsmodellen, Teilmodellen und Fachmodellen. Fachmodelle enthalten nur die relevanten Informationen einer bestimmten Disziplin, wie etwa der Architektur oder der Tragwerksplanung. Im Kontext des Brückenbaus sind Fachmodelle wie das Baugrund-/ Umgebungsmodell inkl. Wasserspiegel und Infrastruktur, das Trassierungsmodell, das Leitungsmodell, das Brückenmodell und das Tragwerksmodell besonders sinnvoll. Teilmodelle repräsentieren einen spezifischen Abschnitt des gesamten Bauwerks, wie beispielsweise einen Überbau oder ein Teilbauwerk, und finden häufig bei großen Brücken Anwendung. Gesamt- oder Koordinationsmodelle schließlich integrieren alle Teil- und Fachmodelle. [7] Zur Diskussion steht, ob für das Erhaltungsmanagement ein eigenes „As-maintained“-Modell erstellt wird, welches während des Betriebs stetig fortgeschrieben wird oder ob vor einer jeden Prüfung verschiedene vorhandene Fachmodelle kombiniert werden. Die Erstellung eines Betriebsmodells für die Bauwerksprüfung wird in der Praxis bisher kaum umgesetzt, auch da es keine bundesweiten Vorgaben gibt. Vorteil eines eigenen „As-maintained“-Modells wäre eine einfachere Übersicht für den Prüfer und eine userfreundlichere Navigation im Modell. Ein für die Bauwerksprüfung optimiertes „As-maintained“-Modell bietet mehrere Vorteile: • Reduzierte Komplexität: Durch das Ausblenden nicht sichtbarer Bauteile wird die Übersichtlichkeit erhöht und die Navigation vereinfacht 300 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Modellbasierte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zur Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit • Optimierte Dateigröße: Ein geringerer Detaillierungsgrad führt zu kleineren Dateigrößen, was die Offlineverfügbarkeit auf mobilen Endgeräten und den Austausch der Modelle vereinfacht. • Fokussierung auf relevante Informationen: Das Modell enthält nur die für die Prüfung notwendigen semantischen Informationen, • Bündelung der Bauteile in Bauteilgruppen: Nachvollziehbarere Zustandsnotenberechnung in Analogie zur RI-EBW-PRÜF • Bessere Integration in Prüfprozesse: Das Modell kann besser in bestehende Prüfprozesse integriert werden, auch die zeitliche Nachverfolgung und Entwicklung von Schäden wird vereinfacht Die Erstellung eines für die Bauwerksprüfung optimierten „As-maintained“-Modells ist jedoch nicht trivial. Beispielsweise die Ausblendung unterirdischer Bauteile erfordert, dass die Widerlager mit der Geländeoberkante verschnitten werden, um ein konfliktfreies IFC-Modell zu erstellen. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass Bauwerksprüfer sich im Vorfeld der Prüfung intensiv mit der Struktur der verschiedenen Fachmodelle auseinandersetzen oder über die erforderlichen fachlichen und technischen Kenntnisse verfügen, um diese anzupassen. Daher stellt sich die Frage, wer für die Erstellung dieser Modelle verantwortlich ist. Wenn kein eigenes Betriebsmodell erstellt wird und verschiedene vorhandene Fachmodelle für die Bauwerksprüfung kombiniert werden sollen, wird erwartet, dass der verwendete Viewer der für die modellbasierte Bauwerksprüfung vor Ort verwendet wird in der Lage ist, mehrere Modelle zu überlagern. Dies kann jedoch bei älteren mobilen Endgeräten schnell zu Engpässen im Arbeitsspeicher führen. Daher müssen die technischen Grenzen gegen den zusätzlichen Aufwand für die Erstellung von „As-maintained“-Modellen abgewogen werden. Alternativ und vor allem für ältere Bauwerke, bei denen bisher kein As-built Modell existiert, ist es auch denkbar, Platzhaltermodelle zu generieren. Vor allem für die große Anzahl an Standardbrücken, wie Plattenbrücken, Plattenbalkenbrücken, Rahmenbrücken oder Rohre gibt es verschiedene Machbarkeitsstudien, aus wenigen Bauwerksdaten aus SIB-Bauwerke Platzhaltermodelle zu generieren. 4. Praxisbezug: Modellbasierte Bauwerksprüfung 4.1 Welche Features braucht ein Viewer für die modellbasierte Bauwerksprüfung In einer 2024 durchgeführten Pilotstudie wurden Nutzer nach notwendigen Features für eine modellbasierte Bauwerksprüfung befragt. Devise war hier: eine einfache Navigation, Bedienung und Verortung von Schäden im Modell, keine überladenen Features und wie bereits oben beschrieben eine uneingeschränkte offline Anwendung am mobilen Endgerät. Es wurde sich daher auf folgende Features des in die App integrierten Viewers beschränkt: • Zoomen, Drehen (um Nullpunkt, um Bauteil usw.) • Highlighten von Bauteilen bei Mouseover • Ausblenden von einzelnen Bauteilen • Einblenden aller ausgeblendeten Bauteile • Semantische Informationen/ Attribute anzeigen • Schäden als 3D-Objekt • Überlagerung mehrerer Fachmodelle 4.2 Testlauf verschiedener IFC-Modelle Für den Testlauf wurden verschiedene IFC-Modelle von Brücken unterschiedlicher Typen und Größen verwendet. Diese Modelle wiesen unterschiedliche LOD auf, was die Detailgenauigkeit und den Informationsgehalt der Modelle betrifft. Zusätzlich wurden Modelle unterschiedlicher Erstellungsjahre berücksichtigt, um die Entwicklung und die Fortschritte in der BIM- Technologie und Reglementierung zu reflektieren. Die Testobjekte basierten auch auf verschiedenen Auftraggeber-Informationsanfor-derungen (AIA), die spezifische Vorgaben für die Modellierung und die benötigten Informationen festlegten. Sowie auf unterschiedlichen BIM-Abwicklungsplänen (BAP), die die strategische Planung und Umsetzung von BIM-Prozessen innerhalb von Projekten beschreiben [2]. Neben diesen zahlreichen As-built-Modellen wurden auch einige Platzhaltermodelle von Standardplattenbrücken in den Test mit einbezogen. Durch diese umfassende Auswahl an Modellen und Anforderungen wurde sichergestellt, dass der entwickelte Viewer in der Lage ist, eine Vielzahl von Szenarien und Anforderungen zu bewältigen, was die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Tools unter Beweis stellt. Die Tests mit IFC-Modellen haben aufschlussreiche Erkenntnisse geliefert, insbesondere bezüglich der schnell erreichbaren Modellgrößen von über 150 MB. Ab dieser Größe zeigen sich erhebliche Herausforderungen bei der Handhabung und der Offlineverfügbarkeit der Modelle. Bei Tests mit mobilen Endgeräten stellte sich heraus, dass selbst das neueste iPhone von Apple beim Download solcher großen Modelle an seine Grenzen stieß und den Vorgang abbrach, eine Onlineansicht des Modells und die Navigation darin, wie auch die Schadensverortung an solch großen Modellen funktionierte tadellos und präzise bei kleineren Modellen war auch der offline- Modus voll funktionsfähig. Da die offline-Verfügbarkeit einer der wichtigsten Faktoren bei der Bauwerksprüfung ist, zeigt das die Notwendigkeit auf, große Modelle für die Betriebsphase zu optimieren, insbesondere für mobile Anwendungen. Abb. 1: Viewer Ansicht mobil und in der Webversion 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 301 Modellbasierte Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zur Sicherstellung der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit Alle weiteren Erkenntnisse betrafen inhaltliche Aspekte der Modelle, die für die Durchführung der Bauwerksprüfung von großer Relevanz sind, jedoch für die IT-technische Seite der entwickelten Anwendung vernachlässigbar bleiben. In einem ersten Testlauf enthielten die Modelle keine Geländemodelle oder Informationen über Boden- und Wasseroberflächen enthielten. Auch Böschungstreppen und die Beschilderung waren fehlten. Dies führt zu einer unvollständigen Darstellung der realen Bedingungen für den Bauwerksprüfer. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Erkenntnis über die Verantwortlichkeiten über die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg. Verantwortliche für Bauwerksprüfung haben noch wenig Erfahrung mit modellbasierter Verortung und der Aufbereitung von BIM-Modellen. Planungsverantwortliche kennen die praktischen Anforderungen aus der Perspektive der Bauwerksprüfer und Erhaltungsmanager noch nicht vollständig. Zudem fehlen, wie bereits beschrieben, konkrete Vorgaben für Betriebsmodelle. Eine durchgehende Datenkonsistenz über den gesamten Lebenszyklus ist ein wichtiger Aspekt für die Zukunft. Unvollständige Abstimmungen können zu Validierungsproblemen und Fehlern in den Modellen führen. Ein Beispiel hierfür ist der Projektnullpunkt, der grundlegende Informationen zum Bauwerk speichert, aber durch Optimierungsprozesse für ein Betriebsmodell verloren gehen kann. Solche Informationen sind entscheidend für die Nachvollziehbarkeit der globalen Koordinaten. Zudem sollte das verwendete Koordinatenreferenzsystem in den semantischen Daten weiterhin dokumentiert bleiben. Darüber hinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten, IFC- Modelle aus nativen Programmen zu exportieren, wobei in einigen Fällen essenzielle semantische Informationen, die in den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) definiert waren, beim Export ins IFC-Modell unberücksichtigt bleiben könnten. Dies zeigt die Notwendigkeit einer sorgfältigen Auf bereitung der Modelle, um die Vollständigkeit und Konsistenz der Daten sicherzustellen und somit die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren zu optimieren. 4.3 Praxistest Nach den umfassenden Tests unterschiedlichster Modelle wurde die Praxistauglichkeit während einer Bauwerksprüfung vor Ort evaluiert. Die Prüfer konnten die Verortung der Schäden und die Navigation im Modell schnell erlernen und fanden die Bedienung intuitiv und leicht verständlich. Die Beschreibung und Bewertung von Schäden anhand der Schadensbeispiele gemäß RI-EBW-Prüf waren den Testprüfern aus der aktuellen Version der App, die auf 2D-Skizzen basiert, bereits vertraut und hatte sich in der Praxis in der Vergangenheit bereits bewährt. Auf technischer Seite gab es nur wenige Einwände. Ein Punkt der Kritik war die Beschränkung auf etwa fünf gleichzeitig offline speicherbare Modelle, was je nach verwendetem mobilem Endgerät variieren kann. Dies stellt eine Einschränkung dar, die in zukünftigen Entwicklungen berücksichtigt werden sollte und wiederum von den Modellgrößen abhängt. Ein größerer Entwicklungsbedarf besteht jedoch bei der Optimierung der Modelle für die Bauwerksprüfung. Hier gilt es, die Modelle so anzupassen, dass sie die spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten der Prüfungen besser unterstützen und die Effizienz der Prozesse weiter steigern. 5. Ausblick Es ist ein Praxistest geplant, bei dem ein As-Built-Modell einer Brücke mit einem aus den Stammdaten der SIB-Bauwerke generierten Platzhaltermodell verglichen wird. Dabei stehen die Vor- und Nachteile beider Varianten im Fokus. Zusätzlich steht die Betaanwendung der modellbasierten Bauwerksprüfung sowohl im Web als auch in der App für Nutzer von m2ing zur Verfügung. Dadurch werden weitere Evaluationen von verschiedenen Nutzergruppen erhalten und können zu einer verbesserten Anwendung beitragen. Technische Weiterentwicklungen konzentrieren sich auf die Optimierung der Reporterstellung und der Schnittstellen sowie auf die Verbesserung des Aufgabenmanagements in Bezug auf räumlich verortete Schäden. [11] Begrüßenswert und auch erforderlich für ein einheitliches Vorgehen sind spezifische Vorgaben für BIM-Modelle gemäß den Anwendungsfällen 190 und 200 durch weitere Schritte und Entwicklungen von Bund und Ländern und anderen Stakeholdern. Die neue Version der ASB-Ing, einschließlich des aktualisierten Datenmodells, bringt voraussichtlich auch zahlreiche Neuerungen und Impulse für die weitere Entwicklung mit sich. Literatur [1] RI-EBW-PRÜF (2017), Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen. [2] BMVI (2021) Masterplan BIM Bundesfernstraßen [online], https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ StB/ bim-rd-masterplan-bundesfernstrassen.pdf? __blob=publicationFile (accessed: Aug. 12 2024). [3] bauingenieur24 Informationsdienst [online] Available: https: / / www.bauingenieur24.de/ artikel/ bimfuer-gesamten-bundesbau-ab-2023-pflicht (accessed: Aug. 12 2024). [4] BIM Deutschland [online] Available: https: / / www. bimdeutschland.de/ bim-deutschland/ liste-der-standardisierten-anwendungsfallbezeichnungen (accessed: Aug. 12 2024). [5] BIM Hamburg (2021) Was bitte ist ein Anwendungsfall? 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