Brückenkolloquium
kbr
2510-7895
expert verlag Tübingen
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2024
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Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen
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Marc-Patrick Pfleger
Patrick Huber
Die Herstellung von Betonkonstruktionen und die Gestaltungsfreiheiten bei diesen Konstruktionen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Einsatz unterschiedlicher Schalungselemente bzw. vorhandener Einschränkungen durch Schalungssysteme. Besonders im Infrastrukturbau und vereinzelt auch im Hochbau werden komplexe Geometrien, bspw. einfach oder doppelt gekrümmte Flächen, aus Beton bzw. Stahlbeton hergestellt. Dazu ist die aufwändige, maßgenaue Anfertigung von formgebenden Schalungsboxen erforderlich, die dort eingesetzt werden, wo wiederverwendbare Systemschalungen eine ungenügende Anpassbarkeit aufweisen. Der Beitrag zeigt Möglichkeiten zur deutlichen Effizienzsteigerung bei der Herstellung von Sonderschalungen durch durchgängige, vollautomatisierte Softwareprozesse zur Bereitstellung von CNC-Daten aus 3D-Geometrien auf. Die Schalungselemente werden mittels eines statisch wirksamen Holz-Stecksystems aus Sperrholz hergestellt und erfüllen durch die automatisch dimensionierten Zapfen-Verbindungen hohe Ansprüche an Genauigkeit und Steifigkeit. Der Beitrag stellt den Prozess inkl. ausgewählter praktischer Beispiele dar.
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6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 523 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen Dipl.-Ing. Marc-Patrick Pfleger DataB GmbH, Biedermannsdorf, Österreich Univ.-Prof. Dr. techn. Patrick Huber DataB GmbH, Biedermannsdorf, Österreich TU Wien, Institut für Tragkonstruktionen, Fachbereich Stahlbeton- und Massivbau, Österreich Zusammenfassung Die Herstellung von Betonkonstruktionen und die Gestaltungsfreiheiten bei diesen Konstruktionen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Einsatz unterschiedlicher Schalungselemente bzw. vorhandener Einschränkungen durch Schalungssysteme. Besonders im Infrastrukturbau und vereinzelt auch im Hochbau werden komplexe Geometrien, bspw. einfach oder doppelt gekrümmte Flächen, aus Beton bzw. Stahlbeton hergestellt. Dazu ist die aufwändige, maßgenaue Anfertigung von formgebenden Schalungsboxen erforderlich, die dort eingesetzt werden, wo wiederverwendbare Systemschalungen eine ungenügende Anpassbarkeit aufweisen. Der Beitrag zeigt Möglichkeiten zur deutlichen Effizienzsteigerung bei der Herstellung von Sonderschalungen durch durchgängige, vollautomatisierte Softwareprozesse zur Bereitstellung von CNC-Daten aus 3D-Geometrien auf. Die Schalungselemente werden mittels eines statisch wirksamen Holz-Stecksystems aus Sperrholz hergestellt und erfüllen durch die automatisch dimensionierten Zapfen-Verbindungen hohe Ansprüche an Genauigkeit und Steifigkeit. Der Beitrag stellt den Prozess inkl. ausgewählter praktischer Beispiele dar. 1. Einführung und Problemstellung Im Bereich des konstruktiven Ingenieurbaus, speziell im (Groß-)Brückenbau, ergeben sich häufig Herausforderungen im Zusammenhang mit der Herstellung von komplexen Betongeometrien. Durch sich ändernde Querschnittsgestaltungen bzw. Sonderquerschnitte im Bereich von Widerlagern bzw. Pfeilern, Endquerträgern von Brückentragwerken oder beispielsweise Zwischenstützen mit Verankerungselementen der Spannbewehrung (Lisenen) ergeben sich Formen, die nicht über den alleinigen Einsatz von gängigen Systemschalungen herzustellen sind. Ähnlich finden sich auch im Hochbau etliche Problemstellungen wieder, die die Herstellung von komplexen, filigranen Bauteilen erforderlich machen. Oftmals werden daher in solchen Situationen Schalungseinlageboxen zur Herstellung der zu erzielenden Betongeometrie angefertigt. Sie dienen als formgebende Elemente zwischen Standardbzw. Systemschalungselementen und der späteren Betonoberfläche. Daher ergeben sich sowohl statische (Aufnahme und Weiterleitung des Betondrucks), als auch optische Anforderungen (gewünschte Betonqualität und Oberflächenstruktur). Speziell bei der Herstellung von doppelt-, aber auch einfach gekrümmten oder feingliedrigen Strukturen ergeben sich bei herkömmlicher Umsetzung hohe Planungs- und damit Kostenaufwände für geeignete Sonderschalungselemente. Zusätzlich stellt sich die konventionelle Ausführung oft als problematisch dar, da die Fertigung der Schalungselemente handwerklich komplexe und zeitintensive Arbeitsschritte bedingt. Es entstehen dadurch häufig auch deutliche Hürden in der praktischen Umsetzung von materialeffizienten und ressourcenoptimierten Betonbauteilen. Bauwerksplanungen als 3D-Modelle sind inzwischen weit verbreitet und sind im Zunehmen, jedoch werden die Potenziale der vorhandenen Daten nur zu kleinen Teilen bei der Umsetzung genutzt. Vor allem im Neubau ist die Grundlage für einen durchgängigen digitalen Prozess inkl. der Automatisierung von Herstellungs- und Produktionsprozessen bereits gegeben. Aufgrund aktuell fehlender Möglichkeiten und Werkzeuge im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung in der Bauindustrie bleiben die genannten Optimierungspotenziale der Herstellungsprozesse ungenutzt. Zusätzliche Dringlichkeiten zur Effizienzsteigerung von Tragwerken entstehen aus den allgemeinen Klimaschutz-Bestrebungen und der dazu nötigen Reduktion von klimarelevanten Emissionen. Die Betonherstellung, dabei vor allem die Produktion des nötigen Zements, ist für einen hohen Anteil der menschlich verursachten CO 2 Emissionen verantwortlich. Aktuelle Veröffentlichungen gehen von einem Anteil von ca. 6 bis 10 % der anthropogenen Treibhausgase aus, die vorwiegend beim Brennen der Rohstoffe zu Portlandzementklinker entstehen. Bei technisch zeitgemäßen Zementproduktionsanlagen belaufen sich die Emissionen auf ca. 680 - 760 kg CO 2 pro Tonne Klinker. Bei solchen Brennverfahren entstehen rund ⅔ der Emissionen aus der Entsäuerung des Kalksteins und sind damit chemisch bedingt. Rund ⅓ entsteht durch die Verbrennung von Energieträgern, wobei die chemisch bedingten Abgase bei gleichbleibendem Produkt nicht vermindert werden können. Über die reduzierte Querschnittsgestaltung, mithilfe entsprechender Schalungslösungen zum gezielten, statisch-konstruktiv relevanten Materialeinsatz, sollen effektiv zusätzliche Po- 524 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen tenziale zur Ökologisierung von Betonbauteilen genutzt werden [1], [2]. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich anhand von konkreten Praxisprojekten damit, wie der gezielte Einsatz von hochgradig digitalisierten Planungs- und Produktionsprozessen mit zusätzlicher Einbindung von KI-Technologien dazu führen kann, den beschriebenen Aufwand im Sonderschalungsbau gravierend reduzieren zu können. Die Bereitstellung der notwendigen Datengrundlagen kann dabei auf verschiedene Weise erfolgen, bspw. Skizzen, 2D oder 3D Plangrundlagen oder Punktewolken. Der nachgelagerte Verarbeitungsprozess verläuft einheitlich über die automatisierte Umwandlung der vorhandenen Daten in 3D-Geometrien. Die integrierten Konstruktions- und Bemessungsalgorithmen zur Generierung der Produktionsdaten der Schalungsteile arbeiten auf Basis des vorgegebenen Betonagekonzepts. Die Einzelteile der Schalungsboxen werden, ohne eine zusätzlich nötig werdende Werkplanung aus Holzwerkstoffplatten mit passgenauen Holz-Steckverbindungen, die auch zur Kraftübertragung innerhalb der Bauteile dienen, CNC-gefräst. Diese Holzsteckverbindungen führen zu einer deutlichen Verkürzung der Montagezeiten und erhöhen den Vorfertigungsgrad [3], [4]. 2. Ökologische und ökonomische Potenziale im Betonbau durch Materialreduktion und Automatisierung Durch die Optimierung von Bauteilen auf ihre einfache und kostengünstige Herstellbarkeit ergeben sich im Zuge vieler Bauvorhaben reduzierte, einfache, geometrische Formen. Dies geschieht häufig in Abstimmung mit verfügbaren Systemschalungen und deren Rastermaßen und damit verbundenen gestalterischen Einschränkungen. Die hohe Wiederverwendbarkeit von Systemschalungen (siehe Abb. 1.) und deren einfache Montage führen gegenüber anderen Lösungen zu großen ökonomischen Vorteilen. Abb. 1: Systemschalungselemente mit Unterstellung zur effizienten Herstellung von Flachdecken Historische Beispiele zeigen jedoch anschaulich, wie ressourcenschonende Betonkonstruktionen umgesetzt werden können. Durch Auflösen der vollen Bauteilquerschnitte von bspw. Flachdecken in Rippenkonstruktionen, die in ihrer Anordnung dem Kraftfluss bzw. der Lastableitung entsprechen, entstehen deutlich materialreduzierte Deckensysteme. Hierbei wären vor allem Beispiele des Hochbaus aus dem 20. Jahrhundert nach der Planung von Pier Luigi Nervi zu nennen (siehe Abb. 2 und 4). Abb. 2: Querschnittsoptimierte, kraftfluss-angepasste Rippendecke nach Pier Luigi Nervi Im modernen Betonbau, der typologisch häufig einem Skelettbau entspricht, findet sich der größte Materialbedarf in den flächigen, vorwiegend den horizontalen, Bauteilen wieder, Abb. 3. Die erforderlichen Aussparungskörper zur Herstellung der Quer- und Längsrippen sind individuelle, ergänzende Schalungselemente, die bei klassischer Fertigung aufwändig an die jeweiligen Bauteilabmessungen und den Einbauort angepasst werden müssen. Abb. 3: Gewichts- und materialreduzierter, aufgelöster Stützen-Decken-Knoten entsprechend der technischen Form Wie beschrieben, steht einer materialeffizienten Konstruktion ein hoher Schalungsaufwand gegenüber, Abb. 4. Eine Abwägung der Vorteile und des Mehraufwands sollte nicht rein aus ökonomischen Gesichtspunkten stattfinden, da wichtige Klimaschutzziele durch eine Reduktion der Gewinnung von primären Rohstoffen und damit eine verringerte Ressourcennutzung und -verarbeitung aktiv verfolgt werden können. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 525 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen Abb. 4: Aufwendiger Schalungsbau zur Herstellung einer strukturoptimierten Kuppel in Turin nach P. L. Nervi Anders als im Hochbau, wo Sonderschalungen zur Ressourcenoptimierung eingesetzt werden können oder für die Herstellung von Sonderbauten nötig werden, steht man im Infrastrukturbau häufig vor der Herausforderung, schalungstechnisch aufwendige Geometrien herstellen zu müssen. Diese ergeben sich im Neubau bspw. aus der Anpassung der Bauwerke an die natürlichen Gegebenheiten, grundlegenden technischen Notwendigkeiten oder architektonischen Anforderungen. Als Beispiele können der Bau von Tragwerken mit (veränderlich) gekrümmter Achse, die Herstellung von Vouten, Endquerträgern oder Spannankernischen, sowie konische Pfeilerquerschnitte bzw. Pfeilerköpfe mit Aufweitungen genannt werden, Abb. 5, Abb. 6. Abb. 5: Verjüngter Pfeilerschaft und doppeltgekrümmte Pfeilerkopfaufweitung, hergestellt mit Kletterschalsatz mit Brettbelegung Abb. 6: Sonderschalungen zur Herstellung von gekrümmten Untersichten und des Endquerträgers Neben den technischen Herausforderungen im Zuge der Herstellung von Neubauten, tritt die Notwendigkeit der Bestandssanierung immer mehr in den Vordergrund. Der Brückenbestand des hochrangigen Straßennetzes in Deutschland und Österreich wurde zum größten Teil bis Ende der 1970er Jahre hergestellt, wodurch immer umfangreichere Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich werden. Die Arbeiten finden dabei an Bestandskonstruktionen statt, die bspw. bei Querschnittsergänzungen eine exakte Anpassung der Schalungsgeometrie erforderlich machen. Dadurch ist der Einsatz von Systemkomponenten oftmals nicht oder nur in begrenztem Ausmaß möglich. Es wird folglich an den Bestand angepasstes, für den Anwendungsfall gesondert hergestelltes Schalungsmaterial nötig. Aufgrund aktuell noch mangelnder Automatisierung bezogen auf die Bestandsaufnahme mittels 3D-Scan, das Zusammenführen mit den Soll-Geometrien aus der Planung und die direkte Weiterverarbeitung der Daten zur Produktion, kann die Vorfertigung der Schalungen zum Teil nur in sehr eingeschränktem Maß ausgeführt werden. Es ergeben sich dadurch große ökonomische Potenziale zur Beschleunigung des Bauablaufs durch die automatische Bestandsdatenverarbeitung zur Auslegung und Bereitstellung des nötigen Schalungsmaterials. Als Beispiele können in diesem Zusammenhang Schalungselemente für Pfeiler- oder Tragwerksverstärkung bzw. Ersatz der Brückenkappen genannt werden. 3. Material- und Systembeschreibung Das Prinzip des Konstruktionssystems basiert auf einem hochautomatisierten, digitalen Prozess. Grundsätzliches Ziel war es, ein robustes und skalierbares Ökosystem für die digitale Planung, Fertigung, Herstellung und den Bau von Holzleichtbauelementen zu schaffen. Die vorgefertigten Bauteile bzw. Schalungselemente werden aus Holzwerkstoffplatten mit Standardformaten gefräst. Die Holzbzw. Werkstoffart kann nach den jeweiligen Anforderungen frei gewählt werden, eine nähere Beschreibung wird unter Abschnitt 3.1 angegeben. Die einzelnen Frästeile werden automatisch generiert und mittels einer speziell entwickelten Software so auf die Rohplatten an- 526 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen geordnet, dass ein möglichst idealer Materialausnutzungsgrad erreicht wird. Die Positionierung und die Übertragung der Kräfte zwischen den einzelnen Teilen werden durch Holz-Holz-Verzahnungen gewährleistet. Der Einsatz von metallischen Verbindungsmitteln wird nur zur Lagefixierung der Einzelteile erforderlich. Der zugrundeliegende Softwareprozess und die Detailausbildung der Holzverbindungen entstammen der automatisierten Konstruktion und Produktion von Holzleichtbauelementen für den Hochbau. Das System erlaubt es 3D-Volumen, die bspw. Wände, Decken, Stützen, etc. darstellen, in Bauteile und deren Einzelkomponenten umzuwandeln. Über die Berücksichtigung eingebetteter statisch-konstruktiver Regeln wird automatisiert ein, den Gegebenheiten angepasstes, tragfähiges Bauteil dimensioniert und die nötigen Produktionsdaten erstellt. 3.1 Materialien Zur Fertigung können verschiedene Holzwerkstoffplatten verwendet werden, die mittels CNC-Maschinen bearbeitet werden können. Oftmals bestehen unterschiedliche Anforderungen an Unterkonstruktionsmaterial und Schalhaut, die für eine optimale Betonoberflächenqualität geschliffen oder gar beschichtet sein muss. Die Wahl des formgebenden Unterkonstruktionsmaterials wird einerseits aufgrund statischer Erfordernisse und andererseits aufgrund der Belastung durch äußere Einflüsse getroffen. Durch die Verzahnung der Einzelteile können lastverteilende Elemente oder Tragrippen in die Schalungsboxen integriert werden, wobei besonders auf die Materialkennwerte des Holzwerkstoffs zu achten ist und diese in die integrierte Bemessung eingebunden werden müssen. Bewährte Werkstoffe zur Herstellung von tragenden Elementen und Unterkonstruktionen sind Fichten- und Kiefernsperrhölzer mit wasserfester Verklebung und 7-schichtigem Auf bau. Vorwiegend kommen Materialstärken zwischen 18 und 21 mm zur Anwendung, wobei die Materialdicke automatisch, aufgrund der hinterlegten Parameter (Grundkonstruktion, Riegel- oder Ankerabstände, Betonierdruck, etc.) und der Schalungsboxgeometrie, gewählt wird. Das eingesetzte Sperrholz besitzt zumeist 4 Längs- und 3 Querlagen, wodurch sich unterschiedliche Tragfähigkeiten bzw. Festigkeiten in Abhängigkeit der Beanspruchungsrichtung ergeben. Die Einzelteile werden daher softwaregesteuert so auf dem Rohmaterial angeordnet und hergestellt, dass die Furnierausrichtung der Hauptbeanspruchung jedes einzelnen Frästeils entspricht. Die Wahl der Verbindungsgeometrie und jene der Passung der Steckverbindungen ergibt sich aus statischen Anforderungen und Aspekten der leichten Zusammenbaubarkeit. Vor allem die Passung der Verbindungen, sowie die vorhandene Scherfläche bzw. die Zapfen-/ Nutlänge haben durch den sich ergebenden Schlupf wesentlich Einfluss auf die Nachgiebigkeit der Verbindung und somit auf das Verformungsverhalten sowie die Lastableitung. Um das Verhalten von mittels Steckverbindungen zusammengesetzten Bauteilen ideal prognostizieren zu können, sind umfangreiche Versuchsreihen an Einzelzapfenverbindungen durchgeführt worden, wobei die Verbindungsparameter variiert worden sind. Die Versuche sind, aufgrund besserer Vergleichbarkeit, in Anlehnung an spezifische Referenzprojekte durchgeführt worden [5] - [7]. Um das aus den Versuchsergebnissen des Einzelzapfen-Verhaltens erstellte Berechnungsmodell zur Durchbiegungs- und Verschiebungsprognose kalibrieren zu können, wurden ergänzende Versuche an Biegeträgern, auf Basis der vorhandenen Referenzen, durchgeführt [8]. 3.2 Maschinen und Produktion Nachdem zur Bauteilfertigung nur Standardplattenformate verwendet werden, beschränkt sich der Maschineneinsatz auf herkömmliche CNC-Bearbeitungszentren, die mit unterschiedlichen Werkzeugen in einem automatischen Werkzeugwechsler bestückt sind. Die Einzelteilfertigung findet aufgrund der guten Automatisier- und Skalierbarkeit mit CNC-Maschinen statt, die für die Verarbeitung von Plattenmaterialien optimiert sind. Größtenteils ist die Materialbearbeitung mit 3-Achsmaschinen ausreichend und aufgrund der hohen Fräsgeschwindigkeit zu bevorzugen. Zur Herstellung von Gehrungen, die häufig zur fugenlosen Fertigung der Schalhaut erforderlich werden, ist eine Materialbearbeitung in 5 Achsen nötig. Dafür werden grundsätzlich technisch komplexere Maschinen eingesetzt, die neben dem Einsatz von verschiedenen Fräsen auch die Aufnahme von Kreissägeaggregaten erlauben, um Kurvenschnitte auszuführen. Abb. 7: CNC-bearbeitetes und beschriftetes Grundmaterial zur Herstellung von Schalungsboxen mit 2 schrägen Flächen, UK-Material (o.) und Schalhaut (u.) 3.3 Zusammenbau des Stecksystems Die sortierten und nummerierten Teile können manuell mit einem Schonhammer zum fertigen Bauteil montiert und anschließend an definierten Stellen zur Lagesicherung verschraubt werden, Abb. 8. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 527 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen Abb. 8: Zusammenbau einer Rippenkonstruktion aus gefrästen Einzelteilen mit einem Schonhammer und anschließender Lagesicherung per Verschraubung Zur Herstellung einer für das Betonieren geeigneten Oberfläche können rein formgebende Schalungsboxen mit einer zusätzlichen Schalhaut versehen werden, bspw. durch eine Brettbelegung oder mit einer dünnen, beschichteten Holzwerkstoffplatte ohne Anforderungen an ihre Biegefestigkeit, Abb. 9. Abb. 9: Knaggenkasten eines Kletterschalsatzes zur Brettbelegung mit Zapfenverbindungen bei Querstößen und Schwalbenschwanzverbindern in Plattenebene 4. Prozesskette Die Datengrundlage für das automatische Generieren der Schalungsboxen stellt ein 3D-Modell der herzustellenden, fertigen Betongeometrie dar. Durch die ergänzende Vorgabe des Grundschalungssystems mit seinen lastableitenden Elementen kann in Kombination mit dem softwareintegrierten Flächenanalyse-Tool ein Schalkörper erzeugt werden, Abb. 10. Abb. 10: Vereinfachte Darstellung des 3D-Modells einer doppelt gekrümmten Schalungsbox mit vorgegebenem Schalungsträgerraster zur Dimensionierung der Verbindungen und Erzeugung der Produktionsdaten Das Modell wird unter Berücksichtigung verschiedener weiterer Randbedingungen, die zuvor definiert werden können, automatisch konstruiert. Beim Erzeugen der Schalungsbox werden Verformungen der Schalhaut, daraus resultierender nötiger Rippenabstand, die Anordnung von Queraussteifungen, um das Beulen der Knaggen zu verhindern, etc. berücksichtigt. Alle auf diese Weise erzeugten Modelle sind parametrisiert aufgebaut, wodurch Maßanpassungen oder Änderungen der Konstruktion jederzeit und leicht möglich sind. Die parametrische Grundlage bietet vor allem große Vorteile, wenn gleichartige Geometrien, mit jedoch jeweils unterschiedlichen Abmessungen, hergestellt werden sollen. Die Kombination von voll-automatisierten Fertigungsverfahren mit parametrischen Produktionsdaten bietet den Vorteil, die Herstellung von gleichartigen Einzelstücken als Serienproduktion ansehen zu können. Es entsteht auf dieser Basis eine ideale Grundlage für einen wirtschaftlichen Prozess für die Fertigung von Sonderschalungsteilen. Die auf Basis des 3D-Modells erzeugte Schalfläche muss entsprechend der vorhandenen Krümmung nachbearbeitet werden, um die Soll-Geometrie zu erreichen. Die Nachbearbeitung ist softwaremäßig integriert und führt in Abhängigkeit der Krümmungsverläufe zum Einschlitzen der Schalhautplatte in Längs- und Querrichtung und der Anordnung von Zapfenverbindern zur Unterkonstruktion zur Positionierung der Schalhaut. Zusätzlich muss die gewölbte Schalhaut möglichst exakt auf eine 2-dimensionale Fläche abgewickelt werden. Die dabei entstehenden Fehler durch die Projektion werden mittels mathematischer Operationen auf ein tolerierbares Maß reduziert. Abb. 11: Unterkonstruktion des Schalungselements mit Quer- und Längsrippen, entsprechend dem 3D-Modell aus Abb. 10. Die Aufteilung der Unterkonstruktionsrippen ergibt sich einerseits aus der Dicke der Schalhaut bzw. ihrer Steifigkeit zur Begrenzung der Durchbiegung, andererseits aus dem Raster bzw. dem Auf bau und den Lasteinleitungspunkten des Grundschalungssystems. Durch die direkte Schnittstelle zu FEM-Anwendungen können auch Beulanalysen und daraus resultierend Queraussteifungen eingebunden werden, vgl. Abb. 11, Abb. 12. 528 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen Abb. 12: Fertiges Schalungselement mit doppelt gekrümmter Fläche mit Durchfräsungen zur Positionierung der obersten Schalhaut 5. Anwendung und Praxisbeispiele Zur Beurteilung der Effizienz des beschriebenen Systems wurden verschiedene Anwendungsfälle anhand konkreter Bauprojekte ausgeführt und untersucht. Der neuartige Ansatz tritt dabei in direkte Konkurrenz mit bekannten konventionellen Methoden und Verfahren. 5.1 Freitragende Kappenschalung Das Ziel des Einsatzes von parametrisierten Schalelementen war die Optimierung des Schalaufwands bei einer Brückensanierung mit u. a. Erneuerung der Kappen (in Österreich Randbalken) durch die Vorfertigung von wiederverwendbaren, in sich steifen Schalelementen. Grundlegende Anforderung war die Herstellung von auf einem Schalboden selbststehenden L-förmigen Schalkästen, Abb. 13. Zur zusätzlichen Optimierung des Bauablaufs konnten die Schalungsteile mit unterseitigen Tragrippen ausgestattet werden, die über die Verzahnung mit der Schalhaut ein freitragendes System bilden. Auf Basis der Bestandsgeometrie wurden die Einzelelemente so hergestellt, dass eine gute Mehrfachverwendbarkeit, trotz abweichender Querschnittsabmessungen erreicht werden konnte. Die biegesteifen Rippen ermöglichen den Einbau und die Lagesicherung rein über eine außenseitige Verschiebesicherung. Durch dieses neuartige Schalungselement ist aufgrund des geringen Einbauaufwands eine raschere Herstellung der Kappen möglich. Im Rahmen von Instandsetzungen von Brücken ist der Ersatz der Kappen in vielen Fällen der Bauzeit der bestimmende Faktor. Abb. 13: Freitragendes Kappenschalelement mit Längstragrippen auf einem Konsolensystem 5.2 Schalungsboxen für Pfeilerverstärkung Im Zuge einer Tragwerksinstandsetzung mit Lagertausch war die Verbreiterung von Flusspfeilern erforderlich, um die nötigen Platzverhältnisse (Pressenaufstandsfläche) zum Aus- und Einbau von großen Kalottenlagern zu schaffen, Abb. 14. Abb. 14: Übersicht über die Einbausituation der Schalungsboxen innerhalb von Systemschalungs-elementen Aufgrund schlechter Zugänglichkeit und hohem Wasserstand mussten die vorgefertigten Einlegeboxen, Abb. 15, zur Herstellung der Soll-Geometrie innerhalb einer System-Wandschalung manuell zum Einbauort gebracht werden. Softwaregestützt wurde die Knaggenkastengeometrie in Einzelkomponente aufgeteilt, sodass die bauseitige Gewichtsvorgabe zur einfachen Manipulation eingehalten werden konnte und gleichzeitig, durch die vorgesehenen Steckverbindungen, eine kraft- und formschlüssige Konstruktion gegeben war. 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 529 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen Abb. 15: Eingebaute Schalboxen für eine Pfeilerverstärkung (li.) und eingebaute Spanngliedverankerung (re.) 5.3 Triebwasserkanal und Turbineneinlauf eines Wasserkraftwerks Die Umsetzung von Wasserkraftanlagen erfordert, vor allem in den Bereichen der wasserführenden Bauteile, die Herstellung verschiedener Sondergeometrien mit veränderlichen Radien und Krümmungen. In Abhängigkeit der Leistung bzw. Auslegung des Kraftwerks müssen bspw. Turbinenzuläufe im Gefälle mit mehreren Metern Durchmesser hergestellt werden. Die Effizienz der Anlage steht in direktem Zusammenhang mit möglichst nahtlosen, fließenden Übergängen der einzelnen Bauteile. Zusätzlich ist eine qualitativ hochwertige Betonoberfläche zu gewährleisten. Die Bauwerke unterscheiden sich aufgrund der notwendigen Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten oftmals stark und es sind nur wenige Referenzprojekte direkt vergleichbar. Durch diese Umstände kann in der Angebotsphase mit einer hohen Kostenunsicherheit gerechnet werden. Demgegenüber steht, dass aufgrund der Komplexität der Querschnitte 3D-Planungsdaten aktuell bereits Stand der Technik sind. Die unter Abschnitt 4 beschriebene automatisierte Geometrieanalyse inkl. der algorithmisch generierten Unterkonstruktion trägt dazu bei, bereits in der frühen Angebotsphase eine detaillierte Planung als Grundlage für die Kostenermittlung zur Verfügung zu haben, Abb. 16. Abb. 16: 3D- Modell eines Schalungselements zur Herstellung des Turbinenvergusses und Teile der Einlaufschnecke Die Systemeffizienz kann mitunter durch ergänzende Nachbearbeitungsschritte weiter gesteigert werden. Im dargestellten Ausarbeitungsgrad sind jedoch bereits alle nötigen Daten zur Fertigung inkl. den wesentlichen Werten zum Materialbedarf und -ausnutzungsgrad bekannt. 6. Fazit Der vorliegende Beitrag beschreibt den Ansatz der parametrisierten, voll automatisierten Planung und digitalen Fertigung mittels CNC-Fräsen von Holzbauteilen mit Steckverbindungen in einem durchgängigen Prozess. Das eigens entwickelte System führt zur deutlichen Aufwandsreduktion im Sonderschalungsbereich. Die Betrachtungen zur Effizienzbeurteilung des vorgestellten Bausystems im Bereich des Schalungsbaus konnten anhand einiger praktischer Beispiele erläutert und unter Beweis gestellt werden. Der durchgängige Prozess vom digitalen Modell zur tatsächlichen Fertigung zeigt hinsichtlich der Faktoren Bauzeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in vielen Einsatzbereichen deutliche Vorteile gegenüber der konventionellen Fertigung von Sonderschalungselementen. Die parametrisierte Planung der Bauteile bzw. Schalkörper schafft die Basis für eine effiziente Einzelstückfertigung im Sinne einer Serienproduktion. Bspw. lassen sich abweichende Abmessungen und Geometrien schnell und unkompliziert anpassen. Dadurch kann auf Sonderformen im Neubau, aber auch auf Bestandsgeometrien ideal reagiert werden. Die integrierten, algorithmischen Konstruktionsregeln und die statischen Nachweise führen zusätzlich aufgrund der flexiblen technischen Auslegung der einzelnen Bauteile zu einer verbesserten Materialausnutzung. Die Möglichkeiten der automatisierten Flächenanalyse und Abwicklung gekrümmter Flächen in planare Fertigungsdaten erleichtern die fugenlose Herstellung von gekrümmten Geometrien erheblich. Das zur Anwendung kommende Stecksystem mit Holz-Holz-Verbindungen führt aufgr- und der passgenauen Fertigung mittels CNC-Maschinen zu hoher Ausführungsgenauigkeit. Die so geschaffene Lagegenauigkeit der Einzelteile ergibt ein fehlervermeidendes Gesamtsystem mit kurzen Montagezeiten. Die Konstruktionsweise bettet sich zusätzlich in ein konstruktives Holzbausystem ein, wodurch selbsttragende Schalelemente hergestellt werden können. Der Einsatz von Systemteilen zur Herstellung einer Grundschalung und der verbundene Montageaufwand kann, sowie die vorzuhaltende Materialmenge, maßgeblich reduziert werden. Neben der Herstellung von Sondergeometrien aufgrund technischer Erfordernisse bietet die ökonomische Fertigung von Spezialschalungen die Möglichkeit, materialreduzierte Betonkonstruktionen, entsprechend bekannten historischen Beispielen, zeitgemäß umzusetzen. Durch die allgemeine Effizienzsteigerung von Betontragwerken im Hoch- und Ingenieurbau, im Sinne der kraftflussangepassten Querschnittsgestaltung, können aktiv wichtige Ziele des Klima- und Umweltschutzes durch Ressourcenschonung und Emissionsreduktion verfolgt werden. 530 6. Brückenkolloquium 2024 - Oktober 2024 Datenbasierte Vorfertigung von parametrisierten Sonderschalungselementen mit Holz-Holz-Verbindungen Literatur [1] Ressourcennutzung in Österreich 2020. Hrsg.: Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Bundesministerium Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Wien 2020. [2] Werner, Sobek: non nobis - über das Bauen in der Zukunft. Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist. 3.Auflage. Stuttgart: avedition GmbH 2022. [3] Schwärzler, A.; Schwärzler, D.; Dabic, D.; Blazek P.: BYLD - Breaking new Ground for the Construction Industry. 10th International Conference on Mass Customization and Personalization - Community of Europe (MCP - CE 2022) Toward the Sustainable, User-Centric and Smart Industry 5.0 September 21-23, 2022, Novi Sad, Serbia. 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