Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
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Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke – Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern
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2024
Andreas Müller
Bei der Ulmer Wallstraßenbrücke handelt es sich um ein mehrfeldriges Spannbetonbauwerk, welches zwischen 1969 und 1972 im Zuge der Ortsdurchfahrt der B10 errichtet wurde. Die beiden längs und quer vorgespannten Überbauten wurden größtenteils im Freivorbau und bereichsweise auf Traggerüsten hergestellt. Die Überbauquerschnitte bestehen aus 1- bis 3-zelligen Hohlkästen mit variabler Breite. Seit 2011 werden Risse überwacht (u. a. in Koppelfugen). Ab dem Jahr 2018 wurden die Bauwerksuntersuchungen intensiviert und Nachrechnungen gemäß Nachrechnungsrichtlinie durchgeführt. Mit Hilfe eines Monitoringsystems werden seit 2020 Risse kontinuierlich überwacht. Die Messungen im Bereich der nordwestlichen Auffahrtsrampe dienten bis zur Realisierung einer Verstärkungsmaßnahme mit externen Spanngliedern als essenzielles, zusätzliches Sicherheitselement. Nach der Verstärkung wurden die dortigen Messungen fast ein Jahr lang fortgesetzt, ehe die Monitoringanlage umgebaut wurde. Im Rahmen dieses Beitrags werden schwerpunktmäßig die Hintergründe und Ergebnisse des Rissmonitorings sowie die Konzeption der Verstärkungsmaßnahme der nordwestlichen Auffahrtsrampe beleuchtet.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 331 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern Dr.-Ing. Andreas Müller Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Zusammenfassung Bei der Ulmer Wallstraßenbrücke handelt es sich um ein mehrfeldriges Spannbetonbauwerk, welches zwischen 1969 und 1972 im Zuge der Ortsdurchfahrt der B10 errichtet wurde. Die beiden längs und quer vorgespannten Überbauten wurden größtenteils im Freivorbau und bereichsweise auf Traggerüsten hergestellt. Die Überbauquerschnitte bestehen aus 1bis 3-zelligen Hohlkästen mit variabler Breite. Seit 2011 werden Risse überwacht (u. a. in Koppelfugen). Ab dem Jahr 2018 wurden die Bauwerksuntersuchungen intensiviert und Nachrechnungen gemäß Nachrechnungsrichtlinie durchgeführt. Mit Hilfe eines Monitoringsystems werden seit 2020 Risse kontinuierlich überwacht. Die Messungen im Bereich der nordwestlichen Auffahrtsrampe dienten bis zur Realisierung einer Verstärkungsmaßnahme mit externen Spanngliedern als essenzielles, zusätzliches Sicherheitselement. Nach der Verstärkung wurden die dortigen Messungen fast ein Jahr lang fortgesetzt, ehe die Monitoringanlage umgebaut wurde. Im Rahmen dieses Beitrags werden schwerpunktmäßig die Hintergründe und Ergebnisse des Rissmonitorings sowie die Konzeption der Verstärkungsmaßnahme der nordwestlichen Auffahrtsrampe beleuchtet. 1. Einführung Die 1972 fertiggestellte Wallstraßenbrücke ist für den Straßenverkehr in Ulm und Umgebung von herausragender Bedeutung. Die mehrfeldrige Spannbetonbrücke überführt die Bundesstraße 10 u. a. über die zahlreichen Gleise des benachbarten Ulmer Hauptbahnhofs. Mit einem DTV > 60.000 (u. a. 2019) handelt es sich um einen hochfrequentierten Streckenabschnitt der B10. Aufgrund von festgestellten Schäden wurden ab dem Jahr 2018 umfangreiche Bauwerksuntersuchungen und Nachrechnungen durchgeführt. Angesichts zahlreicher, korrosionsbedingter Schädigungen an der Bewehrung, insbesondere an den oberseitig verankerten Spanngliedern, wurde von Seiten der Stadt Ulm zwischenzeitlich beschlossen, die Wallstraßenbrücke schnellstmöglich durch einen Neubau zu ersetzen. Um bis zur Realisierung des Ersatzneubaus die weitere verkehrliche Nutzung zu ermöglichen, wurden bereits mehrere Verstärkungsmaßnahmen umgesetzt (z. B. Querkraftverstärkungen). Im Rahmen dieses Beitrags wird lediglich die im Jahr 2021 realisierte Verstärkung der nordwestlichen Auffahrtsrampe behandelt. Der Verstärkungsbedarf resultierte dort nicht aus korrosionsbedingten Schädigungen an der Bewehrung, sondern im Wesentlichen aus einer gerissenen Koppelfuge, die aus heutiger Sicht unterbemessen war. Das im Mai 2020 in Betrieb genommene Koppelfugenmonitoring zeichnete auch noch nach dem Anspannen der externen Längsspannglieder (Anfang Dez. 2021) bis ca. November 2022 kontinuierlich Temperaturen und Rissöffnungen auf. Der Effekt der Verstärkung auf die Rissöffnungen wird in diesem Beitrag aufgezeigt. 2. Bauwerk und Historie Mit einer Brückenfläche von ca. 10.900 m² ist die Wallstraßenbrücke eine der größten und verkehrlich wichtigsten Brücken in Ulm. Beim westlichen Teilbauwerk führen der breitere Geh- und Radweg (4,0-m statt 2,55-m) sowie die ca. 100-m lange nordwestliche Auffahrtsrampe, die monolithisch mit dem Überbau unter der westlichen Hauptfahrbahn verbunden ist, dazu, dass das westliche Teilbauwerk mit einer Brückenfläche von ca. 6100 m² etwas größer ist als das östliche Teilbauwerk. Im Bereich der Hauptachse / Hauptfahrbahn (B10 von Achse A im Süden bis G im Norden) weist die Wallstraßenbrücke eine Gesamtlänge von ca. 264 m auf - mit Stützweiten bis zu 55 m. Die Fahrbahnbreite zwischen den Schrammborden variiert zwischen 7,50 m und 16,3-m. Je nach Überbaubreite ist der Hohlkastenquerschnitt 1- / 2- oder 3-zellig. Bei der nordwestlichen Auffahrtsrampe, die in Abbildung 1 hellblau markiert ist, handelt es sich um einen 1-zelligen Hohlkastenquerschnitt. Die Konstruktionshöhe der Überbauten beträgt konstant 2,06 m, die Dicken der Fahrbahn- und Hohlkastenbodenplatten sind variabel. Fahrbahnübergangskonstruktionen befinden sich nur an den Überbauenden. Der Längsfestpunkt befindet sich je Überbau in Achse F. Dort ist der Rundpfeiler jeweils monolithisch mit dem Überbau verbunden. In allen anderen Lagerachsen sind in Längsrichtung verschiebliche Kalottenlager angeordnet (teilweise mit Querfesthaltung). 332 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern Abb. 1: Übersicht Wallstraßenbrücke (hellblauer Bereich oben links = nordwestliche Auffahrtsrampe) Beide Überbauten wurden in Längs- und Querrichtung beschränkt vorgespannt. Es handelt sich ausschließlich um Dywidag-Stabspannglieder mit nachträglichem Verbund und einem Stabdurchmesser von 32-mm (Stahlgüte gemäß Zulassung: St-80/ 105). Die Einzelstäbe mit aufgerolltem Gewinde an den Stabenden sind durch Muttern an einbetonierten, glockenförmigen Verankerungskörpern verankert. Stabstöße wurden mit Hilfe von Muffenkopplungen realisiert. Für die Herstellung der Überbauten kamen unterschiedliche Bauverfahren zum Einsatz: - Die südlichen Randfelder zwischen Achse A und B sowie die nördlichen Rampen und die nördlichen Randfelder der Hauptfahrbahn wurden auf Traggerüsten hergestellt - die Auffahrtsrampe Nordwest in mehreren Bauabschnitten (vgl. Abbildung 2). - Der Bereich zwischen Achse B und F wurde im Freivorbau mit Hilfspylonen errichtet. Der Lückenschluss zu den vorab auf Traggerüst hergestellten, nördlichen Überbaubereichen fand jeweils zwischen Achse E und Achse F statt (vgl. Abbildung 2). Vor dem Jahr 2018 fanden kaum bauliche Veränderungen statt (z. B. 2011: Rückbau des horizontalen Berührschutzes über DB-Gleisen). Ab 2018 wurde die Überbauentwässerung saniert. Zwischen August und Dezember 2021 wurde u. a. die oben erwähnte Verstärkung der nordwestlichen Auffahrtsrampe mit externen Spanngliedern realisiert. Zwei Überbaubereiche wurden hinsichtlich der Querkrafttragfähigkeit im Juni 2022 verstärkt. Im August und September 2022 erfolgte die Sanierung der Abdichtung und des Belages im Fahrbahnbereich beider Überbauten. Die Sanierungsmaßnahme wurde für umfangreiche, oberseitige Bauwerksuntersuchungen genutzt (vgl. Abschnitt 3). Die Ergebnisse der Untersuchungen beschleunigten die Überlegungen hinsichtlich eines raschen Ersatzneubaus. Die vorgefundenen Schäden an oben liegenden Spanngliedverankerungen erforderten eine weitere Querkraftverstärkung. Die Umsetzung fand im Jahr 2023 statt. 3. Bauwerksuntersuchungen und Nachrechnung Aus den Unterlagen, die dem Autor dieses Beitrags vorliegen, geht hervor, dass bereits im Jahr 2011 an einer gerissenen Koppelfuge und einem ca. 1,3 m entfernten Biegeriss in der nordwestlichen Auffahrtrampe Rissmesslehren angebracht und Rissbreitenveränderungen „manuell“ kontrolliert wurden. Die Öffnungen der Risse, die sich vollflächig von der Unterseite der Bodenplatte in den Stegen bis zur Unterseite der Fahrbahnplatte erstreckten, betrugen unterseitig bis zu 1,4-mm. Im Jahr 2018 wurde die Konstruktionsgruppe Bauen AG von der Stadt Ulm zunächst mit der Durchführung der Stufe-1-Nachrechnung beauftragt. Bereits parallel zur Nachrechnung in Stufe 1 wurde mit intensiven Bauwerksuntersuchungen begonnen. Diese wurden schwerpunktmäßig vom Ingenieurbüro Schießl - Gehlen - Sodeikat durchgeführt. Anlass für die frühzeitigen Untersuchungen waren u. a. sichtbare Korrosionsschäden an Spanngliedern. Hinzu kam, dass die Hohlkästen über kleine Öffnungen nur zellenweise zugänglich sind und der Zugang im Bereich der Bahngleise nur in angemeldeten Sperrpausen möglich ist. Die Untersuchungen zum Verpress- und Korrosionszustand der Bewehrung erstreckten sich daher über einen längeren Zeitraum. Unabhängig von den oben erwähnten Biegerissen führten die intensiven Bauwerksuntersuchungen im Jahr 2020 zur Einschätzung, dass die Restnutzungsdauer der Wallstraßenbrücke limitiert ist und ein Ersatzneubau direkt nach der geplanten Landesgartenschau im Jahr 2030 anzustreben ist. Wesentliche Gründe für diese Schlussfolgerung waren hohe Chloridkonzentrationen im Beton im Bereich von Spanngliedern - und zwar auch im Bereich von Bodenplattenspanngliedern (undichte Entwässerungsleitungen, Tropftüllen, etc.) - in Kombination mit unvollständig verpressten Hüllrohren. Ab Nachrechnungsstufe 2 wurden festgestellte und prognostizierte Schäden an der Spannbewehrung bei den Nachweisen zur Standsicherheit berücksichtigt. Bereits in Nachrechnungsstufe 1 zeigten sich vergleichsweise sehr große rechnerische Defizite im Bereich der oben erwähnten Risse in der nordwestlichen Auffahrtsrampe. Bei der Biegetragfähigkeit im Grenzzustand der Tragfähigkeit ergab sich selbst bei optimistischen Ansät- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 333 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern zen bzgl. der anrechenbaren Bewehrung (geneigte Spannglieder im Steg zu 100-%) eine Ausnutzung von ca. 150-% im gerissenen Querschnitt. Die genauen Ursachen für die rechnerischen Defizite und Risse in der Auffahrtsrampe wurden angesichts lückenhafter Bestandsunterlagen (teilweise unleserlich) nicht eruiert. Die eigenen Berechnungen deuten darauf hin, dass die Risse bereits deutlich vor 2011 vorhanden waren und somit Betrachtungen zur Ermüdung von Bedeutung sind. Da selbst mit Betriebsfestigkeitsnachweisen und rampenspezifischen Verkehrszahlen kein erfolgreicher Ermüdungsnachweis für den Betonstahl und die Spannbewehrung geführt werden konnte, wurde im Mai 2020 ein Rissmonitoring in Betrieb genommen (vgl. Abschnitt 4) und quasi gleichzeitig einer von zwei Fahrstreifen für den Verkehr gesperrt. Auf der Basis der bis 2020 bekannten Untersuchungs- und Nachrechnungsergebnisse wurde die Verstärkung der nordwestlichen Auffahrtsrampe konzipiert und geplant (vgl. Abschnitt 5). Bei den oberseitigen Untersuchungen zum Korrosionszustand von Spanngliedern mit oberflächennahen Verankerungen, die im August / September 2022 im Zuge der in Abschnitt 2 erwähnten Sanierungsmaßnahme durchgeführt wurden, zeigten sich erhebliche Schäden mit Auswirkungen auf die Biege- und Querkrafttragfähigkeit der Überbauten. Die Querkrafttragfähigkeit wurde auf der Basis der 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie unter Berücksichtigung verschiedener, zeitabhängiger Schadensszenarien beurteilt [1]. Die Erkenntnisse führten letztlich zum Beschluss der Stadt Ulm, die Wallstraßenbrücke schnellstmöglich - vor 2030 - durch einen Neubau zu ersetzen. 4. Rissmonitoring (Auffahrtsrampe Nordwest) Das hier als „Rissmonitoring“ bezeichnete System wurde vom Ingenieurbüro Schießl - Gehlen - Sodeikat geplant, installiert und betrieben. Es besteht im Wesentlichen aus folgenden Komponenten (vgl. [2]): • Risssensoren (Messbereich ±2 mm) • Dehnungsaufnehmern (im ungerissenen Referenzquerschnitt) • Temperatursensoren (PT1000 Widerstandsthermometer) • Videokamera (zur Erfassung des oberseitigen Verkehrs bei Schwellwertüberschreitungen) Zu Beginn der Messungen (Ende April 2020) erfolgte die Nullstellung der Riss- und Dehnungssensoren. Die Absolutwerte der gemessenen Rissöffnung ermöglichen daher keine (exakten) Aussagen zur tatsächlichen Rissöffnung (vgl. Abbildung 7 und 8). Der Hauptzweck des Rissmonitorings (siehe Sensoranordnung in Abbildung 3) bestand angesichts der in Abschnitt 3 erwähnten Ergebnisse der Ermüdungs- / Betriebsfestigkeitsnachweise darin, durch eine kontinuierliche Überwachung mit automatischer Alarmierungsfunktion, ein zusätzliches, essenzielles Sicherheitselement zu schaffen, welches zumindest die eingeschränkte verkehrliche Nutzung - mit Teilsperrung, d. h. Sperrung eines Fahrstreifens - der nordwestlichen Auffahrtsrampe ermöglichte. Zusätzlich waren in Anlehnung an [3] verfeinerte Betrachtungen zur Betriebsfestigkeit möglich. Die Ergebnisse wurden bei der Konzeption der Verstärkungsmaßnahme berücksichtigt (vgl. Abschnitt 5). Als sehr hilfreich erwiesen sich hierbei die Aufnahmen der Videokamera, da dadurch Zusammenhänge zwischen Verkehrseinwirkungen und Rissöffnungen überprüf bar wurden (z. B. Rissöffnung bei Mobilkranüberfahrt). Da die rechnerischen Rissöffnungen tendenziell größer ausfielen als die gemessenen, verkehrslastbedingten Änderungen, musste noch nicht von Spanngliedbrüchen ausgegangen werden. 5. Partielle Verstärkung der Rampe Nordwest 5.1 Konzept Zum Zeitpunkt der Planung der Verstärkungsmaßnahme (2020) wurde von einer Restnutzungsdauer von ca. 10 Jahren ausgegangen. Angesichts der hohen rechnerischen Schädigungssumme bei den Betriebsfestigkeitsnachweisen für den Betonstahl und den Spannstahl in den Rissquerschnitten war „Nichtstun“ keine vertretbare Option. Die bereits bei anderen Projekten bewährte Verstärkung der gerissenen Bereiche mit externen Längsspanngliedern (vgl. [4]) kam hier unter Berück-sichtigung bauwerksspezifischer Besonderheiten zur Anwendung. Aus den Abbildung 4 und 5 geht hervor, dass die externen Spannglieder außerhalb des Hohlkastens und quasi parallel zur Gradiente verlaufen. Der Einbau der Spannglieder wäre aufgrund der kleinen Zugangsöffnungen (eine Öffnung je Feld mit Durchmesser 80 cm in der Hohlkastenbodenplatte) nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Zusätzlich war zu beachten, dass die Hohlkastenstege in den Achsen F, J und K nur indirekt gelagert sind. Bohrungen durch die vorgespannten Querträger hätten zu Schwächungen in hoch beanspruchten Zonen geführt. 334 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern Abb. 2: Abbildung der abschnittsweisen Herstellung der nordwestlichen Auffahrtsrampe im Rechenmodell (hier: Auszüge) Abb. 3: Rissmonitoring: Anordnung von Sensoren (Bilder aus [2]) Abb. 4: Links: Auffahrtsrampe Nordwest vor der Verstärkung; rechts: nach der Verstärkung (Stand: 12/ 2021) 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 335 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern Abb. 5: Prinzipschnitt zur Verstärkung der Rampe Nordwest - hier: Schnitt im Ankerblockbereich Abb. 6: Horizontaler Schnitt durch die nordwestliche Auffahrtsrampe mit Verstärkung Abb. 7: Verlauf der mittleren Rissbreite (alle 10 min ein Mittelwert) an der gerissenen Koppelfuge „KO“ an der Messstelle „südlicher Steg unten (ST_S_u)“ Abb. 8: Zusammenhang zwischen vertikalem Temperaturgradient (dT M ) und mittleren Rissöffnungen (im Zeitraum ohne und mit Verstärkung) an der gerissenen Koppelfuge „KO“ (zwischen der Messstelle „südlicher Steg unten (ST_S_u)“ und der Messstelle „nördlicher Steg unten (ST_N_u)“ wurde je 10-min-Intervall ein Mittelwert gebildet) 336 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern Abb. 9: Rissbreitenänderungen bei Mobilkran-Überfahrten des gleichen Krantyps vor und nach der Verstärkung (rote Linie = Überfahrt am 02.10.2020 um ca. 08h30) (blaue Linie = Überfahrt am 11.03.2022 um ca. 08h30) an der gerissenen Koppelfuge „KO“ an der Messstelle „südlicher Steg unten (ST_S_u)“ Abb. 10: Differenz je 10-min-Intervall zwischen der maximalen und der minimalen Rissöffnung an der gerissenen Koppelfuge „KO“ an der Messstelle „südlicher Steg unten (ST_S_u)“ Auch zusätzliche vertikale Umlenkungen hätten bei einem im Aufriss polygonal geführten Spanngliedverlauf zu ungünstigen Zusatzbeanspruchungen in den Querträgern geführt. Mit dem gewählten Spanngliedverlauf parallel zur Gradiente wäre für die Einhaltung des Dekompressions- Nachweises (quasi-ständige Einwirkungskombination mit Teilsperrung) eine sehr hohe zusätzliche Längsvorspannkraft erforderlich gewesen. Durch unvermeidbare Rückhängekräfte wäre die Standsicherheit in den Stegbereichen zwischen den Ankerblöcken und dem Querträger in Achse F nicht mit vertretbarem Aufwand nachweisbar gewesen. Die externe Längsvorspannung wurde letztlich so gewählt, dass in Nachweisstufe 2 alle lokalen und globalen GZT-Nachweise (Biegung + Querkraft) für die teilgesperrte Rampe mit dem Ziellastniveau „BK60“ erfolgreich geführt werden konnten. Da der tatsächliche, ermüdungsbedingte Schädigungszustand der Bewehrung nicht bekannt war (und ist), wurden zusätzlich in ermüdungskritischen Bereichen Stahllaschen auf und unter der Hohlkastenbodenplatte kraftschlüssig aufgeklebt. 5.2 Besonderheiten bei der Realisierung Der Nachweis der Lasteinleitung der externen Längsvorspannkraft (beim Anspannen ca. 2 x 2 x 2,6 MN = 10,4 MN; 4 x SUSPA-Draht EX-54) ins Bestandsbauwerk erfolgte rechnerisch über Reibung jeweils unter Berücksichtigung der Normalkraft in der Kontaktfläche zwischen Ankerblock und Steg, die dauerhaft durch vorspannte Querspannglieder erzeugt wird. Vor dem Einbau der Querspannglieder mussten die Stege durchbohrt werden. Zur Vermeidung von Schäden an den zahlreich vorhandenen Spanngliedern / Bewehrungselementen wurden diese vorab geortet und georeferenziert ins 3D- Bestands- / Planungsmodell übernommen. Im 3D-Modell konnte die Lage von Querspanngliedern (auch lange Spannglieder, die durch beide Stege geführt werden) so optimiert werden, dass im Zuge der Ausführung kein Spannglied beschädigt wurde. 6. Rissöffnungen vor und nach der Verstärkung 6.1 Mittlere Rissöffnungen Der Verlauf der mittleren Rissöffnungen (alle 10 min ein Mittelwert) von Mai 2020 bis November 2022 ist in Abbildung 7 dargestellt. Das Anspannen der externen Längsspannglieder Anfang Dez. 2021 führte zu einer deutlich erkennbaren Verkleinerung der Rissöffnung. Tendenziell führen Temperaturbeanspruchungen, z. B. vertikale Temperaturgradienten seit der Verstärkung zu etwas geringeren Rissbreitenänderungen (vgl. Abbildung 8). Im Bereich der Messstellen „Steg unten“ befindet sich der Koppelfugenquerschnitt nach wie vor im Zustand 2 (siehe Abschnitt 5.1), allerdings weniger stark ausgeprägt als vor der Verstärkung. Der vertikale Temperaturgradient wurde anhand der zahlreichen, über die Querschnittshöhe verteilten Temperaturmessstellen ingenieurmäßig ermittelt. Da die Ermittlung immer in gleicher Weise stattfand, sind die Werte für dT M vor und nach der Verstärkung vergleichbar. 6.2 Verkehrslastbedingte Rissöffnungen Der Effekt der Zunahme der Biegesteifigkeit durch die Verstärkung ist in Abbildung 9 erkennbar. Die gemessenen Rissöffnungen während einer Mobilkran-Überfahrt vor und nach der Verstärkung unterscheiden sich. Bei beiden Überfahrten des gleichen Mobilkrantyps herrschten vergleichbare äußere Bedingungen, allerdings kann anhand der vorliegenden Fotos von der oberseitig installierten Kamera nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob und in welcher Weise zusätzliche Fahrzeuge auf der Rampe (im Feld zwischen Achse L und K) die Rissöffnungen beeinflusst haben. In Abbildung 10 sind je 10-min-Intervall extremale Rissdoppelamplituden (hier: Differenz zwischen der im 10-min-Intervall gemessenen maximalen und minimalen Rissöffnung) über den gesamten Messzeitraum dargestellt. Tendenziell fallen die Rissdoppelamplituden in den sonnenarmen Wintermonaten geringer aus als in den sonnenreichen Sommermonaten. Die Verstärkung führt tendenziell zu etwas geringeren Rissdoppelamplituden. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 337 Partielle Verstärkung der Ulmer Wallstraßenbrücke - Rissöffnungen in Koppelfuge vor und nach dem Einbau von externen Längsspanngliedern 7. Ausblick Durch die Verstärkung der nordwestlichen Rampe wurden vorab vorhandene statische Schwachstellen, die im Zuge der Nachrechnung quantifiziert wurden, beseitigt bzw. entschärft. Schäden, die erst im Jahr 2022 bekannt wurden, führen nun dazu, dass das westliche Teilbauwerk der Wallstraßenbrücke bereits im Jahr 2026 rückgebaut wird. Mit dem Rückbau des östlichen Teilbauwerkes wird gemäß der aktuellen Planung im Jahr 2028 begonnen. Literatur [1] BMVI: 2. Ergänzung der Nachrechnungsrichtlinie (Stand 01/ 2020) [2] Ingenieurbüro Schießl-Gehlen-Sodeikat: Installationsbericht zum Rissmonitoring im Feld F-J (vom 05.05.2020) (unveröffentlicht) [3] BASt: Handlungsanweisung zur Beurteilung der Dauerhaftigkeit vorgespannter Bewehrung von älteren Spannbetonüberbauten (Ausgabe 1998) [4] Schnellenbach-Held, M. et al.: Verstärkung älterer Beton- und Spannbetonbrücken. Erfahrungssammlung Dokumentation 2016 (FE 15.0570/ 2012/ NRB)
