Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms
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2021
Michael Auras
Die Mikwe von Worms wurde im späten 12. Jahrhundert erbaut und ähnelt bezüglich ihrer Konstruktion einem viereckigen unterirdischen Turm. Auf seinem Boden sickert Grundwasser durch die Wände und füllt ein Wasserbecken, das früher als rituelles Bad genutzt wurde. Nach Perioden mangelnder Wartung, Zweckentfremdung und Vandalismus ist das Bauwerk heute durch ungünstige Bedingungen wie Destabilisierung des Mauerwerks, hohe Luftfeuchtigkeit, hohen Salzgehalt des Mauerwerks, starke Schwankungen des Raumklimas und intensives Wachstum von Schimmel und Algen
gekennzeichnet. Diese Parameter haben zu schweren Schäden an Stein, Kalkputz und Mauerwerk geführt. Dennoch haben sich Reste der originalen Baudekoration erhalten. Neben bildhauerisch bearbeiteten Sandsteinelementen sind einige Überreste des ursprünglichen Putzes erkennbar. Nach einer sorgfältigen Untersuchung der Baukonstruktion, der Baumaterialien und der multiplen Schadensprozesse wurde ein Konservierungskonzept entworfen und durch Erprobungen an Musterflächen verfeinert. Dabei galt es Methoden sowohl zur statisch-konstruktiven Sicherung des Bauwerks als auch zur restauratorischen Sicherung der Wandoberflächen und ihrer Befunde zu finden.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 69 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Michael Auras Institut für Steinkonservierung e. V., Mainz Zusammenfassung Die Mikwe von Worms wurde im späten 12. Jahrhundert erbaut und ähnelt bezüglich ihrer Konstruktion einem viereckigen unterirdischen Turm. Auf seinem Boden sickert Grundwasser durch die Wände und füllt ein Wasserbecken, das früher als rituelles Bad genutzt wurde. Nach Perioden mangelnder Wartung, Zweckentfremdung und Vandalismus ist das Bauwerk heute durch ungünstige Bedingungen wie Destabilisierung des Mauerwerks, hohe Luftfeuchtigkeit, hohen Salzgehalt des Mauerwerks, starke Schwankungen des Raumklimas und intensives Wachstum von Schimmel und Algen gekennzeichnet. Diese Parameter haben zu schweren Schäden an Stein, Kalkputz und Mauerwerk geführt. Dennoch haben sich Reste der originalen Baudekoration erhalten. Neben bildhauerisch bearbeiteten Sandsteinelementen sind einige Überreste des ursprünglichen Putzes erkennbar. Nach einer sorgfältigen Untersuchung der Baukonstruktion, der Baumaterialien und der multiplen Schadensprozesse wurde ein Konservierungskonzept entworfen und durch Erprobungen an Musterflächen verfeinert. Dabei galt es Methoden sowohl zur statisch-konstruktiven Sicherung des Bauwerks als auch zur restauratorischen Sicherung der Wandoberflächen und ihrer Befunde zu finden. 1. Einführung Die Mikwe von Worms wurde bis zum frühen 19. Jahrhundert rituell genutzt. Anschließend wurde sie zeitweilig als Abwasserschacht missbraucht und schließlich wieder freigelegt und gereinigt. 1938 und 1942 wurde sie durch Vandalismus zerstört. In den späten 1950er Jahren erfolgten Reparaturmaßnahmen (Angaben zur Bau- und Restaurierungsgeschichte nach Kayser 2019). Die Wormser Mikwe ist ein wichtiger Teil des mittelalterlichen jüdischen Erbes in Deutschland. Sie ist zusammen mit anderen Denkmälern der SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz für die Anerkennung als UNESCO- Welterbe nominiert. Das gesamte Bauwerk liegt unter der Erdoberfläche, und etwa 8 m unter Geländeniveau befindet sich ein Wasserbecken, das vom Grundwasser gespeist wird. Das Bauwerk ist gliedert in obere Treppe, Vorraum, untere Treppe und den Badeschacht, an dessen Sohle sich das Badebecken befindet. Grundriss und Querschnitt geben die Konstruktionsweise wieder (Abb. 1). Das Bauwerk ist hauptsächlich aus regionalem rotem Buntsandstein errichtet. Für die dekorativen Elemente im Vorraum wurde gelbbrauner, tonig-ferritisch gebundener Sandstein des Unterrotliegend verwendet. Für die Gewölbe wurde teilweise ein poröser Kalksinterstein unbekannter Herkunft benutzt. Die Erhaltung von Resten des Originalputzes einschließlich gestalteter Oberfläche in einer mittelalterlichen Mikwe ist in Deutschland einzigartig. An einem Bogen im Vorraum befindet sich ein Putz mit spezieller Fugenritzung, einer sogenannten pietra rasa, wie sie für die Romanik typisch ist. Die pietra rasa wird durch Ritzung in den frischen, noch weichen Putz hergestellt und imitiert die Fugen einer regelmäßigen Steinquaderung. Als Mauer- und Putzmörtel wurde Kalkmörtel verwendet. Das Kalkbindemittel enthält geringe Mengen an hydraulischen Komponenten, aber keine dolomitischen Anteile. Es ist anzunehmen, dass als Rohstoff zur Bindemittelproduktion eines der nahegelegenen Vorkommen von tertiärem Kalkstein genutzt wurde. Als Zuschlagstoffe wurden Sand und Kies aus dem Rhein verwendet. In den 1950er Jahren wurden als Reparaturmaterialien gelbgebrannte Ziegelsteine sowie Zementmörtel und Beton eingebaut. Die Reparaturmörtel und Betone enthalten als Bindemittel einen alkalireichen Zement. 70 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Abb. 1: Die bauliche Anlage der Mikwe Worms in Grundriss und Querschnitt in N-S-Richtung (aus Kayser 2019) 2. Schadensphänomene Als Hauptprobleme des Bauwerks sind die Destabilisierung des Mauerwerks, die schädigende Wirkung löslicher Salze und ein intensives Wachstum von Grünalgen und Schimmelpilzen zu nennen. All diese Probleme lassen sich auf die Wirkung von Wasser in Kombination mit anderen Parametern zurückführen. Im mittleren und unteren Teil des Badeschachtes ist das Kalkbindemittel aus dem Setzmörtel des Mauerwerks ausgewaschen worden. Ursache hierfür ist Niederschlagswasser, das im überdeckenden Boden versickert und in das Mauerwerk eingedrungen ist (Abb. 2). Die Auswaschung des Kalkbindemittels aus den Fugen hat einerseits zur Destabilisierung des Mauerwerks geführt (Maus 2019), andererseits zur Bildung mehrlagiger Kalksinterkrusten auf den Oberflächen von Putz und Stein. Diese Kalksinterkrusten sind teilweise von Mikroorganismen durchwachsen und können mehrere Millimeter dick werden. Abb. 2: Schematische Darstellung des Eindringens von Niederschlagswasser (blau) in die Konstruktion (Querschnitt Ost-West). 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 71 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Die wenigen erhaltenen, aus Sandstein gearbeiteten Bauzierelemente im Vorraum sind extrem geschädigt. Auch der Putz ist weitestgehend verloren und seine letzten Reste sind destabilisiert und lösen sich von der Wand. Putzreste und Sandsteinoberflächen sind gleichermaßen von schwarzen Krusten aus Gips, Schmutz und Resten von mikrobiologischem Material bedeckt. Andere Sandsteinoberflächen weisen aufgrund der Anwesenheit von löslichen Salzen ein intensives Absanden auf. Die Wandoberflächen sind durch mikrobiologischen Bewuchs mit Schimmelpilzen und, wo sie dem Licht ausgesetzt sind, mit Grünalgen und untergeordnet mit Cyanobakterien gekennzeichnet. Die Ursachen der Schäden sind vielfältig und es besteht dringender Bedarf einer Konservierung. Betrachtet man jedoch die verschiedenen Faktoren, die Einfluss auf die Raumschale der Mikwe nehmen, so wird ein recht komplexes System erkennbar (Abb. 3). Die Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren verdeutlicht, dass jede Einzelmaßnahme sorgfältig abzuwägen ist, da jeder Eingriff in dieses System Auswirkungen auf weitere Faktoren hat. Abb. 3: Einflussfaktoren und Wechselwirkungen in der Raumschale der Mikwe 3. Bauschädliche Salze In den Baustoffen der Mikwe sind verschiedenste wasserlösliche, bauschädliche Salze zu finden, die auf unterschiedliche Herkunftsquellen wie Luftschadstoffe (Gipsbildung), zeitweilige Zweckentfremdung (Abwasserschacht -> Nitrate), ungeeignete Reparaturmaterialien (Alkali- und Sulfationen aus Zement) und den permanenten Feuchteeintrag über das Erdreich (Nitrate) zurückzuführen sind. Dadurch liegen in den verschiedenen Bauteilen der Mikwe sehr unterschiedliche Salzbelastungen vor, die auf Änderungen des Raumklimas sehr unterschiedlich mit Lösungs- und Kristallisationsprozessen reagieren. Eine Unterbindung der Kristallisationsprozesse durch eine Stabilisierung des Raumklimas wäre nur bei sehr hohen relativen Luftfeuchten erfolgversprechend. 4. Belastung durch mikrobiologische Besiedlung Die meisten Oberflächen der Mikwe sind mit einem mikrobiologischen Film bedeckt. Derartige Biofilme beeinflussen sowohl das Erscheinungsbild des Rauminneren, weisen aber auch ein Schadenspotential auf (Petersen 2014). Darüber hinaus können sie je nach den in und auf diesen Biofilmen lebenden Arten schädliche Auswirkungen auf die Besucher haben. Daher wurden die Arten und die Aktivitäten der auf den Wandoberflächen lebenden Mikroorganismen ebenso bestimmt wie die Anzahl der Luftkeime (Fritz et al., 2019). Die erste Untersuchung der Raumluft zeigte eine Zunahme der Luftkeime im Vergleich zur Situation im Freien. Um die Auswirkungen auf Raumklima und Salzkristallisation zu prüfen, wurde während einer mehrmonatigen Testperiode die Eingangstür der Mikwe geschlossen und abgedichtet. Ziel war eine Stabilisierung des Raumklimas, eine Maßnahme, die in der Mikwe Friedberg vor ca. 20 Jahren erfolgreich umgesetzt wurde. Da während dieser Testperiode die Menge an Luftkeimen in der Mikwe Worms um ein Vielfaches anstieg, wurde die Tür wieder durch die alte Gittertür ersetzt. Durch die Rückkehr zu den vorherigen Bedingungen wurde die Durchlüftung der Mikwe wesentlich intensiviert und die Luftkeimbelastung sank umgehend auf das Niveau der Außenluft ab (Abb. 4). 72 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Fig. 4: Luftkeime, kultiviert auf Malzextrakt Agar, in den Mikwen von Friedberg und Worms. (Daten: Fritz et al. 2019) Neben seinen ästhetischen und substanzschädigenden Auswirkungen behindert der mikrobiologische Film auf den Baustoffoberflächen notwendige Konservierungsmaßnahmen und muss daher entfernt werden. Da es sich bei der Mikwe um einen religiösen Ort des Lebens handelt, sollte der Einsatz von chemischen Bioziden, die in den Baumaterialien verbleiben, vermieden werden. Andere Methoden zur Reduzierung des Algenwachstums wurden erprobt: - Desinfektion der Oberflächen durch UV-C-Strahlung, - die Verwendung von grünem Licht, um die Fähigkeit der Algen zur Photosynthese zu reduzieren, - Reduzierung des mikrobiellen Wachstums durch photokatalytisch aktives Titandioxid. Eine einmalige Desinfektion der Oberflächen ist als Voraussetzung für die Reinigung der Oberflächen einschließlich der Entfernung von Biofilmen notwendig. Getestet wurde eine Desinfektion durch UV-C-Strahlung. Während der Test auf einer Steinoberfläche zu guten Ergebnissen führte, funktionierte ein weiterer Test auf Putz nicht zufriedenstellend. Hier ist der Biofilm tiefer in das Mikrogefüge des Putzes und in die unregelmäßige Topographie seiner geschädigten Oberfläche eingewachsen. Weitere Tests zur Entfernung von Algen aus dem Putz sind notwendig. Die in der Mikwe vorkommenden Algenarten wurden im Labor kultiviert, um die Effizienz von grünem Licht zur Reduzierung des Grünalgenbewuchses zu überprüfen. Der Grundgedanke ist die wellenlängenabhängige Wirksamkeit von Chlorophyll und anderen Pigmenten bei der Photosynthese (Abb. 5). Sie zeigt ein Absorptionsminimum im grüngelben Bereich. Dementsprechend wurde eine monochromatische LED mit einer Wellenlänge im Bereich 525/ 550 nm für die Labor- und in situ- Versuche ausgewählt. Die Chlorophyllproduktion wurde bei Bestrahlung mit grünem Licht, sowie bei Tageslicht und bei Dunkelheit gemessen. Während konstantes Tageslicht die Produktion bis zu einem Maximum steigert und völlige Dunkelheit sie fast vollständig verhindert, reduzieren konstantes grünes Licht und abwechselnde Zyklen von grünem Licht und Dunkelheit die Produktion von Chlorophyll auf etwa 44 bzw. 19 % (Fritz et al. 2019). Ein signifikanter Effekt der Beleuchtung auf das Wachstum von Schimmelpilzen wurde nicht beobachtet. Daher wird eine Kombination aus einer Notbeleuchtung mit schwachem grünem Licht (Dauerlicht) und einer über Bewegungssensoren gesteuerten, nur temporär für den Besucherverkehr eingeschalteten weißen LED-Beleuchtung als praktikabler Ansatz für die künftige Beleuchtung der Mikwe angesehen. Dies wird das Algenwachstum reduzieren und gleichzeitig den Zugang für Besucher ermöglichen. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 73 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Abb. 5: Wellenlängenabhängige Lichtabsorption von Chlorophyll und Karotinoiden 1 Um eine Wiederbesiedlung nach der Desinfektion zu verhindern, wurden Tests mit photokatalytisch aktivem Titanoxid (TiO 2 ) durchgeführt (Skasa-Lindermeir & Wendler 2019). Zur Aktivierung des TiO2 wurde ein Jahr lang eine UV-A-Lampe für 12 Stunden täglich während der Nachstunden eingeschaltet. Die Wirkung auf Grünalgen wurde durch die Messung der Fluoreszenz von Chlorophyll als Indikator für den Aktivitätsgrad der Photosynthese kontrolliert. In einigen Musterflächen wurde innerhalb der einjährigen Bestrahlung nach einem Jahr fast keine Wirkung auf die Photosyntheseaktivität gemessen. Jedoch wurde in Testflächen, die sehr nahe an der UV-Lampe lagen, eine starke Abnahme der Fluoreszenz beobachtet. Daraus kann geschlossen werden, dass die Intensität der UV-A-Strahlung für Testflächen in einem Abstand von ca. 1,5 m von der Lampe zu gering war, während das System bei Distanzen von ca. 0,2 m sehr gut funktionierte. Hier konnte die Photosyntheseaktivität nahezu vollständig unterbunden werden. Daraus ist zu folgern, dass für die Anwendung eines solchen Systems im Gebäudeinneren UV-A-Lampen mit höherer Strahlungsleistung benötigt werden. 1 Quelle: Cooke, S.J. on https: / / socratic.org/ questions/ how-does-lightfrequency-affect-the-rate-of-photosynthesis 5. Raumklima Das Raumklima wurde zwei Jahre lang an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb der Mikwe Worms gemessen. Die Ergebnisse zeigen sehr ungünstige Bedingungen: Im unteren Teil des Badeschachtes und im unteren Treppenabgang ist das Raumklima durch hohe Luftfeuchtigkeit und geringe Luftströmungen gekennzeichnet. Hingegen herrschen im Vorraum und im oberen Teil des Badeschachtes intensive Klimaschwankungen aufgrund der starken Luftströmung zwischen der Gittertür im oberen Treppenabgang und dem Lüftungsschacht in der Kuppel. Entsprechend dieser Situation sind die Wandflächen im oberen Teil des Bauwerks besonders häufigen Salzkristallisations-/ Lösungs- und Dehydratations-/ Hydratationsprozessen ausgesetzt. Vergleichsmessungen wurden in anderen mittelalterlichen Mikwen von vergleichbarer Größe, aber unterschiedlichem Raumklimamanagement durchgeführt (Abb. 6): - Die Mikwe von Speyer ist in konstruktiver Hinsicht der Wormser Mikwe sehr ähnlich. Sie ist etwas älter und größer als ihr Wormser Pendant und kann als dessen Vorbild angesehen werden. Im Gegensatz zu Worms wurde über dem Bauwerk ein Schutzdach errichtet, um das Eindringen von Regenwasser in das Mauerwerk zu verhindern. Das Raumklima variiert wie in Worms sehr stark, die relative Luftfeuchte liegt jedoch aufgrund des Schutzbaus im Mittel deutlich niedriger als in Worms. - In der Mikwe von Friedberg hingegen bleibt die Eingangstür jedoch meist geschlossen und die Belüftung ist auf ein Minimum reduziert. Folglich ist hier das Raumklima sehr stabil und dauerfeucht (Abb. 6). - Ein Besuch in der Mikwe von Andernach ergab, dass hier das Raumklima im unteren Teil des Bauwerks von einem Lüftungssystem abhängt, das nicht zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit oder Temperatur, sondern zur Reduzierung der CO2-Konzentration in der Raumluft installiert wurde. Andernach liegt in einer Region mit hohen CO2-Emissionen aus dem Boden, die durch die frühere vulkanische Tätigkeit verursacht werden. Ein ähnliches Lüftungssystem wie in Andernach könnte eine Lösung für die Raumklimaprobleme in Worms darstellen. Sie erfordert jedoch die Installation von technischen Geräten und einer Schleuse am Eingang. Beide Elemente sind im Hinblick auf die Integrität des Bauwerks nicht unproblematisch. 74 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Abb.6: Streuung der relativen Luftfeuchtigkeit in den Mikwen Worms und Friedberg, jeweils oben und unten gemessen, bei einjähriger Messung (Daten: Hahn & Pischke 2019) 6. Konservierung von Putz und Stein Die originalen Putzoberflächen sind zum großen Teil mit schwarzen Gipskrusten bedeckt. Zur Reduzierung dieser Krusten wurden Arbeitsproben mit verschiedenen Laser-Reinigungsgeräten angelegt. Letztlich wurde für eine größere Musterfläche ein Nd-YAG-Laser eingesetzt (Abb. 7). Während die ästhetische Verbesserung offensichtlich ist, wurde der Gipsgehalt nicht vollständig entfernt. Dies wurde durch Untersuchungen mittels Lichtmikroskopie und mobiler Röntgenfluoreszenzanalyse und Ramanspektrometer nachgewiesen (Abb. 8). Abb. 7: Zwischenstadium bei der Laserreinigung des mittelalterlichen Putzes mittels Lasergerät (Aufnahme K. Keller). 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 75 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Abb. 8: Nachweis von Gips auf Putzoberfläche nach Laserreinigung: a) Die lichtmikroskopische Untersuchung am Dünnschliffpräparat zeigt eine auf ca. 50 µm ausgedünnte Gipsschicht auf dem Putz, Aufnahme bei gekreuzten Polarisatoren (M. Auras). b): Raman-Spektren, aufgenommen an gereinigten und ungereinigten Putzoberflächen (Paz 2 ). 2 Aus: Zerstörungsfreie Materialanalysen zum Nachweis von Gips auf gereinigten und ungereinigten Putz- und Steinoberflächen in der Mikwe in Worms mittels mobiler Röntgenfluoreszenz- und ramanspektroskopischer Methoden. Untersuchungsbericht (unveröff.). Paz Laboratorien für Archäometrie, Bad Kreuznach, 22.10.2019. Mit dem Lasergerät wurden neben dem Putz auch die skulptierten Oberflächen der steinernen Bauzier gereinigt und von schwarzen Krusten befreit. Reinigungsversuche am Mauerwerk zeigten, dass eine sorgfältige Reinigung mit Bürsten und Staubsauger ausreicht. Ziel ist, losen Schmutz vom Mauerwerk zu entfernen, aber die Patina der geschwärzten Wände zumindest teilweise zu erhalten. Der Putz wurde mit so genanntem Nanokalk, einer Dispersion von sehr kleinen Calciumhydroxid-Partikeln in Ethanol gefestigt. Die Ränder der Putzschollen wurden mit baustellengemischtem Mörtel auf der Basis von natürlichem hydraulischem Kalk angeböscht. Zur Festigung von Sandstein kam Kieselsäureester zum Einsatz. Die Oberflächen von Zementmörtel und Beton wurden zurückgearbeitet und durch einen ästhetisch ansprechenden Kalkmörtel ersetzt. Er soll im Lauf der Zeit lösliche Salze aus dem Zement aufnehmen und somit als Opferschicht wirken. 7. Statische Ertüchtigung Die Tragwerksuntersuchungen sowie das Konzept zur statischen Ertüchtigung wurden durch das Büro Barthel & Maus, München, erarbeitet (Maus 2019). Die Tragfähigkeitsprobleme der Mikwe sind zweierlei: - Ein größerer Mauerwerksausbruch an der Einmündung der unteren Treppe in den Badeschacht und - eine großflächige Destabilisierung des Mauerwerks im unteren und mittleren Abschnitt des Badeschachtes. Zur Sicherung des beginnenden Mauerausbruchs wurden temporäre Sprießen eingebaut, später ist eine Sicherung durch Vernadelung und Mörtelinjektion oder durch partiellen Rückbau und Neuaufmauerung geplant. 76 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Das zweite Problem ist durch Niederschlagswasser verursacht, dass über der Mikwe versickert und sich seinen Weg durch das Mauerwerk sucht. Dabei wurden die Kalkbindemittel ausgewaschen, wodurch sich die innere Mauerschale vom Mauerkern gelöst hat. In den Fugen der inneren Schale findet sich statt Mörtel nur Sand und tonig-humöses, aus dem Erdreich eingeschwemmtes Material. Eine Mörtelinjektion in die derart gefüllten Fugen war nicht sinnvoll, weil der Mörtel nicht am Stein angebunden hätte. Daher musste das tonig-humöse Material erst ausgewaschen werden, bevor Mörtel injiziert werden konnte. Anhand von Musterflächen wurde ermittelt, wie das Auswaschen mit rotierenden Hochdruckwasserstrahldüsen bewerkstelligt werden kann, bevor Mörtelinjektionen erfolgen. Verschiedene Mörtel wurden zur Nachverfugung und zur Mörtelinjektion getestet. Aufgrund der Ergebnisse kann mit Mörteln auf Basis natürlich hydraulischen Kalks oder Romanzementes verfugt werden. Für die Injektion wird ein Mörtel auf Romanzementbasis empfohlen. 8. Schlussfolgerungen Unter den Bedingungen eines unterirdischen historischen Bades sind die konservatorischen Probleme vielfältig und die Lösungsansätze manchmal widersprüchlich. So wäre es beispielsweise sinnvoll, das Raumklima auf einem Niveau hoher Luftfeuchtigkeit zu stabilisieren, um die Häufigkeit von Salzkristallisationsprozessen zu reduzieren. Doch bei diesem Klima steigt die Zahl der Luftkeime exponentiell an, was ein potenzielles Gesundheitsrisiko für die Besucher darstellt. Daher muss jede Intervention sehr sorgfältig erwogen und überwacht werden. Ansätze für einige der Probleme konnten im Projekt entwickelt werden, andere müssen weiter untersucht und vertieft werden. Eine Abdichtung der Bodenoberfläche über der Mikwe ist in Planung, um das weitere Eindringen von Regenwasser zu verhindern. Das Raumklima könnte höchstwahrscheinlich durch die Entwicklung eines maßgeschneiderten Belüftungssystems stabilisiert werden, aber zunächst müssen die technischen und ästhetischen Aspekte eines solchen Systems sorgfältig bewertet und abgewogen werden. Das mikrobielle Wachstum von Algen und Schimmelpilzen kann durch ein anderes Beleuchtungssystem und durch die photokatalytische Wirkung von Titandioxid reduziert werden. Es fehlt jedoch noch eine Methode zur effektiven Grunddesinfektion von Putz, die den Einsatz chemischer Biozide vermeidet. Für die meisten der notwendigen Konservierungsschritte wurden geeignete Methoden und Mittel erfolgreich getestet. Es bestehen jedoch weitere Defizite wie die im Putz verbliebenen Gipsgehalte und die noch unzureichende Extraktion von löslichen Salzen aus den Sandstein-Zierelementen. Auch für die Behebung der Tragfähigkeitsprobleme wurden Lösungen entwickelt und es steht zu hoffen, dass die statische Sicherung in Kürze erfolgt. Zu manchen Detailfragen sind jedoch weitere Untersuchungen und Verfahrenserprobungen notwendig, um die hier dargestellten Konservierungsansätze zu optimieren und dabei den hohen und teils widersprüchlichen Anforderungen dieses wichtigen Zeugnisses des früheren jüdischen Lebens und Glaubens in Deutschland gerecht zu werden. 9. Schlussbemerkung Der vorliegende Artikel fasst die wichtigsten Arbeitsergebnisse aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt zusammen. Eine ausführliche Version ist in gedruckter Version erhältlich beim Institut für Steinkonservierung e.V., Mainz, als IFS-Bericht Nr. 58 (2019), s. https: / / ifs-mainz.de/ veroeffentlichungen/ ifs-berichte. 10. Dank Der Autor dankt der Jüdischen Gemeinde Mainz für die Genehmigung zur Untersuchung der Mikwe, der Projektgruppe, den Kolleginnen und Kollegen der beteiligten kommunalen und Landeseinrichtungen sowie des Architekturbüros Hamm für mannigfaltige Unterstützung. Ebenso gilt mein Dank den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die unsere Recherchearbeiten zur baulichen Situation anderer mittelalterlicher Mikwen unterstützten. Besonderen Dank der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für die Projektförderung. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 77 Sanierungskonzept für die Mikwe in Worms Literatur [1] Fritz, U.M., Medić, K., Gehrmann-Janssen, C., Petersen, K. (2019): Untersuchungen zur mikrobiellen Belastung der Mikwe. In: Auf dem Weg zu einem Konservierungskonzept für die Mikwe in Worms. Institut für Steinkonservierung e.V., Mainz, IFS- Bericht 58: 49-59. [2] Kayser C. (2019): „Einen Brunnen grub er, führte auf das Gewölbe….“ - Bauforschung an der Mikwe von Worms. In: Auf dem Weg zu einem Konservierungskonzept für die Mikwe in Worms. Institut für Steinkonservierung e.V., Mainz, IFS-Bericht 58: 7-33. [3] Keller, K., Brakebusch, C. (2019): Notsicherung der Wandputze und Arbeitsproben zur Konservierung der Putz- und Steinoberflächen. In: Auf dem Weg zu einem Konservierungskonzept für die Mikwe in Worms. Institut für Steinkonservierung e.V., Mainz, IFS-Bericht 58: 43-48 [4] Maus H. (2019): Die statisch-konstruktive Instandsetzung. In: Auf dem Weg zu einem Konservierungskonzept für die Mikwe in Worms. Institut für Steinkonservierung e.V., Mainz, IFS-Bericht 58: 35-42. [5] Petersen K. (2014): Mikrobiologische Materialschädigung an Naturstein und Vorgehensweise zu deren Beseitigung. In: Patitz, G., Grassegger, G., Wölbert, O. (Eds.): Natursteinbauwerke, Untersuchen-Bewerten-Instandsetzen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, S.175-182. [6] Skasa-Lindermeir, B. & Wendler, E. (2019): Anwendung von photokatalytisch wirksamen Titandioxid als Prophylaxe gegen mikrobiellen Befall von Naturstein und Putz in der Mikwe in Worms. In: Auf dem Weg zu einem Konservierungskonzept für die Mikwe in Worms. Institut für Steinkonservierung e.V., Mainz, IFS-Bericht 58: 61-78.