eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Fachwerkbau, barock und bunt, wird Einkaufszentrum, Marktplatz 1 in Waiblingen

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Kurt Christian Ehinger
Das Gebäude Marktplatz 1 in Waiblingen wurde Mitte der 80-iger Jahre zu einem modernen Einkaufszentrum umgebaut und modernisiert. In diesem Zusammenhang wurde auf Vorschlag der Stadt Waiblingen die am Gebäude noch vorhandenen Fachwerkfassaden vom Putz freigelegt und die Fassaden als Sichtfachwerk neu gestaltet. Das Gebäude befindet sich im privaten Eigentum und wird heute aktuell von mehreren Geschäften und Dienstleistern genutzt.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 55 Fachwerkbau, barock und bunt, wird Einkaufszentrum, Marktplatz 1 in Waiblingen Kurt Christian Ehinger Dipl.-Ing. Architekt Rosensteinstraße 7 71576 Burgstetten Zusammenfassung: Das Gebäude Marktplatz 1 in Waiblingen wurde Mitte der 80-iger Jahre zu einem modernen Einkaufszentrum umgebaut und modernisiert. In diesem Zusammenhang wurde auf Vorschlag der Stadt Waiblingen die am Gebäude noch vorhandenen Fachwerkfassaden vom Putz freigelegt und die Fassaden als Sichtfachwerk neu gestaltet. Das Gebäude befindet sich im privaten Eigentum und wird heute aktuell von mehreren Geschäften und Dienstleistern genutzt. 1. Fachwerkbau, barock und bunt, wird Einkaufszentrum, Marktplatz 1 in Waiblingen Der Stadtkern der Stadt Waiblingen entstand ab Mitte des 13. Jh. vorwiegend in Fachwerk-Architektur. 1634, im 30-jährigen Krieg wurde die Stadt vollständig abgebrannt und die bestehenden Gebäude bis auf die Grundmauern zerstört. in der gesamten Stadt blieben nur ca. fünf Gebäude erhalten. Ab Mitte des 17.Jh. begann ein Wiederaufbau der Stadt auf dem vorhandenen historischen Grundriss der Stadtanlage mit Gebäuden in Fachwerkbauweise, die auf Sicht gebaut waren. Mitte des 18.Jh. mussten dann aufgrund von Bauvorschriften die Sichtfachwerkbauten verputzt werden und es entstand eine vollkommen neue Stadtansicht mit Putzbauten, danach auch Bauten neueren Datums und mit zeitgemäßer Architektur. Dieser Zustand hatte sich dann bis in die Neuzeit des 20. Jh. erhalten. Fachwerk war bis auf einzelne Aktionen in den 20-iger Jahren (Heimatstil-Bewegung) kein Thema Im letzten Viertel des 20.Jh. begann in Waiblingen eine aktuelle Stadtsanierung, ausgelöst durch eine Städtebaukritik an moderner Architektur, die auch zu einer Rückbesinnung auf die historische Bausubstanz führte. In diesem Zusammenhang wurde eine wesentliche Zielsetzung der Stadtsanierung entwickelt, die in der Freilegung der historischen Fachwerkfassaden bestand. 1.1 Stadtsanierung und Freilegung historischer Fachwerkbauten 1970 und ff. begann der Einstieg in die aktuelle Stadtsanierung, die bis zum heutigen Tag andauert: 1970 Voruntersuchung des gesamten historischen Stadtkerns Abbildung 1: Historischer Stadtplan 1832, Plan Stadt Waiblingen 1974 Städtebaulicher Wettbewerb 1977 Städtebaulicher Leitplan und Bauwettbewerb Marktgasse 1977 Freilegung erster historischer Fachwerkfassaden auf der Grundlage von thermographischen Aufnahmen der Fassaden und städtisches Zuschussprogramm zur Freilegung und Finanzierung der gestalterischen Mehrkosten mit einer Programmdauer bis 200, in Ergänzung der staatlichen Zuschussmöglichkeiten im Rahmen der Stadtsanierung und Denkmalpflege 1988 Denkmalliste durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 56 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Fachwerkbau, barock und bunt, wird Einkaufszentrum, Marktplatz 1 in Waiblingen 1.2 Gebäude Marktplatz 1, Waiblingen Abbildung 2: Fachwerkfassade Marktplatz 1(Plan Stadt Waiblingen) Gebäudedaten: 1680-1690 Neubau des barocken Fachwerkbaus nach Stadtbrand, als ehemalige Vogtei (? ), oder durch Johann Weyser II, Bürgermeister, auf den historischen Grundmauern eines Vorgängerbaus der Renaissance (einzelne Baudetails blieben erhalten) Mitte des 18.Jh.: Verputz des Sichtfachwerks 1819-1909 nach Kauf des Gebäudes 1819 durch das Königreich Württemberg als Oberamtsgericht genutzt 1909 Kauf durch Heinrich Villinger, Kaufmann und Umbau zu einem Warenhaus, Veränderung der Fassaden durch Schaufenster 1921 unter Denkmalschutz gestellt Mitte der 80-iger Jahre Umbau, Modernisierung und Freilegung des Sichtfachwerks Mitte der 80-iger Jahre erfolgte ein Antrag auf Umbau und Modernisierung des Gebäudes. Ergebnis war u.a. ein neuer Anbau eines Treppenhauses zur Erschließung der einzelnen Geschäftsflächen, der auf der dem Marktplatz abgewandten rückwärtigen Gebäudeseite realisiert wurde. Aufgrund der vorhandenen Thermographie konnte mit dem Gebäudeeigentümer eine Freilegung der verputzten Fachwerkfassade vereinbart werden und wiederum auf der Grundlage historischer Farbbefunde eine Rekonstruktion der historischen Farbigkeit. In diesem ersten Abschnitt wurde der historische Gebäudeerker in seiner grauen Farbigkeit belassen. Die gestalterischen Mehrkosten trugen das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg und die Stadt Waiblingen. In einem weiteren Bauabschnitt im Rahmen einer Fassaden-Instandhaltungsmaßnahme Anfang 2000 konnte dann auch Jahre später der historische Gebäudeerker seine ursprüngliche Farbigkeit wieder erhalten Das Gebäude wird seither wieder als Geschäftszentrum und Bürogebäude genutzt. Abbildung 3 Abbildung 4 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 57 Fachwerkbau, barock und bunt, wird Einkaufszentrum, Marktplatz 1 in Waiblingen Abbildung 5: Nordseite mit dem neuen Treppenhausanbau. Der Anbau mit einer Glaskonstruktion beeinträchtigt nicht die Wirkung des freigelegten Fachwerkbaus. Abbildung 6: Befund Giebelseite, Kopfdreieck mit „Eselsrücken und Kreis“, Balkenfarbe grau Abbildung 7: Alter Zustand bis Mitte der 80-iger Jahre Literaturverzeichnis: Die Kunstdenkmäler in Baden-Württemberg, Rems-Murr- Kreis II, Adolf Schahl, S.1190-1191, Dt. Kunstverlag München Berlin, 1983, ISBN 3-422-00560-9 2(1983 Waiblingen in Vergangenheit und Gegenwart, Band V, 1977, S. 127 ff., Heimatverein Waiblingen, W. Glässner Waiblingen, Ein Führer durch die Altstadt, 1986,S. 25 Heimatverein Waiblingen, Wilhelm Glässner Ortskernatlas Baden-Württemberg, Stadt Waiblingen (1.6) 1987, Rems-Murr-Kreis, Landesdenkmalamt und Landesvermessungsamt Baden-Württemberg, Edeltrud Geiger, ISBN 3-89021-006—6 Fotos: Kurt Christian Ehinger Architekt der Sanierungs- und Umbauarbeiten: Kurt Ehrhardt (+) Dipl.-Ing./ Freier Architekt Fellbach-Schmiden