Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen an historischen Baudenkmälern unter Betrachtung ihrer Rezeptur, Belastungsgrenzen, unweltschonenden Wirkung und Nachhaltigkeit
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Sophie Hoepner
Cordt Zollfrank
Bereits vor über 600 Jahren wurde am Regensburger Dom, am Straßburger und Ulmer Münster und anderen Steinbauten äußerst erfolgreich mit Schmelzklebstoffen gearbeitet. Die Klebungen an Vierungen und Fragmenten im Außenbereich der Steinfassaden sind auch nach dieser Zeit vollständig intakt, was man von heute gängigen Klebstoffen kaum zu erwarten wagt. Die Grundrezeptur dieser in Vergessenheit geratenen Schmelzkleber besteht aus biogenen Inhaltsstoffen wie Baumharzen unterschiedlicher Modifizierung, Bienenwachs sowie mineralischen Zuschlägen. Dies bietet den Anreiz, ihr Potenzial bei der Entwicklung eines biobasierten Schmelzklebstoffes unter Betrachtung ihrer Inhaltsstoffe, Rezeptur und Belastungsgrenzen zu untersuchen und weiter zu erforschen. Die Sammlung von Klebstoff-Befunden verschiedener historischer Steinobjekte, ihre Untersuchung und Dokumentation und der Versuch der Rekonstruktion einiger vielversprechender Rezepturen sind das Ergebnis eines Forschungsprojektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, das im Zeitraum von 2018 bis 2020 an der Professur für Biogene Polymere der TU München durchgeführt wurde.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 171 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen an historischen Baudenkmälern unter Betrachtung ihrer Rezeptur, Belastungsgrenzen, umweltschonenden Wirkung und Nachhaltigkeit Sophie Hoepner Technische Universität München, Professur für Biogene Polymere, Straubing, Deutschland Prof. Dr. Cordt Zollfrank Technische Universität München, Professur für Biogene Polymere, Straubing, Deutschland Abb. 1 Zusammenfassung Bereits vor über 600 Jahren wurde am Regensburger Dom, am Straßburger und Ulmer Münster und anderen Steinbauten äußerst erfolgreich mit Schmelzklebstoffen gearbeitet. Die Klebungen an Vierungen und Fragmenten im Außenbereich der Steinfassaden sind auch nach dieser Zeit vollständig intakt, was man von heute gängigen Klebstoffen kaum zu erwarten wagt. Die Grundrezeptur dieser in Vergessenheit geratenen Schmelzkleber besteht aus biogenen Inhaltsstoffen wie Baumharzen unterschiedlicher Modifizierung, Bienenwachs sowie mineralischen Zuschlägen. Dies bietet den Anreiz, ihr Potenzial bei der Entwicklung eines biobasierten Schmelzklebstoffes unter Betrachtung ihrer Inhaltsstoffe, Rezeptur und Belastungsgrenzen zu untersuchen und weiter zu erforschen. Die Sammlung von Klebstoff-Befunden verschiedener historischer Steinobjekte, ihre Untersuchung und Dokumentation und der Versuch der Rekonstruktion einiger vielversprechender Rezepturen sind das Ergebnis eines Forschungsprojektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, das im Zeitraum von 2018 bis 2020 an der Professur für Biogene Polymere der TU München durchgeführt wurde. 172 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen 1. Einführung Die Redewendung „wie Pech und Schwefel“ steht für einen engen dauerhaften Zusammenhalt, der im Wesentlichen durch das klebrige Pech entsteht. Tatsächlich wurde dieser zähflüssige bituminöse, schmelzbare Rückstand, der bei der Destillation organischer Materie oder von Stein- oder Braunkohlenteer zurückbleibt [1], bereits in prähistorischer Zeit verwendet, um Zerbrochenes zu reparieren oder steinerne Pfeil- und Speerspitzen dauerhaft mit Holzschäften zu verkleben [2-7]. Doch aufgrund seiner schwarzen Färbung und seines äußerst intensiven rauchigen Geruchs findet es heute kaum noch Verwendung, während ein anderer Destillationsrückstand von Nadelholzharzen heute durchaus noch Verwendung als Tackifier in Klebstoffen findet. Im Mittelalter wurden solche Harzmodifizierungen sogar zur Klebung von Steinen im Außenbereich stark bewitterter Kathedralfassaden verwendet und dies so erfolgreich, dass sie noch heute halten. Dombaumeister Dr. Michael Hauck fielen solche Klebstoffe am Passauer Dom auf, wo sie in augenscheinlich sehr ähnlicher Rezeptur in Spätgotik und Barockzeit verwendet wurden. Obwohl der Bau nach der spätgotischen Phase 100 Jahre ruhte und somit eine direkte Weitergabe der Rezepturen kaum möglich war, hat sich das Wissen um diese Technik erhalten. Durch diese Befunde inspiriert, konnten im Rahmen eines DBU-Projektes 59 Proben von 14 historischen Bauwerken und neun kleineren Objekten gesammelt und analysiert werden (Abb. 2 und 3). Ein Einblick in die Vorgehensweise und Erkenntnisse dieses Projektes soll nun folgen. Abb. 2 links Regensburger Dom, Nordturm nordwestlicher Pfeiler, Vierung im Rundstab eines Kielbogens um 1400. Historischer Klebstoff aus Kolophonium und Quarzmehl. Foto: S. Hoepner. Abb. 3 rechts Auflichtmikroskopie des historischen Klebstoffs einer Vierung im Kalkstein am Regensburger Dom. Probe RDP1 am Kielbogen am Nordturm Nordseite 8m Höhe um 1400. Foto: S. Hoepner. 2. Was macht einen Steinklebstoff aus? Klebstoffe sollen nach DIN EN 923 durch Oberflächenhaftung und eigene Festigkeit Fügeteile fest miteinander verbinden. Die Verbindung zwischen den verschiedenen oder auch gleichen Werkstoffen erfolgt dabei ohne eine strukturelle Veränderung der Fügepartner [8]. Moderne Steinklebstoffe basieren meist auf Epoxidharz oder sind acryl- oder polyurethangebundene Copolymere. Die hier untersuchten historischen Klebstoffe sind zu den Schmelzklebstoffen zu zählen, die nur heiß als Schmelze verarbeitet werden können und im erkalteten Zustand fest an der Oberfläche haften. Sie unterscheiden sich deutlich von anderen mittelalterlichen Fügetechniken wie dem Verbleien oder der Verwendung von Mörteln. Beim Verbleien findet keine kraftschlüssige Verbindung infolge von Adhäsion statt, beim Mörtel ist wie der Name des für Keramik verwendeten Mörtels Fliesenkleber schon andeutet eine gewisse Adhäsion erreichbar, doch dauert das Abbinden und Aushärten natürlich viel länger und ist zudem nicht reversibel. Die historischen Schmelzkleber hingegen können noch heute mit Hitze oder Lösungsmitteln angelöst werden. Ein Steinklebstoff sollte wasserfest sein, UV-beständig und so belastbar, dass er das Gewicht eines Steines hält, aber auch eine steinmetzmäßige Überarbeitung des geklebten Bereiches schadenfrei übersteht. Genau diesen Anforderungen entsprechen diese historischen Klebstoffe, und obendrein sind sie im Gegensatz zu den heute genutzten Klebstoffen für Umwelt und Gesundheit unbedenklich und setzen sich aus nachwachsenden Rohstoffen zusammen. Viele Aspekte, die zu einer genaueren Untersuchung anregen. 3. Zusammensetzung der Historischen Klebstoffe Eines der ältesten überlieferten Rezepte für einen witterungsbeständigen Steinklebstoff stammt aus dem Traktat über die Malerei von Cennino Cennini von 1400. Er be- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 173 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen schreibt leider ohne Mengenangaben, dass Mastix, Wachs und Steinmehl gemeinsam erhitzt werden müssen und die zu klebenden Steinoberflächen zu reinigen und zu erwärmen sind [9]. Einige Quellen aus dem Italien des 16. und 17. Jahrhunderts geben Rezepte mit Kolophonium (Destillationsrückstand von Nadelholzharz, der an gelben bis braunen Bernstein erinnert), Kiefernharz, Pech (Destillationsrückstand von Holzteer, durch Holzverschwelung entsteht schwarzer, stark riechender flüssiger Holzteer und Holzkohle bleibt zurück), Bienenwachs und Steinmehl an, deren Mengenangaben durch die Angabe von Unzen und Libre einigermaßen rekonstruierbar sind [10-12]. Doch wirklich verlässliche Klebstoffrezepturen wurden erst im 18., vor allem aber dem 19. und 20. Jh. in Haushaltsratgebern, Handbüchern, Mitteilungen „vorzüglicher Vorschriften“ und Anleitungen von Gelehrtengesellschaften dokumentiert, wobei die Mengenangaben von Loth, Quentchen und Handvoll noch viel Spielraum für Interpretation lassen. Sie enthalten häufig zahlreiche Rezepturen für den Hausgebrauch, sodass man Schäden in beinahe jedem Material selbstständig ausbessern konnte. Es wurde also nicht der „UHU-Porzellankleber“ gekauft, sondern man suchte sich ein Rezept aus und verarbeitete die aufgeführten Zutaten, die jedoch teilweise auch etwas abenteuerlich erscheinende Ingredienzien wie Knoblauch, Galläpfel, Pferdemist, Unschlitt, Rinderfett, Eisenfeilspäne, Scherwolle, Kuhhaare, Baumwolle, Blei- und Silberglätte erwähnen [13-18]. Somit bleibt für die konkrete Klärung nur die chemische Analyse, um sich an die ursprünglichen Rezepturen heranzutasten. 4. Wo wurde mit diesen Klebstoffen geklebt? Neben dem bereits erwähnten Passauer Dom konnten am Bamberger und Regensburger Dom, an Ulmer, Straßburger, Freiburger und Berner Münster, am Kloster Einsiedeln, am Kloster Maria Opferung in Zug, an zwei Nürnberger Großkirchen, aber auch am Dresdner Zwinger und an der Großen Kolonnade am Neuen Palais in Potsdam Sanssouci historische Klebstoffe nachgewiesen werden. In den meisten Fällen handelt es sich um eingeklebte Vierungen, die Materialinhomogenitäten im Werkstein ausbessern sollten, aber natürlich wurden auch versehentliche Kantenausbrüche auf diese Art ergänzt oder abgebrochene Fragmente wieder angeklebt. An den meisten genannten Bauten sind nur wenige Klebungen zu finden, eine Ausnahme stellt das Freiburger Münster dar. Hier wurden während des Baus des Chorobergadens auffällig viele Vierungen eingeklebt. Der vermutet, dass es in der Bauphase des 15. Jahrhunderts zu Materialengpässen kam [19]. Die Werksteinformate sind kleiner als während der anderen Bauphasen, was dafür spricht, dass jeder verfügbare Stein eingebaut werden musste. Gibt es keine Wahl beim Material, muss auch häufiger geklebt werden, um fragile und entfestigte Zonen zu stabilisieren. Brüchige Bereiche wurden sofort entfernt, ausgeklinkt und direkt im Anschluss ein Passstück wieder eingeklebt. Am Ulmer Münster wurde fast ausschließlich am Westturm im Doggersandstein des 15. Jahrhunderts geklebt. Die Klebungen fallen hier trotz sauber gearbeiteter Klebefugen auf. Der eigentlich gelblich-ockrige Doggersandstein weist im Bereich der Vierungen nämlich violette Verfärbungen auf (Abb. 4). Die Fugenflanken wurden vermutlich vor der Klebstoffapplikation mit glühenden Kohlen erwärmt, damit sich der Schmelzkleber nicht zu schnell an der Steinoberfläche abkühlte. Die starke Erhitzung hat dann jedoch zu chemischen Reaktionen bei den Eisenverbindungen des Gesteins geführt und die violette Verfärbung an den Rändern hervorgerufen. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, dass die Klebungen in der Werkstatt in der Nähe des Feuers durchgeführt werdenmussten, da der Einsatz eines Schmelzkessels auf dem Gerüst zu gefährlich und zu umständlich gewesen wäre. Abb. 4 links Ulmer Münster, Westturm Ostseite ca. 70 m Höhe, Bauzeit um 1480. Violette Verfärbungen an den Fugenflanken der Vierung. Foto: S. Hoepner. 174 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen Abb. 5 rechts Athena mit Erechthoniosknaben. Römische Marmorskulptur aus dem 2. Jh. n. Chr. mit barocken Ergänzungen wie u. a. rechter Arm und Kopf von Lambert Sigisbert Adam (1710-1771) Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Foto: Daniel Lindner, Inventarnummer: Skulpturensammlung 198, GK III 4156. [27]. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Belastbarkeit dieser Klebstoffe sind die zahlreichen Marmorskulpturen der Barockzeit wie die Antiken der Staatlichen Museen in Berlin oder in Potsdam Sanssouci (Abb.5). Die antiken griechischen und römischen Torsi erhielten neue Arme, Köpfe oder andere Ergänzungen aus Marmor, die mit Dübeln und Schmelzklebstoff (Kolophonium, Bienenwachs und Marmormehl) fixiert wurden. Das Gewicht der meist ausladenden Arme ist oft beachtlich (10-30 kg) und nur an einer verhältnismäßig kleinen Fläche angeklebt. Die Skulpturen wurden mit den Transportmitteln des 18. Jahrhunderts auf holprigen Straßen von den italienischen oder französischen Bildhauerwerkstätten nach Deutschland gebracht und halten noch heute. Ein besser erforschtes Thema für den Einsatz dieser Schmelzklebstoffe für Stein ist die Steininkrustation oder pietra dura, eine Steinintarsientechnik, die zur Verzierung von Schmuckkästchen, Tischplatten, Kabinettschränken, Wandverkleidungen oder für aufwendige Fußböden verwendet wurde. Die Technik erreichte ihre Blüte bei den Medici im 16. Jahrhundert und verbreitete sich rasch an andere europäische Höfe. Die Klebstoffzusammensatzung ähnelt den Klebstoffen an den Außenfassaden sehr, doch müssen die Klebefugen zwischen den gesägten dünnen Steinplatten besonders dünn und möglichst farbig angepasst sein. Trotzdem müssen z. B. Steinintarsien in Fußböden starke Belastungen durch schwingende Unterkonstruktionen und historische Fußbodenheizungen aushalten und elastisch bleiben. 5. Analysemethoden zur Identifizierung der Klebstoffbestandteile Zur Bestimmung der Harzbestandteile wurde zunächst eine Referenzensammlung (Abb. 6) von Harzen, Kolophoniumarten und Pechen verschiedener Nadelbäume angelegt. Die gelösten Harzsäuren konnten so besser mittels Gaschromatographie und Massenspektroskopie bestimmt werden. Abb. 6 Referenzensammlung verschiedener Baumharze, Kolophonienarten, Teere und Wachse. Foto: S. Hoepner Durch die Analysen [20] konnte ein Großteil der Harzbestandteile als Fichtenkolophonium und in einigen Fällen Fichtenpech identifiziert werden. Bienenwachs war in den kleinen Probenmengen oft nur in geringen Teilen enthalten und konnte nicht immer eindeutig nachgewiesen werden, auch wenn es sehr wahrscheinlich in allen Proben enthalten war. Durch die heterogene Zusammensetzung der Proben war die Fourier-Transform- Infrarotspektrometrie keine Hilfe zur Identifizierung der Bestandteile. Zur Identifizierung der mineralischen Zuschläge wurden Röntgendiffraktometrie und Energiedispersive Röntgenspektroskopie verwendet. In dem meisten Fällen wurden regional verfügbare Sande oder das Mehl des verwendeten Werksteins (Sandstein oder Kalkstein) verarbeitet, aber auch Ziegelmehl kam zum Einsatz. Die Anteile von Bindemittel (Kolophonium und Bienenwachs) und Zuschlag (Ziegel- oder Stein- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 175 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen mehl) wurden näherungsweise mittels Thermogravimetrischer Analyse bestimmt. Das Bindemittel-Zuschlagsverhältnis schwankte jedoch bei den verschiedenen Proben sehr stark, was unterschiedliche Gründe haben könnte. Einerseits kann durch die kleinen Probenmengen nur ein winziger Einblick in die Klebefuge gewonnen werden. Durch Sedimentation, inhomogene Verarbeitung und mehrfaches Erwärmen des Klebstoffes durch den Anwender konnte der untersuchte Ausschnitt also stark von der ursprünglichen Rezeptur abweichen. Andererseits hat der Anwender je nach Situation die Viskosität des Klebstoffs mithilfe des Bindemittel-Zuschlagsverhältnisses variieren können und somit je nach Bedarf Messerfugen oder stärkere Klebstoffschichten herstellen können. Zur näheren Bestimmung der Eigenschaften der unterschiedlichen Klebstoffformulierungen wurden Rekonstruktionsversuche mit variierenden Anteilen von Bienenwachs und Zuschlag zur gleichen Menge Kolophonium hergestellt und Materialprüfungen unterzogen. 6. Materialprüfungen zur Bewertung verschiedener Klebstoffformulierungen Um die Klebstoffformulierungen untereinander und mit anderen Klebstoffen vergleichen zu können, wurden gängige Materialprüfungen an der Universalprüfmaschine [21] an Edelstahlprüfkörpern und Natursteinprüfkörpern durchgeführt. Zunächst wurden die Proben im Zugscherversuch in Anlehnung an DIN EN 1465 [22] - Bestimmung der Zugscherfestigkeit von Überlappungsklebungen - geprüft. Zwar wäre für einen Steinklebstoff natürlich Stein das entscheidende Substrat, das geprüft werden sollte, doch würden Steinprüfkörper dazu führen, dass durch ihre stabilitätsbedingte Dicke (20 mm statt der vorgegebenen 1,62 mm bei Metall) die Messung nicht mehr vergleichbar mit der DIN-Norm wäre. Außerdem müssten Gesteinsvarietäten gewählt werden, die dem Zugversuch standhalten (z. B. Granit), die jedoch nichts mit den zu klebenden Gesteinen der historischen Bauten gemein hätten (meist Sandstein, selten Kalkstein). Der Materialbezug wäre also ohnehin nicht mehr gegeben. Die Zugscherversuche zeigten, dass Formulierungen mit nur 9 % Bienenwachs im Bindemittel noch sehr spröde waren und eine nur sehr geringe Klebkraft erzeugten. Bessere Werte erzielten Klebungen mit 17 % und 23 % Bienenwachsanteil im Bindemittel (Tab. 1). Das Bindemittel-Zuschlagsverhältnis war hierbei 2: 1 und 1: 2. Das beste Ergebnis (Fmax=3,04 MPa, Abb. 7) erzielte die Formulierung KB39A mit 23 % Bienenwachs im Bindemittel und einem hohen Quarzmehlanteil [23]. Formulierungen im Zugscherversuch an Edelstahlüberlappungsklebungen mit Zwick/ Roell Zmart. Pro 10kN Bezeichnung Bienenwachs- Anteil im Bindemittel Verarbeitungstemperatur Fmax in N/ mm2 KB11A 9 % 150 °C 0,74 KB24A 17 % 150 °C 2,34 KB39A 23 % 150 °C 3,04 KB11B 9 % 150 °C 0,47 KB24B 17 % 130 °C 1,65 KB39B 23 % 130 °C 1,97 KB11C 9 % 130 °C 0,74 KB24C 17 % 120 °C 1,76 KB39C 23 % 110 °C 2,38 Tab. 1 Messung der Zugscherfestigkeit von Überlappungsklebungen an Edelstahlprüfkörpern an neun Formulierungen zur Rekonstruktion historischer Steinklebstoffrezepturen. Fmax ist der Durchschnittswert von fünf Messungen. Abb. 7 Messung der Zugscherfestigkeit an Überlappungsklebungen an Edelstahlprüfkörpern. Beispiel für die Formulierung KB39 A. Um die Formulierungen zu optimieren und außerdem den Einfluss anderer Zuschläge auf die Massen zu untersuchen, wurde eine Auswahl der besten drei Formulierungen mit anderen Zuschlägen, nämlich Marmormehl [24] und Ziegelmehl [25] hergestellt. Hinzu kamen zwei weitere Formulierungen, die noch etwas mehr Bienenwachs enthielten. 176 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen Abb. 8 Verschiedene ausgegossene und erkaltete Klebstoffformulierungen mit Quarzmehl (Q) und Ziegelmehlzuschlägen (Z). Es sollte eine Grenze absehbar werden, ab der das Bienenwachs die Masse nicht mehr positiv elastifizierend beeinflusst, sondern die Masse zu weich und im schlechtesten Fall bei Raumtemperatur klebrig macht. Es konnte festgestellt werden, dass Quarzmehl und Ziegelmehl ähnlich gute Haftzugeigenschaften hervorrufen, während Marmormehl schlechtere Werte aufwies. Dies steht sicherlich mit der deutlich kleineren Korngröße (<23 µm) in Zusammenhang. Bereits die Mischung des geschmolzenen Bindemittels mit dem Marmormehl erzeugt eine pastösere, niedrigviskose Masse im Vergleich zu Mischungen mit Ziegelmehl und Quarzmehl. Die Zugscherprüfungen wurden zusätzlich in einer Klimakammer auf Stabilität zwischen -5 und 50 °C und getestet. Da die Formulierung mit 33 % Bienenwachs im Bindemittel bei 50 °C bereits stark erweichte, wurde sie aus den folgenden Messungen ausgeschlossen, auch wenn sie bessere Ergebnisse im Frostbereich zeigte. Somit wurden fünf Formulierungen für Untersuchungen mit Natursteinbezug verwendet. Da an den untersuchten Objekten im Wesentlichen Sandstein oder Kalkstein verwendet wurde, sollten Prüfkörper aus Lahrer Sandstein, ein Material, das aktuell am Freiburger Münster verwendet wird, hergestellt werden. Für stabile Prüfkörper wären mindestens 3 cm starke Platten nötig gewesen, die jedoch überlappend geklebt nicht in der Prüfvorrichtung einspannbar wären. Daher wurden Würfel mit 5 cm Kantenlänge zusammengeklebt und eine Metallmanschette (Abb. 8) entwickelt, um die Prüfkörper im Schraubspannzeug fixieren zu können. Die Prüfung erfolgte in Anlehnung an DIN EN 15870: 2009 Klebstoffe - Bestimmung der Zugfestigkeit von Stumpfklebungen [26]. Abb. 9 links Zugversuch an Stumpfklebungen an bruchfrischem Lahrer Sandstein. Klebefläche 50 x 50 mm² mit Formulierung aus Kolophonium, Bienenwachs und 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 177 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen Quarzmehl geklebt. Sandsteinwürfel sind durch angepasste Metallmanschette eingespannt und brechen im Substrat bei 2,45 MPa. Foto: S. Hoepner Abb. 10 rechts Zugversuch an Stumpfklebungen in Anlehnung an DIN EN 15870: 2009. Granitprüfkörper mit 50 x 20 mm² Klebefläche im Schraubspannzeug einer Universalprüfmaschine der Bauart KARG Industrietechnik smarTens010 für einen Lastweg bis zu 20 kN mit einer Nennlast von 10 kN. Foto: S. Hoepner Trotz der großen Klebeflächen versagte ein Großteil der Prüfkörper im Substrat und somit konnte die tatsächliche Höchstbelastung der Klebstoffformulierungen oft nicht bestimmt werden. Die Zugfestigkeit reichte von 2- 2,5 MPa. Daher wurde eine weitere Prüfreihe mit Granitprüfkörpern mit einer Klebfläche von 5 x 2 cm 2 durchgeführt (Abb. 9). Die Formulierung mit dem besten Ergebnis von 3 MPa ließ sich für einen ersten Test auch mit einer handelsüblichen Heißklebepistole applizieren, was sich aufgrund der abrasiven Zuschläge sicherlich nicht oft wiederholen lässt. 7. Ausblick Ziel für weitere Untersuchungen soll es nun sein, verschiedene Sieblinien aus Ziegelmehl in die Formulierungen zu integrieren. Diese Formulierungen sollen an Granitprüfkörpern in Form von Stumpfklebungen appliziert und teils 12 Monate im Außenklima und teils mittels Frost-Tau-Zyklus bewittert werden. Außerdem soll in Zusammenarbeit mit einem Hersteller für Schmelzklebepistolen ein belastbares Modell für die Klebstoffformulierungen entwickelt werden. Literaturangaben [1] Falbe, Jürgen; Regitz, Manfred (Hrsg.): Römpp Lexikon Chemie, Band 1-6, Georg Thieme Verlag, 10. Auflage, Stuttgart 1996-1999, Band 4 1998, S. 3151 [2] Connan, Jacques: Use and trade of bitumen in antiquity and prehistory: molecular archaeology reveals secrets of past civilizations. The Royal Society Publishing 1999 [3] Gaillard, Y.; Chesnaux, L.; Girard, M.; Burr, A.; Darque-Ceretti, E.; Felder, E.; Mazuy, A.; Regert, M.: Assessing hafting adhesive efficiency in the experimental shooting of projectile points: a new device for instrumented and ballistic experiments. In: archaeometry. Vol. 58, Issue 3, Oxford 2015, S. 465-483. 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Appresso Giorgio Marescotti, Florenz 1584, S. 156 [12] Dent Weil, Phoebe: Contributions toward a History of Sculpture Techniques: I. Orfeo Boselli on the Restoration of Antique Sculpture. In: Studies in Conservation Vol. 12 Issue 3, Routledge Taylor and Francis Group, London 1967, S. 90 [13] Schiessel, Ulrich (Hrsg.): Johann Melchior Cröker. Der wohl anführende Mahler. Mäander Kunstverlag, Nachdruck der Ausgabe Jena 1736, Mittenwald 1982 [14] Gütle, Johann Conrad: Hand- und Hülfsbuch für alle Künstler und Handwerker, die Kitte, Formen und Massen zu gebrauchen : oder eine Auswahl von 600 verschiedenen Recepten, alle Arten Kitte, Leime, Formen und Massen zu verfertigen . Johann Leonhard Schrag, Nürnberg 1812, S. 498-506. [15] Prechtl, Johann Joseph von: Technologische Encyclopädie oder alphabetisches Handbuch der Technologie, der technischen Chemie und des Maschinenwesens. 8. Band, Hygrometer-Küferarbeiten, Verlag der F. G. Gotta‘schen Buchhandlung, Stuttgart 1837, S. 385-397. 178 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Wie Pech & Schwefel - Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen [16] Thon, Christian Friedrich Gottlieb: Kitt-Kunst oder Anleitung alle Arten von Kitten, Leimen, Kleistern und sonstigen Klebstoffen zu bereiten und sie mit Erfolg und Dauer anzuwenden. Verlag B. F. Voigt, Weimar 1869, S. 106-118. [17] Lehner, Sigmund: Die Kitte und Klebemittel. Ausführliche Anleitung zur Darstellung sämtlicher Kitte und Klebemittel für alle Zwecke. U. Hartleben’s Verlag, Leipzig 1922 [18] Weber, Martin: Das Schleifen, Polieren und Färben des Marmors, wie auch aller anderen Steinarten (…) In: Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke. Mit Berücksichtigung der neuesten Erfindungen, herausgegeben von einer Gesellschaft von Künstlern, Technologen und Professionisten. Mit vielen Abbildungen. 268 Band, Bernhard Friedrich Voigt Weimar 1882, S. 52-93. [19] Persönliche Mitteilung Uwe Zäh, Hüttenmeister der Freiburger Münsterbauhütte [20] Dr. Veronika Huber, TU München, Campus Straubing, Professur Organisch-Analytische Chemie [21] Universalprüfmaschine der Bauart Zwick/ Roell Zmart.Pro mit einer Nennlast von 10 kN und Universalprüfmaschine der Bauart KARG Industrietechnik smarTens010 für einen Lastweg bis zu 20 kN mit einer Nennlast von 10 kN mit Scherenspannzeug [22] Beuth Verlag GmbH: DIN EN 1465. Klebstoffe - Bestimmung der Zugscherfestigkeit von Überlappungsklebungen; Deutsche Fassung EN 1465: 2009, Berlin 2009, S. 5-8 [23] Kremer Pigmente 58630 Quarzmehl gesiebt, 0,04 - 0,15 mm [24] Kremer Pigmente 58520 Marmormehl extra <23 µm [25] Kremer Pigmente 31250 Schamottemehl fein 0 - 0,5 mm [26] Beuth Verlag GmbH: DIN EN 15870: 2009-08. Klebstoffe - Bestimmung der Zugfestigkeit von Stumpfklebungen (ISO 6922: 1987 modifiziert); Deutsche Fassung EN 15870: 2009. [27] Hüneke, Saskia; Dostert, Astrid; Gröschel, Sepp- Gustav; Heilmeyer, Dieter; Kreikenbom, Detlev, Lange, Kathrin; Müller-Kaspar, Ulrike. : Antiken I. Kurfürstliche und königliche Erwerbungen für die Schlösser und Gärten Brandenburg-Preußens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Bestandskataloge der Kunstsammlungen: Skulpturen; Antike und Mittelalterliche Sammlungsobjekte. Herausgegeben von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Akademie Verlag, Berlin 2009, S. 97-101.