eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Innovative und nachhaltige Bauweise mit Widerlagern aus kunststoffbewehrter Erde (KBE) – ein prämiertes Schnellbausystem für Brücken

0925
2024
Thorsten Balder
Um die Infrastruktur in Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen, sind viele marode Bestandsbrücken in Deutschland durch neue Bauwerke, mit entsprechend höheren Lastanforderungen, zu ersetzen. Diese ambitionierte Aufgabenstellung mit möglichst wenig negativen Auswirkungen auf den Verkehr umzusetzen, erfordert innovative Bauweisen, die eine deutliche Reduzierung der Bauzeit und weniger Eingriffe in den Verkehrsraum ermöglichen. Langwierige und aufwendige Einschalarbeiten für die Herstellung von konventionellen Ortbetonwiderlagern gilt es hierbei zu ersetzen durch neue Technologien, die einen deutlich schnelleren Baufortschritt und damit auch ein Minimum an Verkehrsbehinderungen mit sich bringen. Mit der „HEITKAMP Schnellbaubrücke®“ wurden genau diese Aspekte bei dem Pilotprojekt erfolgreich umgesetzt. Eine deutlich reduzierte CO2-Bilanz und vollständige Rückbaubarkeit bei vollständiger Wiederverwendung der eingesetzten Materialien sind weitere zukunftsweisende Aspekte dieser modernen Bauweise, die im Juni 2023 beim Deutschen Brückenbaupreis mit dem Sonderpreis für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde. Für den Ersatzneubau der Brücke „Stokkumer Straße“ wurde der Stahlverbundüberbau inklusive Abdichtung und Kappen auf einem benachbarten Parkplatz abseits der Autobahn ohne Verkehrsbehinderungen hergestellt. Der ca. 40 m lange und 400 t schwere Überbau wurde mit Hilfe des SPMT-Einsatzes während einer Wochenendsperrung in die BAB A3 eingefahren und auf den Widerlagern abgesetzt. Die große Besonderheit dieses Ersatzneubaus bilden die Widerlager aus geokunststoffbewehrter Erde. Diese Baumethode ermöglicht es, die Widerlager innerhalb von wenigen Tagen herzustellen. Da es sich um eine noch nicht geregelte Bauweise handelte, wurden in enger Abstimmung mit dem BMVI und Straßen. NRW die entsprechenden Anforderungen und Nachweise zum Trag- und Verformungsverhalten der bewehrten Erde ausgearbeitet. Das Widerlager wurde mit einer umfassenden Messtechnik ausgestattet, um die Rechenannahmen zu verifizieren. Um alle zeitlichen Abläufe, technischen Schnittstellen und geometrischen Vorgaben im Vorfeld genau planen zu können, wurde dieses Projekt mit Hilfe der BIM-Methode geplant und modelliert. Mittweile wurde diese Bauweise sowohl nach der Flutkatastrophe im südlichen NRW (Swistbachbrücke L 182 bei Heimerzheim und die Brücke im Zuge der B56 über die Erft in Euskirchen) als auch im Bereich der Autobahn (z. B. BAB A43 Hochlarmarkstr., Recklinghausen und A40 Duisburg „Hafenbahn“) erfolgreich umgesetzt.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 379 Innovative und nachhaltige Bauweise mit Widerlagern aus kunststoffbewehrter Erde (KBE) - ein prämiertes Schnellbausystem für Brücken Dipl.-Ing. Thorsten Balder HEITKAMP Brückenbau GmbH, Herne Abstract Um die Infrastruktur in Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen, sind viele marode Bestandsbrücken in Deutschland durch neue Bauwerke, mit entsprechend höheren Lastanforderungen, zu ersetzen. Diese ambitionierte Aufgabenstellung mit möglichst wenig negativen Auswirkungen auf den Verkehr umzusetzen, erfordert innovative Bauweisen, die eine deutliche Reduzierung der Bauzeit und weniger Eingriffe in den Verkehrsraum ermöglichen. Langwierige und aufwendige Einschalarbeiten für die Herstellung von konventionellen Ortbetonwiderlagern gilt es hierbei zu ersetzen durch neue Technologien, die einen deutlich schnelleren Baufortschritt und damit auch ein Minimum an Verkehrsbehinderungen mit sich bringen. Mit der „HEITKAMP Schnellbaubrücke ® “ wurden genau diese Aspekte bei dem Pilotprojekt erfolgreich umgesetzt. Eine deutlich reduzierte CO 2 -Bilanz und vollständige Rückbaubarkeit bei vollständiger Wiederverwendung der eingesetzten Materialien sind weitere zukunftsweisende Aspekte dieser modernen Bauweise, die im Juni 2023 beim Deutschen Brückenbaupreis mit dem Sonderpreis für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde. Für den Ersatzneubau der Brücke „Stokkumer Straße“ wurde der Stahlverbundüberbau inklusive Abdichtung und Kappen auf einem benachbarten Parkplatz abseits der Autobahn ohne Verkehrsbehinderungen hergestellt. Der ca. 40 m lange und 400 t schwere Überbau wurde mit Hilfe des SPMT-Einsatzes während einer Wochenendsperrung in die BAB A3 eingefahren und auf den Widerlagern abgesetzt. Die große Besonderheit dieses Ersatzneubaus bilden die Widerlager aus geokunststoffbewehrter Erde. Diese Baumethode ermöglicht es, die Widerlager innerhalb von wenigen Tagen herzustellen. Da es sich um eine noch nicht geregelte Bauweise handelte, wurden in enger Abstimmung mit dem BMVI und Straßen.NRW die entsprechenden Anforderungen und Nachweise zum Trag- und Verformungsverhalten der bewehrten Erde ausgearbeitet. Das Widerlager wurde mit einer umfassenden Messtechnik ausgestattet, um die Rechenannahmen zu verifizieren. Um alle zeitlichen Abläufe, technischen Schnittstellen und geometrischen Vorgaben im Vorfeld genau planen zu können, wurde dieses Projekt mit Hilfe der BIM-Methode geplant und modelliert. Mittweile wurde diese Bauweise sowohl nach der Flutkatastrophe im südlichen NRW (Swistbachbrücke L 182 bei Heimerzheim und die Brücke im Zuge der B56 über die Erft in Euskirchen) als auch im Bereich der Autobahn (z. B. BAB A43 Hochlarmarkstr., Recklinghausen und A40 Duisburg „Hafenbahn“) erfolgreich umgesetzt. 1. Grundlagen 1.1 Ausgangssituation In NRW hat das Verkehrsministerium in Zusammenarbeit mit Straßen.NRW ein 8-Punkte-Programm vereinbart, mit dem Ziel, Verkehrseinschränkungen durch Baustellen zu reduzieren [1]. Ein Baustein des 8-Punkte-Programms ist die funktionale Ausschreibung von Bauleistungen, in welcher keine detaillierte Leistungsbeschreibung vorgegeben wird, sondern im Wesentlichen Ziele definiert werden. Im Rahmen einer solchen Funktionalausschreibung wurde das Projekt „Ersatzneubau Stokkumer Straße“ an die HEITKAMP Brückenbau GmbH aus Herne vergeben. Ziel von HEITKAMP war die Minimierung der Bauzeit durch innovative Bauverfahren. Im Rahmen eines Vorentwurfs wurden verschiedene Varianten diskutiert und schließlich in Abstimmung mit Straßen.NRW und dem BMDV festgelegt, die Brücke auf Widerlagern aus geokunststoffbewehrter Erde zu gründen. Zudem sollte der Brückenüberbau in Seitenlage auf einem benachbarten Parkplatz hergestellt und mit Hilfe des SPMT-Einsatzes (self propelled modular transporter) in Endlage transportiert werden. Die Sperrung des überführten Wirtschaftsweges sollte nicht länger als 80 Tage andauern, und der Verkehr auf der BAB A3 nur an zwei Wochenendsperrungen beeinflusst werden. 1.2 Das Brückenbauwerk 1.2.1 Das Bestandsbauwerk Das zu ersetzende Bestandsbauwerk dient der Überführung eines Wirtschaftsweges über die BAB A3 bei Emmerich an der niederländischen Grenze. Der einfeldrige, ca. 6,5 m breite Brückenüberbau ist in Längsrichtung vorgespannt und wurde als zweistegiger Plattenbalken ausgeführt. Bei einer Stützweite von 34-m und einer Konstruktionshöhe von 1,5-m ergibt sich eine Schlankheit von 22,7. Das Bestandsbauwerk wurde im Jahr 1961 erbaut und als Brückenklasse 12 nach DIN 1072 bemessen. Die vorhandene geringe Brückenklasse war Auslöser für Abbruch und Neubau der Brücke. 380 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Innovative und nachhaltige Bauweise mit Widerlagernaus kunststoffbewehrter Erde (KBE) - ein prämiertes Schnellbausystem für Brücken Abb. 2: Bauwerksentwurf - Ansicht und Längsschnitt 1.2.2 Neubau Als Ersatzneubau wurde ein einfeldriger Verbundüberbau mit zwei dichtgeschweißten Stahlkästen und Ortbetonergänzung gewählt. Die Querschnittshöhe beträgt 1,45-m bei einer Stützweite von 36,8-m. Die Stützweite wurde im Vergleich zum Bestandsbauwerk vergrößert, da die Belastung nicht direkt an der Kante der bewehrten Erde-Konstruktion eingeleitet werden sollte. Es ergab sich somit eine Schlankheit von 25. Die dichtgeschweißten Kästen wurden in S355, die 25-cm dicke Ortbetonergänzung mit Beton der Festigkeitsklasse C35/ 45 ausgeführt. Die Bemessung erfolgte nach DIN EN 1993 für das LM1 nach DIN EN 1991. Abb. 1: Bauwerksentwurf - Regelquerschnitt Der Brückenüberbau lagert auf Stahlbetonbalken in Ortbetonbauweise auf. Die Stahlbetonbalken wurden oberhalb der bewehrten Erde angeordnet und ermöglichen die Unterbringung von Lagersockeln, Pressenansatzpunkten sowie den Einbau der Übergangskonstruktion in Kammerwand und Überbau. Im Endausbau wurde die bewehrte-Erde-Konstruktion mit Stahlbetonfertigteilen verkleidet. Diese wurden auf Konsolen, die an das Bestandsfundament angeschlossen waren, aufgestellt und an der Oberseite durch einen U-förmigen Ortbetonbalken ausgesteift. Die Bemessung der Fertigteile erfolgte für Windlasten und Silodruck. Im Bereich der Flügelwände, die durch Winkelstützwände gebildet werden, erfolgte eine Verkleidung mit Gabionenwänden, die horizontal an die bewehrte Erde-Konstruktion angeschlossen wurden. Dazu wurden Geogitter in die Gabionenfugen eingelegt und im Erdkörper verankert. 2. Widerlager aus geokunststoffbewehrter Erde 2.1 Grundlagen Geokunststoffbewehrte Stützkonstruktionen sind eine seit langem etablierte Bauweise als Alternative zu klassischen Bauweisen, z. B. Ortbetonstützwänden. Die Verwendung geosynthetischer Bewehrungsprodukte hat hier sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile. KBE (Kunststoff Bewehrte Erde) Konstruktionen zeichnen sich im Vergleich zu konventionellen Bauweisen im Wesentlichen durch folgende Vorteile aus: 1. Duktiles Tragverhalten ermöglicht reduzierte Anforderungen an Baugrund und Hinterfüllmaterialien. 2. Schnelle und daher kostengünstige Herstellung oder Entsorgung (bei temporären Konstruktionen) mit konventionellem Erdbaugerät. 3. Geringes globales Erwärmungspotenzial (GWP) durch deutlich weniger Einsatz von Beton in der Konstruktion (gegenüber klassischem Stahlbetonwiderlager hier Einsparung von ca. 67 % CO 2 ) bei minimalen Eingriffen in den Verkehr und sehr kurzer Bauzeit. 4. Vielfältige architektonische Gestaltungsmöglichkeiten. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 381 Innovative und nachhaltige Bauweise mit Widerlagernaus kunststoffbewehrter Erde (KBE) - ein prämiertes Schnellbausystem für Brücken 2.2 Geokunststoffbewehrte Brückenwiderlager Im benachbarten europäischen Ausland (Niederlande, Polen, Großbritannien etc.) ist der Einsatz von KBE- Konstruktionen bereits an einigen Projekten auch in Brückenwiderlagern erfolgreich umgesetzt worden. Die hohe Belastbarkeit derartiger Bauwerke bei gleichzeitig geringen Verformungen ist bereits aus diversen Stützbauwerken, anderen Referenzbauwerken und Untersuchungen nachgewiesen. Daher sollte in Abstimmung mit dem BMDV und Straßen.NRW diese Bauweise auch im Pilotprojekt an der Stokkumer Straße als zentraler Bestandteil der Widerlager des Ersatzneubaus erstmalig in Deutschland eingesetzt werden. Dies ist für ein Brückenbauwerk mit den bereits beschriebenen Abmessungen und Randbedingungen bisher einzigartig. Nach den außerordentlich guten Erfahrungen aus dem Pilotprojekt konnten 2021 mit dieser Bauweise im Verantwortungsbereich von Straßen.NRW drei zerstörte Brücken im Bereich der Flutkatastrophe sehr schnell durch Neubauten ersetzt werden (u. a. Swistbachbrücke L182 bei Heimerzheim, Brücke B56 über die Erft in Euskirchen) als auch mittlerweile bei der Autobahn GmbH (z. B. BAB A43 Recklinghausen A-BW Hochlarmarkstraße und in der A40 Duisburg Neuenkamp A-BW Hafenbahn) wichtige Ersatzneubauten in kürzerer Zeit als nach Bauherrenentwurf umgesetzt werden. Durch die Maßnahmen konnte die Bauzeit um ein erhebliches Maß reduziert werden. In der neuen Überarbeitung der ZTV-Ing wird die Bauweise dann auch als Regelbauweise aufgeführt. 2.3 Materialien Geokunststoffbewehrte Erdkörper sind grundsätzlich in der Lage, hohe Vertikalspannungen bei geringer Verformung abzutragen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Erdkörper mit scherfestem und gut verdichtbarem Bodenmaterial ausgeführt wird. Außerdem sollten Geogitterbewehrungen verwendet werden, welche sich durch eine hohe Dehnsteifigkeit und geringes Kriechverhalten auszeichnen. Im vorliegenden Projekt wurde entschieden, diese Anforderungen mit Hilfe eines relativ stark schluffigen, leicht kiesigen Feinbis Mittel-sandes zu erfüllen, welcher durch Zugabe von Mischbindemittel insbesondere zur Erhöhung der Steifigkeit verbessert wurde. Ein wesentlicher Grund für die Wahl dieses Erdstoffes war dessen Verfügbarkeit in geringer Transportentfernung. Als Geogitter kam ein hochzugfestes biaxiales Geogitter aus dem Rohstoff PVAL (Polyvinylalkohol) zur Anwendung. Die Kurzzeitfestigkeit dieses Materials beträgt 400 kN/ m, ferner zeichnet sich das gewählte Geogitter durch seine Langzeitbeständigkeit in alkalischem Milieu aus. Geogitter aus dem Rohstoff PET hingegen verlieren in alkalischer Umgebung sehr schnell an Festigkeit und konnten daher nicht verwendet werden. Alle Materialien sind vollständig rückbau- und recyclebar. 2.4 Messprogramm Aufgrund der nicht geregelten Bauweise von Brückenwiderlagen als KBE-Konstruktion war für die Maßnahme die Erteilung einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) und damit verbunden eine geeignete messtechnische Begleitung erforderlich. Ziel des Messprogramms ist die Verifizierung der Berechnungsansätze bzw. der Verformungsprognosen und die Gewährleistung des Sicherheitsniveaus im Sinne der Beobachtungsmethode nach DIN 1054. Es wurden auch umfangreiche Belastungstests (u. a. auch Horizontalbremsversuch mit Verformungsmessungsmessungen) durchgeführt, um die Tragreserven der Konstruktion bewerten zu können. Alle gemessenen Werte lagen deutlich unterhalb der Prognosen. Setzungen treten aus der Konstruktion an sich durch die hohen Anforderungen an den Verdichtungsgrad des Erdkörpers im Wesentlichen gar nicht auf. Aus den durchgeführten Messungen wurden die in den Berechnungen prognostizierten Messungen um den Faktor 10 unterschritten (im IST ca. 4 mm). Diese Anteile kommen sogar im Wesentlichen aus dem Baugrund unterhalb der Konstruktion. Abb. 3: 3D-Visualisierung Widerlagerkonstruktion Widerlager Stokkumer Straße 382 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Innovative und nachhaltige Bauweise mit Widerlagernaus kunststoffbewehrter Erde (KBE) - ein prämiertes Schnellbausystem für Brücken 3. Bauausführung 3.1 Widerlager Die Bauarbeiten im Bereich des Bestandsbauwerkes begannen mit den Rückbauarbeiten im Bereich des vorhandenen Wirtschaftsweges auf den Rampen und dem Freilegen des Brückenbauwerkes. Für die später erforderliche Aufstellfläche der Fertigteilverkleidung wurde eine Fundamentverbreiterung erstellt. Am Wochenende ab dem 20.09.2019 um 22: 00 Uhr wurde das alte Spannbetonbauwerk bis auf die Bodenplatte der Widerlager in einer ersten Vollsperrung der BAB A3 abgerissen und das Abbruchmaterial von der Baustelle gefahren. Am Sonntagmittag konnte die Autobahn wieder für den Verkehr freigegeben werden. Gänzlich ohne Beeinträchtigung des Autobahnverkehrs wurde dann in der darauffolgenden Woche parallel an beiden Achsen mit der Erstellung der geogitterbewehrten Erdwiderlager begonnen. Für die schnelle und reibungslose Ausführung wurden im Vorfeld in einem 1: 1 maßstäblichen Probefeld die Einbautechniken und Geräteeinsätze optimiert und das Personal geschult. Durch diese Maßnahmen konnten die erforderlichen Einbaulagen des geogitterbewehrten Erdkörpers innerhalb von nur einer Woche bis UK Auflagerbalken fertiggestellt werden. Mit den einzelnen Schüttlagen erfolgte die Baugrubenverfüllung. Im östlichen Widerlager musste mit der geogitterbewehrten Erde umfangreiche Messtechnik in unterschiedlichen Lagen für das spätere Monitoring der Konstruktion eingebaut werden. Oberhalb der KBE-Konstruktion wurden dann die Stahlbetonauflagerbalken mit den Kammerwänden und den späteren Lagersockeln in Ortbetonbauweise errichtet. Auch diese Arbeiten wurden parallel an beiden Achsen durchgeführt. Es folgte die Montage der dahinterliegenden Winkelstützelemente, die als Flügelersatz dienen. Diese Arbeiten nahmen ein Zeitfenster von ca. einem Monat in Anspruch. Danach wurden die hinter dem Auflagerbalken liegenden Bereiche der geogitterbewehrten Erde aufgebaut und die Baugruben weiter verfüllt. Währenddessen wurde auch die unabhängig vor dem Erdwiderlager stehende Betonvorsatzschale aus Stahlbetonfertigteilen als Widerlagerverkleidung an beiden Seiten der Autobahn montiert, die Gabionen im Flügelbereich aufgestellt, verfüllt und die Bauwerksausstattung (Entwässerungsrinne und Böschungstreppen) komplettiert 3.2 Überbau Die Arbeiten an dem aus zwei Stahlhohlkästen bestehenden Stahlverbundüberbau begannen Anfang August mit der Sperrung des zum Brückenbauwerk nahegelegenen Autobahnparkplatzes „Hohe Heide“. Nach einigen vorbereitenden Tätigkeiten wurde hier das Traggerüst für die Herstellung des Überbaus aufgebaut. Mit der Anlieferung und dem Ablegen der Stahlhohlkästen auf den Stütztürmen und dem Auf bau der Schalung für die Verbundbetonplatte wurden die Leistungen fortgeführt. Es folgten der Einbau der Bewehrung für die Fahrbahnplatte und der Endquerträger. Die Lager wurden ebenso schon im Bereich der Endquerträger montiert, wie auch die Fahrbahnübergangskonstruktion an einem Überbauende eingebaut wurde. Die Fertigung des Überbaus erfolgte somit konventionell, lediglich räumlich versetzt zum späteren Brückenbauwerk. Die weiteren Arbeitsschritte waren das Auf bringen der Abdichtung, die Herstellung der Kappen samt Geländer und das Auf bringen der Schutzschicht. Wichtig für die korrekte und passgenaue Herstellung des Überbaus waren die korrekten Vorgaben der Verformungen in den unterschiedlichen Bauzuständen, die damit im Zusammenhang stehenden Bauteilabmessungen und die sorgfältige Bauvermessung, damit der Überbau später in der Endlage zwischen die Widerlager passt. 3.3 Transport Während der Planungsphase der Bauausführung spielte das später für das Einfahren des Überbaus nötige Transportkonzept eine wesentliche Rolle. Der sehr weiche Stahlverbundüberbau musste die aus den unterschiedlichen Transportu. Lagerungszuständen auftretenden Belastungen schadensfrei überstehen. Daher musste das Transportkonzept frühzeitig festgelegt werden, damit diese Angaben in der Statik berücksichtigt werden konnten. Die Herstellung des ca. 400 Tonnen schweren Überbaus auf dem Parkplatz in Endhöhe hätte ein sehr hohes Traggerüst erfordert, unnötige Schwierigkeiten bei der Andienung des Bauteils mit allen erforderlichen Baustoffen verursacht und die Zugänglichkeit für die Arbeiter verkompliziert. Daher sah das Konzept vor, den Überbau auf einem tiefliegenden Traggerüst herzustellen und das fertige Bauteil mit einem Hubgerüst unter den Endquerträgern auf Einbauhöhe anzuheben, in der dann die Übernahme auf die SPMTs erfolgte. Die Anordnung der SPMTs für den darauffolgenden Längstransport konzentrierte sich in den Drittelspunkten des Überbaus mit frei auskragenden Endquerträgern. Diese unterschiedlichen Verformungen mussten planerisch in der Statik ebenso abgesichert und berücksichtigt werden, wie Setzungsdifferenzen in den Auflagerpunkten während der Fahrt. Durch mehrere gekoppelte Hydraulikkreise konnte für den Längstransport eine statisch bestimmte Lagerung erreicht werden. Nur zwei Monate nach dem Brückenabbruch konnte der komplette Überbau in einem Stück in Endlage eingefahren werden. Dazu wurde am Vortag der zweiten Vollsperrung der BAB A3 der Überbau mit dem Hubgerüst angehoben und auf den SPMTs abgesetzt. In der Nacht wurde dann die Mittelstreifenüberfahrt für das Einfahren in Endlage hergestellt. Am Samstagmorgen des 23.11.2019 wurde in nur ca. 5 Stunden der Längstransport der Brücke über ca. 500 m und das Einfahren in Endlage erfolgreich durchgeführt. Der Überbau wurde auf temporären Absetzstapeln und Hydraulikpressen abgesetzt. In diesem Zustand konnten die vorbereiteten Lagersockel und die Lager vergossen werden. Es folgten die Rückbauarbeiten an der Mittelstreifenüberfahrt, be- 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 383 Innovative und nachhaltige Bauweise mit Widerlagernaus kunststoffbewehrter Erde (KBE) - ein prämiertes Schnellbausystem für Brücken vor dann die Autobahn am Sonntagmorgen wieder freigegeben werden konnte. Nachfolgend zum Einfahren des Überbaus wurden dann die letzten Arbeiten an der Übergangskonstruktion durchgeführt und der Straßenbau des Wirtschaftsweges komplettiert, so dass die Maßnahme innerhalb der 80 Tage-Vorgabe erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Abb. 4: Einfahren Überbau in Endlage in 2. Vollsperrung acht Wochen nach Abbruch 4. Zusammenfassung Aus dem umgesetzten Pilotprojekt an der Stokkumer Straße, den zwischenzeitlich ausgeführten Projekten für erforderliche Ersatzneubauten im Rahmen der Flutkatastrophe von Straßen.NRW und den erstellten Ersatzneubauten in der Bundesautobahn A43 und A40 in NRW lässt sich zuverlässig ableiten, dass geogitterbewehrte Erdwiderlager eine sehr gut geeignete Bauweise sind, um den Abbau des in Deutschland vorhandenen Sanierungsstaus bei vielen kleinen und mittleren Brücken (Stützweiten bis ca. 40 m) effizienter voranzubringen. Neben einer deutlichen Bauzeitverkürzung erfordert die Bauweise weniger und kürzere Eingriffe in den Verkehr. Die Bauweise hat neben wirtschaftlichen Vorteilen auch eine deutlich bessere CO 2 -Bilanz gegenüber der klassischen Stahlbetonbauweise (Einsparung bis zu 67 %). Durch die 100 % Quote der Rückbaubarkeit und die Verwendung örtlich zur Verfügung stehender Erdmassen, ist die Bauweise auch als besonders nachhaltig zu bewerten. «Wegweisend in Baugeschwindigkeit, Ressourcenschonung und CO 2 - Einsparung - ein beachtenswerter Schritt auf dem Weg zum klimaneutralen Bauen», so das Urteil der Jury zum Deutschen Brückenbaupreis im Juli 2023, bestehend aus VBI und Bundesingenieurkammer unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, das die HEITKAMP Schnellbaubrücke ® mit dem erstmalig vergebenen Sonderpreis für nachhaltiges Bauen auszeichnete. 5. Projektbeteiligte Bauherr: Straßen.NRW, ANL Krefeld (nun Autobahn GmbH Rheinland) Baufirma: HEITKAMP Brückenbau GmbH Planung Bauwerk: Thomas & Bökamp Ingenieurgesellschaft mbH Lieferant Systemkomponenten KBE: HUESKER Synthetic GmbH Geotechnischer Prüfer: Prof. Dr.-Ing. Dietmar Placzek, c/ o ELE Beratende Ingenieure GmbH, Essen Bautechnische Prüfung: Dr.-Ing. Renato Eusani EZI Ingenieure, Solingen Messtechnik: Fachhochschule Münster BIM Begleitung: TU Dortmund Literaturverzeichnis Regelwerke, Normen, Vorschriften und Verordnungen [1] Handout Infrastrukturpaket, 8. Mai 2018, Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen