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Brückenkolloquium
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Typisierung von Brückenentwürfen

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Peter Sprinke
Seit der industriellen Revolution zu Beginn des 19ten Jahrhunderts haben sich mittlerweile in vielen Wirtschaftszweigen systematisierte und typisierte Herstellungsmethoden durchgesetzt. Im Bauwesen und hier speziell im Brückenbau gibt es ebensolche Ansätze, welche sich aber bisher nicht etabliert haben. Insbesondere durch den heutigen enormen Bedarf der Erneuerung und die gleichzeitig schwindenden Kapazitäten, könnten gerade solche Typenentwürfe im Zuge von Ausbau- und/oder Ersatzmaßnahmen einen Beitrag leisten, den Bedarf an Erneuerung in kürzerer Zeit, mit höherer Bauqualität und zudem wirtschaftlicher abzudecken.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 371 Typisierung von Brückenentwürfen Dipl.-Ing. Peter Sprinke Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Düsseldorf Zusammenfassung Seit der industriellen Revolution zu Beginn des 19ten Jahrhunderts haben sich mittlerweile in vielen Wirtschaftszweigen systematisierte und typisierte Herstellungsmethoden durchgesetzt. Im Bauwesen und hier speziell im Brückenbau gibt es ebensolche Ansätze, welche sich aber bisher nicht etabliert haben. Insbesondere durch den heutigen enormen Bedarf der Erneuerung und die gleichzeitig schwindenden Kapazitäten, könnten gerade solche Typenentwürfe im Zuge von Ausbauund/ oder Ersatzmaßnahmen einen Beitrag leisten, den Bedarf an Erneuerung in kürzerer Zeit, mit höherer Bauqualität und zudem wirtschaftlicher abzudecken. 1. Einführung Aufgabe und Ziel der Autobahn GmbH des Bundes ist, die Verfügbarkeit der Bundesautobahnen sicherzustellen und ein leistungsfähiges Straßennetz zu gewährleisten. Dafür sind umfangreiche Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen mit Neubzw. Ersatzneubau von Brückenbauwerken notwendig. Eine Vielzahl dieser Maßnahmen beinhaltet einfache, sich wiederholende Kreuzungsbauwerke mit gängigen über- und unterführten Straßenquerschnitten. Die Planungs- und Ausschreibungsprozesse nehmen verfahrensbedingt einen nicht unerheblichen Zeitanteil bei der Realisierung dieser Maßnahmen in Anspruch. Es gilt Möglichkeiten zu finden, diese Prozesse zu beschleunigen und zu optimieren. Hier stellt die Typisierung von Brückenentwürfen eine Möglichkeit dar. Abb. 1: Visualisierung Typenentwurf 2. Typisierung: Historie und Entwicklungen 2.1 Historie Bereits aus der Bronzezeit ca. 3.000 v.Chr. sind die ersten prähistorischen Blockhäuser bekannt, welche aus möglichst gleichförmig bearbeiteten Baumstämmen, erbaut wurden und geschichtlich als Beginn des Systembaus, des modularen Bauens und somit der Typisierung stehen. Mit dem Zeitalter der industriellen Revolution, zu Beginn des 19ten Jahrhunderts, wurde Stahlbeton erstmalig als Material im Systembau verwendet. Der Architekt Grosvenor Atterbury (1869-1956) erbaute 1910 aus standardisierten Betonpaneelen die Siedlung “Forest Hills Gardens” in New York. In Deutschland folgte die Entwicklung später. Zwischen 1925 und 1930 entstand aufgrund akuter Wohnungsnot das Stadtplanungsprogramm “Neues Frankfurt”. Der Architekt und Stadtbaurat Ernst May errichtete diese Wohnungsbauten in sogenannter “Tafelbauweise” aus Betonpaneelen. Mit fortschreitender Industrialisierung wurde die vollständige Industrialisier ung des Bauens ein zentrales Ideal der moder nen Architektur (z. B. Le Corbusier, Walter Gropius). Der Gedanke der Unité d’Habitation (Wohneinheit) von Le Corbusier aus den 30er Jahren war ein Typenbau und das Vorbild zahlreicher Plattenbauten. Abb. 2: Plattenbauten Berlin [1] Mit der Typisierung und einer industrialisierten Fertigung sollten damals alle ökonomischen, sozialen und technischen Probleme zur Wohnraumschaffung gelöst werden. 2.2 Entwicklung im deutschen Brückenbau Die Entwicklung der modularen Bauweise in Deutschland ist stark geprägt von der Teilung im Jahr 1949 in Ost und West. Während in der Deutschen Demokratischen Republik, auch der ideologischen Ausrichtung entsprechend, das Streben nach Vereinheitlichung und somit das 372 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Typisierung von Brückenentwürfen Bauen mit Typenkatalogen im Vordergrund des Bauens stand, wurden in West-Deutschland die individuelle Bauweise, insbesondere Ortbetonkonstruktionen, präferiert. Anfang der 60 Jahre wurden aus Gründen der Rationalisierung und zur Steigerung der Arbeitsproduktivität ein Typenbauelementekatalog für Spannbetonbrücken ausgearbeitet. Mit einfachen Produktionsmethoden fertigte man Betonfertigteile für Überbauten, Widerlager, Flügel und Stützwände. Abb. 3: Vollmontagebrücke der ehemaligen DDR Ohne wirklichen Wettbewerb auf dem Markt wurde der Grundbedarf für die Infrastruktur hiermit zügig gedeckt. Im Westen Deutschlands stockte die Entwicklung des modularen Bauens. Im Jahr 1979 erschien eine vorläufige Richtlinie für Straßen- und Wegebrücken aus Spann- und Stahlbetonfertigteilen (R FT-Brücken). Diese Richtlinie wurde nie offiziell eingeführt und stellte bis weit über das Jahr 2000 hinaus noch alleinige Planungsgrundlage für massive Fertigteile dar. Mit der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland im Jahr 1989 entstanden infrastrukturelle Dringlichkeiten, welche den Beginn der Typenentwürfe der 90er Jahre einläutete. 2.3 Typenentwürfe der 90 Jahre Im Zuge der Wiedervereinigung war der wirtschaftliche „Auf bau“ Ost und die Erneuerung der Infrastruktur die vorrangige Aufgabe. Der Aus- und Neubau der Bundesautobahnen in den neuen Bundesländern erforderte eine Vielzahl von Neu- und Ersatzbauten von Brücken mit wiederkehrenden Planungsparametern (z. B. Stützweite, Straßenquer-schnitte). Auch damals standen die Ingenieurbüros und die ausführenden Firmen einer immensen Herausforderung gegenüber. Zur Bewältigung dieser Aufgabe keimte der Gedanke von Typenentwürfen auf. Abb. 4: Typenentwürfe aus dem Jahr 1998 Die Typenentwürfe sollten einen Beitrag leisten den immensen Bedarf an Infrastrukturbauten in kurzer Zeit, wirtschaftlich, robust und auch ästhetisch mit abzudecken. Um die Vielfalt unterschiedlicher Bauweisen besser nutzen zu können, wurden für die Überführung eines Wirtschaftsweges und des häufigsten Bundesstraßen-querschnittes RQ 10,5 Varianten erarbeitet und 1998 mit dem ARS 17 eingeführt. Es folgten noch weitere Typenentwürfe für den Autobahnsonderquerschnitt SQ 27-m. Diese stellten einfeldrige, integrale Konstruktionen in Stahlverbundbauweise dar. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 373 Typisierung von Brückenentwürfen Abb. 5: Rahmenkonstruktionen für den SQ 27 Die in den 90er Jahren entwickelten Typenentwürfe wurden in unterschiedlichen Leistungsphasen auf Basis der DIN 1072 mit der Klassifizierung BK 60/ 30 erarbeitet. Die zweifeldrige Wirtschaftswegebrücke über die Autobahn mit dem RQ 35,5 wurde vollständig mit allen Genehmigungs- und Ausführungsunterlagen in geprüfter Form erstellt. Für die Zweifeldträger wurde zur Mehrung des Einsatzspektrums die Einzelspannweite von 26 m bis zu 30 m als „Variable“ eingeführt. Die einfeldrigen Musterentwürfe zu dem Autobahn-Sonderquerschnitt SQ 27 waren als Entwurfsunterlage zu beziehen. Hierbei waren die Entwürfe durch einen Prüfingenieur im Entwurfsstadium geprüft. Die Typenentwürfe wurden durchaus beachtet und baulich umgesetzt. Letztlich muss man aber feststellen, dass die Typenentwürfe der 90er Jahre die erhofften Erwartungen nicht erfüllt haben. Abb. 6: Brücke der L55 über die BAB A13 bei Schwarzheide, Brandenburg Die vom Bundesverkehrsministerium eingeführten Typenentwürfe wurden im Zuge der im Jahr 2012 erfolgten Umstellung von der Deutschen in die Europäische Normung nicht mehr angepasst. Somit liefen auch die Anwendungen und Umsetzungen der Typenentwürfe aus. Die Frage, warum die Typenentwürfe aus den 90er Jahren nicht die Erwartungen erfüllten, ist nicht exakt zu beantworten. Hier können nur zahlreiche Vermutungen angeführt werden: - Einführung der Typenentwürfe zu spät, - Monotonie der Typen, - zu wenig Flexibilität, - etc. 3. Aktuelle Typenentwürfe Der Auf bau Ost ist mittlerweile Geschichte und die Herausforderungen verlagern sich in die alten Bundesländer. Die Infrastruktur im Westen zeigt einen enormen Unterhaltungsrückstand auf. Durch die verkehrliche Entwicklung (Zunahme der Verkehre/ Schwerverkehre) sind die Tragfähigkeiten des älteren Brückenbestandes in Kombination mit Phänomenen wie der Ermüdung und/ oder Spannungsrisskorrosion nicht mehr gegeben. Die Aufgabe der Erneuerung aus den 90er Jahren im Osten scheint sich nun im Westen zu wiederholen. 3.1 Idee Mit der aktuellen Situation und den stetigen Diskussionen zu den „maroden“ Brücken in Deutschland, wurden die „alten“ Typenentwürfe wieder aktiviert. Grundsätzlich basiert die Idee der Entwicklung der „neuen“ Typenentwürfe auf den Erfahrungen der bisherigen, alten Typenentwürfe. 374 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Typisierung von Brückenentwürfen Die Idee zu den neuen Typenentwürfen verfolgt aber einen anderen Ansatz: mit wenig, möglichst viel erreichen. Übersetzt auf die Typenentwürfe bedeutet es, dass möglichst wenige Typen mit größtmöglichem Einsatzspektrum. Hierbei sollen die Planungen weitestgehend unabhängig von örtlichen und projektspezifischen Randbedingungen sein. Zur Erreichung eines breiten Einsatzspektrums, werden zudem unterschiedliche variable Szenarien betrachtet und verschiedene Randbedingungen (Einsatzgrenzen) definiert. Abb. 7: Visualisierung Typenentwurf 120 gon Im Anwendungsfall sind diese Randbedingungen mit den projektspezifischen Gegebenheiten abzugleichen und zu verifizieren. Hierbei ist das Ziel, für eine Vielzahl von Bauwerken eine standarisierte Lösung zu finden. 3.2 Grundlagen, -daten Zur Umsetzung der Idee mit möglichst wenigen Typen eine möglichst große Bandbreite von Einsatzmöglichkeiten abzudecken, wurden datentechnische Analysen und Auswertungen vorgenommen. Auf Basis der Datenbanken des Bundes und der BASt zu den Brückenbeständen, wurden umfangreiche Recherchen und Auswertungen erstellt, um eine Bandbreite von Parametern festzulegen, mit denen ein Maximum des Bauwerksbestandes abgedeckt werden kann. Stand bei den Typenplanungen der 90er Jahre noch die Vielzahl von unterschiedlichen Querschnittstypen im Vordergrund, so wurde aktuell nur ein Querschnittstyp betrachtet. Die integrale Rahmenkonstruktion, welche frei über 6-streifige Autobahnen spannt, steht im Vordergrund der Betrachtung. Die zweifeldrige Konstruktion wird als Ergänzung für speziellere Randbedingungen gesehen und bei den Planungen mitgeführt. Bei dem Typenentwurf handelt es sich um eine Art von „Fiktiventwurf“. Die Typenplanung ist unabhängig des jeweiligen möglichen Einsatzortes zu planen und muss adaptiv eingepasst werden können. 3.3 Parametrisierung des Typs Die Grundlagen für den vorliegenden Typenentwurf sind folgende vordefinierte Entwurfsparameter der sich kreuzenden Verkehrswege: - Verkehrsweg unten: 6-streifiger Straßenquerschnitt, RQ 36 einschl. Entwässerungsmulden und Wartungswege, Längsgefälle Gradiente ≤ 2 % (steigend/ fallend), Querprofil ≤ 3 % (Sägezahn-/ Dachprofil) - Verkehrsweg oben: 2-streifiger Straßenquerschnitt, RQ 11B mit einseitigem Geh- und Radweg, bzw. RQ 11B bzw. WW Wirtschaftsweg, Längsgefälle Gradiente ≤-3-% (steigend/ fallend/ Kuppe), Quergefälle ≤ 3-% (steigend/ fallend) - Kreuzungswinkel: 100 gon ± 20 gon, bei gleichbleibender lichter Weite (orthogonaler Überbauabschluss). Abb. 8: Bandbreite des Kreuzungswinkel 80 bis 120 gon - Tief- und Flachgründungen 3.4 Bauwerksgestaltung Denkt man im Baugewerbe an Typisierung assoziiert man unweigerlich hiermit Bilder wie z. B. die der Plattenbauten. Daher kommt einer guten Bauwerksgestaltung eine wesentliche Bedeutung zu. Der Grundtyp wird, robust und wartungsarm, als einfeldrige, integrale Rahmenkonstruktion ausgebildet. Lager und Übergangskonstruktionen werden hierdurch nicht erforderlich. Für den Typ der Rahmenkonstruktion findet der Überbau mit den gevouteten Stahlträgern eine elegante Fortsetzung in den geneigten, massiven Widerlagerwänden. Die Neigung der Widerlagerwände zur Autobahn erzeugen ein optisch gefälliges Gesamterscheinungsbild. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 375 Typisierung von Brückenentwürfen Abb. 9: Längsschnitt Bei dem Grundtyp wurde bewusst auf einen Mittelpfeiler verzichtet. Der Verzicht auf den Mittelpfeiler hat wesentliche Vorteile. Hier sind insbesondere die größere Variabilität des Verkehrsraums, die erhöhte Sicherheit und auch der Entfall von bauzeitlichen, verkehrlichen Eingriffen (Stauvermeidung) für Prüf-, Instandsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen im Mittelstreifenbereich, zu nennen. Der Überbau besteht aus Verbundfertigteilen (VFT) mit Ortbetonergänzung, wobei dicht geschweißte Stahlhohlkästen zur Anwendung kommen. Durch die mittlere Überbauschlankheit von ca. l/ h = 22 wirkt die Brücke sehr schlank. An den Brückenenden bilden kastenförmige Widerlager den Übergang zwischen der Brücke und den anschließenden Straßendämmen. Die in der Länge begrenzten Flügel der Kastenwiderlager werden durch hochgesetzte und modular einsetzbare Stützwandelemente verlängert. Die Gründung des Überführungsbauwerkes erfolgt gemäß den örtlichen Gegebenheiten als Tief- oder Flachgründung. Der Typenentwurf ist einschließlich der Ausstattung gemäß ZTV-ING, RE-ING und RiZ-ING regelkonform ausgebildet. Die Bauwerksgestaltung kann im konkreten Anwendungsfall z. B. mit einem übergeordneten Gestaltungskonzept überlagert werden. Hierdurch ist auch die Adaption der Typenentwürfe im Zuge von gestalteten Autobahnabschnitten gegeben. 3.5 Bodenverhältnisse, Gründung Der Baugrund stellt eine der bauwerksbestimmenden Planungsgrundlagen dar. Dem Konzept der Typenentwürfe liegt eine ortsunabhängige Bauteilbemessung zugrunde. Hierfür wurde durch einen Sachverständigen für Geotechnik, auf Grundlage häufig anzutreffender Bodenverhältnisse, ein Spektrum von repräsentativen Baugrundparametern vorgegeben. Diese Baugrundparameter sind im Zuge der konkreten Anwendung durch einen ortskundigen Sachverständigen für Geotechnik, mit dem lokal vorhandenen Baugrund abzugleichen. Dabei ist sowohl die Eignung der gewählten Bauart (integral bzw. gelagert) und Gründungart (Tiefbzw. Flachgründung) als auch die nachfolgend angenommenen Bodenverhältnisse (z. B. Bodenparameter, Schichten, Grundwasser) auf hinreichende Übereinstimmung zu verifizieren. Bei hinreichender Überstimmung der angesetzten Bodenverhältnisse, Grundwasserstände, etc. sind diese im Zuge der jeweiligen Anwendung durch einen verifizierenden, geotechnischen Bericht projektspezifisch zu bestätigen. In Abhängigkeit von den anstehenden Baugrund- und Grundwasserverhältnissen kann eine Flach- oder Tiefgründung zur Ausführung kommen. Der Typenentwurf verfolgt den Ansatz eine Flachgründung dann vorzusehen, wenn eine tragfähige Gründungsebene bei ≤ 3,0 m unter Unterkante Fundament ansteht. Ggf. vorhandene, nicht tragfähige Bodenschichten sind unterhalb der Fundamente mit tragfähigen Bodenpolstern auszutauschen. Bei einer Gründungsebene > 3,0 m ist eine Tiefgründung vorgesehen. Für die vorliegende Bauwerksdimensionierung wurden beide Gründungsvarianten unter Annahme verschiedener Baugrundverhältnisse und definierter Randbedingungen untersucht. Der Baugrund ist ein wesentlicher Faktor bei integralen Bauwerken und unterliegt gem. RE-ING (T2, Abs.-5) gesonderten Planungsanforderungen. Das vorliegende Bauwerk ist in die Anforderungsklasse 3 einzustufen. Da die Bauwerksbemessung ohne Kenntnis des lokalen Baugrundes erfolgt, sind für die Varianten als Flach- oder Tiefgründung gängige Bodenkennwerte definiert. 3.6 Überbau Für den Überbau wurden grundsätzlich drei Querschnitte fixiert: - RQ 11B mit einseitigem Geh- und Radweg - RQ 11B - WW Wirtschaftsweg 376 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Typisierung von Brückenentwürfen Abb. 10: Darstellung der möglichen Querschnitte Der Überbau wird als Stahlverbundtragwerk ausgeführt. Die Herstellung als Verbund-Fertigteil-Träger (VFT) wird gewählt, um auf Traggerüste weitgehend verzichten zu können. Die Stützweite beträgt l = 51,85 m bei einer Mindestkonstruktionshöhe der Stahlhohlkästen von h = 1,37 m zzgl. der Betongurte mit einer Höhe von 12 cm. Vor den Widerlagern werden die Stahlhohlkästen leicht gevoutet und weisen hier eine maximale Konstruktionshöhe von 2,57-m zzgl. 12 cm Betongurt auf. Die Dicke der Ortbetonergänzung beträgt 26 cm. Die Anordnung der Kästen und der Verlauf der Stahlbetonverbundplatte folgen der Querneigung der Fahrbahn, sodass die Verbundplatte mit einer nahezu konstanten Konstruktionsdicke hergestellt werden kann. Bei dem RQ 11B mit einseitigem Geh- und Radweg beträgt der Achsabstand der 5 Stahlhohlkästen 2,73 m. Die Stegbleche haben in Abhängigkeit von Stützbzw. Feldbereich eine Dicke von 18 bzw. 25 mm. Die Obergurtbreite beträgt 570 mm und hat eine Dicke in Abhängigkeit von Stützbzw. Feldbereich von 18 bis 35 mm. Die Untergurtbreite beträgt 450 mm abzgl. der Stegdicken und hat eine Dicke in Abhängigkeit von Stützbzw. Feldbereich von 18 bis 80 mm. Die kraftschlüssige Verbindung zwischen den Hauptträgern und der Ortbetonplatte wird über Kopf bolzen realisiert. Für den vorgefertigten Betongurt ist ein Beton C 50/ 60 und für die Ortbetonergänzung ein Beton C 35/ 45 vorgesehen. Die Bewehrung erfolgt mit Betonstahl B500B. Der Überbaubeton wird mit Expositionsklassen XC4, XD1, XF2 ausgeführt. Die Hauptträger werden aus S355 nach ZTV-ING 4-1 hergestellt. Für die Kopf bolzen ist die Stahlsorte S235J2+C450 vorgesehen. Der Überbau wird biegesteif an die Unterbauten angeschlossen. Die Anordnung von Lagern entfällt. Die Ausbildung der Konstruktion als integrales Bauwerk macht die Anordnung von Schleppplatten im Anschluss an die Widerlager zum Ausgleich der Verformung gegenüber der Hinterfüllung erforderlich. Die Gesamtverformungen der Überbauenden betragen < 20 mm. Die Ausbildung der Schleppplatten erfolgt deshalb gemäß RiZ Int-1, Blatt 1 Typ I mit einem Überbauabschluss nach RiZ Abs 4 (alternativ auch nach RiZ Abs 5). Abb. 11: Regelquerschnitt RQ 11B mit einseitigem Geh- und Radweg 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 377 Typisierung von Brückenentwürfen 3.7 Unterbauten Aus ästhetischen und konstruktiven Gründen erhalten die Widerlagerwände eine Wandneigung von 75° in Richtung der Autobahn. Im Anschluss zum Fundament/ zur Pfahlkopfplatte bzw. im Einbindungsbereich der Träger geht diese Wandneigung dann in eine Lotrechte über. Die Widerlagerwände müssen für die Einbindung der Verbundträger an der oberen Rahmenecke in der Stärke erhöht werden. Für die Schleppplatte ist an der Widerlagerrückseite eine Konsole gemäß RiZ Int 1 Blatt 1 vorgesehen. Die Flügel enden senkrecht mit den Fundamenten bzw. Pfahlkopfplatten, sodass im weiteren Verlauf zusätzliche Stützwandelemente vorgesehen sind, um den Böschungsverlauf abzudecken. Für Widerlager, Flügel, Stützwände und Schleppplatten ist ein Beton C 30/ 37 und als Bewehrung Betonstahl der Sorte B500B vorgesehen. Die aufgehenden Unterbauten und Stützwände sowie die Schleppplatten werden mit den Expositionsklassen XC4, XD2 und XF2 ausgeführt. Die Flügel und Stützwände werden analog RiZ Flü 1 ausgebildet, wobei die Unterschneidung entfällt. Die Wanddicke beträgt konstant 1,00 m. 3.8 Ausstattung, Sonstiges Der Überbau wird ordnungsgemäß über Quergefälle entwässert. Das Wasser wird über Abläufe einer Sammellängsleitung zugeführt. Die Stahlbauteile, die Geländer und die Schutzeinrichtungen erhalten einen Korrosionsschutz gemäß den Regelwerken. Der Überbau wird abgedichtet und erhält einen Belag gemäß ZTV-ING 6-1 und RiZ Dicht 3. Weitere Ausstattungen wie Fahrzeugrückhaltesysteme, Geländer, Böschungstreppen, Messpunkte bis hin zur Jahreszahlmatrize komplettieren das Bauwerk. 3.9 Parametrische Planung Die Typenplanungen werden anhand parametrischer objektorientierter Modellierungsansätze erstellt. Die Typenplanungen basieren hierbei auf Bauteilbibliotheken, in denen Objektvorlagen für die Modellierung angelegt sind. Abb. 12: BIM-Modell Die Bauwerkskonstruktionen als auch die statischen Berechnungen sind innerhalb der gesetzten Parameter bzw. deren Bandbreite flexibel. Die Parametrik ist im Vergleich zu einer direkten Modellierung schneller und effizienter. Eine direkte Verknüpfung der Modelle existiert derzeit noch nicht. 3.10 Herstellung, Bauzeit Zur Herstellung des Brückenbauwerkes ist für die konkrete Anwendung des Typenentwurfes jeweils ein angepasstes Ablaufkonzept zu entwickeln. Insbesondere bei dem Brückenüberbau wurde auf einen hohen Grad an Vorfertigung und Werksfertigung geachtet. Hiermit sind die Bauzeiten vor Ort minimiert und die Bauprozesse von der Baustelle in die stationären Werke verlagert. Bei den Unterbauten, welche hier zunächst in klassischer Bauart, in Ortbeton, geplant sind, ist ein weiteres Optimierungspotential vorhanden. Nach der Erstellung der Unterbauten können für die Herstellung des Überbaus die werksseitig vorgefertigten Verbundträger ohne Anordnung von Traggerüsten auf den Unterbauten verlegt und temporär ausgesteift werden. Es wird eine bauzeitlich höhenjustierbare Auflagerung vorgesehen. Nach Verlegung der Träger erfolgt die Herstellung des Verbundquerschnitts durch Betonage der Ortbetonergänzung und der Rahmenecke. Bei der Herstellung ist die Wirksamkeit der kraftschlüssigen Verbindung besonders zu überwachen. Bei der Dimensionierung wurde von einer Betonierreihenfolge ausgehend, von Feldmitte, jeweils gleichzeitig in Richtung der beiden Widerlager ausgegangen. Nach Durchführung aller Restarbeiten (Hinterfüllung, Schleppplatten Abdichtung, Kappen, Schutz-einrichtungen, Geländer, Belag, etc.) kann die Brücke für den Verkehr freigegeben werden. Die Bauzeit zur Herstellung des Brückenbauwerkes wird ohne Berücksichtigung von witterungsbedingten Einflüssen auf ca. 8 Monate geschätzt. Die Gesamtbauzeit ist im Zuge der konkreten Anwendung des Typenentwurfes festzustellen. 4. Ausblick Aktuell steht der Erneuerungsbedarf bei Infrastrukturprojekten im krassen Gegensatz zur Entwicklung des Baugewerbes mit drastisch schwindenden, personellen Ressourcen. Dies gilt gleichermaßen sowohl für die Planung als auch für den Bau. Die aktuellen Typenentwürfe sind dafür gedacht sogenannte „Standard-Brücken“ zu ersetzen. Hier könnten die geschonten Ressourcen bei einer Vielzahl von verbleibenden hochkomplexen Bauwerken in einer Win-Win-Situation genutzt werden. Das Typenentwürfe gestalterisch ansprechend sein können, wurde unter Beweis gestellt. Die scheinbar paradoxe Verknüpfung der Adjektive „einheitlich“ und „gestalterisch“ ist aufgrund der Parametrik aufgehoben. Die Typenentwürfe folgen mit den variierenden Parametern einer gewissen Individualität jedes einzelnen Bauwerks. So kann auch durch Normierung gestalterische Individualität entstehen. Die Einsatzmöglichkeiten von Typenentwürfen sind bereits in sehr frühen Planungsphasen (z. B. Streckenfindungen, Ausbauquerschnitten, etc.) zu berücksichtigen. Hiermit können die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine mögliche Anwendung geschaffen werden. 378 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Typisierung von Brückenentwürfen Die aktuellen Planungen zu den Typenentwürfen zeigen insbesondere bei den Unterbauten noch Optimierungspotentiale in Bezug auf den Einsatz von vorgefertigten Bauelementen (z. B. Anwendung der Fertigteilbauweise) auf. Hierdurch kann nicht nur die Bauzeit, sondern auch die Qualität und die Wirtschaftlichkeit, optimiert werden. Die Umsetzung der Bauleistung von den Typenentwürfen könnte über Rahmenverträge, mit qualifizierten Baufirmen, erfolgen. Hierdurch besteht die Chance die Effizienz bei der Bewältigung der Erneuerung von Infrastrukturmaßnahmen zu steigern. Der aktuelle Stand der Typenentwürfe zeigt viel Potential. Mit den vorgestellten Planungen wurde über die integrierte Parametrik die grundlegende Idee aus den 90er Jahren in die Gegenwart transferiert. Wir sind gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Literatur [1] INTERNET (https: / / www.tip-berlin.de/ wp-content/ uploads/ 2021/ 10/ imago0050308811h-scaled.jpg)