Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Hochstraße Elbmarsch in Hamburg - Neubau von Megastützen unterhalb befahrener Brückenüberbauten
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Katharina Dawirs
Sebastian Krohn
Über die Gesamtmaßnahme zur Verbreiterung der 3,8 km langen Hochstraße Elbmarsch (K20) in Hamburg und den zugehörigen Sonderbereich der Megastützen wurde bereits auf dem 4. Brückenkolloquium im September 2020 berichtet. Aufgrund der Erkenntnisse u.a. aus einer Instandsetzungsmaßnahme an der Megastütze in Achse 55 West wurde im Zuge der Planung der Verbreiterung festgelegt, die Mehrzahl der Megastützen abzubrechen und neuzubauen. Der Ersatzneubau der massiven Megastützen muss direkt unterhalb der weiterhin befahrenen Bestandsüberbauten erfolgen. Neben der komplexen Tragwerksplanung der Megastützenkonstruktionen musste eine Lösung für die bauzeitliche Aufrechterhaltung des Verkehrs auf und unter der K20 gefunden und die räumlich begrenzten Platzverhältnisse berücksichtigt werden. Der Ersatzneubau der Megastützen hat im Jahr 2020 begonnen.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 153 Hochstraße Elbmarsch in Hamburg - Neubau von Megastützen unterhalb befahrener Brückenüberbauten Dipl.-Ing. Katharina Dawirs Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg Dr.-Ing. Sebastian Krohn DEGES GmbH, Berlin Zusammenfassung Über die Gesamtmaßnahme zur Verbreiterung der 3,8 km langen Hochstraße Elbmarsch (K20) in Hamburg und den zugehörigen Sonderbereich der Megastützen wurde bereits auf dem 4. Brückenkolloquium im September 2020 berichtet. Aufgrund der Erkenntnisse u.a. aus einer Instandsetzungsmaßnahme an der Megastütze in Achse 55 West wurde im Zuge der Planung der Verbreiterung festgelegt, die Mehrzahl der Megastützen abzubrechen und neuzubauen. Der Ersatzneubau der massiven Megastützen muss direkt unterhalb der weiterhin befahrenen Bestandsüberbauten erfolgen. Neben der komplexen Tragwerksplanung der Megastützenkonstruktionen musste eine Lösung für die bauzeitliche Aufrechterhaltung des Verkehrs auf und unter der K20 gefunden und die räumlich begrenzten Platzverhältnisse berücksichtigt werden. Der Ersatzneubau der Megastützen hat im Jahr 2020 begonnen. 1. Einordnung in die Gesamtmaßnahme Der 8-streifige Ausbau der A7 im Bereich der K20 wird durch die innenseitige Verbreiterung des Bestandsbauwerks realisiert. In 7 der 110 Achsen der K20 befinden sich schiefwinklig kreuzende Verkehrswege unterhalb des Bauwerks. Der vorhandene Spannbetonüberbau lagert dort zur Überführung der Verkehrswege auf sogenannten Megastützen auf. Je Richtungsfahrbahn ist eine Megastütze angeordnet. Die Megastützen bestehen im Wesentlichen aus einer Großrundstütze und massiven, vorgespannten, beidseitig auskragenden Riegeln. Abb. 1: Bestand Megastützen Achse 56 154 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Hochstraße Elbmarsch in Hamburg - Neubau von Megastützen unterhalb befahrener Brückenüberbauten Für 10 der 14 Megastützen wurde im Zuge der Planungen festgelegt, dass die Bauwerke für die Verbreiterung neu zu bauen sind (s. Kap. 2.1). Die finale Entscheidung für den Ersatzneubau fiel erst zum Abschluss der vorgezogenen Instandsetzungsmaßnahmen. Im Anschluss erfolgte kurzfristig eine umfangreiche Planung des komplexen Ersatzneubaus, sodass dieser Berücksichtigung in der Ausschreibung der Gesamtmaßnahme finden konnte. Bereits in der Planungsphase wurde deutlich, dass die Ausführung des Ersatzneubaus der Megastützen auf dem zeitkritischen Weg der Gesamtmaßnahme der Verbreiterung liegt. Der Ersatzneubau muss erfolgen bevor die eigentliche Verbreiterung in den betroffenen Achsen realisiert werden kann. Der vorgesehene Gesamtbauablauf wurde dementsprechend angepasst. 2. Planung Ersatzneubau 2.1 Veranlassung Die ersten Untersuchungen zu den Megastützen fanden, aufgrund der im Rahmen der kontinuierlichen Bauwerksprüfungen vorgefundenen Schäden, ab dem Jahr 2003 statt. Die seitdem fortschreitenden Betonabplatzungen und Rissbildungen mit Aussinterungen, besonders an den schwer zugänglichen Kopfbereichen der Spannbetonriegel, führten zu der Instandsetzungsmaßnahme in Achse 55 West. Die Planungen der Instandsetzungsmaßnahme begannen im Sommer 2015 und die Ausführung wurde im Januar 2019 erfolgreich abgeschlossen. Diese Maßnahme wird in [1] umfassend beschrieben. Neben der Instandsetzungsmaßnahme an Achse 55 West erfolgten weitere umfangreiche Untersuchungen als Grundlage zur Entscheidungsfindung über Erhalt oder Ersatz der Megastützen. Die komplexen statischen Betrachtungen, baustofftechnologischen Analysen und bauwerksspezifischen Versuche sind in [2] beschrieben. Auf dieser Basis wurden die Erkenntnisse aus sämtlichen Untersuchungen zusammengetragen und ausgewertet. Im Ergebnis wäre ein Erhalt der Konstruktion bei 10 der 14 Megastützen wirtschaftlich nicht vertretbar gewesen. Maßgeblich für die Entscheidung zum Ersatzneubau war die vorgegebene Restnutzungsdauer aller Unterbauten bis mindestens zum Jahr 2084. 2.2 Hilfsumfahrungen Die Megastützen befinden sich unmittelbar neben befahrenen Straßen, die Spannbetonriegel liegen teilweise direkt über dem Verkehrsraum. Eine Sperrung dieser Straßen ist aufgrund der Lage im Hamburger Hafen nicht möglich. In den betroffenen Achsen mussten daher Hilfsumfahrungen für diese Straßen geplant werden. Dabei waren die Betroffenheiten Dritter und baugrundtechnische Anforderungen zu beachten. Abb. 2: Hilfsumfahrung Achsen 55 und 56 2.3 Hilfskonstruktion Zur Abfangung der angrenzenden Spannbetonüberbauten werden Hilfskonstruktionen benötigt. Die geplanten stählernen Fachwerkkonstruktionen sollen im Werk vorgefertigt, vor Ort abschließend verschraubt und montiert werden. Die Planung sieht vor die Hilfskonstruktionen beidseitig der Megastützen auf den Bestandsunterbauten aufzulagern. Die jeweiligen Lagerungsbedingungen der angrenzenden Überbauten können somit durch horizontale Knaggen in Längsund/ oder Querrichtung aufrechterhalten werden. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 155 Hochstraße Elbmarsch in Hamburg - Neubau von Megastützen unterhalb befahrener Brückenüberbauten Abb. 3: Längsschnitt Bauzustand Achse 56 West Die neuzubauenden Riegel in den Achsen 55, 56 und 69 sind direkt befahren. Um den Verkehr der A7 über die gesamte Bauzeit aufrechtzuhalten wurde geplant, den gut 2 m breiten Streifen zwischen den Überbauten mit speziell für diese Achsen entwickelten Abdeckplatten temporär zu überbrücken. Die zum Einsatz kommenden Stahlkonstruktionen sind für die Überfahrt von Schwer- und Großraumtransporten mit einer Achslast von 12 t und eine Überfahr-Geschwindigkeit von mindestens 60 km/ h ausgelegt. 2.4 Abbruch Nach erfolgter Montage der Hilfskonstruktionen werden die vorhandenen Überbauten hydraulisch angepresst und somit abgefangen. Der vorhandene Spannbetonriegel wird anschließend mit einem Traggerüst unterstützt. Der geplante Rückbau der Megastützen beginnt mit einem horizontalen Trennschnitt durch die Großrundstütze direkt unterhalb des Riegels. Die Großrundstützen haben einen Außendurchmesser von 6,0 m und eine maximale Wandstärke von 80 cm. Der konventionelle Abbruch der Stütze wird bis auf 1,0 m über der Oberkante der Pfahlkopfplatte erfolgen. Der verbliebene Stützenquerschnitt wird zum Erhalt der vorhandenen Anschlussbewehrung der Pfahlkopfplatte mittels Hochdruckwasserstrahlens abgebrochen. Danach wird der Riegel abgesenkt, vor Ort in Teilstücke zerschnitten und das Abbruchmaterial abtransportiert. 2.5 Neubau Für den Ersatzneubau wurden verschiedene Bauwerksvarianten untersucht. Die geometrischen Zwänge aufgrund der Lichtraumprofile der unterführten Straßen führten dazu, dass eine Lösung in Anlehnung an den Bestand gefunden werden musste. Anstelle der ursprünglich in der Planung der 1970er Jahre bereits vorgesehenen Einhängeträger, wurde jedoch eine Verlängerung des innenseitigen Kragarms der Spannbetonriegel geplant. Die Verlängerung wird als direkte Auflagerung für den Verbreiterungsträger genutzt. Bis auf den verlängerten innenseitigen Kragarm wurden die Megastützen mit den gleichen Querschnitten wie der Bestand geplant. 156 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Hochstraße Elbmarsch in Hamburg - Neubau von Megastützen unterhalb befahrener Brückenüberbauten Abb. 4: Neubau mit Verbreiterung in Achse 56 West Es wurde nachgewiesen, dass die infolge des Neubaus geänderte Gesamtbelastung der bestehenden Gründungen der Megastützen weiterhin statisch aufgenommen werden kann. Der Ersatzneubau wurde nach Eurocode bemessen, die bestehenden Gründungen analog der gültigen Nachrechnungsrichtlinie für Straßenbrücken überprüft. Der Neubau der Megastützen wurde in umgekehrter Abfolge des Abbruchs geplant. Zunächst wird der neue Riegel bodennah auf einem Traggerüst, unterhalb der befahrenen Überbauten hergestellt. Der Riegel wird dabei im Traggerüst mit einer 1. Vorspannstufe versehen. Nach dem Hochpressen des Riegels ist die Betonage der Stahlbetongroßrundstütze unterhalb des Riegels vorgesehen. Im Anschluss daran werden die angrenzenden Bestandsüberbauten von der Hilfskonstruktion mittels Pressen auf die neuen Megastützen umgelagert. Ab diesem Zeitpunkt wirken Eigengewicht und Ausbaulasten der Bestandsüberbauten auf die neuen Megastützen. Erst unter dieser Belastung kann die 2. Vorspannstufe auf den Riegel aufgebracht werden. Diese 2. Vorspannstufe wurde im Bereich des verlängerten Kragarms aus statischer Sicht für den 8-streifigen Ausbauzustand der K20 erforderlich. Nach Fertigstellung der Megastützen kann die Auflagerung der Verbundträger für die innenseitige Verbreiterung des Bauwerks erfolgen. 3. Ausführung Ersatzneubau Die vorbereitenden Arbeiten für den Ersatz der Megastützenriegel haben bereits begonnen. Die Werksfertigung der Stahlhilfskonstruktionen zum Abfangen der Überbauten läuft derzeit. Im Zuge der Ausführungsplanung wurden der Bauablauf und die Konstruktionen so optimiert, dass die meisten Stahlfachwerke mehrfach zum Einsatz kommen können. Der Einbau der überfahrbaren Abdeckplatten wurde innerhalb einer Wochenendsperrung der A7 durchgeführt. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 157 Hochstraße Elbmarsch in Hamburg - Neubau von Megastützen unterhalb befahrener Brückenüberbauten Abb. 5: Testfahrt nach Fertigstellung Abdeckplatten Das Plattensystem muss sowohl die Verkehrslasten der A7 aufnehmen, als auch die Dilatation der am Megastützenriegel anschließenden Überbauten ausgleichen. Ursprünglich war das System als reine Stahlkonstruktion geplant. Um einen optimalen Verkehrsfluss zu gewährleisten, entschied man sich, Anrampungen aus Asphalt mit einem Längsgefälle von nur 1% vor und hinter den Stahlplatten vorzusehen. So werden die Verkehrsteilnehmer bei der Überfahrt nicht irritiert und der Verkehrsfluss bleibt ungestört, während unterhalb der Stahlplatten der Ersatzneubau der Megastützen erfolgen kann. Literatur [1] Peters, F.; Krohn, S.; Mangold, M.: K20 Hochstraße Elbmarsch - Planung und Ausführung der Instandsetzung einer Megastütze unter Verkehr, Tagungsband 6. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken, Technische Akademie Esslingen 01/ 2019 [2] Krohn, S.: Instandsetzung der Megastützenriegel der Hochstraße Elbmarsch, Tagungsband 4. Brückenkolloquium, Technische Akademie Esslingen 09/ 2020