eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton

0925
2024
Jan Lingemann
Stephan Sonnabend
Der aktuelle Brückenbestand in Deutschland zeigt u. a. aufgrund des Alters der Bauwerke, der stark gestiegenen Verkehrslasteinwirkungen, des starken Einsatzes von Salz als Taumittel und aufgrund von Abweichung heutiger Bemessungsvorschriften zu früheren Regelwerken teilweise Mängel hinsichtlich des Bauwerkszustands und teilweise auch Defizite hinsichtlich der rechnerischen Tagfähigkeit. Im Zuge des Erhalts der Verkehrsinfrastruktur wurden bereits mehrere Brücken durch Neubauten ersetzt und auch in Zukunft werden Ersatzneubauten notwendig werden. Der hierbei erforderliche Rückbau von Großbrücken stellt eine komplexe Aufgabe dar. Im vorliegenden Beitrag werden ausgewählte statische Besonderheiten beim Rückbau von Großbrücken erläutert und Erfahrungen aus zurückliegenden Projekten aufgezeigt.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 311 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton Dr.-Ing. Jan Lingemann Büchting + Streit AG, München Dipl.-Ing. Stephan Sonnabend Büchting + Streit AG, München Zusammenfassung Der aktuelle Brückenbestand in Deutschland zeigt u. a. aufgrund des Alters der Bauwerke, der stark gestiegenen Verkehrslasteinwirkungen, des starken Einsatzes von Salz als Taumittel und aufgrund von Abweichung heutiger Bemessungsvorschriften zu früheren Regelwerken teilweise Mängel hinsichtlich des Bauwerkszustands und teilweise auch Defizite hinsichtlich der rechnerischen Tagfähigkeit. Im Zuge des Erhalts der Verkehrsinfrastruktur wurden bereits mehrere Brücken durch Neubauten ersetzt und auch in Zukunft werden Ersatzneubauten notwendig werden. Der hierbei erforderliche Rückbau von Großbrücken stellt eine komplexe Aufgabe dar. Im vorliegenden Beitrag werden ausgewählte statische Besonderheiten beim Rückbau von Großbrücken erläutert und Erfahrungen aus zurückliegenden Projekten aufgezeigt. 1. Einführung Ein großer Teil der im Bereich der Bundesfernstraßen bestehenden Brückenbauwerke in Deutschland hat aktuell ein Alter von 40 bis 60 Jahren erreicht [1]. Das durchschnittliche Alter der bestehenden Eisenbahnüberführungen in Deutschland ist noch höher [2]. Aufgrund des Alters der Bauwerke hat die Frage der Bewertung des Zustands sowie der Tragfähigkeit von bestehenden Brückenbauwerken in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Bei den Brücken im Bereich der Bundesfernstraßen haben unter anderem die Verkehrslasteinwirkungen seit Mitte der 1950erJahre sowohl hinsichtlich der Fahrzeuggewichte als auch hinsichtlich der Verkehrszahlen stetig zugenommen [1]. Weitere Faktoren sind der (etwa seit den 1960erJahren) verstärkte Einsatz von Salz als Taumittel, die früher teilweise unzureichende Berücksichtigung von Zwangseinwirkungen sowie nach heutigem Kenntnisstand konstruktive bzw. materialtechnische Mängel der Bestandsbauwerke. Dies schlägt sich auch in den Zustandsnoten der Bauwerke nieder. Auswertungen der Zustandsnoten des Brückenbestands im Bereich der Bundesfernstraßen zeigen, dass sich der Zustand der Bauwerke über die Zeit tendenziell verschlechtert [3]. Seit dem Jahr 2015 ist der Anteil der „sehr gut“ oder „gut“ bewerteten Bauwerke etwa konstant geblieben, was auf die begonnenen Maßnahmen zur Brückenmodernisierung zurückgeführt wird. Bei einzelnen, teilweise prominenten Bauwerken waren jedoch aufgrund der bei Bauwerksprüfungen und ergänzenden Nachrechnungen festgestellten Defizite bereits starke Verkehrseinschränkungen oder sogar Vollsperrungen notwendig [4, 5]. Neben dem Bauwerkszustand ist die Tragfähigkeit der entscheidende Faktor hinsichtlich der Beurteilung des Bauwerksbestands. Zur einheitlichen Bewertung wurde hierfür der Traglastindex eingeführt [6]. Dieser ergibt sich aus dem Verhältnis der Soll zur IstTragfähigkeit des jeweiligen Bauwerks. Auswertungen des Traglastindexes aus dem Jahr 2022 [7] zeigen, dass bis zum Jahr 2035 ca. 70-% des aktuellen Brückenbestands (bezogen auf die Bauwerksfläche) nachgerechnet werden müssen. Zur strukturierten Bearbeitung dieser Aufgabe wurde bereits im Jahr 2010 von der Bundesanstalt für Straßenwesen BASt eine Liste der vordringlich zu untersuchenden Bauwerke veröffentlicht [8]. Hinsichtlich der Priorisierung von Nachrechnungen löst der neu eingeführte Traglastindex die BAStListen ab. Frühere Auswertungen der BAStListen zeigen jedoch, dass es sich bei ca. 70-% der nachzurechnenden Brücken um Großbrücken handelt (Länge > 100- m). Ein Großteil dieser Bauwerke sind Spannbetonbrücken. Vor dem Hintergrund, dass sich bei zahlreichen Bauwerken in der Nachrechnung Defizite hinsichtlich der Tragfähigkeit zeigen [9], wird deutlich, dass in Zukunft im Zuge der Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland der Rückbau bzw. der Ersatzneubau von zahlreichen bestehenden Großbrücken zu erwarten ist. Die bereits vorliegenden Erfahrungen aus dem Rückbau von großen Brückenbauwerken zeigen, dass es sich hierbei um eine sehr komplexe Aufgabe handelt, bei der hohe Anforderungen an die beteiligten Bauherren, Planer sowie an die ausführenden Firmen gestellt werden [1012]. Im vorliegenden Beitrag werden daher ausgewählte, häufig auftretende statische Fragestellungen beim Rückbau von großen Spannbetonbrücken erläutert. Der vorliegende Beitrag basiert auf einem bereits in der Zeitschrift Beton- und Stahlbetonbau veröffentlichten Aufsatz [11]. 312 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. 2. Häufige Fragestellungen beim Rückbau von Großbrücken 2.1 Abschnittsweiser Rückbau Der Rückbau von kleineren Brückenbauwerken (z.- B. Straßen und Wegeüberführungen) ist heute eine fast alltägliche Aufgabe im Zuge des Unterhalts und der Erhaltung des Straßennetzes. Die Überbauten kleinerer Bauwerke werden dabei innerhalb relativ kurzer Sperrpausen (z.-B. innerhalb eines Wochenendes) vollständig zurückgebaut. Eine Rückbaumaßnahme umfasst dabei im Allgemeinen die Sperrung bzw. Verkehrssicherung, die Sicherung der Fahrbahn sowie evtl. sonstiger zu erhaltender Konstruktionen, die Durchführung des Rückbaus selbst, die Bearbeitung und den Abtransport der Rückbaumaterialien sowie die Reinigung und Verkehrsfreigabe der unter dem ehemaligen Bauwerk befindlichen Fahrbahn. Sofern der untenliegende Verkehrsweg für den Rückbau nicht vollständig gesperrt werden kann oder darf, oder wenn das zurückzubauende Überführungsbauwerk zu groß ist, um es innerhalb einer vorgesehenen Sperrpause zurückzubauen, dann kann ein abschnittsweiser Rückbau des Überbaus sinnvoll sein. Hierbei wird z.-B. der Teil des Bestandsbauwerks, der eine Richtungsfahrbahn überspannt, zurückgebaut, während der Abschnitt über der zweiten Richtungsfahrbahn vorerst bestehen bleibt und der Verkehr unter diesem Teil aufrechterhalten wird. Nachdem der erste Abschnitt des Bestandsbauwerks zurückgebaut ist, wird der Verkehr unter dem zweiten Abschnitt auf die nun nicht mehr überbaute erste Richtungsfahrbahn umgelegt und anschließend der zweite Abschnitt des Bestandsbauwerks zurückgebaut. In statischer Hinsicht ist hierbei zu beachten, dass für das Bauwerk im teilrückgebauten Zustand eine ausreichende Tragfähigkeit nachzuweisen ist (vgl. auch Abschn. 2.4). Bei Großbrücken ist - sofern der Rückbau nicht durch Sprengung erfolgt - in der Regel ebenfalls ein abschnittsweiser Rückbau erforderlich. Beim abschnittsweisen Rückbau wird das Längssystem des Überbaus in Rückbauabschnitte unterteilt, die sukzessive zurückgebaut werden (Abb.- 1). Durch die Einteilung von Rückbauabschnitten lässt sich wie auch beim Neubau eine effiziente Abwicklung der Baumaßnahmen sicherstellen und der Einsatz von evtl. erforderlichen Traggerüstkonstruktionen minimieren. Beim abschnittsweisen Rückbau müssen die jeweils noch nicht zurückgebauten Abschnitte noch eine ausreichende Tragfähigkeit aufweisen, solange sie Teil des tragenden statischen Systems sind bzw. nicht durch Hilfskonstruktionen unterstützt oder anderweitig gesichert sind. Im Zuge der Planung sind daher sämtliche relevanten Rückbauzustände zu untersuchen. Zu beachten ist die Veränderung der Schnittgrößen des Längssystems beim abschnittsweisen Rückbau. Im Nutzungszustand ist da statische System in Längsrichtung i.d.R. ein Durchlaufträger. Beim Rückbau wird ein Innenfeld des Durchlaufträgers zum Endfeld, wobei der Überbau i.d.R. über den letzten Pfeiler auskragt. In diesem Zustand wirkt am letzten Pfeiler nur das Kragmoment. Dieses ist i.d.R. deutlich kleiner als das Stützmoment im Nutzungszustand. In der Folge können bereits in geringem Abstand zum letzten Pfeiler in Bereichen, die im Nutzungszustand negative Momente erfahren haben, bereits positive Momente auftreten. Dieser Nachweis kann im Rückbauzustand maßgebend werden. Abb.-1: Abschnittweiser Rückbau des Überbaus der Talbrücke Unterrieden auf Vorschubrüstung Wenn die Rückbauabschnitte so gewählt werden können, dass sie den Bauabschnitten der Herstellung des Bauwerks entsprechen, werden die damaligen Bauzustände des Bauwerks bei Rückbau in umgekehrter Reihenfolge nachvollzogen. Da das Bauwerk für die Beanspruchungen aus den ursprünglichen Bauzuständen ausgelegt ist, können die Einwirkungen aus dem Eigengewicht der Konstruktion in den Rückbauzuständen in der Regel aufgenommen werden. Einwirkungen, die in den ursprünglichen Bauzuständen nicht wirksam waren, müssen jedoch beim Nachweis der Rückbauzustände zwingend zusätzlich berücksichtigt werden. Dies ist z.-B. der Fall, wenn die Kappen nicht vorlaufend zurückgebaut werden und bis zum Rückbau des Überbaus auf dem Überbau verbleiben. Da die Kappen üblicherweise erst nach der Fertigstellung des Überbaus hergestellt werden, mussten die ursprünglichen Bauzustände nicht für die Lasten aus Kappen ausgelegt werden. In diesem Fall muss sichergestellt sein, dass das Eigengewicht der Kappen in den entsprechenden Rückbauzuständen aufgenommen werden kann. Darüber hinaus können Einwirkungen aus Stützensenkungen sowie evtl. Mehrlasten aus späteren Einbauten oder Verstärkungen sowie Einwirkungen infolge von Kriechen und Schwinden sowie Systemumlagerung vorhanden sein. Auch die Belastung aus Eigengewicht der Rückbaugeräte ist in der Regel besonders zu untersuchen. Im Zuge eines abschnittsweisen Rückbaus wird bei Talbrücken häufig zu einem bestimmten Zeitpunkt der Längsfestpunkt des Überbaus unwirksam. In diesem Fall muss unmittelbar vor der Deaktivierung des Längsfestpunkts eine temporäre Längsfesthaltung eingebaut werden. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 313 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. 2.2 Vorlaufende Entfernung von Teilen des Querschnitts Im Zuge des abschnittsweisen Rückbaus werden teilweise einzelne Querschnittsteile des Überbaus vorlaufend abgetrennt. Sofern der verbleibende Teil des Überbauquerschnitts in diesem Fall noch eine tragende Funktion hat, ist zu beachten, dass sich hieraus Auswirkungen auf die Wirkung der Vorspannung ergeben können. Bei Überbauten mit Hohlkastenquerschnitt werden z.-B. teilweise die Kragarme vorlaufend entfernt, um den Überbau zu leichtern. Dies hat Auswirkungen auf die Querschnittswerte des Überbauquerschnitts. So wird durch ein Entfernen der Kragarme die Querschnittsfläche reduziert, was eine höhere Normalspannung infolge Vorspannung zur Folge hat. Außerdem verschiebt sich der Schwerpunkt des Querschnitts nach unten. Die Verschiebung des Schwerpunkts hat Einfluss sowohl auf die statisch bestimmte als auch auf die statisch unbestimmte Schnittgröße aus Vorspannung und auf die Widerstandsmomente des Querschnitts. Im Hinblick auf die Tragfähigkeit des Überbaus in Bauwerksquerrichtung ist bei einem Abtrennen der Kragarme zu berücksichtigen, dass die abgetrennten Bauteile in der Regel gesichert bzw. ausgehoben werden müssen. Sofern dies durch auf dem Überbau angeordnete Geräte erfolgt, muss die Fahrbahnplatte auch nach dem Abtrennvorgang die entsprechenden Lasten in Querrichtung aufnehmen können. Darüber hinaus ist zu beachten, dass hierdurch das Moment aus der Einspannung der Kragarme reduziert wird. In der Folge nehmen in der Regel das Feldmoment der Fahrbahnplatte zwischen den Stegen sowie das Einspannmoment der Fahrbahnplatte in die Stege zu. Je nach Rückbauverfahren werden teilweise auch die Fahrbahnplatten zwischen den Stegen und bei Überbauten mit Hohlkastenquerschnitt evtl. auch die Bodenplatte vorlaufend entfernt. Im Zustand nach der Abtrennung von Gurtplatten muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass ein Kippen der Längsträgerstege verhindert wird. Falls erforderlich, müssen hierfür entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorgesehen werden. 2.3 Aussteifung des Überbauquerschnitts In den 1960erJahren wurden die Überbauten von Talbrücken häufig als zweizellige Hohlkastenquerschnitte hergestellt. Insbesondere bei diesen Querschnitten sollte beachtet werden, dass im Zuge des Rückbaus Zustände auftreten können, in denen an einem Stützquerschnitt keine Querträgerscheibe mehr vorhanden ist. In diesem Fall ist der Querschnitt in der Regel nicht mehr ausreichend ausgesteift. Vor diesem Hintergrund sollte geprüft werden, ob die Modellierung des Überbauquerschnitts als torsionssteifer Stab hinreichend genau ist. Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Modellierung des gesamten Überbauquerschnitts als Stab hinsichtlich der Bemessung für Biegung und Querkraft auf der unsicheren Seite liegen. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass sich Lasten z.-B. aus Rückbaugeräten ungleich auf die einzelnen Stege verteilen und in den direkt belasteten Stegen ungünstigere Beanspruchungen hervorrufen können. 2.4 Verankerung von Spanngliedern über Verbund Bei Spannbetonbrücken ist die Wahl der Rückbauabschnitte entsprechend den ursprünglichen Bauabschnitten auch im Hinblick auf die Verankerungen der Längsspannglieder relevant. Sofern beim Rückbau die ursprünglichen Bauzustände nachvollzogen werden, ist am Ende eines Rückbauabschnitts in der Regel auch eine Koppelfuge mit entsprechenden Spanngliedankern vorhanden, sodass die Verankerung der benötigten Anzahl an Längsspanngliedern beim Rückbau in allen Zuständen sichergestellt ist. Abb.-2: Rückbauzustand der Döllbachtalbrücke mit Verankerung der Längsspannglieder über Verbund Wenn beim Rückbau nicht am Ende jedes Rückbauabschnitts Spanngliedverankerungen der Längsspannglieder in ausreichender Anzahl vorhanden sind, ist der Verankerung der Längsspannglieder bei der Planung des Rückbaus besondere Beachtung zu schenken (Abb.-2). Im Rahmen von Rückbauzuständen können sich verpresste Spannglieder im Allgemeinen über die Verbundwirkung verankern. In diesem Fall sollte eine Grenzfallbetrachtung hinsichtlich der Verankerung erfolgen, sofern keine genaueren Angaben zum Verbund der Spannglieder vorhanden sind. Für den Nachweis der Tragfähigkeit in Bauwerkslängsrichtung sollten in der Regel untere Grenzwerte der übertragbaren Verbundspannungen angenommen werden. Hiermit ergibt sich ein oberer Grenzwert der Lastübertragungslänge, was für den Nachweis der Tragfähigkeit in Bauwerkslängsrichtung im Allgemeinen ungünstig ist. Die Spaltzugbeanspruchung im Verankerungsbereich selbst sollte unter der Annahme der oberen Grenzwerte der Verbundspannungen bestimmt werden. Während für Spaltzugbeanspruchungen in vertikaler Richtung bei Stegspanngliedern in der Regel die vorhandenen Stegbügel angesetzt werden können, ist zur Aufnahme von horizontalen Spaltzugbeanspruchungen im Bestandsüberbau in der Regel keine Bewehrung vorhanden. Häufig wird dabei die Spaltzugbeanspruchung über 314 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. die Übertragungslänge der Spannglieder verschmiert. Um auf der sicheren Seite zu liegen, sollte hierbei ein oberer Grenzwert der vom Spannglied in den Beton übertragbaren Verbundspannungen angenommen werden. Zur Aufnahme der Spaltzugbeanspruchungen wurde in einigen Fällen bereits teilweise die Betonzugfestigkeit angesetzt [13]. Hierfür existieren somit einige Erfahrungswerte, jedoch derzeit noch keine allgemein anerkannten Bemessungsansätze. Bei der Rückbauplanung sollten die Berechnungsannahmen daher entsprechend vorsichtig gewählt und mit dem Bauherrn und dem Prüfingenieur abgestimmt werden. Zur Klärung des Tragverhaltens der Verbundverankerung von Längsspanngliedern aus Bündeln von gerippten Einzeldrähten wurden inzwischen im Zuge des Rückbaus einer Talbrücke umfangreiche Messungen durchgeführt, über die in [14] berichtet werden wird. Die Verbundverankerung von größeren Bündelspanngliedern sowie die hieraus resultierenden Spaltzugbeanspruchungen sind darüber hinaus noch Gegenstand der Forschung. Eine notwendige Bedingung für eine Verankerung vorhandener Spannglieder über Verbund ist ein ausreichender Verpresszustand. Es ist zu beachten, dass im Einzelfall ggf. auch ein geringer Anteil nicht ausreichend verpresster Hüllrohre innerhalb eines Bauwerks zu einem Versagen während des Rückbaus führen kann, wenn diese Fälle sich z.- B. ungünstig auf einen Rückbauabschnitt konzentrieren. Die Untersuchung des Verpresszustands kann z.-B. erfolgen, indem die Hüllrohre freigelegt und geöffnet oder angebohrt werden. Durch die so hergestellte Öffnung kann ein punktueller Aufschluss über den lokal vorhandenen Verpresszustand gewonnen werden. Sofern erforderlich, empfiehlt es sich, mehrere dieser Aufschlüsse im Bereich einer geplanten Verbundverankerung durchzuführen. Alternativ bzw. ergänzend können Untersuchungen mit zerstörungsfreien Methoden (z.-B. Ultraschall) durchgeführt werden [14]. Sofern hierbei ein ausreichender Verpresszustand festgestellt wird, ist die notwendige Voraussetzung für eine Verbundverankerung an der untersuchten Stelle gegeben. Abb.-3: Abgebohrtes Längsspannglied; Foto: Adam Hörnig Baugesellschaft mbH Abb.-4: Planmäßiger Einzug von durchtrennten Spanngliedern Durch die Untersuchung des Verpresszustands ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, ob die Qualität der Verpressung eine Verankerung der Spannglieder zulässt. Zum Nachweis der Wirksamkeit der Verankerung können Spannglieder im Zuge des Rückbaus z.-B. hüllrohrweise durchtrennt werden (Abb.- 3). Anschließend wird der Einzug der Spannglieder gemessen. Ausgehend von der Annahme, dass alle Spannglieder beim Bau der Brücke entsprechend vorgespannt und verpresst wurden, kann, wenn der Einzug nicht größer ist als ein rechnerisch vorab ermittelter Grenzwert, von einer erfolgreichen Verankerung ausgegangen werden (Abb.-4). Praktisch wird in der statischen Berechnung in der Regel zunächst die im jeweiligen Rückbauzustand erforderliche Anzahl an Längsspanngliedern ermittelt. Dann wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Reihenfolge die Spannglieder abzubohren sind. Beim Abbohren ist sicherzustellen, dass zu jedem Zeitpunkt eine ausreichende Anzahl noch nicht abgebohrter oder bereits erfolgreich verankerter Spannglieder vorhanden ist, sodass die Tragfähigkeit des Überbaus zu jeder Zeit gewährleistet ist [16]. Der relativ hohe Aufwand zur Sicherstellung einer erfolgreichen Verankerung von Spanngliedern über Verbund ist, abhängig von den Randbedingungen des jeweiligen Rückbaus, durch die ggf. starken Auswirkungen einer evtl. nicht erfolgreichen Verankerung auf den weiteren Rückbau begründet. Im Fall einer nicht ausreichenden Verankerung von Spanngliedern über Verbund besteht zunächst die Gefahr, dass die erforderliche Tragfähigkeit des betroffenen Rückbauzustands nicht gewährleistet ist. In diesem Zustand können sehr aufwendige Verstärkungs- oder Unterstützungsmaßnahmen erforderlich werden. Wenn Verankerungen von Spanngliedern über Verbundvorgesehen sind, sollte auch dieses Risiko möglichst frühzeitig im Planungsprozess bedacht werden. Um das Risiko zu minimieren, sollte, sofern eine Verankerung von Spanngliedern über Verbund vorgesehen ist, der Verpresszustand der Spannglieder möglichst bereits im Zuge der Entwurfsplanung des Rückbauverfahrens untersucht werden, um Unsicherheiten bei der späteren Ausführung 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 315 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. zu vermeiden. Beim Rückbau von Überbauten (insbesondere in Herstellrichtung) kann der Fall auftreten, dass Verankerungselemente (z.-B. Spann bzw. Koppelanker) entgegen ihrer planmäßigen Wirkrichtung beansprucht werden. Sofern die Spannglieder und damit auch die Anker in diesem Fall statisch berücksichtigt werden sollen, sind hierfür zwingend weitergehende Untersuchungen erforderlich [13]. Ohne ergänzende Maßnahmen zur Sicherstellung der Verankerung wurden Verbundverankerungen von Spanngliedern bislang im Allgemeinen nur bei relativ kurzzeitigen Rückbauzuständen ohne Einwirkung von Lasten aus Straßenverkehr ausgeführt. Beim Rückbau von einteiligen Überbauten von Straßenbrücken, bei denen beide Richtungsfahrbahnen auf einem Überbau liegen, kann es erforderlich sein, den Überbau im Zuge des Rückbaus in Bauwerkslängsrichtung zu teilen, um eine Hälfte des Bauwerks temporär noch nutzen zu können. Sofern in diesem Rückbauzustand der öffentliche Verkehr auf einem Teil des Überbaus aufrechterhalten wird, wurden bislang stets besondere Vorkehrungen zur Sicherstellung der Verankerung der Quervorspannung getroffen, vgl. [17, 18]. Eine Verbundverankerung der Querspannglieder ohne zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung der Verankerung erfolgte bislang lediglich für den im Zuge der Rückbaumaßnahme auftretenden Baustellenverkehr. 2.5 Verstärkungsspannglieder Bei einigen bestehenden Überbauten wurden bereits während der planmäßigen Nutzung Verstärkungsmaßnahmen ausgeführt. Oft wurden in diesem Zuge zusätzliche Längsspannglieder eingebaut. Diese sind in der Regel entweder als Vorspannung mit nachträglichem Verbund ausgeführt (Spannglieder verlaufen in nachträglich hergestellten und an den Bestandsüberbau angeschlossenen Betonquerschnitten) oder als externe Vorspannung. Verstärkungsspannglieder können dabei entweder über die gesamte Länge des Überbaus durchlaufen (evtl. mit Spanngliedstoß) oder nur in einzelnen Feldern bzw. Bauabschnitten angeordnet sein. Im Fall einer externen Verstärkungsvorspannung muss diese vor Beginn des Rückbaus desjenigen Rückbauabschnitts deaktiviert werden, in dem die Verstärkungsspannglieder verankert sind. Für den Zeitpunkt nach der Deaktivierung ist nachzuweisen, dass der Überbau ausreichend tragfähig ist. Dies sollte in der Regel bereits in der Entwurfsphase sichergestellt werden, da dieser Nachweis entscheidend für die Ausführbarkeit des Rückbaus bzw. für das Erfordernis entsprechender Verstärkungsmaßnahmen im Zuge des Rückbaus ist. Wenn der Bestandsüberbau mit einer Vorspannung im nachträglichen Verbund verstärkt wurde, ist im Zuge der Planung zu überprüfen, ob eine Verankerung der Verstärkungsvorspannung über Verbund möglich ist (vgl. Abschn. 2.4). Hierfür sind die Lastübertragung vom Spannglied in den umgebenden Betonquerschnitt sowie die Spaltzugbeanspruchung im Betonquerschnitt nachzuweisen. Zusätzlich ist die Lastübertragung vom nachträglich ergänzten Betonquerschnitt in den Querschnitt des Bestandsüberbaus nachzuweisen. Auch wenn nachträglich hergestellte Betonquerschnitte häufig mit eingebohrter Bewehrung an den Bestand angeschlossen sind, treten bei diesem Nachweis häufig Defizite auf, da die Anschlussbewehrung in der Regel nur für den Spannungszuwachs in den Spanngliedern bei einer entsprechenden Rissbildung im Beton ausgelegt ist und nicht für den Anschluss der gesamten Vorspannkraft. Sofern bei diesen Nachweisen Defizite festgestellt werden, sollte bei der Planung des Rückbaus in der Regel eine Grenzfallbetrachtung durchgeführt werden und der Überbau sowohl unter Annahme von voll wirksamen Verstärkungsspanngliedern als auch unter Annahme eines vollständigen Ausfalls der Verstärkungsspannglieder nachgewiesen werden. 2.6 Hilfsunterstützungen und Hilfspfeiler Beim abschnittsweisen Rückbau von Brücken mit großen Stützweiten kommen oftmals Hilfsunterstützungen zur Unterstützung des Überbaus in den Rückbauzuständen zum Einsatz. Diese werden teilweise mit Hydraulikpressen ausgestattet, durch welche die jeweilige Hilfsunterstützung zum gewünschten Zeitpunkt mit einer vorgegebenen Kraft aktiviert werden kann. Bei der Planung sollte hierbei beachtet werden, dass die im Aktivierungszustand wirkenden Gewichte des Bestandsüberbaus in der Regel nicht genau bekannt sind. Das gilt sowohl für das Eigengewicht und die evtl. noch vorhandene Ausbaulast des Überbaus als auch für die Pressenkraft selbst. Letztere kann durch den Einsatz von entsprechenden Hydraulikinstallationen mit geeichten Manometern im Optimalfall relativ genau eingestellt werden. Zur Berücksichtigung evtl. Ungenauigkeiten sollte im Zuge der Planung jedoch untersucht werden, ob es bei Ansatz unterer Grenzwerte der einwirkenden Lasten und oberer Grenzwerte der Pressenkräfte zu Überbeanspruchungen des Überbaus kommen kann (z.-B. negatives Moment über der Hilfsunterstützung). Ebenso sollte ggf. untersucht werden, ob die Tragfähigkeit auch bei Ansatz des oberen Grenzwerts des Eigengewichts in Kombination mit dem unteren Grenzwert der Pressenkraft nachweisbar ist. Sofern der Überbau mit Hydraulikpressen nicht nur mit einer definierten Kraft unterstützt wird, sondern der Überbau von den Lagern freigehoben werden soll, entspricht die hierfür erforderliche Pressenkraft direkt der freizuhebenden Auflagerkraft. In diesem Fall ist der Ansatz unterschiedlicher Sicherheitsbeiwerte für die äußeren Lasten und die Pressenkraft nicht sinnvoll. Stattdessen sollten in diesem Fall für die Pressenkraft der gleiche Teilsicherheitsbeiwert wie für das Eigengewicht und die maßgeblichen Einwirkungen angesetzt werden. Beim Freiheben des Überbaus von Bestandspfeilern ist darüber hinaus zu beachten, dass der Bestandspfeiler infolge von einwirkenden Längskräften ausgelenkt sein kann. Dies kann sowohl in einer Pfeilerachse mit längsfesten Lagern der Fall sein als auch in einer Pfeilerachse mit längsverschieblichen Lagern. Bei der Planung des Rückbaus kann dies auf zwei unterschiedliche Arten berücksichtigt werden. Wenn sich der Pfeiler 316 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. nach dem Freiheben in seine spannungslose Form „zurückverformen“ soll, sind hierfür entsprechende Bewegungsmöglichkeiten und Gleitpaarungen auf den Pressen vorzusehen. Bei der Planung ist in diesem Fall ein entsprechender Reibbeiwert zu berücksichtigen. Wenn im anderen Fall die Rückverformung des Pfeilers behindert wird, bleiben die entsprechenden Pfeilerrückstellkräfte im Rückbauzustand erhalten und müssen von der Hydraulikpresse oder von anderen Baubehelfen aufgenommen und an andere längsfest gelagerte Bauteile weitergeleitet werden. Bei der Einleitung von Kräften aus Hilfsunterstützungen in den Überbau ist es in der Regel sinnvoll, bestehende Konstruktionen (z.-B. Querträger) zu nutzen. Sofern dies nicht möglich ist, sind in der Regel sehr aufwendige Verstärkungen des Überbaus zur Ein und Weiterleitung der Hilfsstützenkraft erforderlich. Lokale Verstärkungen für die Lasteinleitung (z.-B. Hilfsquerträger) sollten aufgrund der im Allgemeinen hohen Kräfte in der Regel massiv ausgeführt werden, um große Kräfte verformungsarm aufnehmen zu können (Abb.-5). Abb.- 5: Massiver Hilfspfeiler und Verstärkungen des Überbaus beim Rückbau der Döllbachtalbrücke Abb.-6: Stahl-Hilfsstützen zur Unterstützung des Bestandsüberbaus für den bauzeitlichen 4+0-Verkehr beim Ersatzneubau der Werntalbrücke Für die Aktivierung einer Hilfsunterstützung werden häufig Stellringpressen verwendet. Nachdem die Pressen auf die gewünschte Last angefahren wurden, werden die Stellringe angedreht, sodass der Lastabtrag über die Stellringe erfolgen kann. Anschließend kann der Öldruck abgelassen werden. Nach dem Aktivieren der Hilfsstützen und dem Andrehen der Stellringe ist zu beachten, dass ein geändertes statisches System des Überbaus vorliegt. Für alle nach der Aktivierung des Hilfspfeilers auftretenden Einwirkungen wirkt ein aktivierter Hilfspfeiler (abhängig von seiner Steifigkeit) wie eine feste Unterstützung des Überbaus in vertikaler Richtung. Hinsichtlich der Wahl der Pressen auf einem Hilfspfeiler ist zu beachten, dass die in späteren Rückbauzuständen auftretende Last am Hilfspfeiler infolge von z.-B. Baustellenverkehr oberhalb der Hilfsstütze oder infolge von Systemänderungen (z.-B. Entfernen eines entlastend wirkenden Feldes) deutlich größer sein kann als die Kraft, mit der der Hilfspfeiler aktiviert wird (Abb.-6). Dies ist bei der Auslegung der Pressen auf dem Hilfspfeiler und des Hilfspfeilers zwingend zu berücksichtigen. Weiterhin ist es möglich, dass die Aktivierung eines Hilfspfeilers in den nachfolgenden Rückbauabschnitten Auswirkungen auf die statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung hat. In diesen Fällen sollte die Wirkung der Vorspannung durch eine Berechnung unter Berücksichtigung des Bauablaufs des Rückbaus in allen Rückbauzuständen verfolgt werden. 2.7 Tragfähigkeit der Widerlager in den Rückbauzuständen Besonderes Augenmerk sollte bereits in der Entwurfsphase auf die Rückbauzustände der Widerlager des jeweiligen zurückzubauenden Bestandsbauwerks gelegt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn z.-B. bei Autobahnbrücken mit separaten Überbauten für beide Richtungsfahrbahnen ein durchgehendes gemeinsames Widerlager ausgeführt wurde. Im Zuge eines Rückbaus eines solchen Bauwerks wird in der Regel auf dem Überbau einer Richtungsfahrbahn eine 4+0Verkehrsführung eingerichtet. Anschließend wird der verkehrsfreie Überbau zurückgebaut. Bei einteiligen Widerlagern ist, nachdem der verkehrsfreie Überbau zurückgebaut wurde, häufig ein Teilrückbau des Widerlagers erforderlich, um die Baugrube für das neue Widerlager herstellen zu können. In allen hierfür erforderlichen Bau und Aushubzuständen muss das teilrückgebaute Bestandswiderlager unter 4+0Verkehr ausreichend standsicher sein. Wenn beispielsweise ein neu herzustellendes, flach gegründetes Widerlager eines Ersatzneubaus an gleicher Stelle errichtet werden soll wie das bestehende Widerlager, so wird häufig eine etwas tiefer liegende Gründungssohle als im Bestand gewählt, um den Neubau auf ungestörtem Baugrund gründen zu können. Sofern das Bestandswiderlager unter beiden Richtungsfahrbahnen auf einer Höhe gegründet ist, würde im Zuge des Teilrückbaus des Widerlagers und der Herstellung der Baugrube für das neue Widerlager die Gründung des verbleibenden Teils des Bestandswiderlagers evtl. unterschnitten werden. Um dies zu vermeiden und die Stand- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 317 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. sicherheit des höher gegründeten Bestandswiderlagers zu gewährleisten, muss der Höhensprung durch temporäre Abfangungen wie z.-B. Unterfangungen oder Verbauten gesichert werden. Sofern Verbauten ausgeführt werden, sollten diese möglichst verformungsarm ausgebildet werden, um das Tragverhalten des verbleibenden Bestandswiderlagers nicht zu beeinträchtigen. Im teilrückgebauten Zustand eines Widerlagers ergeben sich darüber hinaus teilweise Einwirkungen, die deutlich von den planmäßigen Einwirkungen auf das Widerlager im Endzustand abweichen können. Im planmäßigen Endzustand kann beispielsweise die Horizontallast aus dem auf eine Flügelwand wirkenden Erddruck mit der Horizontallast aus dem anderen Flügel kurzgeschlossen werden. Sofern im teilrückgebauten Zustand nur noch eine Flügelwand vorhanden ist, muss das Widerlager die Horizontallast aus dem auf diese Flügelwand wirkenden Erddruck auf anderem Wege abtragen können. Alternativ kann der Flügel z.-B. mit Ankern zurückgespannt werden. Bei der Planung des Rückbaus ist weiterhin ist zu beachten, dass abhängig vom gewählten Rückbauverfahren für die Montage von Baubehelfen teilweise ein Aushub vor dem Widerlager erforderlich ist. Bei großflächigen Aushüben sollte für diesen Zustand die Grundbruchsicherheit des Widerlagers überprüft werden. Sofern vor dem Widerlager tiefer ausgehoben werden muss als die Gründungssohle des Bestandswiderlagers, sind auch hier entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorzusehen. Auch bei tiefgegründeten Widerlagern ist ein Aushub im statischen Nachweis zu berücksichtigen, da hierdurch ggf. die Mantelreibung und die horizontale Bettung der Pfähle beeinträchtigt werden kann. Zusätzlich sollte insbesondere die äußere Standsicherheit von Bestandswiderlagern im Rückbauzustand, d. h. ohne Auflast aus Überbau aber mit vollem Erddruck, grundsätzlich nachgewiesen werden. Hierbei sind evtl. ungünstige Zusatzbeanspruchungen z.-B. aus Abstützlasten von hinter dem Widerlager stehenden Autokränen zu berücksichtigen. 3. Fazit Im Zuge der Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland sind der Zustand und die Tragfähigkeit zahlreicher Brückenbauwerke zu bewerten. Aufgrund des Alters der Bestandsbauwerke und der gegenüber der Bauzeit stark gestiegenen Lasteinwirkungen ist damit zu rechnen, dass in Zukunft zahlreiche Großbrücken durch entsprechende Neubauten ersetzt werden müssen. Bei den in diesem Zusammenhang erforderlichen Rückbauten von Großbrücken handelt es sich um eine in Planung und Ausführung sehr anspruchsvolle Aufgabe. Im vorliegenden Beitrag werden ausgewählte, bei bereits durchgeführten Rückbauten von Großbrücken gesammelten Erfahrungen hinsichtlich der Planung des Rückbaus aufgeführt und erläutert. Es ist anzumerken, dass für zahlreiche dieser Fragestellungen bislang kein durchgehendes schlüssiges Regelwerk vorliegt. Es wäre wünschenswert, die Planungssicherheit durch ein entsprechendes Regelwerk für den Rückbau zu verbessern. Erste Ansätze hierzu wurden in der Vergangenheit bereits erarbeitet [19, 20]. Literatur [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2013) Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand der Bundesfernstraßen, Bericht. [2] Mölter, T. M.; Pfeifer, R. H.; Fiedler, M. (2017) Handbuch Eisenbahnbrücken. 2. Auflage, Hamburg: Eurailpress. [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020) Stand der Modernisierung von Brücken der Bundesfernstraßen, Bericht 02.12.2020. [4] Reaktionen auf die Vollsperrung der Schiersteiner Brücke auf der BAB 643. Meldung in der Rubrik Nachrichten. Bautechnik 92 (2015), S. 237. [5] Ersatzneubau für gesperrte Talbrücke Rahmede der A 45 bei Lüdenscheid. Meldung in der Rubrik Aktuelles. Stahlbau 91 (2022), S. 154. [6] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020) Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 09/ 2020. [7] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) (2020) Brücken an Bundesfernstraßen - Bilanz und Ausblick; Systemanalysebericht des BMDV zum 1. Brückengipfel, 03/ 2022. [8] Bundesanstalt für Straßenwesen (2010) Brücken im Zuge von Bundesautobahnen - Liste der vordringlich zu untersuchenden Brücken. Stand Februar 2010. [9] Fischer, O.; Lechner, T.; Wild, M.; Müller, A.; Kessner, K. (20116) Nachrechnung von Betonbrücken, systematische Auswertung nachgerechneter Bauwerke. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Brücken und Ingenieurbau, Band 124. [10] Wagner, P. (2017) Rückbau großer Talbrücken - Konzepte und Verfahren aus Sicht eines Generalunternehmers. Vortrag beim VSVI Hessen, Tagung Brücken für die Zukunft, 24.05.2017. [11] Lingemann, J.; Sonnabend, S. (2011) Rückbau der Döllbachtalbrücke im Zuge der BAB 7 mit Vorschubrüstung. In: Fischer, O. (Hrsg.) Tagungsband zum Münchener Massivbauseminar 2011. [12] Fischer, O.; Lingemann, J.; Jähring, A.; Sonnabend, S. (2022) Massivbrücken - Aktuelle Entwicklungen und Beispiele zu Neubau und Bestand. In: Bergmeister, K.; Fingerloos, F.; Wörner, J.D. [Hrsg.] Beton-Kalender 2022, Kapitel XV. Berlin: Ernst & Sohn, S. 805-899. [13] Schacht, G.; Müller, L.; Kromminga, L.; Krontal, S.; Marx, S. (2018) Tragwerksplanung beim Rückbau von Spannbetonbrücken. Bautechnik 95, H. 1, S. 6‒15. https: / / doi.org/ 10.1002/ bate.201700093 [14] Schacht, G. (2021) Rückbau von Spannbetonbrücken - Herausforderungen für die Tragwerksplanung. VDIFachkonferenz „Rückbau von Brücken“. 5.-6. Mai 2021. 318 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Statisch-konstruktive Fragestellungen bei der Bewertung und dem Rückbau von Bestandsbrücken aus Spannbeton. [14] Burger, H.; Betz, P.; Richter, B.; Herbers, M.; Schramm, N.; Diers, J.; Schacht, G.; Lingemann, J.; Marx, S.; Fischer, O.: Untersuchungen zur Verbundverankerung von durchtrennten Spanngliedern beim Brückenrückbau. Zur Veröffentlichung in: Beton- und Stahlbetonbau. In Vorbereitung. [16] Lingemann, J. (2021) Erfahrungen aus der Planung und Prüfung von Brücken-Rückbauten. VDI- Fachkonferenz „Rückbau von Brücken“. 5.-6. Mai 2021. [17] Fust, C.; Wolff, M.; Mark, P.; Borowski, M. (2012) Nachträgliche Verankerung von Querspanngliedern - Klemmkonstruktion zum Ersatzneubau der Deelbögebrücke. Beton und Stahlbetonbau 107, H. 3, S. 136‒145. https: / / doi.org/ 10.1002/ best.201200005 [18] Sanio, D.; Alawieh, H.; Bornholt, F.; von Daake, H.; Prenting, A.; Mark, P. (2021) Nachträgliche Verbundverankerung von Stabspanngliedern. Beton und Stahlbetonbau 116, H. 10, S. 741‒753. https: / / doi.org/ 10.1002/ best. 202100069 [19] Krill, A. (2021) Ansätze für eine Rückbau-Richtlinie. VDIFachkonferenz „Rückbau von Brücken“. 5.-6. Mai 2021. [20] Krill, A.; Lingemann, J.; Schacht, G. (2023) Regelungsbedarf undAnsätze einer Rückbaurichtlinie für Brückenbauwerke. Beton und Stahlbetonbau 118, Sonderheft Rückbau von Betonbrücken S1, Februar 2023. https: / / doi.org/ 10.1002/ best.202200097