eJournals Brückenkolloquium 6/1

Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
0925
2024
61

Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau – Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/95

0925
2024
Theo Reddemann
Till Schnetgöke
Reinhard Maurer
Jens Heinrich
Schnelles Bauen mit möglichst geringen Verkehrsbehinderungen in Verbindung mit einer Minimierung staubedingter CO2 Emissionen stellen heute in Deutschland im Zeichen des nachhaltigen Bauens und Klimaschutzes ein neues Entwurfsziel für Betonbrücken dar. Im nachfolgenden Beitrag wird über das Potential des vorgespannten hochfesten Betons C80/95 für Fertigteilträger bei einem Überführungsbauwerk über eine 6-spurige Autobahn ohne die Notwendigkeit einer Zwischenstütze in Kombination mit dem Einsatz von Fertigteilen auch bei den Widerlagern als Pilotprojekt berichtet. Der Beitrag schließt mit dem bemerkenswerten Ergebnis einer Studie, wieviel CO2 Emissionen durch die Verkürzung der Bauzeit bei derartigen Bauwerken potenziell vermieden werden können.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 427 Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau - Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/ 95 Dipl.-Ing. Theo Reddemann Bauunternehmung Gebr. Echterhoff GmbH & Co. KG, Westerkappeln Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Till Schnetgöke Bauunternehmung Gebr. Echterhoff GmbH & Co. KG, Westerkappeln Univ.-Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer KHP König und Heunisch Planungsgesellschaft mbH, Dortmund Dr.-Ing. Jens Heinrich KHP König und Heunisch Planungsgesellschaft mbH, Dortmund Zusammenfassung Schnelles Bauen mit möglichst geringen Verkehrsbehinderungen in Verbindung mit einer Minimierung staubedingter CO 2 Emissionen stellen heute in Deutschland im Zeichen des nachhaltigen Bauens und Klimaschutzes ein neues Entwurfsziel für Betonbrücken dar. Im nachfolgenden Beitrag wird über das Potential des vorgespannten hochfesten Betons C80/ 95 für Fertigteilträger bei einem Überführungsbauwerk über eine 6-spurige Autobahn ohne die Notwendigkeit einer Zwischenstütze in Kombination mit dem Einsatz von Fertigteilen auch bei den Widerlagern als Pilotprojekt berichtet. Der Beitrag schließt mit dem bemerkenswerten Ergebnis einer Studie, wieviel CO 2 Emissionen durch die Verkürzung der Bauzeit bei derartigen Bauwerken potenziell vermieden werden können. 1. Einführung Durch den Einsatz von hochfestem Beton in Verbindung mit einer Vorspannung werden die Möglichkeiten des Bauens mit Beton auch im Brückenbau erheblich erweitert, wie das in diesem Beitrag vorgestellte Pilotprojekt in Fertigteilbauweise mit Ortbetonergänzung zeigt. Zur Minimierung der Verkehrsbehinderungen sowie der staubedingten CO 2 Emissionen wurde die Bauweise mit den weitgespannten Fertigteilträgern aus C80/ 95 bei dem Pilotprojekt mit der Echterhoff Expressbauweise kombiniert. Dadurch entstand eine in Deutschland wegweisende und innovative neue Bauweise für Fertigteilbrücken. Grundsätzlich resultieren aus den hohen Festigkeiten des C80/ 95 die folgenden Vorteile: - Erhöhung des Tragwiderstands - In Kombination mit einer Vorspannung deutlich größere Spannweiten bzw. Schlankheiten - Reduktion der Eigenlasten und geringere Beton-mengen durch kleinere Querschnittsabmessungen - Einsparungen im Gründungsbereich durch geringere Eigenlasten Dieses Potential ermöglicht beispielsweise Überführungsbauwerke über 6-spurige Autobahnen ohne Zwischenstütze als Einfeldträger mit ca. 45-m Spannweite. Anwendungen von hochfestem Beton bei Brücken erfolgten international zunächst vor allem in Nordamerika, Frankreich und Norwegen. Motivation waren dabei keineswegs nur Festigkeitsaspekte, sondern die immensen Möglichkeiten zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit. Beispielhaft für das Potential des hochfesten Betons sei an dieser Stelle nur die 1998 in Norwegen hergestellte Raftsundbrücke, ein gevouteter Balken mit einer Hauptspannweite von ca. 300-m, genannt [1]. In Deutschland wurden zunächst einige kleinere Bauwerke als Pilotprojekte in Hochleistungsbeton ausgeführt [2]. 2002 wurde die Brücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau als erstes Pilotprojekt zur Anwendung von Hochleistungsbeton im Großbrückenbau in Ortbetonbauweise realisiert [3]. Das Bauwerk weist bei einer maximalen Spannweite von 39,00-m eine Konstruktionshöhe des Querschnitts von nur 1,05-m auf, entsprechend einer maximalen Biegeschlankheit von (! ) An diesem Bauwerk erfolgte nach Fertigstellung ein umfangreiches Monitoring unter statischen und dynamischen Probebelastungen sowie zur Unter-suchung des Langzeitverformungsverhaltens des hochfesten Betons C70/ 85 [4]. Das Monitoring ergab ein einwandfreies Bauwerksverhalten unter den Probebelastungen sowie im Wesentlichen eine Bestätigung der normgemäßen Bemessungsansätze für das Kriechen und Schwinden. Von entscheidender Bedeutung für die zielsichere Herstellung des C70/ 85 als Ortbeton waren die begleitenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Prinzipiell sind bei der Überführung über eine 6-spurige Autobahn ohne Zwischenstütze sowohl ein integraler 428 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau - Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/ 95 Rahmen als auch ein Einfeldträger machbar. Die integrale Bauweise ermöglicht größere Schlankheiten, bringt jedoch zusätzliche Zwangsschnittgrößen mit sich, die in ihrer Größe entscheidend auch von den Baugrundsteifigkeiten beeinflusst werden. Der Baugrund ist Bestandteil des integralen Bauwerks. Bezüglich der anzusetzenden Steifigkeiten beinhaltet er die größten Unschärfen im Gesamtsystem, was bei der Schnittgrößenermittlung in geeigneter Form zu berücksichtigen ist, beispielsweise durch den Ansatz oberer und unterer Grenzwerte. Da im Ruhrgebiet in weiten Bereichen potentiell mit Bergsenkungen zu rechnen ist, werden statisch bestimmte Tragsysteme bevorzugt. Daher wurde als Tragwerk für das Pilotprojekt ein statisch bestimmtes Einfeldträgersystem gewählt. 2. Pilotprojekt Amelsbürener Straße 2.1 Bauwerksbeschreibung Im Zuge des geplanten 6-streifigen Ausbaus der BAB A1 wurden im Autobahnabschnitt zwischen den Auffahrten Ascheberg und Münster-Hiltrup insgesamt 15 Ersatzneubauten von Überführungsbauwerken erforderlich. Bei dem Überführungsbauwerk der Amelsbürener Straße wurde dabei ein weiteres Pilotprojekt realisiert, bei dem die Fertigteilbauweise außerhalb des bisherigen Erfahrungsbereichs erprobt werden sollte. Hierbei wurde die bestehende Zweifeldbrücke mit Spannweiten den von 2 x 20,65-m durch eine Einfeldbrücke mit Fertigteilen mit einer Gesamtlänge von 45-m ersetzt. Die Amelsbürener Straße stellt damit in Deutschland das erste Überführungsbauwerk als statisch bestimmter Einfeldträger über eine Autobahn ohne Mittelstütze in Betonbauweise mit Fertigteilen von 45-m Spannweite dar. Die Unterbauten wurden als kastenförmige Widerlager ausgeführt. Die Mittelstütze des Bestandsbauwerks entfiel vollständig für den Ersatzneubau. Die Widerlager wurden flach gegründet. Normativer Bezug für Bemessung und Konstruktion war Eurocode 2 [5], in der für Deutschland gültigen Fassung. 2.2 Planung und Ausführung 2.2.1 Unterbauten Ein wesentlicher Planungsgrundsatz dieser Baumaßnahme war die Bauzeitenminimierung. Diese lässt sich insbesondere durch Verlagerung von Arbeitsschritten von der Baustelle in die Vorfertigung erzielen. Daher wurde nach Möglichkeiten gesucht, wie ein großer Anteil an Fertigteilen verwendet werden kann, ohne jedoch durch zu viele Fugen das monolithische Tragverhalten zu stark zu beeinflussen. Abb. 1: Ausführungsvarianten der Widerlager in modularer Expressbauweise (Systeme der Unternehmensgruppe Echterhoff), links: Münster Straße, rechts: Amesbürener Straße Quelle: KHP Dortmund/ Echterhoff 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 429 Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau - Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/ 95 Bei den Unterbauten der Expressbauweise Echterhoff wurden grundsätzlich zwei unterschiedlich Ausführungsvarianten entwickelt, die in diesem Bericht kurz beschrieben werden (Abb. 1). Bei Variante 1 bestehen die Flügelwände aus Vollfertigteilen mit einer einseitigen Anschlussbewehrung im unteren Bereich zur kraftschlüssigen Verbindung mit der Ortbetonplatte. Die Gründungsplatte wird in Ortbeton hergestellt. Die Flügelelemente dienen dabei als seitliche Schalung. Diese sind somit untereinander über die Gründungs-platte verbunden. Damit die relativen Verformungen im Kopfbereich der Flügelwandelemente unter Nutzung klein bleiben, sind zwischen den einzelnen Elementen in profilierten Fugen bewehrte Betonplomben zur Querkraftübertragung angeordnet (Abb. 2). Für die Herstellung der Widerlager- und Kammerwände werden Halbfertigteile verwendet, die als verlorene Schalung dienen und lediglich zur Aufnahme der Betonierlasten statisch angesetzt werden. Der aus Ortbeton hergestellte Wandkern übernimmt den gesamtem Traganteil. Die Halbfertigteile werden schubfest an den monolithischen Wandquerschnitt angebunden. Abb. 2: Planauszug zur wasserdichten Betonplombe zwischen den Flügelwandelementen (System der Unternehmensgruppe Echterhoff), hier: Ausführung Amelsbürener Straße Quelle: KHP Dortmund/ Echterhoff Bei der Brücke Amelsbürener Straße wurden die Unterbauten nach der Variante 2 erstellt. Während die Widerlagerflügelwände wie bei Variante 1 mittels Vollfertigteilen mit Ortbeton-Plomben errichtet wurden, erfolgte die Herstellung der Widerlager nach einer modifizierten Ausführung. Dabei werden die Widerlagerwände nun im Werk zu einem größeren Teil vorgefertigt. Der untere Bereich der Wandelemente wurde dabei bereits im Werk vorbetoniert, so dass deutlich massivere Wandelemente entstehen. Der Anschluss in die Bodenplatte erfolgt wie bei den Flügelelementen über eine entsprechende Anschlussbewehrung. Im oberen Bereich der Widerlager wird nur noch ein ca. 1,50-m hoher Auflagerbalken in Ortbetonbauweise realisiert, der die Widerlagerwände untereinander schubfest verbindet und die Lasteinleitung aus den Lagern sicherstellen kann (Abb. 1). Die luftseitigen Vorsatzschalen, die als Schalung des Auflagerbalken dienen, sind in den Fertigteilen bereits angeordnet, wodurch eine hohe Sichtbetonqualität gewährleistet wird. Die Montage der Stahlbetonfertigteile dieser Widerlagerkonstruktion, einschließlich der Flügelwände, konnte bei dieser Baumaßnahme je Widerlagerseite innerhalb von 20 Arbeitsstunden realisiert werden. Die anschließenden Ergänzungsarbeiten im Bereich der Stahlbetonsohle sowie des Ortbetonergänzungsbalkens konnten in einem sehr kurzen Zeitfernster von ca. 6 Arbeitstagen ausgeführt werden. Während der Ausführungszeiten zum Bau der Brückenwiderlager entstanden keine Verkehrsbeeinträchtigungen auf der BAB A1 (Abb. 3). Abb. 3: Aufstellen der modularen Widerlagerelemente, Amelsbürener Straße Quelle: Echterhoff 2.2.2 Überbau Um das Eigengewicht der Fertigteilträger zu begrenzen, wurde ein hochfester Beton der Güte C80/ 95 verwendet. Zusätzlich war es erforderlich die Querschnittsform der Fertigteile zu optimieren, damit ein zulässiges Gesamt-gewicht für die Herstellung im Fertigteilwerk von ca. 110-to nicht überschritten wird. Dazu wurde der Stegquerschnitt im Feldbereich auf 35-cm reduziert und im Bereich der Auflager auf die Gesamtquerschnittsbreite von 85-cm aufgeweitet. Um schädliche Ablagerungen auf den Fußaufweitungen der Untergurte zu vermeiden, wurde der Übergang von den hammerkopf-förmigen Fußaufweitungen der Untergurte zum Stegbereich unter 60° angevoutet (Abb.-4). Abb. 4: Regelquerschnitt des Ersatzneubaus Amelsbürener Straße Quelle: KHP Dortmund Die Vorspannung der Fertigteile bestand aus einer Spannbettvorspannung sowie zwei parabelförmig angeordneten Spanngliedern in Stahlhüllrohren (nachträglicher Verbund). Die Spannbettvorspannung konnte in der Fußaufweitung angeordnet werden. Das Eigengewicht der Fertigteile war jedoch so groß, dass die Spannbettvorspannung gerade ausreichend dimensioniert werden konnte, um die Dekompression beim Ausheben aus der Schalung sicherzustellen (Abb.-5). Um zu große Durchbiegung der Fertigteile während der Lagerung zu verhindern, wurde bereits kurz nach Herstellung aller Träger, 430 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau - Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/ 95 eine Teilvor-spannung der nachträglichen Vorspannung aufgebracht. Das Auf-bringen der verbleibenden Vorspannkraft und das Verpressen dieser Spannglieder erfolgte erst auf der Baustelle nach dem Aushärten der Ortbetonergänzung. Abb. 5: Ausbau der Fertigteilträger nach Herstellung im Fertigteilwerk Quelle: KHP Dortmund Mit einem Achsabstand der Fertigteile untereinander von 1,60-m waren für den ca. 12-m breiten Überbau insgesamt 7 Längsträger erforderlich. 2.2.3 Hybridekappe Der Ursprung der Hybridkappen kommt aus der Forderung bzw. den Überlegungen, die Eingriffe des laufenden Verkehrs durch die Bauarbeiten so gering wie möglich zu halten. Bei Ausführung konventioneller Bauweisen werden die Kappen über dem fließenden Verkehr mittels Schalungsgerüsten hergestellt. Die hierzu notwendigen Arbeitsprozesse, zumindest für die Ausschalarbeiten und teilweise Brückenausstattungen, erfordern während der Bauzeit Verkehrssperrungen der darunterliegenden Fahrwege. Bei der Herstellung einer Straßenüberführung über eine Bahnstrecke wird allein für die Ausschalarbeiten der Kappenschalungen eine Sperrung der darunterliegenden Bahnstrecke erforderlich. Gleiches gilt beim Bau einer Straßenüberführung über eine Autobahn bzw. Straße. Um diesen Verkehrsbeschränkungen entgegenzuwirken, wurde die Hybridkappe konzipiert, um einerseits als formgebende Schalung für den Betoneinbau und andererseits gleichzeitig auch als Trägerelement für Geländer, Berührschutz- oder Lärmschutzwände zu dienen. Mit dem Anbau der Hybridkappenkonstruktion und z. B. aufgesetztem Geländer, welches bereits während der Bauphase als Absturzsicherung dient, können alle weiteren Brückenbauarbeiten aus einem geschützten Raum von der Brückenplatte, ohne weitere Verkehrs-sperrungen der darunterliegenden Fahrwege, ausgeführt werden. Üblicherweise werden die hybriden Kappen als reine Stahlkonstruktion nach den Regeln des Stahlbaus bemessen, konstruiert und ausgeführt. Das stählerne Schalungselement der Hybridkappe bildet die äußere Begrenzung der Kappenkonstruktion als verlorene Schalung. Die Konstruktion aus Schalungselement und Schwertern zur Befestigung am Überbau dient zugleich als Trägerelement von Geländer-, Berührungsschutz- oder Lärmschutzwandkonstruktionen im Montage-zustand. Die Kappen werden bewehrt und sind mittels Kappenanschlussbewehrung mit dem Überbau verbunden. Daher entspricht der Lastabtrag der ausbetonierten Kappen dem allgemeinen Stand der Technik in Deutschland. Die von außen sichtbaren Schalungselemente aus Stahl weisen eine Korrosionsschutzbeschichtung auf. Einen weiteren Pilotaspekt in diesem Brückenbauprojekt stellt die Ausbildung der Hybridkappenkonstruktion aus Carbonbeton dar. Da bei Anfahrschäden die Beschichtungen der Stahlhybrid-Kappenkonstruktionen in Mitleidenschaft gezogen werden können und somit entsprechend zu Korrosionsschäden führen, wurde auf Wunsch der Auftraggeberseite eine Kappenkonstruktion mittels Carbonbeton entwickelt, welche nicht anfällig für Korrosion ist (Abb. 6). Abb. 6: Hybridkappe mit Schalungselement aus Carbonbeton (System der Unternehmensgruppe Echterhoff), Bauwerk Amelsbürener Straße Quelle: Echterhoff Die Bewehrung der Kappe mittels Carbon (Kohlefasern) wurde bewusst aus Korrosionsschutzgründen gewählt, da Carbonfasern nicht korrodieren können. Ein weiterer Vorteil liegt in der Mindestbetondeckung, die bei der Verwendung von Carbon aus vorgenanntem Grund wesentlich geringer ausfallen kann und somit deutlich zur Gewichts- und Querschnittsreduzierung der Wandstärken der Hybridkappe beiträgt, bzw. diese zulässt. Da eine Vormontage der Carbonbetonkappe im Fertigteilwerk zu einer deutlichen Vergrößerung der Transportgewichte für die Brückenträger geführt hätte, wurden die Brückenrandträger 2 Tage vor dem Montagetermin auf einem der Baustelle nahe gelegenen Autobahnplatz mit den Carbonbetonkappen einschl. der Geländerkonstruktionen ausgestattet und anschließend in Endlage montiert (Abb. 7). Durch diese Vorgehens-weise, Montage der Brückenträger einschließlich der Geländer als Absturzsicherung, konnten alle weiteren Arbeiten wie Ergänzung der Bewehrung der Endquerträger sowie Fahrbahntafel, als auch des Ergänzungsbetons für die Brückenplatte, von oben aus dem geschützten Raum erfolgen (Abb. 8). Weitere Autobahnsperrungen wurden aus diesem Grund nicht mehr erforderlich. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 431 Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau - Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/ 95 Bei der patentgeschützten Konstruktion „hybride Kappe“ handelt es sich um eine Entwicklung des Bauunternehmens Echterhoff. Abb. 7: Einheben eines Randträgers mit bereits vormontierter Carbonkappe und Geländer, Bauwerk Amelsbürener Straße Quelle: Echterhoff Abb. 8: Betonage der Ortbetonschicht unter laufendem Verkehr, Bauwerk Amelsbürener Straße Quelle: Echterhoff 3. Beitrag zur Nachhaltigkeit und Klimaschutz Bei der Zementherstellung entstehen 8- % bis 9- % der weltweiten CO 2 -Emissionen. Zu Recht müssen wir uns aus diesem Grund mit neuen, CO 2 reduzierten Zementherstellungsmethoden beschäftigen. Doch welchen Einfluss haben Brückenbauarbeiten im Zuge der Autobahn auf Verkehrsbehinderungen und somit auf die Entstehung von CO 2 -Emissionen durch Verkehrsstaus? Wie sieht hierzu der Vergleich von Ersatzbrückenbauarbeiten in Modulbauweise mit 6 bis 8 Monaten Gesamtbauzeit im Vergleich zu konventionellen Bauweisen mit 24 Monaten Bauzeit aus? Die voneinander unabhängigen Studien der Ruhr Universität Bochum [6] sowie der RWTH Aachen [7] in Zusammenarbeit mit der Bauunternehmung Gebr. Echterhoff kommen hierbei zu einem gemeinsamen, sehr erstaunlichem (prägnantem) Ergebnis. Prof. Mark kommt in seiner Studie [6], einer Lebenszyklus-betrachtung über 100 Jahre vom Baubeginn bis zum Rückbau einer Brücke im Zuge einer Autobahn, zu dem Ergebnis, dass mit der Zunahme der Bauzeit auch die CO 2 -Emissionen als Folge der mit der Bauzeit einhergehenden Verkehrsstaus, drastisch ansteigen. Grundlage für diese Erkenntnis sind die über einen Zeitraum von 24 Monaten erfolgten Aufzeichnungen von Verkehrsstaus beim Bau eines 200-m langen Ersatzbrückenbauwerks. Bei einer täglichen Verkehrs-belastung von 45.000 KFZ, ergibt sich der gesamte Anteil der CO 2 -Emissionen in den ersten 2 Jahren während der Bauzeit im Verhältnis zu dem gesamten Lebenszyklus von 100 Jahren zu 83-%. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen die RWTH- Aachen und die Bauunternehmung Gebr. Echterhoff in ihrer Studie, über den Einfluss von kurzen Bauzeiten auf die entstehenden CO 2 -Emissionen. Bei der Betrachtung der Baumaßnahme „Afferder Weg“, BAB A1 zwischen den Autobahnkreuzen Dortmund/ Unna und Kamen, wurden zwei Brückenteilbauwerke als Ersatzbauwerke im Zuge der BAB A1 in nur 8 Monaten Gesamtbauzeit hergestellt. Die für solche Bauwerke sonst übliche Bauzeit in konventioneller Bauweise beträgt normalerweise 24 Monate. Die Autobahn wird in diesem Streckenabschnitt täglich von 120.000 KFZ frequentiert. Anhand der Studie sollte ermittelt werden, wieviel CO 2 -Emissionen durch die Zementherstellung der für beide Teilbauwerke benötigten Betonmenge von 2.070 m 3 entstanden sind und welche Menge CO 2 durch die Bauzeitverkürzung von 16 Monaten vermieden wurde. Das Ergebnis war sehr eindeutig! Während die CO 2 -Emissionen durch die Zementherstellung für 2.070 m 3 Beton, mit 595 kg/ CO 2 pro Tonne Zement und 395 kg Zement je m 3 Beton zu einer Gesamtmenge CO 2 von 476 to CO 2 -Emissionen führte, ergab sich die Vermeidung von CO 2 -Emissionen durch die 16-monatige Bauzeitverkürzung zu 52.400 to. Der Berechnung lag die Annahme von 120.000 KFZ mit 20-% LKW und 80-% PKW sowie einem täglichen Verkehrsstau je KFZ von 30 Minuten durch die Fahrbahnverengung der 6+0 Verkehrsführung zu Grunde. Bei genauerer Betrachtung beträgt die CO 2 -Emission in diesem Fall also weniger als 1-% der CO 2 -Emission aus der Zementherstellung. Auch wenn diese Berechnungen gewisse Unschärfen beinhalten mögen, so ist die Tendenz doch eindeutig. Zusammenfassung Mit der Planung und Ausführung der Brücke Amelsbürener Straße in Fertigteilbauweise wurde eine modulare Expressbauweise sowohl für die Überbauten als auch für die Unterbauten erfolgreich umgesetzt. Für die Herstellung der Unterbauten wurden zwei verschiedene Ausführungsvarianten vorgestellt, die durch eine große werkseitige Vorfertigung die Bauzeiten deutlich verkürzen können. Mit beiden Pilotprojekten wurde jeweils immense Bauzeiten-verkürzungen erzielt. Die Überbauten beider Bauwerke wurden mit vorgespannten Fertigteilen aus hochfestem Beton (C80/ 95) ausgeführt. Der Überbau der Münster Straße diente hierbei mit moderaten Spannweiten von ca. 16,26-m der Erfahrungssammlung und als Test bei der Planung und Ausführung. Mit dem Ersatzneubau Amelsbürener Straße wurden anschließend das gesamte Potential dieser hochfesten vorgespannten Fertigteilträger ausgeschöpft, als 432 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Schnellbausysteme als Beitrag zum nachhaltigen Brückenbau - Nutzung von weitgespannten Fertigteilen aus C80/ 95 eine Überführung einer 6-spurigen Autobahn ohne Zwischenunterstützung realisiert wurde. Das Gesamtgewicht dieser Fertigteil-Längsträger betrug dabei bis zu 110-to. Durch den Einsatz von speziellen Hybridkappen aus Stahl oder Carbonbeton kann die Bauzeit nochmals reduziert werden. Die Hybridkappen können bereits vor dem Einhub der Randträger auf diesen montiert werden, wodurch zusätzliche Schalarbeiten entfallen. Auch Geländer und Lärmschutzwände können bereits vormontiert sein. Welch großen Einfluss die Bauzeit auf die CO 2 -Emmision hat konnte in verschiedenen Studien aufgezeigt werden. Hieraus geht eindeutig hervor: Je kürzer die Bauzeit von Ersatzbrückenbauwerken unter laufendem Verkehr, umso geringer die enormen CO 2 -Belastungen aus Verkehrsstaus. Literatur [1] Ewert, S. (2003) Brücken - Die Entwicklung der Spannweiten und System. Ernst & Sohn. [2] Bernhardt, K.; Brameshuber, W.; König, G.; Krill, A.; Zink, M. (1998) Vorgespannter Hochleistungsbeton: Erstanwendung in Deutschland beim Pilotprojekt Sasbach. Beton- und Stahlbetonbau 94, H. 5, S. 216-223. Erst und Sohn. [3] König, G.; Weigel, F.; Zink, M.; Arnold, A.; Maurer, R. (2002) Erste deutsche Großbrücke aus Hochleistungsbeton - Brücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau. Beton- und Stahlbetonbau 97, H. 6, S. 303-307. Erst und Sohn. [4] Maurer, R.; Weigel, F.; Arnold, A.; (2005) Bauwerksmonitoring an einer Brücke aus Hochleistungsbeton. Beton- und Stahlbetonbau 100, H. 3, S. 195-206. Erst und Sohn. [5] Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 2: Betonbrücken, Bemessungs- und Konstruktionsregeln. [6] Richter, C.; Reddemann, T. (2022) Einsparung CO2-Emissonen durch Bauzeitverkürzung am Beispiel Baumaßnahme Afferder Weg / BAB A1. Studie. Center Building an Infrastructure Engineering des RWTH Aachen Campus. [7] Hoppe, J., Forman, P., Mark, P. (20222) CO2-Bilanzierung über den Bauwerkslebenszyklus. Lehrstuhl für Massivbau, Ruhr-Universität Bochum.