Brückenkolloquium
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2510-7895
expert verlag Tübingen
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Innovatives Brückenharz mit verbesserter Performance und reduziertem CO2-Fußabdruck
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Cenk Uslu
Die Nachfrage nach Produkten, welche einen reduzierten Product Carbon Footprint (PCF) haben und zur Defossilisierung beitragen, ist seit einigen Jahren in vielen Wirtschaftsbereichen gestiegen. Bei zahlreichen Infrastrukturbauwerken besteht zudem ein hoher Nachholbedarf bezüglich ihrer Sanierung. Um die damit verbundenen Emissionsentstehungen zu reduzieren, wurde ein neues Epoxidharz mit reduzierter CO2-Bilanz entwickelt. Die Produktlösung soll einen Beitrag zur Erreichung der Emissionsziele der am Bau Beteiligten leisten. Die Emissionen werden durch die Verwendung dieser Neuentwicklung im Vergleich zum aktuellen Vorgängerprodukt gesenkt und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen wird verringert. Insbesondere für die Anwender ist der integrierte Carbamatschutz von klarem Nutzen. Der erhöhte Schutz vor Carbamatbildung führt zu einer gleichermaßen erhöhten Witterungsbeständigkeit des Materials.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 471 Innovatives Brückenharz mit verbesserter Performance und reduziertem CO 2 -Fußabdruck Cenk Uslu, M. Sc. Sika Deutschland GmbH, Stuttgart Zusammenfassung Die Nachfrage nach Produkten, welche einen reduzierten Product Carbon Footprint (PCF) haben und zur Defossilisierung beitragen, ist seit einigen Jahren in vielen Wirtschaftsbereichen gestiegen. Bei zahlreichen Infrastrukturbauwerken besteht zudem ein hoher Nachholbedarf bezüglich ihrer Sanierung. Um die damit verbundenen Emissionsentstehungen zu reduzieren, wurde ein neues Epoxidharz mit reduzierter CO 2 -Bilanz entwickelt. Die Produktlösung soll einen Beitrag zur Erreichung der Emissionsziele der am Bau Beteiligten leisten. Die Emissionen werden durch die Verwendung dieser Neuentwicklung im Vergleich zum aktuellen Vorgängerprodukt gesenkt und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen wird verringert. Insbesondere für die Anwender ist der integrierte Carbamatschutz von klarem Nutzen. Der erhöhte Schutz vor Carbamatbildung führt zu einer gleichermaßen erhöhten Witterungsbeständigkeit des Materials. 1. Einführung Aufgrund des im November 2016 in Kraft getretenen Pariser Klimaabkommens [1] haben sich 195 Staaten dazu verpflichtet, so bald wie möglich den Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, den Klimawandel einzudämmen und die Erderwärmung auf möglichst 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies soll durch innerstaatlich festgelegte Minderungsmaßnahmen verwirklicht werden. Zudem soll ab der zweiten Jahreshälfte dieses Jahrhunderts eine Treibhausgasneutralität erreicht werden. Die drei Hauptziele des Abkommens können wie folgt zusammengefasst werden: - Beschränkung des Anstiegs der weltweiten Durchschnittstemperatur. - Senkung der Emissionen und Anpassung an den Klimawandel. - Lenkung von Finanzmitteln im Einklang mit den Klimaschutzzielen. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und damit den Wandel einzuleiten, wurde im Jahr 2019 auf europäischer Ebene der European Green Deal-[2] beschlossen. Durch den Deal haben sich alle 27 EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, Europa zu einem klimaneutralen Kontinent zu transformieren, durch die Erreichung einer Treibhausgasneutralität bis 2050. Zur Erreichung des Ziels wurde im Jahr 2021 das Europäische Klimagesetzt [3] verabschiedet. Eines der wichtigsten Ziele daraus ist die Reduktion der Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 %. Bis zum Jahr 2040 sollen die Emissionen um mindestens 90 % gegenüber dem Stand von 1990 reduziert werden. Zur Erreichung der europäischen Klimaziele ist in Deutschland das Bundes-Klimaschutzgesetzt (KSG) [4] durch Verkündung im Bundesgesetzblatt am 17. Juli 2024 in Kraft getreten und definiert in §3 die Nationalen Klimaschutzziele als prozentuale Minderung der Emissionen gegenüber den Emissionen aus dem Jahr 1990 [Abb. 1]. Zusammen mit den Maßnahmen aus dem im Jahr 2023 beschlossenen Klimaschutzprogramms sollen die Ziele aus dem Klimaschutzgesetzt verfolgt werden. Abb. 1: Emissionsziele aus dem Bundesklimaschutzgesetz Unternehmen verpflichten sich durch Unterstützung der Science Based Targets initiative (SBTi) [5], ihre Emissionen in dem Umfang zu verringern, den die Wissenschaft als notwendig erachtet, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Eine Liste der unterstützenden Unternehmen kann auf der Seite der SBTi eingesehen werden [5]. 472 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Innovatives Brückenharz mit verbesserter Performance und reduziertem CO 2 -Fußabdruck Abb. 2: Sika-Strategie zur Erreichung der Netto-Null-Verpflichtung 2050 Eine konsequente Kombination von Nachhaltigkeit und Innovation ist der klare Fokus von Sika in der Strategie 2028. Ein zentraler Teil ist hierbei das Netto-Null-Versprechen, durch welche sich Sika gegenüber der Science Based Targets initiative (SBTi) verpflichtet hat, die Unternehmensemissionen zu senken [Abb. 2]. Diese Emissionsreduktion entspricht dem Ziel, die Erderwärmung um nicht mehr als 1,5 °C zu überschreiten. Dadurch ist der Fokus auf Lösungen gerichtet, die dieses Ziel unterstützen. Eines davon stellt das neu entwickelte Produkt SikaShield ® -501 Primer Pro dar. Auf Unternehmensebene werden die Treibhausgas-emissionen nach dem Standard des Greenhouse Gas Protocol (GHGP) in Scope 1, 2 und 3 unterteilt [Abb. 3]. Scope 1: Direkte Emissionen aus eigenen und kontrollierten Quellen (z. B. Kraftstoffverbrennung, Fuhrparkfahrzeuge). Scope 2: Indirekte Emissionen aus der Erzeugung von bezogenem Strom, Wärme, Dampf und Kälte. Scope 3: Alle weiteren indirekten Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des Unternehmens. Diese werden nach dem GHG-Protocol in 15-Kategorien eingeteilt, wie beispielsweise eingekaufte Rohstoffe, Transportwege und Entsorgung der verkauften Produkte. Abb. 3: Grafische Erläuterung der Scopes 1, 2 und 3 Die Emissionen aus eingekauften Rohstoffen gehören bei der Sika Deutschland GmbH zu den Scope 3 Emissionen und bieten einen großen Hebel für Emissionseinsparungen [Abb. 4]. Abb. 4: Scopes 1, 2 und 3 auf Unternehmensebene Sika 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 473 Innovatives Brückenharz mit verbesserter Performance und reduziertem CO 2 -Fußabdruck 2. Die SPM-Methode (Sustainability Portfolio Management) Die Kommunikation der Nachhaltigkeitsaspekte eines Produktes muss wahrheitsgemäß, genau und transparent sein. Sie muss auf einer rationalen und vertretbaren Methodik beruhen. Die Methodik, die zur Bereitstellung von Informationen für die Umwelterklärungen verwendet wird, muss weithin anerkannt und akzeptiert oder anderweitig vertretbar sein, um Vertrauen zu schaffen. Die Methodik muss geeignet sein, um genaue und reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen. Die SPM-Methode ist die von Sika angewandte Methodik zur Bewertung, Klassifizierung und Vermarktung der Produkte in definierten Marktsegmenten in Bezug auf zwölf Nachhaltigkeits- und sechs Leistungskategorien [Abb. 5, 6]. Jede Kategorie beinhaltet mehrere Kriterien, sodass in Summe ca. 60 davon durch die jeweiligen Experten aus den Fachabteilungen beantwortet bzw. belegt werden müssen. Abb. 5: SPM-Leistungskategorien Abb. 6: SPM-Nachhaltigkeitskategorien Zur Beantwortung der Kriterien ist ein Team aus den unterschiedlichsten Fachabteilungen notwendig, welche ihren Beitrag zur Evaluation leisten müssen, um das Produkt bestmöglich zu klassifizieren. Durch diese Methode können Produkte faktenbasiert, transparent und zuverlässig bewertet werden. Die Produktevaluation über das SPM ist international anerkannt und extern geprüft sowie im Einklang mit dem PSA-Standard des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Nach vollständiger Durch-führung der Evaluation erhält das Produkt eine der Klassifizierungen A bis F [Abb. 7]. Abb. 7: SPM-Label für die Klassifizierung von Produkten Ausschließlich Produkte der Bestklassifizierung A dürfen das Logo „More Performance More Sustainable” bei der Außenkommunikation nutzen [Abb. 8]. Abb. 8: Logo „More Performance More Sustainable” Die unterstützenden Informationen müssen den Kunden und der Zielgruppe öffentlich zugänglich sein oder auf Anfrage unter Anwendung einer Vertraulichkeitserklärung bereitgestellt werden. Die vorgesehenen Kunden und Zielgruppen benötigen Informationen über die kommunizierte Umwelterklärung, damit sie die ihr zugrunde liegenden Prinzipien, Annahmen und Randbedingungen verstehen. Diese Informationen müssen ausreichend und hinreichend verständlich sein. Zu finden sind sie in einem Sustainability Fact Sheet für die jeweiligen Produkte. 3. Wo wird das Produkt angewendet? Bei SikaShield ® -501 Primer Pro handelt es sich um ein Epoxidharzbasis für befahrbare Abdichtungssysteme mit Polymerbitumen-Schweißbahnen und Gussasphalt nach ZTV-ING 6-1 und DIN 18532-2. Das Harz findet Anwendung als Versiegelung oder Kratzspachtelung in der Behandlung von Fahrbahntafeln aus Beton bei Ingenieurbauwerken wie Brücken oder Parkbauten. 4. Welchen Beitrag leistet das Produkt zum Klimaschutz? Im Vergleich zum aktuellen Vorgängerprodukt Sika Ergodur ® -500 Pro ist der gemäß ISO 14044 berechnete CO 2 - Fußabdruck um 10 % geringer. Das Produkt leistet zudem einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Bei dem in der neuen Formulierung enthaltenen Biopolymer handelt es sich um ein Nebenprodukt, durch dessen Einsatz fossile Rohstoffe eingespart werden können. 474 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Innovatives Brückenharz mit verbesserter Performance und reduziertem CO 2 -Fußabdruck Neben der Rohstoffformulierung wurde auf eine emissionsärmere Verpackung gesetzt. Laut des Verpackungsherstellers können ca. 60 % der Emissionen im Vergleich zum vorherigen Weißblech-Hobbock eingespart werden. 5. Was ist das Neue an der Innovation? Der Schwerpunkt der Produktentwicklung lag in der Verbesserung der Formulierung. Während die Transport- und Herstellungsprozesse bei dem Referenzprodukt und der Neuentwicklung vergleichbar sind, konnte durch den Rohstoffaustausch ein großer Hebel zur Emissionsreduktion bedient und gleichzeitig die Leistung verbessert werden. Die Besonderheit der innovativen Produktlösung ist der Anteil an Biopolymer, welcher zu einem reduzierten CO 2 - Fußabdruck des Produktes führt. Zudem kommt das neue Bauprodukt mit einem erhöhten Schutz vor Carbamatbildung auf den Markt. Carbamate entstehen oft beim Aushärtungsprozess von Epoxidharzen, bei Temperaturen unter 15 °C und in Anwesenheit von Wasser und CO 2 . Neben einer optischen Veränderung kann sich das Carbamat je nach Intensität negativ auf die Zwischenhaftung einzelner Beschichtungen auswirken und dadurch die Dauerhaftigkeit des Beschichtungsaufbaus einschränken. Durch die Verwendung der Neuentwicklung kann der Entstehung bestmöglich vorgebeugt werden. Dies spart Ressourcen, Zeit und Kosten. Es vereint die Aspekte Leistung und Nachhaltigkeit miteinander, indem es in beiden Aspekten einen Vorteil gegenüber dem aktuellen Vorgängerprodukt aufweist und somit als „More Performance More Sustainable“-Lösung die Akzeptanz auf dem Markt steigert. 6. Was ist die Zielgruppe der Innovation? Die Innovation richtet sich an professionelle Anwender, Planer und Architekten, welche sich mit Parkbauten und Brückenbauwerken beschäftigen und welche durch den Einsatz von Produkten mit reduziertem ökologischem Fußabdruck ihre eigenen Emissionsziele erreichen, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen senken und damit einen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft leisten möchten. Literatur [1] Pariser Klimaabkommen. [2] European Green Deal. [3] EU-Klimagesetz. [4] Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). [5] Science-Based Targets Initiative (SBTi). [6] Greenhouse Gas Protocol (GHGP). [7] SPM - Sustainability Portfolio Management. [8] ZTV-ING 6-1 (2022-01). [9] DIN 18532-2 (2017-07).
