Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Tragwerksplanung im Denkmal - Sonderlösungen in der Cadolzburg
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Hjalmar Schoch
Der als Werkbericht gestaltete Vortrag zeigt anhand ausgewählter Beispiele an der Cadolzburg, wie die Tragwerksplanung durch Sonderlösungen auf die historische Tragstruktur sowie neuzeitliche Veränderungen eingehen kann, um die Anforderungen zur Umsetzung der geplanten Museumsnutzung hinsichtlich Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Brandschutz unter Berücksichtigung der Belange der Denkmalpflege zu erfüllen. Die im Vortrag aufgezeigten Maßnahmen erfolgten während der beiden Ausbauphasen zum Museum in den Jahren 2001 bis 2017 in zwei Bauabschnitten.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 189 Tragwerksplanung im Denkmal - Sonderlösungen in der Cadolzburg Dipl.-Ing. Hjalmar Schoch Sailer Stepan und Partner GmbH München Zusammenfassung Der als Werkbericht gestaltete Vortrag zeigt anhand ausgewählter Beispiele an der Cadolzburg, wie die Tragwerksplanung durch Sonderlösungen auf die historische Tragstruktur sowie neuzeitliche Veränderungen eingehen kann, um die Anforderungen zur Umsetzung der geplanten Museumsnutzung hinsichtlich Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Brandschutz unter Berücksichtigung der Belange der Denkmalpflege zu erfüllen. Die im Vortrag aufgezeigten Maßnahmen erfolgten während der beiden Ausbauphasen zum Museum in den Jahren 2001 bis 2017 in zwei Bauabschnitten. 1. Einführung 1.1 Die Cadolzburg Die für den Markt Cadolzburg im mittefränkischen Landkreis Fürth namensgebende Burganlage liegt auf einem Felsrücken und besitzt eine imposante Ringmauer, die, wie das Haupttor und der sog. Palas (ein Teil des Neuen Schlosses), aus dem 13. Jahrhundert stammt. Von einer möglichen Vorgängerbebauung des Areals zeugt heute nur noch das Krypta genannte Untergeschoss der ehemals freistehenden Kapelle. Der Kernburg vorgelagert ist eine geräumige Vorburg, in der zunächst die Sitze der Burgmannen und in der Renaissance ein Garten lagen. Bild 1 - Übersichtsplan Burganlage [2] In der Kernburg schließen an die hochmittelalterliche Ringmauer die beiden Baukörper des Alten und des Neuen Schlosses an, die durch den Kapellentrakt verbunden werden. Der an den Kapellentrakt anschließende Teil des sog. Neuen Schlosses gehört zur ältesten Bebauung des Burgareals um 1250. Daran anschließend wurde das Neue Schloss um 1600 erheblich erweitert. Das Alte Schloss ist ein Neubau des 15. Jahrhunderts unter Kurfürst Friedrich I. Die repräsentative Raumgestaltung des 2. Obergeschosses - Saal der Eichensäule und Erkersaal - dürfte wie das ehemalige kurfürstliche Fachwerkgeschoss darüber unter Albrecht Achilles nach 1473 entstanden sein. 190 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Tragwerksplanung im Denkmal - Sonderlösungen in der Cadolzburg Bild 2 - Ansicht Burganlage von Westen Kurz vor Kriegsende am 17.4.1945 ging die Burg in Flammen auf. Die stürmischen Feuerwogen konnten tagelang nicht gelöscht werden, die Kernburg verlor ihre Dächer und Zwischendecken. Jahrzehntelang blieb die Ruine offen stehen, der Bauzustand wurde immer desolater. [2] Bild 3 - Ruinenbild 1.2 Tragkonstruktion Die innere Tragstruktur der Gebäude einschließlich der Dachstühle der Cadolzburg wurde durch den Brandbombenangriff im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstört. Die massiven Außenwände sowie Wehr- und Burgmauern aus Burgsandstein blieben teilweise stark geschädigt erhalten. Bild 4 - Gründungskonzept zur Ruinensicherung Mit Planungen aus den Jahren 1983-1988 erfolgte die Sicherung der Ruine mittels Stahlrohrpfählen als Gründungselemente und z.T. massiven Stahlbetonbauteilen, was mit aus heutiger Sicht starken Eingriffen in die Bausubstanz einherging. Die ursprünglichen Holzdecken wurden als Stahlbetonrippendecken wieder aufgebaut und auf neue Stahlbetonpfeiler in den Sandsteinwänden aufgelagert. Gewölbe wurden soweit dies möglich war erhalten und mit Stahlbetonbalken und -decken ertüchtigt. Die Dachstühle wurden mit Stahlbetondecken und Holzsparren oder wie im Neuen Schloss mit neuzeitlichen Fachwerkbindern wieder hergestellt. 1983-1988 1.3 Planungen Der Entschluss, die Cadolzburg als Museum zu nutzen und den Besuchern den Zugang auch in nicht ausgebaute Bereiche zu ermöglichen, stellte neben der Frage zum generellen Zustand der Bausubstanz viele Fragen zur Tragfähigkeit der bereits im Zuge der Ruinensicherung umgesetzten statischen Maßnahmen wie auch der bislang nicht „bearbeiteten“ Bauteile. Für die Museumsnutzung waren die Anforderungen an den Brandschutz und an die Fluchtwegsituation essentiell. Die exponierte Lage der Burganlage lässt die Baustellenbedienung nur durch den äußeren Burghof mit seinen Burgtoren zu. All diese Anforderungen wurden im Team mit Bauherrnvertretern, Denkmalpflegern, Bauforschern, Architekten, Museumsplanern, Fachingenieuren sowie dem Prüfingenieur diskutiert und in zwei Planungs- und Bauabschnitten zwischen 2001 und 2017 umgesetzt. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 191 Tragwerksplanung im Denkmal - Sonderlösungen in der Cadolzburg 2. Maßnahmen In den nachfolgenden Kapiteln wird eine Auswahl an tragwerksplanerische Lösungen mit ingenieurmäßigen Ansätzen vorgestellt, die maßgeblich dazu beigetragen haben, die Museumsnutzung zu realisieren und die Aspekte der Denkmalpflege zu berücksichtigen. 2.1 Torturm Im Durchgang des Torturms zeigten sich deutliche Risse, die auf eine Überlastung des Mauerwerks hindeuteten. Bild 5 - Ansicht Torturm Ein Gutachten aus dem Jahr 1977 wies dem Mauerwerk eine Druckbelastung zu, die von den tatsächlich rechnerisch ermittelten Mauerwerksbelastungen um ein Vielfaches überschritten wurde. Verschiedene weitere Untersuchungen der Mauerwerksstruktur ergaben keine abschließenden Erkenntnisse. Die ingenieurmäßige Betrachtung ergab, dass es sich bei der Rissursache um Querzugbeanspruchungen handelt, denen mit einem vorsichtigen Einbau von Vernadelungen und -verankerung entgegengewirkt werden konnte. Die Überwachung der verschlossenen Risse mittels Rissmonitoren zeigten, dass es zu keinen weiteren Bewegungen in den Rissen kam und somit der ingenieurmäßig ertüchtigte Mauerwerksverband in der Lage ist, die hohen Lasten abzutragen. 2.2 Treppe im Neuen Schloss Die Ruine des neuen Schlosses wurde mit früheren Planungen mittels in den Mauerwerkswänden eingeschlitzter Stahlbetonstützen und -riegel, die auf Stahlpfählen gegründet und eingespannt wurden, gesichert. Das Museumskonzept machte es nun erforderlich, eine Fluchttreppe in dem hohen Raum einzubauen. Bild 6 - Treppe im Neuen Schloß Die tragwerksplanerische Lösung sieht vor, dass die vorhandenen Stahlbetonbauteile dazu genutzt werden, eine stützenfreie Treppenkonstruktion mittels Kragträger zu befestigen und das obere Podest abzuhängen. Die Abhängung erfolgt aus Gründen des Brandschutzes nicht an der vorhandenen Dachkonstruktion, sondern an neu eingebauten Stahlfachwerkträgern, deren Struktur den Holzbindern nachempfunden ist. 2.3 Gewölbe im Erkersaal Der Aufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gewölbes erfolgte mittels neu gearbeiteter Sandstein-Segmente, die durch Edelstahlbolzen untereinander verbunden und mit Drahtseilen von einer Deckenkonstruktion abgehängt wurden. Es handelt sich somit im statischen Sinne nicht um ein echtes Gewölbe, da es aufgrund der Schlankheit der Rippen nicht in der Lage ist, sich selbst zu tragen. Bild 7 - Erkersaal nach Fertigstellung 192 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Tragwerksplanung im Denkmal - Sonderlösungen in der Cadolzburg Die Tragstruktur wurde anhand eines dreidimensionalen Aufmaßes berechnet und anschließend eine Ertüchtigung mittels an die tatsächliche Form angepasster Stahllaschen entwickelt, die die in den Steinen vorhandenen Bohrungen aufnehmen und die Stabilität so weit erhöhen, dass die Gewölberippen frei tragen können. Während des Einbaus konnten die Abhängungen sukzessive entfernt werden. 2.4 Aufzug im Alten Schloss Der im ersten Bauabschnitt begonnene Einbau eines Aufzugs im Mauerwerkspfeiler wurde auf die oberen Geschosse erweitert. Aufgrund der Stahlbetonbauteile in den alten Wänden sowie Lastumhebelungen im Zusammenhang mit den Stahlpfählen war der Einbau in zahlreichen Einzelschritten mit umfangreichen Hilfsabstützungen verbunden. Durch das gewählte Konzept konnte die Außenwand sowie die Gewölbe in den Wandnischen weitestgehend erhalten werden. Bild 8 - Einbau Aufzug in Burgmauer 2.5 Decke im Saal der Eichensäule Die vorhandene Tragstruktur aus der Wiederaufbauphase in den 1980iger Jahren sah vor, dass der komplette Raum mittels eines hohen, massiven Stahlbetonunterzuges überspannt und hieran eine Stahlbetonwand angehängt war. Der Einbau der geplanten Holzbalkendecke mit mittiger Eichensäule war jedoch hinsichtlich der Anforderungen an die Belastung und den Brandschutz für die Museumsnutzung nicht geeignet. Zudem sind die lastabtragenden Pfeiler im darunterliegenden Geschoss nicht unter der zentralen Holzstütze angeordnet. Das ausgeführte Tragwerkskonzept sieht vor, eine neue Stahlbetondecke einzubauen, die sowohl die statischen als auch die brandschutztechnischen Anforderungen erfüllt. Diese neue Stahlbetondecke wurde mit zwei schlanken Zugstützen an eine Wandscheibe im Dachgeschoss gehängt, die die Lasten an den Punkten abträgt, wo dies auch durch den vorhandenen Unterzug bereits vorhanden war. Somit werden die Gründungspfähle gleich belastet. Bild 9 - Ausbau vorhandener Unterzug Der massive Stahlbetonunterzug konnte ausgebaut und durch einen nahezu deckengleichen Unterzug ersetzt werden, was eine wesentlich großzügigere Raumnutzung ermöglicht. Die sich ergebende Raumwirkung entspricht dem historischen Vorbild, wenngleich die Eichensäule keine statisch tragende Funktion hat. Bild 10 - Fertig gestellter Saal der Eichensäule 3. Schlusswort Der Werkbericht über die Baumaßnahmen an der Cadolzburg stellt eine Auswahl dar, die zeigen soll, wie mit ingenieurmäßigen Lösungen die Bausubstanz bewertet und deren Potential genutzt werden kann. Die ausschließliche Anwendung von Normen und Vorschriften hätte eine Umsetzung der Planungsaufgaben nicht möglich gemacht. Dieser Weg funktioniert nur gemeinsam mit allen Projektbeteiligten, die mit gegenseitigem Verständnis alle das gleiche Ziel verfolgt haben. Der Umgang mit den vorgefundenen, nicht von unserem Büro geplanten Eingriffen aus den 1980iger Jahren stellt zusammen mit der 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 193 Tragwerksplanung im Denkmal - Sonderlösungen in der Cadolzburg mittelalterlichen Bausubstanz eine anspruchsvolle aber interessante Aufgabenstellung an die Tragwerksplanung dar und erfordert die Einarbeitung in Konstruktionen aus verschiedenen zeitlichen Epochen. Literatur- und Bildangaben [1] Burger, Daniel (2005): Die Cadolzburg. Dynastenburg der Hohenzollern und markgräflicher Amtssitz. Nürnberg: Verlag des Germanischen Nationalmuseums. [2] Internetseite der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen https: / / www.burg-cadolzburg.de/ Bild 1: [2] Bild 2: Sailer Stepan und Partner GmbH Bild 3: Staatliches Bauamt Erlangen-Nürnberg Bild 4: Firmenprospekt Fa. Stump Bilder 5-10: Sailer Stepan und Partner GmbH
