eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
71
2021
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DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung

71
2021
Christoph Blut
Till Büttner
Ralf Becker
Raymond Wollenberg
Baris Özcan
Heiner Stahl
Jörg Blankenbach
Im Zuge der Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken kommt der Erfassung von Schäden im Beton, wie Schadstellen und Rissen, für die Bauabwicklung, die Abrechnung sowie die Dokumentation der durchgeführten Arbeiten eine zentrale Bedeutung zu. Die Erfassung von Schäden umfasst sowohl die Dokumentation der lateralen Ausdehnung der Schäden als auch die genaue Position von Schäden oder des Verlaufs von Rissen im Bauwerk. Aktuell erfolgt eine Schadenserfassung/-aufnahme und anschließende Dokumentation i.d.R. weitgehend manuell, d.h. ohne den Einsatz von digitalen Massenpunkterfassungsverfahren, wie z.B. der Photogrammetrie oder des Laserscannings sowie daran anschließend automatisierter Auswerteverfahren. Aufgrund der manuellen Erfassung ist diese Tätigkeit bei jedem Instandsetzungsprojekt zeit- und kostenintensiv sowie auch fehleranfällig. Im Rahmen eines AiF-Forschungsvorhabens werden von einem Konsortium mit Partnern aus der Industrie und Wissenschaft digitale Verfahren zur Instandsetzung und Instandhaltung von befahrenen Bestandsbauwerken entwickelt. Das Geodätische Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme und das Unternehmen Massenberg befassen sich im Zuge des Forschungsvorhabens sowohl mit der digitalen Ersterfassung von Bestandsbauwerken mittels scannender und bildgebender Verfahren sowie mit der Erfassung von Betonschäden während des Bauablaufs mittels mobiler Endgeräte, wie z.B. dem Smartphone. Auf der Basis der initialen Erfassung und BIM-Modellierung des Bauwerks sollen baubegleitend mit einem Smartphone Betonschäden bildhaft und mit Ortsbezug erfasst, in den relevanten Abmessungen ausgewertet und im BIM-Modell dokumentiert werden. Ziel ist es, die Dokumentation und Baufortschrittskontrolle der Instandsetzungsarbeiten gegenüber der derzeitigen Verfahrensweise durch konsequente Digitalisierung zu verbessern. Bei der Entwicklung der Verfahren steht die praxisnahe und wirtschaftliche Anwendung unter Berücksichtigung der erforderlichen Genauigkeiten während des gesamten Bauablaufs im Vordergrund. Im Zuge der vorliegenden Veröffentlichung werden die erarbeiteten Verfahren zur initialen Erfassung und BIM-Modellierung von Bauwerken sowie zur digitalen Erfassung von Betonschadstellen mittels mobiler Endgeräte und der Integration dieser in das BIM-Modell vorgestellt. Anhand ausgewählter Beispiele wird die Umsetzbarkeit der Methoden demonstriert.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 91 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung Dr.-Ing. Christoph Blut*, Dr.-Ing. Till Büttner**, Dr.-Ing. Ralf Becker*, Raymond Wollenberg*, Baris Özcan*, Heiner Stahl**, Prof. Dr.-Ing. Jörg Blankenbach* *Geodätisches Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme, RWTH Aachen University, Aachen ** Massenberg GmbH, Essen Zusammenfassung Im Zuge der Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken kommt der Erfassung von Schäden im Beton, wie Schadstellen und Rissen, für die Bauabwicklung, die Abrechnung sowie die Dokumentation der durchgeführten Arbeiten eine zentrale Bedeutung zu. Die Erfassung von Schäden umfasst sowohl die Dokumentation der lateralen Ausdehnung der Schäden als auch die genaue Position von Schäden oder des Verlaufs von Rissen im Bauwerk. Aktuell erfolgt eine Schadenserfassung/ -aufnahme und anschließende Dokumentation i.d.R. weitgehend manuell, d.h. ohne den Einsatz von digitalen Massenpunkterfassungsverfahren, wie z.B. der Photogrammetrie oder des Laserscannings sowie daran anschließend automatisierter Auswerteverfahren. Aufgrund der manuellen Erfassung ist diese Tätigkeit bei jedem Instandsetzungsprojekt zeit- und kostenintensiv sowie auch fehleranfällig. Im Rahmen eines AiF-Forschungsvorhabens werden von einem Konsortium mit Partnern aus der Industrie und Wissenschaft digitale Verfahren zur Instandsetzung und Instandhaltung von befahrenen Bestandsbauwerken entwickelt. Das Geodätische Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme und das Unternehmen Massenberg befassen sich im Zuge des Forschungsvorhabens sowohl mit der digitalen Ersterfassung von Bestandsbauwerken mittels scannender und bildgebender Verfahren sowie mit der Erfassung von Betonschäden während des Bauablaufs mittels mobiler Endgeräte, wie z.B. dem Smartphone. Auf der Basis der initialen Erfassung und BIM-Modellierung des Bauwerks sollen baubegleitend mit einem Smartphone Betonschäden bildhaft und mit Ortsbezug erfasst, in den relevanten Abmessungen ausgewertet und im BIM-Modell dokumentiert werden. Ziel ist es, die Dokumentation und Baufortschrittskontrolle der Instandsetzungsarbeiten gegenüber der derzeitigen Verfahrensweise durch konsequente Digitalisierung zu verbessern. Bei der Entwicklung der Verfahren steht die praxisnahe und wirtschaftliche Anwendung unter Berücksichtigung der erforderlichen Genauigkeiten während des gesamten Bauablaufs im Vordergrund. Im Zuge der vorliegenden Veröffentlichung werden die erarbeiteten Verfahren zur initialen Erfassung und BIM-Modellierung von Bauwerken sowie zur digitalen Erfassung von Betonschadstellen mittels mobiler Endgeräte und der Integration dieser in das BIM-Modell vorgestellt. Anhand ausgewählter Beispiele wird die Umsetzbarkeit der Methoden demonstriert. 1. Einleitung Bei der Instandsetzung von Bestandsbauwerken sind die Aufnahme der Bestandsgeometrie sowie die Erfassung von Schäden im Beton wesentliche Aufgaben bei der Bauausführung, die häufig ein hohes Maß an händischen Prozessen erfordert. In der Regel sind bei Bauwerken nur wenige oder unzureichende analoge Bestandspläne vorhanden, so dass für die Dokumentation der Ausführung sowie die Mengenermittlung Maße manuell erfasst und anschließend in neue Bestandspläne überführt werden müssen. Dies hat auch zur Folge, dass ausgeführte Instandsetzungsarbeiten, wie die Instandsetzung von Betonschadstellen, das Tränken von Rissen oder die Applikation von Oberflächenschutzsystemen, manuell aufgemessen und in Pläne übertragen werden müssen. Diese Tätigkeiten sind zeit-, kostenintensiv und auch fehleranfällig. Im Rahmen des gemeinsamen AiF-Forschungsprojektes des Geodätischen Instituts und Lehrstuhls für Bauinformatik & Geoinformationssysteme (gia) der RWTH Aachen sowie der Fa. Massenberg werden Verfahren zur digitalen Aufnahme von Bestandsbauwerken vor und während der Bauabwicklung sowie die Aufnahme von ausgeführten Leistungen mittels scannender und bildgebender Verfahren auf Basis des Building Information Modeling (BIM) entwickelt. BIM bezeichnet eine kooperative und lebenszyklusüberspannende digitale Arbeitsmethodik, bei der auf Grundlage digitaler Bauwerksmodelle alle relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und zwischen den Beteiligten ausgetauscht werden (vgl. [1]). Ziel ist es, nach einer schnellen Bestandsaufnahme für die Angebotskalkulation, Verfahren zur baubegleitenden Aufnahme von Arbeiten sowie für die anschließende Bauwerksdokumentation zu nutzen. Dabei ist das BIM- 92 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung Modell des Bestandsbauwerks ein zentrales Element. Bei der Entwicklung wird ein wesentliches Augenmerk auf die Nutzbarkeit durch die an der Ausführung beteiligten Personen - Projektleitung, Baustellenleitung - gelegt. 2. Stand der Technik zur Erfassung von Bauwerksschäden Die Erfassung von Schäden bei Stahl- und Stahlbetonbauwerken ist sowohl bei der Planung als auch der Ausführung von Instandsetzungsmaßnahmen eine wesentliche Aufgabe - siehe u.a. DIN EN 1504 sowie DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen“. Die Zustandserfassung wird u.a. mit den folgenden Verfahren durchgeführt [2]: - optische Aufnahme von Schäden mittels visueller Inspektion, - Betondeckungsmessungen (Abb. 1), - Potentialfeldmessungen (Abb. 2), - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe und - Entnahme von Bohrkernen für die Bestimmung von Betonfestigkeiten. Abbildung 1: Betondeckungsmessung mittels magnetinduktiven Verfahren [2]. Abbildung 2: Potentialfeldmessung mittels Radelektrode [2]. Bei der optischen Aufnahme von Schäden werden in Übereinstimmung mit den geltenden Regelwerken die folgenden Aspekte dokumentiert: - Schäden des Betons infolge von Bewehrungskorrosion („Betonschadstellen“) oder defektem Korrosionsschutz; - Risse im Beton sowie - augenscheinlichen Schäden an der Konstruktion z.B. infolge von Anprallereignissen. Abbildung 3: Exemplarische Schadensdokumentation bei einem Parkdeck [2]. Eine der Herausforderungen bei der Bestandsaufnahme von Bauwerken ist die Verortung der aufgenommenen Daten in Bezug auf das Bauwerk. Die Erfassung erfolgt i.d.R. manuell und ohne Unterstützung von georeferenzierenden Verfahren in analogen Plänen (Abb. 3). Dies ist ein vergleichsweise zeitaufwändiges Verfahren, welches auch je nach Randbedingungen vor Ort hohe Messungenauigkeiten zur Folge haben kann. Die Anforderungen an die Aufnahme von Schäden sowie ausgeführten Flächen können u.a. aus der ZTV-ING Teil 3, Abschnitt 2 für die Ausführung von Stahlbetonbauteilen sowie der DIN 18349: 2019-09 VOB/ C „Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen Betonerhaltungsarbeiten“ abgeleitet werden. Im Folgenden sind die Maßabweichungen der ZTV-ING Dl die „vom Nennmaß l der Abmessung eines Betonquerschnitts (Gesamtdicke eines Balkens oder einer Platte, Breite eines Balkens oder Steges, seitliche Abmessungen einer Stütze) (…) als zulässig angesehen werden“: • für l ≤ 150 mm: Dl = ± 3 mm • für l = 400 mm: Dl = ± 10 mm • für l ≥ 2500 mm: Dl = ± 20 mm Zwischenwerte dürfen linear interpoliert werden.“ Die genannten Genauigkeiten zeigen, dass für die Aufnahme von Flächen oder Längen bei der Instandsetzung die etablierten händischen Messeinrichtungen, wie „Zollstock“ oder Messrad grundsätzlich ausreichend sind, allerdings die Übertragung von einem Feldaufmaß in einen Plan der aufwändige Arbeitsschritt ist. Ferner 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 93 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung ist die Lokalisierung von Schadstellen mit den genannten Messverfahren vergleichsweise ungenau. Die gleiche Problematik zeigt sich bei der baubegleitenden Aufnahme von Schadstellen als umschreibendes Rechteck oder zu bearbeiteten Rissen. Die Aufnahme erfolgt auch hier mit händischen Messverfahren, die keine direkte Verortung ermöglichen und somit die Übertragung von den Handaufmaßen in die Pläne aufwändig und auch fehleranfällig machen. Neben den zu erfassenden Schäden ist insbesondere die Erfassung von Anlagen der technischen Gebäudeausstattung (TGA) sowie von Einbauteilen, wie z.B. Rauchmeldern, Schilder und Lampen, ebenfalls zeitaufwändig, da hier bisher keine automatischen Erfassungsmöglichkeiten am Markt verfügbar sind und die Erfassung händisch mittels Zähllisten und Messrad für die Erfassung von Längen erfolgt. Die Aufnahme der TGA ist z.B. für die Anzahl oder Länge von zu schützenden Einbauteilen erforderlich. 3. Digitalisierung der Erfassung von Bauwerksschäden Für die Digitalisierung von Instandsetzungs- und Instandhaltungsverfahren von befahrenen Bestandsbauwerken, ist im Zuge des Forschungsvorhabens eine digitale Ersterfassung des Parkbaus sowie eine bildhafte Erfassung der Betonschäden mit Ortsbezug während des Bauablaufs notwendig. Das aus der Ersterfassung abgeleitete digitale bauteilorientierte Bauwerksmodell (BIM-Bestandsmodell) dient dabei als Grundlage für die Schadstellendokumentation. Die erfassten Betonschäden werden georeferenziert in das Modell integriert und den entsprechenden Bauteilen zugeordnet. Dies erlaubt beispielsweise eine bauteilscharfe Schadstellenanalyse. 3.1 Initiale Erfassung und BIM-Modellierung von Bauwerken Zur Überführung von Bestandsbauwerken in BIM-Modelle haben sich so genannte Scan-to-BIM Workflows etabliert. Hier werden aus Scandaten (3D-Punktwolken) mithilfe von Modellierungswerkzeugen 3D-Bauteile und somit vollständige digitale Bestandsmodelle abgeleitet. Beim Laserscanning ist Stand der Technik, hochgenaue geodätische terrestrische Laserscanner (TLS) und Kamerasysteme miteinander zu koppeln. Dies ermöglicht zum einen eine geometrische Erfassung in Form von 3D-Punktwolken, als auch visuelle Erfassung mittels der auf dem Laserscanner angebrachten Kamerasysteme, zur Einfärbung der Punktwolken. So kann die Umgebung sehr realitätsnah abgebildet werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Kameraaufnahmen auch für photogrammetrische Auswertungsverfahren genutzt werden können. So kann zum einen die hohe räumliche Auflösung der Punktwolke, als auch die Detailtiefe (pixelweise Granularität) der Kameraaufnahmen für das Bauwerksaufmaß ausgewertet werden. TLS-Verfahren sind jedoch durch das stationäre Messprinzip und die Notwendigkeit der Registrierung der Einzelscans vergleichsweise zeitaufwändig. Als Alternative bieten sich mobile Laserscanning (MLS)-Verfahren an. Im Unterschied zum TLS kann der Scanner beim MLS während des Messens kontinuierlich - montiert auf einem Trolley oder handgeführt - bewegt werden, so dass das Bestandsbauwerk wesentlich schneller erfasst werden kann. In diesem Fall muss die sich ständig verändernde Position und Orientierung des Scanners (Pose) fortlaufend neu bestimmt werden, um die einzelnen Punktwolken miteinander zu registrieren. Neben Verfahren zur Trägheitsnavigation (mittels inertialer Messsysteme) [3] sowie Trackinglösungen (z.B. mit einem zielverfolgenden Tachymeter) [4], ist Simultaneous Localization and Mapping (SLAM) ein verwendetes Verfahren. Dabei wird die aktuelle Position über das stetige Wiedererkennen von geometrischen Merkmalen (Features) der Umgebung in der erfassten Punktwolke kontinuierlich geschätzt und optimiert. Ein weiterer Bestandteil des SLAM-Verfahrens ist die Wiederkennung von bereits besuchten Orten, um unvermeidliche Drifteffekte, die über die Scandauer zu tragen kommen, zu korrigieren (Loop-Closure, siehe Abschnitt 3.2). Ein wesentlicher Nachteil von MLS ist die üblicherweise geringere geometrische Genauigkeit gegenüber TLS. Als Vertreter von MLS-Systemen wurde das handgetragene System ZEB-REVO RT 1 von GeoSLAM untersucht. Von TLS wurden zum einen das Instrument BLK360 2 von Leica als Mid-Cost-System als auch der Laserscanner VZ-400 3 von RIEGL als hochgenaues geodätisches System evaluiert. Der Laserscanner VZ- 400 wurde als Referenz für die anderen Systeme verwendet. Zur Evaluierung der geometrischen Genauigkeiten wurden verschiedene Distanzen (Abb. 4) in den Punktwolken der vorgestellten Erfassungssysteme gemessen und miteinander verglichen. Zur Bewertung des MLS-Systems wurden zwei Aufmaße miteinander verglichen (MLS Aufmaß 1 „schnell“, MLS Aufmaß 2 „detailliert“). Beim MLS Aufmaß 1 wurde eine Erfassung der wesentlichen raumumschließenden architektonischen Flächen (Wände, Decken und Böden) bei möglichst zeiteffizienter Bewegung durch das Objekt fokussiert. Das MLS Aufmaß 2 beruht auf einer möglichst umfassenden Aufnahme aller sichtbaren Oberflächen, um zu bewerten, ob mehr geometrische Features zu einer besseren Genauigkeit führen. Die notwendige Scandauer für jedes System ist in Tabelle 1 aufgeführt. 1 https: / / geoslam.com/ wp-content/ uploads/ 2020/ 08/ ZEB-Revo-RTproduct-card-1.pdf 2 https: / / shop.leica-geosystems.com/ sites/ default/ files/ 2019-04/ blk 360_spec_sheet_2_0.pdf Datenblatt 3 http: / / www.riegl.com/ uploads/ tx_pxpriegldownloads/ 10_DataSheet _VZ-400_2017-06-14.pdf Datenblatt 94 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung Abbildung 4: Übersicht Vergleichsstecken im Querschnitt Tabelle 1: Durchschnittliche Scandauer für die untersuchten Systeme Scanner Dauer VZ-400, RIEGL 60min BLK 360, Leica 75min ZEB-REVO RT, GeoSLAM (schnell) 7min ZEB-REVO RT,GeoSLAM (detailliert) 20min Die Scangenauigkeiten sind in der nachfolgenden Tabelle 2 aufgeführt: Tabelle 2: Auswertung der Vergleichsdistanzen Wie Tabelle 2 zu entnehmen ist, sind die Abweichungen des MLS größer als beim TLS BLK360, aber liegen im Durchschnitt innerhalb der formulierten geometrischen Toleranz von +/ -2 cm für ein Modell zur Schadenskartierung (siehe Kapitel 2), die im Rahmen der Anforderungsdefinition seitens Massenberg festgelegt wurde. Desweitern wird festgestellt, dass eine detaillierte Erfassung mit dem ZEB-REVO RT keine Verbesserung der Genauigkeit mit sich bringt. Dies ist wahrscheinlich auf die längere Scandauer und somit sich über die Zeit aufsummierender Drifteffekte zurückzuführen. Wird die Scandauer in die Bewertung miteinbezogen (Tabelle 1), lässt sich festhalten, dass MLS nicht nur aus Sicht der Genauigkeit für die initiale Erfassung geeignet sind, sondern TLS gegenüber die Scandauer um das 10-fache reduzieren können. Für eine inertiale Erfassung und Erstellung eines BIM- Modells ist neben der Genauigkeit die Ableitung von Semantik ein wichtiger Bestandteil. Für eine Bewertung wie gut die semantischen und beschreibenden Attribute von Objekten (z.B. Material, Zustand) aus den Punktwolken bestimmt werden können, wurden die von den drei Laserscannern erzeugten Punktwolken aufbereitet und analysiert, beispielsweise hinsichtlich der Erkennbarkeit von Fahrbahnmarkierungen (Abb. 5 und 6). Abbildung 5: Vergleich der Sichtbarkeit von Fahrbahnmarkierungen des TLS BLK360 im Vergleich zum TLS VZ-400 Abbildung 6: Vergleich der Sichtbarkeit von Parkplatzmarkierungen des MLS ZEB-REVO RT im Vergleich zum TLS VZ-400 Auf Grund der geringeren räumlichen Auflösung und Genauigkeit der MLS-Systeme weisen die Punktwolken des ZEB-REVO RT ein systembedingtes stärkeres Rauschen und bei den bisherigen Anwendungen fehlerhafte oder uneindeutige Einfärbungen der Punktwolke auf. So konnten Fahrbahnmarkierungen nur teilweise oder gar nicht abgeleitet werden. Hierfür sind TLS den MLS klar vorzuziehen. Zur Modellierung eines BIM-Modells, wurde die MLS- Punktwolke in die BIM-Autorensoftware AECOsim Building Designer/ Open Buildings Designer von Bentley geladen. Anschließend wurden ausgewählte Komponenten (u.a. Wände, Stützen) aus der Punktwolke unter Zuhilfenahme der Software PHIDIAS [5], ein Aufsatzsoftwaremodul für die Auswertung von Punktwolken und 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 95 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung Kamerabildern, geometrisch modelliert, um ein digitales bauteilorientiertes Bauwerksmodell zu erstellen (siehe Abb. 7). Abbildung 7: BIM-Modell Parkdeck 3.2 Digitale Erfassung von Betonschadstellen mittels mobiler Endgeräte Für eine hohe Flexibilität und Zugänglichkeit wird im Rahmen des Projektes ein neuartiges mobiles, d.h. handgeführtes, Smartphone-basiertes Erfassungssystem realisiert. Moderne Smartphones stellen bereits alle notwendige Hardware zur Verfügung, speziell die zunehmend höher auflösenden Kameras eignen sich für eine bildhafte Schadenserfassung. Im Vergleich zu beispielsweise Trolley-basierten Systemen, können auch unebene Oberflächen, wie in Sanierung befindliche Bodenflächen oder Stufen, begangen und Schäden an Boden-, Wand- und Deckenoberflächen erfasst werden. Herausforderungen liegen jedoch in der mobilen Prozessierung der Bilddaten und der rechenintensiven Pose-Tracking-Prozesse. Um Schadstellen lagerichtig in das BIM-Modell zu integrieren und den zugehörigen Bauteilen zuzuordnen, ist es erforderlich die Pose (Position und Orientierung) des Erfassungssystems fortlaufend automatisch in Echtzeit zu bestimmen. Eine Herausforderung besteht beim sogenannten Pose-Tracking darin, eine für die Anwendung ausreichende Genauigkeit zu erreichen. Während im Außenbereich häufig eine Kombination aus satellitengestützten Lokalisierungssystemen (GNSS) und Inertialmesssystemen (IMU) für die Positionierungs- und Orientierungsbestimmung verwendet werden [6], sind im Innenbereich bisweilen infrastrukturbasierte Tracking-Systeme, beispielsweise auf Basis der Funktechnologien Ultra Wideband (UWB), Bluetooth oder WLAN, sowie auch auf Infrarot- oder Ultraschall-basis, Forschungsgegenstand, da GNSS in überbauten Bereichen üblicherweise nicht nutzbar ist (vgl. [7], [8]). Der Einsatz von infrastrukturbasierten Tracking-Systemen ist jedoch aufwändig, da sie jeweils im Voraus in der Umgebung installiert werden müssen. Eine Alternative für den Innenbereich sind infrastrukturunabhängige, rein IMU-basierte Lösungen. Die aus dem Sensordrift resultierenden und im zeitlichen Verlauf sich kumulierenden Unsicherheiten in der Pose-Bestimmung stellen sich dabei jedoch als problematisch dar. Die steigende Qualität von Kameras, speziell im mobilen Low-Cost-Bereich, erlaubt es zunehmend bildbasierte Verfahren den IMU-Lösungen hinzuzuziehen, um die Pose-Ungenauigkeiten auszugleichen. Grundsätzlich können diese in Marker- und Natural-Feature-basierte Lösungen unterteilt werden. Während für erstgenanntes entsprechende leicht zu identifizierende visuelle Marker ausgedruckt und in der Umgebung platziert werden müssen, können beim Natural-Feature-Tracking bereits in der natürlichen Umgebung enthaltene Objekte bzw. Merkmale verwendet werden (vgl. [6]), was in der Realisierung aufwändiger, doch in der Anwendung flexibler ist. Im vorliegenden Projekt wird eine Natural-Feature- Tracking-Lösung in Form eines visuellen SLAM (V- SLAM)-Verfahrens verwendet. SLAM nutzt Lokalisierungsinformationen, um eine lokale Karte der Umgebung zu erzeugen. Diese wird wiederum zur Lokalisierung verwendet. Ein Bestandteil von SLAM ist die Visuelle Odometrie (VO). Die relative Pose wird dabei über den paarweisen Vergleich von sequenziell aufgenommenen Kamerabildern mit hohem Überlappungsbereich berechnet. Ein typisches Anwendungsgebiet der VO ist die Realisierung von autonom navigierenden Robotern. Bekannte Beispiele sind die NASA-Rover Spirit und Opportunity [9]. Das genaue Vorgehen ist wie folgt: Im ersten Schritt werden markante Merkmale in den Kamerabildern detektiert, digital beschrieben und abgespeichert (Abb. 8). Abbildung 8: Detektierte Bildmerkmale (Features) Dies wird als Merkmalsdetektion (Feature Detection) und Merkmalsbeschreibung (Feature Description) bezeichnet. Bildmerkmale werden durch einen Helligkeitsvergleich des umliegenden Bereichs eines Pixels bestimmt und in Form eines Merkmalsdeskriptors abgelegt. Dieser wird für einen Merkmalsabgleich (Feature Matching) mit den nachfolgenden Kamerabildern verwendet, so dass spezielle Bildmerkmale miteinander in Verbindung ge- 96 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung bracht werden. Hierfür wird ein Ähnlichkeitsvergleich der Merkmalsvektoren beider Kamerabilder durchgeführt. Mithilfe der nun korrespondierenden Merkmale wird eine sogenannte Fundamentalmatrix berechnet. Diese beschreibt die relative Lage zweier Kamerabilder zueinander. Um die relative Bewegung der Kamera zu bestimmen, wird die Matrix in einen Translations- und Rotationsteil zerlegt. Dieser Prozess wird paarweise für alle nachfolgenden Kamerabilder durchgeführt. Ein Aufsummieren aller paarweisen Kameraposen ergibt die aktuelle Kamerapose relativ zur Initialkamerapose, die über georeferenzierte Marker (QR-Code) im Parkbau gesetzt wird. Die resultierende Trajektorie ist bis zu diesem Punkt jedoch noch nicht korrekt skaliert. Werden Stereokameras verwendet, kann die Skalierung direkt berechnet werden. Wird nur eine einzelne Kamera (monokular) verwendet, muss die Skalierung separat bestimmt werden, beispielsweise durch Einbeziehung von IMU-Daten. Dies wird als visuelle inertiale Odometrie (VIO) bezeichnet. Aufgrund von Ungenauigkeiten in den Posen-Schätzungen der VIO addieren sich Abweichungen zur realen Kamerapose mit der Anzahl der Kamerabilder auf. Als Lösung wird in SLAM zusätzlich zum VIO-Prozess eine Umgebungskarte hinzugezogen. Die Karte besteht aus einer 3D-Punktwolke, die durch Triangulation von korrespondierenden 2D-Bildmerkmalen aus aufeinanderfolgenden Kamerabildern erzeugt wird. Die 3D-Punkte stellen dabei ein digitales Abbild markanter Punkte der realen Umgebung dar. Mithilfe einer Bündelblockausgleichung werden die relativen Kameraposen anhand der 3D-Punktwolke optimiert, um eine hochgenaue lokale Trajektorie zu erhalten. Für eine global konsistente Trajektorie wird ein Schleifenschluss-Verfahren (Loop- Closure) angewendet. Loop-Closure bezieht sich auf die Wiederkehr an einen bereits besuchten Ort und die Einbeziehung vergangener Pose-Informationen in aktuelle Schätzungen. Für das Projekt ist das Verfahren in einer App für Android-basierte Smartphones umgesetzt. Die erfassten Schadstellen werden nach der Aufnahme persistent in einer lokalen Datenbank auf dem Gerät abgelegt. 3.3 Transfer und Integration in das BIM-Modell Um die mittels mobiler Endgeräte erfassten georeferenzierten Schadstellendaten in BIM-Modellen zu intergieren, ist zunächst deren Transfer vom mobilen Endgerät in die gewünschte BIM-Autorensoftware zu realisieren. Üblicherweise nutzt jeder Entwickler von BIM-Autorensoftware für seine Software proprietäre Austauschformate, z.B. rvt für Autodesk- oder dgn für Bentley-Produkte. Als herstellerunabhängiges, offenes Format haben sich die Industry Foundation Classes (IFC) [10] entwickelt und vorangetrieben von der Non-Profit-Standardisierungsorganisation buildungSMART etabliert. Zweck der IFC ist es allerdings, ganze Modelle bzw. einzelne Fachmodellen zur Verfügung zu stellen oder in einem Kollaborationsmodell zusammenzuführen. Für den Austausch einzelner Informationen oder Änderungsanweisungen, die sich z.B. aus einer Kollisionsprüfung zweier Fachmodelle in einem Kollaborationsmodell ergeben, wurde von buildingSMART das BIM Collaboration Format (BCF) [11] entwickelt. Ein BCF-Bericht besteht aus einer Menge von drei Dateien je Information. Die erste Datei enthält Metadaten wie einen Titel, das Erstellungsdatum, den Autor, den Adressaten und eine Beschreibung, die zweite Datei ist ein Bildausschnitt (Snapshot) des Modells zur Visualisierung der Information und die dritte Datei enthält Informationen insbesondere zum Aufnahmeort (CameraViewpoint) und zur Betrachtungsrichtung (CameraDirection) des Snapshots (Abb. 9). Abbildung 9: BIM-Collaboration-Format Im diesem Projekt wird BCF jedoch genutzt, um die mit der Kamera des mobilen Endgerätes aufgenommenen Schadensbilder, angereichert durch vom Nutzer erfasste Metadaten wie Schadensart, Erfasser etc. sowie die für die Verortung im BIM-Modell der Autorensoftware notwendige Position und Orientierung (Pose) der Kamera auszutauschen. Dazu wurde eine Export-Funktionalität im mobilen Endgerät zur Erstellung der BCF-Dateien und eine Import-Schnittstelle für die BIM-Autorensoftware entwickelt (Abb. 10). Abbildung 10: Transfer von Schadstellendaten in das BIM-Modell Der mobile BCF-Exporter sammelt alle notwendigen Daten aus der lokalen Datenbank und schreibt diese in 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 97 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung eine konforme BCF-Datei, so dass diese von Standarisierten BCF-Schnittstellen verarbeitet werden kann. Für den Import stellt verschiedene BIM-Software bereits Funktionalitäten bereit. Ziel in diesem Projekt war es, eine Import-Schnittstelle für die Autorensoftware AE- COsim Building Designer/ Open Buildings Designer von Bentley zu entwickeln, die einerseits eine nutzergerechte Visualisierung der Schadstelleninformation mit entsprechender graphisch-interaktiver Benutzeroberfläche (BCF-Manager) (Abb. 11) bietet und andererseits die Schadenstellen den betroffenen Bauelementen des BIM- Modelles zuordnet, d.h. die transferierten Schadensinformationen in das Modell integriert (Abb. 12). Abbildung 11: BCF-Manager für Bentley MicroStation / OpenBuildings Designer Für die Programmierung einer solchen Schnittstelle stellt die Autorensoftware von Bentley die MicroStation Development Library (MDL) bereit. Für die nutzergerechte Visualisierung (Abb. 12) wurden verschiedene Funktionalitäten geschaffen wie die Auswahl des zu visualisierenden Schadens, das Hervorheben des mutmaßlich betroffenen Bauelements wie auch eine teilautomatische Zuordnung des mutmaßlich betroffenen Bauelements durch Auswertung der Pose im BIM-Modell, indem der im Raum bekannte Zielstrahl der Kamera mit dem nächsten Bauelement des BIM-Modells geschnitten wird. Speicherung und Verknüpfung der Schadstelleninformationen und der Metadaten erfolgen als eigenes Informationsobjekt des BIM-Modells. Die Daten können schließlich zur Erstellung von Reports in Tabellenform (z.B. für Microsoft Excel) gefiltert abgefragt werden. Abbildung 12: Visualisierung einer Schadensstelle im Bentley MicroStation / OpenBuidings Designer 3.4 Schadstellenanalyse Ein weiterer Bestandteil der Digitalisierung der Schadensdokumentation ist die Detektion und Analyse der Schadstellen in den erfassten Bildaufnahmen. Ziel ist dabei die Bestimmung der absoluten Maße der Schäden und ggf. sogar der sichtbaren Bewehrung (Abb. 13). Abbildung 13: Ziel der Schadstellenanalyse: Bestimmung der (absoluten) Maße der Schäden 98 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung Grundsätzlich lassen sich Schäden in Betonbauwerken in zwei Klassen unterteilen: Risse, die sich in den Bildaufnahmen als linienhafte Strukturen ausprägen (Abb. 14, links) oder Abplatzungen bzw. Abblätterungen der Oberfläche, die eine flächenhafte Ausbreitung aufweisen (Abb. 14, rechts) Flächenhafte Schäden und die Bewehrung können bspw. mithilfe einer Bildmaske hervorgehoben und mit einem umschreibenden Polygon, im einfachen Fall eines Rechtecks, eingegrenzt werden. Risse können mithilfe von Linienzügen beschrieben werden. Abbildung 14: Links Bildaufnahme von einem Riss, rechts von einer Abplatzung mit teilweise freigelegter Bewehrung Eine wesentliche Herausforderung im vorliegenden Anwendungsfall stellt dabei die Vielfalt von Schäden sowie der umgebenden (intakten) Oberfläche dar. Schäden können sich in ihrer Struktur sehr stark unterscheiden, was die manuelle Identifikation allgemeingültiger Merkmale, die in den Bildaufnahmen zur Detektion herangezogen werden könnten, erschwert. Auch die Textur der umliegenden intakten Oberfläche, was zur Umgrenzung und daher indirekt zur Detektion der Schäden genutzt werden könnte, lässt sich nur schlecht generalisieren. Seit einigen Jahren rücken Verfahren des maschinellen Lernens (ML), welche sich mit großen Datenmengen befassen, weiter in den Vordergrund. ML basiert auf Algorithmen, die Muster und Gesetzmäßigkeiten in großen Datenmengen erkennen. Insbesondere in der Bilderkennung werden dazu häufig Neuronale Netze eingesetzt, welche eigenständig die Merkmale in den Bildern, die zur Klassifikation entscheidend sind, erlernen. Im Rahmen erster Untersuchungen wurden Versuche zur Detektion von Rissen durchgeführt. Risse sind durch ihre linienhafte Struktur in einem Bildausschnitt in vergleichbarer Weise erkennbar, wie im vollständigen Bild. Wird demnach das Gesamtbild in einzelne Abschnitte unterteilt, kann so für jeden Abschnitt geprüft werden, ob sich ein Riss in diesem befindet. Die Problemstellung der Rissdetektion lässt sich daher als eine Klassifikationsaufgabe auffassen, bei der einzelne Ausschnitte des Bildes als „Riss“ oder „Intakt“ zu klassifizieren sind. Der Lösungsansatz beinhaltet ein zur Klassifikation von Riss- und intakten Oberflächen erstelltes Neuronales Netz. Das Netzwerk wurde mit Trainingsdaten von 40.000 Bildaufnahmen, bestehend aus 20.000 Aufnahmen von Betonoberflächen mit Rissen und 20.000 Aufnahmen von intakten Betonoberflächen, trainiert. Das trainierte Modell ermöglicht schließlich die Einordnung von neuen Bildaufnahmen in die Klassen „Riss“ oder „Intakt“. Zur Lokalisierung der Risse in den Bildern werden mithilfe eines über das Gesamtbild gleitenden Fensters einzelne Ausschnitte der Bilder extrahiert. Das trainierte Modell ermöglicht schließlich die Einordnung der Bildausschnitte in die entsprechenden Klassen. Die ausschnittweise Klassifizierung führt daher zu einer Grobsegmentierung des Risses im Bild. In Abbildung 15 wird das Ergebnis der Risssegmentierung anhand eines Rissbildes dargestellt. Abbildung 15: Segmentierter Riss mit Fehlsegmentierungen in den unteren Bildecken und an den Bildrändern Die ersten Versuche mit der vorgestellten Methodik zeigen, dass eine Grobsegmentierung von Rissen grundsätzlich möglich ist. Jedoch ist das derzeitige Modell zur Klassifizierung noch fehleranfällig für Störgrößen in den Bildern, wie beispielsweise eine unregelmäßige Helligkeit oder eine starke Textur (Abb. 14). In den nächsten Schritten wird daher das Modell verfeinert, um eine verbesserte Segmentierung von Rissen zu ermöglichen. Weiterhin wird eine zusätzliche Methodik für die Detektion von flächenhaften Schäden benötigt. Die Vorgehensweise einer fensterweisen Klassifizierung würde in diesem Fall vermutlich fehlschlagen, da sich ein flächenhafter Schaden in einem Ausschnitt in der Regel nicht eindeutig identifizieren lässt, wie es bei linienhaft ausgeprägten Rissen der Fall ist. Als alternativen Ansatz zur vollautomatisierten Schadstellenanalyse wird im Rahmen des Projekts eine Teilautomatisierung mithilfe des BIM-Modells umgesetzt. Vor Ort wird während der Erfassung der Riss oder die Schadstelle händisch per Linienzug bzw. umschreibendem Polygon auf dem Smartphone-Display markiert und neben dem Foto als Geometrie abgespeichert. Im Anschluss werden die Fotos und Linienzüge/ Polygone beim Import in das BIM-Modell automatisiert auf die entsprechenden BIM-Bauteile mithilfe der Georeferenzierung projiziert, so dass diese texturiert werden. So können Risslängen oder Schadensflächen automatisiert abgeleitet oder vom Nutzer visuell vermessen und analysiert werden. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 99 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung 4. Transfer in die Praxis In der Praxis ist folgender Arbeitsablauf mit den vorgestellten Verfahren vorgesehen: Im ersten Schritt wird mit Hilfe eines (mobilen) Laserscanners der Parkbau in Form einer 3D-Punktwolke digital erfasst und in ein initiales BIM-Modell überführt. Im zweiten Schritt wird das Bauwerk mit dem Smartphone-basierten Schadenserfassungssystem begangen, um Schäden, wie Risse und Schadstellen, digital und georeferenziert aufzunehmen. Bei der Aufnahme markiert der Nutzer die Schäden in den Fotos, so dass später eine automatisierte Auswertung der Schadensgeometrie erfolgen kann. Im dritten Schritt werden die erfassten digitalisierten Schäden in das BIM-Modell über das BCF-Austauschformat übertragen und mithilfe der Verortung lagerichtig den entsprechenden Bauteilen zugeordnet. Während der Zuordnung werden die Fotos mit den markierten Schäden auf die entsprechenden BIM-Geometrien projiziert, um die absoluten Maße der Schäden zu bestimmen. Für jeden Schaden wird ein eigenständiges BIM-Objekt im Modell angelegt. Das digitale BIM-Modell spiegelt so den Ist-Zustand des Parkbaus wider, auf dessen Basis beispielsweise Schadensanalysen digital durchgeführt werden können. Mithilfe der Digitalisierung kann somit eine deutliche Vereinfachung im Rahmen der Abwicklung von Instandsetzungsmaßnahmen erzielt werden. In den bisherigen Forschungsaktivitäten wurden basierend auf den Entwicklungen des gia die Anforderungen an die baupraktische Umsetzung seitens Massenberg definiert und erste Validierungsuntersuchungen durchgeführt. Die Untersuchungen haben sich zunächst auf die Möglichkeit der praxisnahen Lokalisierung mittels mobilen Endgeräts, ohne die Verwendung von geodätischen Vermessungsgeräten fokussiert. Dies ist insbesondere bei der Verortung von Schadstellen oder Rissen im Zuge der Bauabwicklung und einer BIM-gestützten Baufortschrittskontrolle sowie Abrechnung relevant. Die nachfolgende Abbildung 16 zeigt einen Soll-Ist-Vergleich der Verortungsgenauigkeit des entwickelten Smartphone-basierten Indoor- Positionierungssystem. Dafür wurde eine 110 m lange Strecke mehrfach abgegangen, auf der besonders kritische Punkte berücksichtigt werden konnten, wie beispielsweise vielfacher Richtungswechsel, Störquellen oder schlechte Beleuchtung. Jeder Durchlauf hat ca. 5 min in Anspruch genommen. Die Abweichung zur Soll-Position über alle Durchläufe betrug nach 110 m durchschnittlich 1 m. Abbildung 16: Genauigkeitsuntersuchung der Positionierung mit dem mobilen Endgerät. Blau: Soll; Gelb: Ist 5. Zusammenfassung und Ausblick In diesem Beitrag wurden die Ergebnisse der Evaluierung massenpunktbasierter Verfahren zur Bestandsdatenerfassung und BIM-basierten As-is-Modellierung dargestellt, ein Smartphone-basiertes Schadenerfassungssystem mit bildbasiertem Trackingsystem vorgestellt und die Verwendbarkeit von BCF als digitales Schadstellenaustauschformat für BIM gezeigt. Die Gegenüberstellung von TLS und MLS hat gezeigt, dass MLS-Systeme mit einer ausreichenden Genauigkeit für die Projektziele arbeiten und eine bis zu 10-fache Zeitersparnis gegenüber TLS liefern. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bereits kostengünstige mobile Geräte, wie Smartphones, zur flexiblen und georeferenzierten Erfassung von Schadstellen verwendet werden können. Mithilfe des BCF-Formats ist es möglich alle notwendigen Daten einer Schadenerfassung vom mobilen Gerät in das BIM- Modell zu übertragen. Durch die Georeferenzierung der Schäden, können diese dem BIM-Modell bauteilscharf zugeordnet werden, so dass digitale Schadenanalysen am Bauwerk durchgeführt werden können. Allgemein lässt sich festhalten, dass der Einsatz von BIM im Rahmen der Instandsetzung von Bauwerken sowohl bei der Erstaufnahme von Bauwerken als auch bei der Bauausführung umfangreiche Möglichkeiten bietet die bisher aufwändigen und fehleranfälligen analogen Schritte zu vereinfachen, bei gleichzeitiger Steigerung der Genauigkeit. Die Aufnahme von Schadstellen und Rissen mit mobilen Endgeräten, wie Smartphones, bietet im Rahmen der Bauausführung ein hohes Potential genau und wirtschaftlich zu arbeiten. In den weiteren Forschungsaktivitäten werden die vorgestellten Verfahren zur Anwendung in der Praxis verbessert und in einen praxisnahen Workflow integriert. Die Verfahren zur digitalen Erfassung von Schäden werden in einer nutzerorientierten mobilen Smartphone-Anwendung realisiert und im Rahmen von Feldtests validiert. 100 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung Literaturverzeichnis [1] BMVI, „Stufenplan Digitales Planen und Bauen,“ Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin, 2015. [2] M. Raupach und T. Büttner, Concrete Repair to EN 1504: Diagnosis, Design, Principles and Practice, 1. Edition Hrsg., CRC Press, 2014. [3] C. Jekeli, Inertial Navigation Systems with Geodetic Applications, De Gruyter, 2001. [4] M. Ehrhart und W. Lienhart, „Object tracking with robotic total stations: Current technologies and improvements based on image data,“ Journal of Applied Geodesy, Band 11: Heft 3, 02 2017. [5] P. G. „PHIDIAS,“ 2011. [Online]. Available: http: / / phocad.de/ de/ PHIDIAS/ phidias.html. [Zugriff am 11 2020]. [6] C. Blut und J. 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