eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
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expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing

0925
2024
Florian Keil
Katrin Runtemund
Die Innbrücke Obernberg-Egglfing ist eine wichtige Grenzbrücke zwischen Österreich (L510) und Deutschland (St 2117). Sie wurde 1963 als Spannbetonbauwerk als zweistegiger Plattenbalken im Feld bzw. einzelliger Kastenquerschnitt im Stützbereich errichtet. Charakteristisch für diese Zeit wurde die Betonstahlbewehrung zugunsten eines hohen Vorspanngrads minimiert und die Spannglieder in den Bauabschnittsfugen zu 100 % gekoppelt. Aufgrund von Rissen der Koppelfugen wurde der Bauwerkszustand durch umfassende statische sowie messtechnische Untersuchungen nach Stufe 1 bis 4 der Nachrechnungsrichtlinie bewehrt. Durch eine Ablastung des Tragwerks auf die BK30 in Kombination mit einem Koppelfugenmonitoring und durch alternative Bemessungsansätze zur Beschreibung der Querkrafttragfähigkeit, der Interaktion von Querbiegung und Längsschub sowie der Torsionssteifigkeit im Zustand 2 konnten die rechnerischen Defizite soweit eingegrenzt werden, dass eine wirtschaftliche Verstärkung des Bauwerks möglich wurde. Auch bei der Planung und Installation der verschiedenen Verstärkungselemente hielt der Bestand Herausforderungen bereit.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 319 Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing Gratwanderung zwischen Erhalt und Ersatzneubau Florian Keil, M. Eng. matrics engineering GmbH, München Dr. Katrin Runtemund matrics engineering GmbH, Buxtehude Zusammenfassung Die Innbrücke Obernberg-Egglfing ist eine wichtige Grenzbrücke zwischen Österreich (L510) und Deutschland (St 2117). Sie wurde 1963 als Spannbetonbauwerk als zweistegiger Plattenbalken im Feld bzw. einzelliger Kastenquerschnitt im Stützbereich errichtet. Charakteristisch für diese Zeit wurde die Betonstahlbewehrung zugunsten eines hohen Vorspanngrads minimiert und die Spannglieder in den Bauabschnittsfugen zu 100 % gekoppelt. Aufgrund von Rissen der Koppelfugen wurde der Bauwerkszustand durch umfassende statische sowie messtechnische Untersuchungen nach Stufe 1 bis 4 der Nachrechnungsrichtlinie bewehrt. Durch eine Ablastung des Tragwerks auf die BK30 in Kombination mit einem Koppelfugenmonitoring und durch alternative Bemessungsansätze zur Beschreibung der Querkrafttragfähigkeit, der Interaktion von Querbiegung und Längsschub sowie der Torsionssteifigkeit im Zustand 2 konnten die rechnerischen Defizite soweit eingegrenzt werden, dass eine wirtschaftliche Verstärkung des Bauwerks möglich wurde. Auch bei der Planung und Installation der verschiedenen Verstärkungselemente hielt der Bestand Herausforderungen bereit. 1. Beschreibung des Bauwerks Das Bauwerk wurde im Jahr 1963-1965 in acht Bau-abschnitten auf einem Lehrgerüst hergestellt. Der Überbau ist ein längsvorgespannter 2-stegiger Plattenbalken mit einfachbewehrter Fahrbahnplatte. In den Stützbereichen ist eine gevoutete Druckplatte vorhanden, so dass sich an den Pfeilern ein Hohlkastenquerschnitt ergibt. Die Spannweiten betragen 35,00 - 37,00 - 40,00 - 43,50 - 52,00 - 2x 62,00 - 52,00-m bei einer Gesamtlänge von 383,50 m. Abb. 1: Längsschnitt und Grundriss Für die Vorspannung des Überbaus in Längsrichtung wurde das Spannverfahren „BBRV“ St 150/ 170, 44 Einzeldrähte Ø 6 mm verwendet. Das Bauwerk wurde für das Zielastniveau BK45 bemessen. Der Bauwerkszustand wurde gemäß Hauptprüfung nach DIN1076 mit der Zustandsnote 3,5 (S=3,0) bewertet. Es ergaben sich zwei systematische Defizite: Trennrisse in den Druckplatten <-0,35 mm und gerissene Koppel-fugen (KF). Lokal wurde zudem ein 3 m Schrägriss im Stützbereich < 0,5 mm festgestellt. 2. Nachrechnung Das Bauwerk wurde zunächst für das Ziellastniveau BK60 nach Stufe 1 und 2 der Nachrechnungsrichtlinie (NRR) [1], [2] bewertet. Hierbei ergaben sich in Längsrichtung erhebliche Defizite über die gesamte Trägerlänge v.a. der Querkrafttragfähigkeit und der Anschlussbewehrung der Gurtanschlüsse aber auch der Ermüdungssicherheit des Spannstahls an den Koppel-fugen und in Querrichtung der Querbiegetragfähigkeit der Druckplatten, s. Abb. 2. Da eine signifikante Schädigung des Spannstahles an den Koppelfugen nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde zunächst ein Koppelfugenmonitoring durch-geführt. Hierbei konnten die Ermüdungsdefizite auf die KF 1 eingegrenzt werden. Zudem wurde die Druckfestigkeit des Bestandbetons mittels Materialuntersuchungen ermittelt. Eine umfassende Ertüchtigung zur Erfüllung aller Nachweise nach Stufe 2 wäre mit einem massiven Eingriff in das Bauwerk in Kombination mit Kompensationsmaßnahmen und einer Nutzungs-beschränkung auf 20 Jahre verbunden gewesen, s. Abb. 3. Die Maßnahme wurde letztendlich aufgrund der hohen Kosten als unwirtschaftlich verworfen. 320 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing Abb. 2: Ausdehnung der rechnerischen Defizite (Lastmodell BK60) nach Stufe 2 der NRR Abb. 3: Übersicht Ertüchtigungskonzept für BK60 Aufgrund der hohen Kosten wurde in der Folge seitens der Baulastträger statt des Erhalts des Bauwerks eine Notverstärkung bis zum Ersatzneubau unter der Vorgabe einer möglichst langen Restnutzungsdauer (≥ 20 Jahre) mit minimalem Verstärkungseingriff unter Aufrechterhaltung von Gegenverkehr und BK30 angestrebt. Zur Nachweisführung sollten hierbei insbesondere auch wissenschaftliche Methoden nach Stufe 4 der NRR zur Eingrenzung der Defizite angewendet werden. 2.1 Ansätze nach Stufe 4 Für die Bewertung der Querkrafttragfähigkeit wurde das Querkraftmodell nach Herbrand [3] zu Grunde gelegt, welches insbesondere bei geringem Querkraftbewehrungs-, jedoch hohem Vorspanngrad potenzielle Tragreserven aufweist. Es soll in Deutschland zukünftig auch im Rahmen der 2. Ergänzung der NRR, die in der BEM- ING Teil 2 erscheinen wird, bereits in Stufe 2 Berücksichtigung finden. Auf Grundlage von Versuchsbeobachtungen [4] beruht das Bemessungsverfahren auf einem Fachwerkmodell (in Anlehnung an EC2) jedoch mit additivem Betontraganteil, der im Wesentlichen auf die Querkrafttragfähigkeit der ungerissenen Betondruck-zone zurückgeführt werden kann, s. Abb. 4. Abb. 4: Querkrafttragfähigkeit in Abhängigkeit des Schubbewehrungsgrads. FE-Parameterstudie zum Versuch DLT 1.1, [3] Aufgrund der zur damaligen Zeit nach Norm noch nicht vorgesehenen Mindestquerkraftbewehrung führte der Nachweis zu einer erheblichen Eingrenzung der Querkraftdefizite. Durch die Verwendung von offenen Bügelformen ergaben sich erheblich Defizite der Torsionstragfähigkeit. Die Defizite werden maßgebend von der angesetzten Torsionssteifigkeit im Zustand 2 bestimmt. Ohne genaueren Nachweis darf gemäß Stufe 2 der NRR eine Abminderung der Torsionssteifigkeit im Grenzzustand der Tragfähigkeit durch Rissbildung auf einen Wert von 40 % der Steifigkeit des ungerissenen Zustands angenommen werden. In [5] wurden im Rahmen einer Literaturstudie verschiedene Ansätze zur Abminderung der Torsionssteifigkeit durch Rissbildung für die Nachrechnung der Innbrücke Obernberg-Egglfing diskutiert. Als Wesentliche Einflussgrößen sind die Querschnittsgeometrie, der Vorspanngrad, die Druckstrebenneigung und die Belastungsart zu nennen. So ist generell der Steifigkeitsabfall bei Trägern mit Plattenbalkenquerschnitt, ohne Vorspannung und/ oder reiner Torsionsbelastung deutlich ausgeprägter als bei Hohlkastenträgern, bei vorgespannten Trägern und/ oder bei kombinierter Beanspruchung aus Biegung und Torsion. Als Ergebnis wurde für die Nachrechnung nach Stufe 4 eine Abminderung der Torsionssteifigkeit des Plattenbalkenbzw. Hohlkastenquerschnitts auf einen Wert von 25 % bzw. 100 % des linear elastischen Wertes nach Zustand 1 empfohlen, wobei ein ausreichendes Umlagerungspotential der Torsionsschnittgrößen durch Querbiegung der Platte nachgewiesen werden musste. Der Ansatz führte zu einer deutlichen Reduktion der erforderlichen Torsionsbügel. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 321 Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing Eine weitere konstruktive Besonderheit des Bauwerks, war die unsymmetrische Anordnung der Querbewehrung der Fahrbahnplatte an der Ober- und Unterseite, s. Abb. 5. Abb. 5: Verteilung der vorhandenen oberen (grün) und unteren (rot) Gurtanschlussbewehrung Gemäß DIN-Fachbericht 102, Abschnitt 4.3.2.5 ist (ohne genaueren Nachweis) die erforderliche Bewehrung je zur Hälfte an der Unter- und an der Oberseite anzuordnen. Diese Vorgehensweise ist für große Bereiche nicht zielführend und führte nach Stufe 2 zu erheblichen Defiziten. In Stufe 4 wurde daher das Verfahren nach Bachmann [6], [7] unter Berücksichtigung der Interaktion zwischen Längsschub und Querbiegung verwendet. Die zentrisch angreifende Querzugkraft nach dem Flanschfach-werkmodell Z = a sw,erf *f yd und das Querbiegemoment m yy , mit zugehöriger Normalkraft n yy werden hierbei als gemeinsam wirkende Beanspruchung betrachtet. Dafür wird der Querschnitt bemessen. Auf der Biegedruckseite kann somit die Längsschubbewehrung entsprechend der Wirkung der Biegedruckkraft vermindert werden. Der Nachweis des Gurtanschlusses der Fahrbahnplatte wird somit nur lokal, in Bereichen, die an die Pfeilerdruckplatten anschließen, nicht eingehalten. Insgesamt konnten durch die Ansätze nach Stufe 4 die Defizite der Nachrechnung betragsmäßig signifikant reduziert und lokal stark eingegrenzt werden, Abb. 7. Abb. 6: Bemessungsmodell für Längsschub mit Querbiegung, [7] Abb. 7: Defizite der Nachrechnung nach Stufe 4 3. Ertüchtigung Entsprechend den Ergebnissen der Nachrechnung sowie der Abstimmung mit den Bauherren aus Bayern und Oberösterreich wird das Bauwerk seit Juli 2023 bis vsl. September 2024 ertüchtigt. Die Verstärkungsmaßnahme ermöglicht die Nutzung des Bauwerks durch den normalen Verkehr (Lastmodell BK 30/ 30 ohne genehmigungspflichtigen Schwerverkehr) im Zeitraum bis zur Fertigstellung eines Ersatzneubaus mit einem Planungshorizont von ≥20 Jahren. Hierzu wurde der Brückenüberbau mit zahlreichen Stabspanngliedern vorgespannt. Die Tab. 1 enthält eine Übersicht der hierfür verwendeten Elemente und deren Anzahl. Die Besonderheiten bei der Planung und dem Bau der einzelnen Elemente werden in den nachfolgenden Kapiteln erläutert. Tab. 1: Zusammenfassung der Verstärkungselemente Element Verstärkung Anzahl Vertikale Spanngliedpaare mit Traverse Querkraft und Torsion 400 Horiz. Spannglieder durch einen Steg Torsion durch Bügelschluss 402 Spannglieder zwischen den Stegen (oben/ unten) Gurtanschluss (Fahrbahn- / Bodenplatte) 120/ 56 Ankerblöke/ Längs-/ Querspannglieder Verstärkung der Koppelfuge 1 8/ 4/ 16 3.1 Vertikale Spannglieder mit Traversen Die Verstärkung der beiden Hauptträger für den Nachweis Querkraft mit Torsion erfolgt durch externe vertikale sowie interne horizontale Stabspannglieder zur Herstellung des Bügelschlusses. 322 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing Die vertikalen Spannglieder wurden paarweise links und rechts neben dem Steg in regelmäßigen Abständen zwischen 1,0 und 2,0 m angeordnet. Die dafür notwendigen Bohrungen durch die Fahrbahnsowie in Hohlkastenbereichen durch die Druckplatten wurden von oben ausgeführt. Bauseitig wurde die Querbewehrung geortet und die Bohrungen zwischen die Stäbe gesetzt. Abb. 8: Systemübersicht der vertikalen Spannglieder zur Querkraftverstärkung Die feste Verankerungen auf der Oberseite erfolgte durch Ankerplatten mit Schraubgewinde welche auf der Oberseite der Fahrbahnplatte in gestrahlte Vertiefungen, sog. Ankertaschen, eingebaut werden. Auf der Unterseite wird die als Spannanker ausgebildete Ankerplatte an die Unterkante von Traversenkonstruktionen aus U-Profilen aufgesetzt. Diese leitet die Spannkräfte über eine Vergussmörtel in die Stegunterkante weiter. In Abb. 8 ist eine Übersicht des Systems dargestellt. Die hohe Auslastung der oberen Querbewehrung erforderte es eventuell auftretende Zugkräfte, welche sich aus der Neigung der Druckstrebe zwischen Ankerplatte und Steg ergeben, durch ein zusätzliches Blech zwischen beiden Ankerplatten kurzzuschließen. Dieses Zugblech wurde nach Einbau der Ankerplatten passgenau mit Kehlnähten auf diese aufgeschweißt und anschließend die Ankerplatten und das Blech mit Mörtel untergossen. Da das Blech jedoch nur bei entsprechender Belastung der Brücke auch tatsächlich als Zugband aktiv wird, entstanden beim Einbau des bis zu 200°C heißen Gussasphalts starke Druckkräfte infolge der durch die beidseitige Festhaltung behinderten Wärmeausdehnung des Blechs. Um ein Ausknicken der Bleche zu verhindern, wurden diese mittels Bolzenankern nach unten gesichert. Die erforderliche Anzahl der Bolzen wurde experimentell festgelegt. Der Einbau des Gussasphalts wurde dabei durch Erwärmen der Bleche mit Brennern simuliert, siehe Abb. 9. Abb. 9: Nach der versuchsweisen Erwärmung aufgewölbtes Verbinderblech ohne mittigen Ankerbolzen 3.2 Horizontale Spannglieder durch einen Steg Die Schubbewehrung des Bauwerks besteht aus Mattenbewehrung sowie in Richtung der Stützbereiche zusätzlichen vertikalen Stäben mit Haken an der Ober- und Unterseite. Diese „Bügel“ können für Querkraft zumindest teilweise angerechnet werden. Das Nachweismodell für Torsion geht jedoch von dem von Bügelbewehrung umschlossenen Kernquerschnitt aus, so dass formal nur die Mattenbewehrung ansetzbar war. Um dieses Torsionsdefizit zu verstärken wurden die Stege möglichst weit unten durchbohrt und mit kurzen horizontalen Stabspanngliedern mit nachträglichem Verbund vorgespannt. Die (teilweise schrägen) Ankerplatten wurden mit einer Trennlage aus Vergussmörtel auf die Stege appliziert. Beim gesamten Projekt erfolgte die Lasteinleitung der Stabspannglieder in den Bestand mit Ankerplatten aus Ultra-hochfestem-Beton (UHPC), sog. Hybrid-Ankern. Diese wurden entsprechend der verschiedenen erforderlichen Winkel mit einer Neigung bis zu 13,5° gefertigt und glichen somit die Winkel zwischen Bestand und Spanngliedachse aus, siehe Abb. 10. Neben dem im Vergleich zu Stahlplatten geringeren Gewicht muss bei den Hybrid-Anker-Platten auch kein Korrosionsschutz aufgetragen werden. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 323 Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing Abb. 10: Hybridankerplatten mit Neigung entsprechend dem Verlauf des Bestands 3.3 Horizontale Spannglieder zwischen den Stegen In den Stützbereichen müssen zwischen Gurt und Steg hohe Schubkräfte übertragen werden. In der Nachrechnung konnte dieser Nachweis des Gurtanschlusses für den Kragarm erbracht werden, während in den Hohlkastenbereichen Defizite sowohl beim Anschluss der Fahrbahnals auch der Bodenplatte auftreten. Abb. 11: Blick in den Hohlkastenbereich Feld 8 Zur Verstärkung der Schubtragfähigkeit wurden beide Gurte durch externe, zwischen den Stegen verlaufende, Spannglieder vorgespannt. Der Verlauf der Kernbohrungen der Spannglieder folgt dem Bauwerkswinkel von 76,5°. Die dafür notwendigen Bohrungen durch den Steg wurden so ausgeführt, dass möglichst wenig der ohnehin defizitären Bügelbewehrung durchbohrt werden musste. Mit einem Laser wurde die Lage der Bohrung am gegenüberliegenden Steg exakt eingemessen. 3.4 Längsvorspannung an der Koppelfuge 1 Die fehlende Ermüdungsfestigkeit der Koppelfuge 1 konnte mit einer zusätzlichen zentrischen Vorspannung von 1,0 MN nachgewiesen werden. Um diese dauerhaft zu gewährleisten, wurde eine Vorspannung mit zwei externen Stabspanngliedern Ø 32 mm pro Steg aufgebracht. Die ca. 8,5 m langen Spannglieder wurden mittels Stahlbaukonstruktionen und jeweils vier Querspannglieder (analog zur Torsionsverstärkung mit Verbund) an die Stege gespannt. Aufgrund des Verlaufs der Spannglieder und der Bügelbewehrung im Bestand wurden die Spannglieder um 4,2 ° zur horizontalen geneigt eingebaut. Abb. 12: Längsvorspannung an der Koppelfuge 1 4. Bauablauf Sowohl statische als auch verkehrliche Notwendigkeiten beeinflussten den Bauablauf für die Verstärkungsmaßnahme. Aufgrund der hohen rechnerischen Defizite wurde der Verkehr bereits seit 2022 in Fahrbahnmitte einspurig geführt. Der relativ geringe DTV ermöglichte ein abwechselndes Befahren beider Richtungsverkehre. Im Grundsatz wurde das Konzept der wechselweisenden Verkehrsführung innerhalb einer Fahrspur während der gesamten Bauzeit fortgeführt. Die Fahrspur verblieb zunächst in der Mitte, während in einer ersten Bauphase die kurzen horizontalen Spannglieder im unteren Stegbereich zur Verstärkung der Torsionstragfähigkeit installiert wurden. Anschließend konnte der Verkehr an einen Fahrbahnrand verschwenkt werden und die Arbeiten auf der Fahrbahnoberseite beginnen. Zur Minimierung von statischen Risiken war insbesondere bei der Installation der Spannglieder in den Hohlkastenbereichen die Reihenfolge strikt einzuhalten. Die Bohrungen durch die Stege erfolgte dabei vor den Bohrungen durch die Fahrbahnplatte für die vertikalen Spannglieder. Diese Reihenfolge ermöglichte es die notwendigerweise exakt gegenüberliegenden Bohrungen an beiden Stegen noch so zu verschieben, dass die Bügelbewehrung weitgehend verschont werden konnte. Beim Spannen der Spannglieder musste die Reihenfolge umgekehrt werden: die horizontalen Spannglieder erzeugen Querbiegung in den Stegen, deren Aufnahme erst nach dem Auf bringen der vertikalen Vorspannung gegeben ist. 324 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Verstärkung der Innbrücke Obernberg-Egglfing Während gesamten Arbeiten zur Installation der Verstärkungselemente wurde das Bauwerk für den Verkehr offengehalten. Für einen reibungslosen Ablauf beim Einbau neuer Fahrbahnübergangskonstruktionen sowie einer durchgängigen Asphaltdeckschicht wurde im August 2024 die Brücke für zwei Wochen voll gesperrt. 5. Fazit Die Innbrücke Obernberg-Egglfing wurde durch die Ertüchtigungsmaßnahme fit für die letzte Phase ihrer Nutzung gemacht. Die zusätzliche Vorspannung des Querschnitts in vertikaler und z. T. horizontaler Richtung führt zur Steigerung der Tragfähigkeit, so dass das Bauwerk für Lastmodell BK30/ 30 uneingeschränkt nutzbar ist. Durch das Überdrücken des Querschnitts wurden die Risse in den Druckplatten oder im Stegbereich geschlossen. Eine zukünftige Schädigung von Beton- und Spannstahl durch ermüdungsrelevante Verkehrsbelastungen und Temperaturgradienten konnte mithilfe der Maßnahme ausgeschlossen werden. 6. Beteiligte Bauherr Deutschland und Bauleitung: Staatliches Bauamt Passau Bauherr Österreich: Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Linz Nachrechnung, Begutachtung und Monitoring der Koppelfugen und Planung der Ertüchtigung: matrics engineering GmbH, München Gutachten Torsionssteifigkeit Prof. Jürgen Feix, Innsbruck, Österreich Prüfingenieur: Dipl.-Ing. Hermann Hintringer, Linz, Österreich Bauausführung: PORR Bau GmbH, NL Salzburg, Österreich Vorspannung: BBV Systems GmbH Literaturverzeichnis [1] Abteilung Straßenbau, Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2011. [2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), „1. Ergänzung zur Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie).,“ Berlin, 04/ 2015. [3] M. Herbrand und J. Hegger, „Erweiterte Lösungsansätze zur Beurteilung der Querkrafttragfähigkeit von Brücken im Bestand,“ in Münchener Massivbau Seminar 2017. [4] M. Herbrand, M. Classen und V. Adam, „Querkraftversuche an Spannbetondurchlaufträgern mit Rechteck- und I-Querschnitt,“ Bauingenieur 92 (2017), Heft 11, pp. 465-473. [5] Prof. J. Feix und J. Lechner, „Gutachterliche Stellungnahme zur Abminderung der Torsionssteifigkeit infolge von Rissbildung in der Nachrechnung der Innbrücke Obernberg-Egglfing,“ 30.11.2020. [6] H. Bachmann und A. Bacchetta, Versuche über Längsschub, Querbiegung und Quervorspannung in Zugplatten von Betonträgern, Zürich: Birkhäuser Verlag Basel Boston Stuttgart, 1979. [7] H. Bachmann und M. Badawy, Versuche über Längsschub und Querbiegung in Druckplatten von Betonträger, Zürich: Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart, 1977.