eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer

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2021
Christopher Grohmann
Katharina Schaller
Anja Hoppe
Die Burg Hohenzollern ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung nach §12 im Sinne des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg. Bei der aktuellen Maßnahme werden für ca. 17 Millionen Euro die Bastionsmauer der Burg Hohenzollern restauriert und zukunftssicher ertüchtigt. Nach zweijähriger Planungs- und Vorbereitungszeit begannen im Oktober 2019 die Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten an der Burg Hohenzollern. Die markante Burg auf dem 855 m hohen Hohenzollern in Baden-Württemberg ist die Stammburg des gleichnamigen Fürstengeschlechtes und ehemals regierenden deutschen Kaiserhauses. Die Burg gehört mit rund 340.000 Besuchern im Jahr zu den größten Attraktionen der Region. In den kommenden Jahren wird die Bastionsmauer in mehreren Bauabschnitten grundlegend instandgesetzt. Für die Gesamtmaßnahme Bauabschnitt I.1 bis I.5 wird eine Mauerfläche von mehr als 5.000 m² ertüchtigt. Notwendig wird die Maßnahme aufgrund des fortschreitenden Schadensbildes am Mauerwerk. Zudem wird die Erdbebensicherheit der Burganlage optimiert.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 59 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Christopher Grohmann EHS beratende Ingenieure für Bauwesen GmbH, Stuttgart Katharina Schaller EHS beratende Ingenieure für Bauwesen GmbH, Stuttgart Dr. Anja Hoppe Burg Hohenzollern GbR, Burg Hohenzollern Zusammenfassung Die Burg Hohenzollern ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung nach §12 im Sinne des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg. Bei der aktuellen Maßnahme werden für ca. 17 Millionen Euro die Bastionsmauer der Burg Hohenzollern restauriert und zukunftssicher ertüchtigt. Nach zweijähriger Planungs- und Vorbereitungszeit begannen im Oktober 2019 die Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten an der Burg Hohenzollern. Die markante Burg auf dem 855 m hohen Hohenzollern in Baden-Württemberg ist die Stammburg des gleichnamigen Fürstengeschlechtes und ehemals regierenden deutschen Kaiserhauses. Die Burg gehört mit rund 340.000 Besuchern im Jahr zu den größten Attraktionen der Region. In den kommenden Jahren wird die Bastionsmauer in mehreren Bauabschnitten grundlegend instandgesetzt. Für die Gesamtmaßnahme Bauabschnitt I.1 bis I.5 wird eine Mauerfläche von mehr als 5.000 m² ertüchtigt. Notwendig wird die Maßnahme aufgrund des fortschreitenden Schadensbildes am Mauerwerk. Zudem wird die Erdbebensicherheit der Burganlage optimiert. 1. Historischer Hintergrund und Kunstsowie bauhistorische Bedeutung der Burg Hohenzollern Die Burg Hohenzollern liegt auf dem isolierten Berg Hohenzollern, einen sogenannten Zeugenberg. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Anlage sukzessive erweitert, geändert, ertüchtigt und auf ihr jetziges Erscheinungsbild vervollständigt Auf die erste Burg aus dem frühen 13. Jahrhundert folgte eine zweite Burg bereits mit Hochschloss und weitgehender Bastionierung als Barockfestung. Bis zur jetzigen dritten Burg, Einweihung 1867, wurde die Nutzung als Burganlage nur 1822 bis 1845 durch eine inszenierte Ruinenanlage unterbrochen. Die erste Phase der Bastionierung umfasste bereits alle bis heute bestehenden Bastionsmauern bis auf eine Ausnahme, die Neue Bastei. Sie wurde, wie der Name bereits indiziert, 1641 ergänzt. Erforderliche Unterhaltungs- und Reparaturmaßnahmen, bis hin zum Neubau ganzer Bauteile, sind im Zehnjahrestakt überliefert. Besonders gravierend waren die Probleme stets an der Neuen Bastei, die 1641 erbaut, 1655 ausgebaut, 1668 vollständig erneuert, 1672 abermals vollständig erneuert, 1695, 1697 und 1702 ertüchtigt werden musste. Eine weitere relevante, prägende Reparatur- und Ergänzungsphase erfolgte 1668. Hierbei wurden nicht nur der eingestürzte Bischofsturm und die stark geschädigte Neue Bastei zusammen mit der Langen Kurtine hin zur Fuchsloch Bastei neu erbaut, ebenso wurde das Niedere Vorwerk als massive Fortifikation angelegt. Sie ersetzte eine ältere Palisadenanlage vergleichbaren Zuschnittes. Trotz des ruinösen Zustandes war der Bestand der Bastionen eine der wesentlichen Motivationen für das preußische Königshaus sich ihrer Stammburg anzunehmen. König Friedrich Wilhelm von Preußen hatte bereits 1849 zur Sicherung der logistisch abgelegenen Ländereien beschlossen, eine zentrale Festungsanlage Abbildung 1: Burg Hohenzollern 2019 [EHS] 60 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer zu errichten. Bei der Reparatur bzw. dem Wiederaufbau des Bastionenkranzes erfolgte vor allem eine Erneuerung nahezu sämtlicher Oberflächen. Prägend für das heutige Erscheinungsbild der Burg Hohenzollern war die Entscheidung, Mauern die zunächst aus dem örtlichen Kalkstein gehauen und aufgebaut waren, nun additiv mit dem, für den Neubau der Burg verwendeten „Malbstein“, also Angulaten- Sandstein, zu bebauen. Historische, von außen sichtbare Kalkstein- Mauerpartien sind nur noch sehr versteckt erhalten. Zum Beispiel am südlichen Mauerfuß der Fuchsloch- Bastei kann man Teile der barocken Steinquader entdecken. Die eingestürzten Mauerpartien an der Neuen Bastei an der Langen Kurtine wurden vollständig neu aufgemauert. Ebenso bedingte das Ausbrechen des Rampenturmes den vollständigen Neubau der Kurtine zwischen Michaels-Bastei und Schnarrwachtbastei. Dokumente über den Aufbau und die Wandstärke auch der neu ausgemauerten Bereiche sind nicht erhalten. Abbildung 2: Zeichnung durch den Westflügel 1620 [2] Nach Ausweis der Befunde erfolgte an der Südseite der Schnarrwachtbastei, ein gravierender Eingriff, als der Treppenabgang am Adlertor angelegt wurde. Hierbei baute man die (vermutlich weitgehend erhaltene) südliche Face der Bastion zurück, und mauerte sie, nun mit einem Treppenaufgang versehen, wieder auf. Die Baufuge zwischen dem hier wohl noch teils barockzeitlichen Mauerbestand und der Ergänzung ist von innen wie von außen deutlich ablesbar. Der bei Bothe 1979 [2] dargestellte Querschnitt durch den Westflügel war und ist auch heute ein wichtiges Zeugnis für den Aufbau der Wand. Die Bastionsmauerhöhe wurde allerdings noch nicht gemäß dem heutigen Endzustand ausgeführt. Die Wandhöhe betrug im frühen 16. Jahrhundert etwas über 6,00m. Heute liegt die Mauerhöhe in dem entsprechenden Bereich bei über 10,00m. Die Mauerdicke beträgt am Fußpunkt etwa 2,00m. Der obere Wandabschluss mit etwa 1,50m dürfte bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben sein. Für die heutigen erforderlich werdenden Baumaßnahmen zur Sanierungs- und Ertüchtigung der Bastionsmauer, ist die bauhistorische Verifizierung und Untersuchung [1] wichtig. Wir erlangen so Kenntnis über die zahlreichen Baumaßnahmen und verstehen die Bausubstanz geschädigte Bereiche aus früheren Stadien besser. Der, sich im Sinne der Stand- und Dauerhaftigkeit im Laufe der Jahrzehnte verschlechternde Zustand der Bastionsmauer ergab die Notwendigkeit die Instandsetzungsplanung der Bastionsmauer im Jahr 2018 in die Wege zu leiten und Planungsleistungen auszuschreiben. Im Zuge der Planungsprozesse wurde und wird permanent darauf geachtet, dass sämtliche planerische und bauliche Maßnahmen an der Burg Hohenzollern, der denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen. 2. Art der Maßnahme / Ausgeschriebene Aufgabenstellung Die Untersuchungen im Zuge der bauhistorischen Bestandsaufnahme an dem Festungskranz mit den Bastionsmauer der Burg Hohenzollern zeigten erhebliche Schäden und Verformungen am Festungskranz auf. Diese Schäden umfassen sowohl Einflüsse auf die globale Standsicherheit bis hin zu lokalen, einzelnen Fehlstellen an Formsteinen. Bei der ausgeschriebenen Planungsleistung wurde daher sowohl die Restauration als auch die statische Ertüchtigung berücksichtigt. Die naturgemäß schlechte Zugänglichkeit einer Festungsmauer hat die Dokumentation der Schäden im Vorfeld auf folgende Punkte beschränkt: - Fotodokumentation der Mauerwerksoberflächen inklusive Schadenskartierung von Ausbrüchen innerhalb der äußeren Steinlage, der flächigen Überfugung mit stark zementhaltigen Mörtel und ausgewitterten Fugen, Bewuchs von Flechten bis Bäumen, Ausblühungen (Salz), Absandungen, Schalenbildung, Verfärbungen, Rissen, beulender Bereiche, erneuerte Steine, Rohre und weitere nachträgliche Einbauten und Leitungen. - Verkippung und Beulen ganzer Mauerbereiche, größere Rissbreiten und Schalenbildungen ohne Vermessungsangaben. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 61 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Abbildung 3: Positionsplan Bauabschnitte [EHS] Zusätzliche wurde eine flächige Georadarbefahrung aller Bastionsmauern mit Prüfung auf Schalenablösung und weiterer Auffälligkeiten innerhalb des Mauergefüges durchgeführt. Dabei wurden drei unterschiedliche qualitative Verdachtsstufen (gering, mittel und hoch) sowohl für Schalenablösung als auch Gefüge-Störungen aufgeführt. Eine Verifizierung der Daten durch zugeordnete Kernbohrungen erfolgte im Vorfeld nicht. Einen einzelnen Indikator für das globale Schadensbild der Mauer, sozusagen einen Schuldigen, kann man auf Grund der diversen und zahlreichen Schadensfälle nicht direkt zuweisen. Neben der vernachlässigten Unterhaltung, die insbesondere einen ausufernden Bewuchs von der Hangseite, als auch von oben, dem Festungsterrain aus kommend zeigt, führt eine Bepflanzung mit Solitärgehölzen mit entsprechendem Wurzelwerk, eine defekte, historische Abdichtung und einer fehlerhaften Neu- Verfugung der Mauer auf Zementbasis zu Problemen. An dem exponierten Standort der Burg ist der natürliche Verwitterungsabtrag zusätzlich zu Gefüge- Störungen einzelner Steine, gar ganzer Mauerpartien durch Erdbebenereignisse ebenfalls erheblich. Eine Instandsetzung der Bastionsmauer war und ist überfällig. Ziel aller Instandsetzungsmaßnahmen ist es die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit des Festungskranzes zu verbessern. Zusätzliche Ertüchtigungen sollen das Mauerwerk gegen Erdbebenbeanspruchungen auf aktuellem Nachweisniveau sichern. Die an uns Ingenieure gerichtete Aufgabenstellung ist es: 1. Erhöhung der globalen Standsicherheit (insb. Lastfall Erdbeben) durch Einbringen von Erdnägeln 2. Lokale Mauerwerksinstandsetzung und steinrestauratorische Arbeiten, wie: - Erkunden, ggf. Freilegen und Ausbessern von oberflächigen Schadstellen - Setzen von Überblendungen / Vierungen an Ankerstellen, Teilaufmauerung - Injektion von Hohlstellen - Vernadelung von Schalenablösungen - Verklammerung 3. (Teil-)Flächige Oberflächeninstandsetzung - Reinigung - Entfernen des zementhaltigen Fugenmörtels - Neuverfugen mit steinverträglichem Fugenmörtel - Entsalzung, Steinfestigung 4. Maßnahmen zur Verbesserung der Entwässerung 5. Minimierung des Eingriffs in den historischen Bestand 6. Einhaltung Kostenrahmen / Minimierung Bauzeit 7. Minimierung des Einflusses auf den Burgbetrieb und damit die Besucher 62 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Die Instandsetzung und die Ertüchtigungsmaßnahmen des Festungskranzes werden abschnittsweise durchgeführt. Zunächst werden die Wandabschnitte aus dem Bauabschnitt I.1 ertüchtigt. Dazu gehört der Bauabschnitt rund um den Eingangsbereich der Burg am Adlertor, beginnend mit den Mauerabschnitten FK01 und FK02 an der Schnarrwachtbastei. 3. Verifizierung Bestand und Schadensbild Die Grundlagenermittlung im Vorfeld umfassten nicht nur die im Positionsplan hervorgehobenen Bereiche BAI.1 bis BAI.5 des Festungskranzes, sondern beschäftigen sich auch mit dem Zustand des Niederen Vorwerks und dem Hochschloss. Die Bereiche mit dem dringlichsten Handlungsbedarf galt es einzugrenzen. Im Zuge der Konkretisierung der Maßnahmen für den Festungskranz mit dem Landesamt für Denkmalpflege zur Erlangung einer ersten denkmalschutzrechtlichen Genehmigung, konnte zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Förderfähigkeit festgestellt und Mittel des Landes, des Bundes und der Deutschen Stiftung Denkmalpflege zugesichert werden. Zum Projektstart wird nicht, wie ursprünglich gedacht, direkt mit der Entwurfsplanung begonnen. Es stellt sich heraus, dass zur Verifizierung des Bestandes noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Zum Beispiel, sind bei einer neu zu erstellenden Stützwand, in der Regel sowohl das Material hinter als auch innerhalb der Stützwand bekannt. So kann und wird die Geometrie der Stützwand den lokalen Gegebenheiten geschuldet optimiert entwickelt. An der Burg Hohenzollern liegen zwar Erkenntnisse über die verwendeten Steine und historische Mörtelqualität vor, aber kaum Erkenntnisse über die Geometrie. Der tatsächliche, bemessungsrelevante Wandaufbau zur Nachweisführung der Standsicherheit auch für den Erdbebenfall (Geometrie mit Wandhöhe, Verkippung, Beulen, Schalenabmessung und Wandhinterkante) sowie der Felshorizont hinter und unterhalb der Mauern sind unbekannt. Zusätzlich sind die Verdachtsfälle auf Schalenablösung und Gefüge- Störungen zu konkretisieren. Gänzlich unberücksichtigt ist die Tatsache, dass es übergeordnete Ursachen für einzelne Schadensbilder an der Wand gibt und diese gruppiert werden müssen. Als Beispiel wird die defekte Abdichtungsebene auf dem Festungsterrain benannt. Hier ist zwingend eine kontrollierte und funktionierende Entwässerung auf dem gesamten Festungsterrain zu schaffen, um bei Starkregenereignissen ein weiteres Ausspülen bereits eingeprägter Hohlstellen, sowie die Transportwege von chloridhaltigem Wasser im Sinne der Gewährleitung der Dauerhaftigkeit und Standsicherheit zu unterbinden. Die Objektsowie die Tragwerksplanung beginnen damit in der Leistungsphase 1, HOAI. 4. Planung Das Konzept zur Geometriefindung sieht am Beispiel der Schnarrwachtbastei eine tachimetrische Vermessung des Bestandes vor. Die zerstörungsfreie, flächige Erkundung der Mauerrückseite über zusätzliche Georadarscheiben und zerstörungsarme vertikale und horizontale Bohrungen dient der Verifizierung aller Messergebnisse und der bauhistorischen Befunde. Zusätzlich werden größere Schürfe an der Mauerrückseite, unter der Einbindung der archäologischen Abteilung des Landesamtes für Denkmalpflege (LAD), zur Erkundung der abgestuften Mauerkrone und einer noch in Teilen vorhanden, aber defekten Entwässerungsebene angelegt. Erst wenn die Probefelder eine hinreichende Übereinstimmung zwischen zerstörungsfreier Erkundung und zerstörungsarmer Untersuchung zeigen, werden die weiteren Planungsschritte zur Sanierung und Ertüchtigung der Bastionsmauer eingeleitet. Die Anforderungen über die Bestands- und Erkundungsdokumentation gehen bei einem Denkmal nationaler Bedeutung weit über den Bedarf für eine HOAI- Planung hinaus. Hier wurde abermals in enger Abstimmung mit dem LAD ein für den Bauherrn zumutbarer Umfang festgelegt. Auf Basis der belastbaren Untersuchungen und in Abstimmung mit dem Baustatischen Prüfer und dem Bodenmechaniker, wird im Zuge der Tragwerksplanung ein erdstatisches Modell entwickelt. Dabei werden sowohl die Mauernachweise als auch die erdstatischen Nachweise mit Einbeziehung des Gelbdrucks DIN EN 1998-1/ NA (Eurocode 8) geführt. Die exponierte Lage der Burg Hohenzollern in Zusammenhang mit der Erdbebenzone 3 macht eine Abgrenzung der Ausgangwerte unter Berücksichtigung der Dauerhaftigkeit sinnvoll und erforderlich. Für die spektrale Antwortbeschleunigung wird für den Standort der Burg Hohenzollern ein Wiederkehrintervall von 475 Jahren angenommen. Nach dem Gelbdruck EC8 ergibt sich damit die Referenz- Spitzenbodenbeschleunigung von 1,54 m/ s². 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 63 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Abbildung 4: Überlagerung Ergebnisse Bauradar und Bohrungen [3] 64 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Abbildung 5: Schurf im Bereich des Bemessungsschnittes [EHS] Abbildung 6: Erdbebenkarte [DIN EN 1998-1: 2018 (Gelbdruck)] Nachfolgend wird der Fokus auf die Tragwerksplanung für den Bauabschnitt I.1 gelegt: Ausgangspunkt für die statische Betrachtung für den Endzustand der Bastionsmauern ist die Standsicherheit unter der ständigen und veränderlichen Beanspruchungskombination. Erdbeben wird als außergewöhnlicher Lastfall berücksichtigt. Den Nachweisen des Mauerwerks liegen dynamische Berechnungen mittels Finite-Elemente Methodik zugrunde. Mit Hilfe der FE- Berechnung zur Untersuchung der Wechselwirkung mit der numerischen Geotechnik können Bodennagelraster und Nagellängen ermittelt und Modellfaktoren zur Anpassung der analytischen Berechnung an die Ergebnisse der FE-Berechnung festgelegt werden. Für die globale Standsicherheit im Endzustand sind auch einzelne Steine im Mauerwerksgefüge druckfest auszutauschen. Da einzelne Steine nicht Bestandteil der rechnerischen Analyse des Globalsystem sind, werden Spannungen mit realitätsnahen Mittelwerten auf Widerstandseite angesetzt. Diese rechnerische Analyse erlaubt es Steine bzgl. Ihrer Druckfestigkeitseigenschaften technisch zu bewerten und zu sortieren, mit dem Ergebnis, dass auch bei kleineren bis mittleren Substanzverlusten einzelne Steine und Bereiche ohne Steinaustausch erhalten werden können. Bezüglich der Erdbebensituation geht eine Gefahr von herabfallenden oder nachrutschenden Bauteilen aus. Die 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 65 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Nachweise werden im Sinne der globalen Standsicherheit durchgeführt. Allerdings wird außerhalb von Gefährdungsbereichen, wie Fluchtwegen rechnerisch und im Sinne der Verhältnismäßigkeit akzeptiert, dass einzelne Steine oder lokale Bereiche versagen können. Durch die Einführung eines Modelfaktors wird die Erdruckbeanspruchung im Erdbebenfall nach der Methode von Mononobe- Okabe an die dynamische FE-Berechnung mit dem topographischen Verstärkungsfaktor 1,70 an die exponierte Lage angepasst. Abbildung 7: Planauszug Bodennägel und Nadeln [EHS] Aus der dynamischen Berechnung gehen die Ankerkräfte hervor. Da es nach dem analytischen Rechenmodell im unteren Wandbereich zu Überschreitungen der Mauerwerksfuge kommt, werden die Ankerkräfte in einem iterativen Verfahren so lange erhöht, bis der Schubnachweis erfüllt ist. Neben dem Austausch und der Erneuerung des Fugenmaterials, von gebrochenem und verwittertem Gestein, sowie der Hohlraumverfüllung werden zusätzliche Maßnahmen durchführt, um im Erdbebenfall die Brüstung zu sichern. Das Bauteil wird dabei so bemessen, dass die Brüstung als Einheit standsicher bleibt. Teilbereiche können im Erdbebenfall beschädigt werden. Hierzu werden die Abdecksteine über Schubdollen gekoppelt. Zur Verteilung der Schubkräfte in der Lagerfuge wird eine Mauerwerksbewehrung eingemörtelt. Die statische Untersuchung zeigt, dass zusätzlich vertikale Nadeln eingebunden werden müssen. Abbildung 8: Detail Brüstung [EHS] Insgesamt werden im Zuge der Genehmigungsplanung nachfolgende Nachweise erforderlich: Nachweise Brüstung: - Nachweis Scheibenschub - Nachweis Schubdruckversagen - Nachweis Fugenversagen durch Kippen von Einzelsteinen - Nachweis Plattenschub - Biegenachweis senkrecht zur Scheibenrichtung - Kombinierte Biegenachweise Nachweise Stützmauern BAI.1: - Querkraftnachweis (Gleitnachweis) - Scheibenschub - Schubdruckversagen (Plattenschub) - Fugenversagen durch Kippen der Einzelsteine - Biegenachweis senkrecht zur Scheibenrichtung - Kombinierter Biegenachweis - Nachweis der Verankerung der Erdnägel - Spannungsnachweis - Grundbruchnachweis - Nachweis der Vernadelung 66 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer 5. Ausführung / Baumaßnahmen Aufbauend auf den zur Ausführung freigegebenen Planunterlagen wird der tatsächliche Schaden und die daraus resultierenden Maßnahmen zu Beginn der Baumaßnahmen 2019 steingenau dokumentiert. Abbildung 9: Maßnahmenskizze [Zedler Baugesellschaft mbH] Planmäßig werden die unterschiedlichen Maßnahmen anhand der folgenden Schritte durchgeführt. - Angulatsandsteine demontieren in der Lage der Erdnägel - Erdnägel erstellen und verschließen der Ankerstellen - Ausräumen der Fugen - Verwitterte und beschädigte Steine demontieren - Kalksteine ersetzen mit entsprechender Verfugung - Angulatensandsteine wieder montieren bzw. neu aufmauern mit entsprechenden Fugen, außer Steine die die Erdnägel verdecken - Benetzen der gesamten Oberfläche mit Wasser; - Hohlräume mit Mörtel verfüllen - Fugenmörtel ersetzen - Vernadelung erstellen Die neuen Steine (Angulatensansteine) werden aus dem privaten Steinbruch Grosselfingen gefördert. Diese werden im Steinbruch grob bearbeitet und auf die Baustelle gebracht. Bereiche mit einer Schalenablösung > 0,20m (starke Schalenablösungsbereiche) werden abschnittsweise neu aufgemauert. Stark beschädigte bzw. stark verwitterte Brüstungsabschnitte werden ebenfalls neu aufgebaut. Bei der Neuaufmauerung werden Form- und Ziersteine nummeriert und an der entnommenen Stelle wiedereingesetzt. Bei dem Steinaustausch achtet man darauf, dass sich für die Lastweiterleitung eine Gewölbewirkung ausbilden kann. Voraussetzung dafür ist eine störungsarme Umgebung des umliegenden Mauerwerks, um den Gewölbeschub aufnehmen zu können. Der Steinaustausch in Randbereichen erfolgt mit Hilfe zusätzlicher Stützmaßnahmen. Die neuen Mauerabschnitte werden so versetzt, dass sie einen kraftschlüssigen Verbund mit dem umgehenden Mauerwerk eingehen. Die Gesteine werden so bearbeitet, dass sie in das Gesamtbild passen. Die Steinbearbeitung erfolgt anhand der mit dem LAD abgestimmten vorhandenen Mustersteine. Abbildung 10: Einbauzustand [Foto: EHS] Abbildung 11: Endzustand [Foto EHS] Der Mörtel muss auf der ganzen Tiefe der Fugen ggf. mehrlagig mit Spachtel bzw. Handmörtelpumpe/ Mörtelspritze appliziert werden. Bereiche mit sehr beschädigten Steinen, die ausgetauscht werden müssen, werden vor dem Versetzen mit einem Wasserfilm benetzt. Hohlräume werden mit handappliziertem Mörtel wieder gefüllt. Zum Einsatz für die Neuverfugung kommt ein portlandzementfreier Fugenmörtel auf Kalkbasis der Mörtelklasse M5 nach DIN EN 998-2 in Verbindung mit DIN V 20000-412 und DIN V 18580 (Mörtelgruppe IIa DIN 1996-1-1/ NA). Mit dem portlandzementfreien Bindemittel werden Fugendruckfestigkeiten von ca. 5 - 8 MPa erreicht. Die Farbe und Körnung werden entsprechend dem historischen Bestand gewählt und mit dem LAD abgestimmt. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 67 Burg Hohenzollern - Instandsetzung Festungskranz / Bastionsmauer Für die Herstellung einer form- und kraftschlüssigen Verbindung zwischen den Schalen der Festungsmauer finden Vernadelungen Verwendung. Sie bestehen aus einem Nadelanker aus Edelstahl Ø 12 mm, der mit einem zementhaltigen Mörtel eingesetzt wird. Für die Bodennägel wird das System für Permanentnagel mit einem Durchmesser von 28 mm ausgewählt. Die Materialien, der Einbau sowie die Prüfung des Permanentnagels werden überwacht. Im Zuge der Baumaßnahme kommt es im Bereich der Wand FK01zu einer Abweichung in der Bauabfolge auf Grund unvorhergesehener, flächiger Schalenablösungen. Hierzu müssen kurzfristig Sicherungsmaßnahmen im Mauerwerksverband durchgeführt werden. Da in diesen Bereichen auch die hintere Wandschale an Kompaktheit verloren hat, wird auf Grundlage der neuen Erkenntnis zusätzlicher Planungs- und Genehmigungsaufwand inklusive dem Abstimmungsprozess (zuzüglich Variantenuntersuchungen) im Sinne der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich. Es wird sich darauf geeinigt eine Spitzbetonsiche-rungsmaßnahme durchzuführen. Abbildung 12: Spritzbetonsicherungsarbeiten [Foto: EHS] 6. Ausblick Die Arbeiten am Bauabschnitt I.1 werden im Jahr 2021 abgeschlossen. Es folgen die Bauanschnitte I.2 bis I.5 im Jahreszyklus. Die Planungen für die kommenden Bauabschnitte laufen bereits. Literaturangaben [1] Kayser, Christian: Burg Hohenzollern, Ein Jahrtausend Baugeschichte, Südverlag 2017 [2] Bothe, Rolf: Burg Hohenzollern. Von der mittelalterlichen Burg zum nationaldynastischen Denkmal im 19. Jahrhundert. Berlin 1979 [3] BHZ, Bestimmung Mauerdicke mittels Bauradar, GGU, 08/ 2018 [4] Geotechnischer Bericht S&P, 08/ 2018