Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
71
2021
71
Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung
71
2021
Götz Tintelnot
Durch das EuGH Urteil von 2014 zu Zusatzanforderungen an Bauprodukte in Deutschland und dem daraus resultierenden Wegfall der bisherigen Nachweisführung und Ausschreibungspraxis hat sich baurechtlich für Bauunternehmen, Sachkundige Planer und die öffentliche Bauverwaltung eine neue Situation ergeben: Mit den harmonisierten europäischen Bauproduktnormen (hEN) lässt sich die Erfüllung der deutschen Bauwerksanforderungen nicht immer lückenlos nachweisen. Hierzu gibt auch die durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlichte so genannte Prioritätenliste Aufschluss. Auf der Suche nach einer Lösung dieses Problems hat sich der öffentliche Bauherr im Jahre 2017 für die Einführung der BAW-Empfehlung (Bundesanstalt für Wasserbau) bei gleichzeitiger Novellierung der ZTV-ING und ZTV-W entschieden. Die Nachweisführung für einzelne Bauprodukte können seither entweder in Form von projektspezifischen Leistungsnachweisen gemäß Anforderung des Planers erbracht werden oder alternativ über ein freiwilliges DIBt Gutachten.
Die Interaktion überlagernder Regelwerke bei der WU-Planung mit Rissen und deren Sanierung wird veranschaulicht. Die Grundsätze der Planung gemäß geltenden Regeln und Praxis wird erklärt, die Abhängigkeiten zwischen Rissarten, Rissursachen, Bauwerksnutzung, Lasteinträgen und den richtigen Füllstoffen wird schrittweise erläutert.
Eine praxisorientierte, detaillierte Darstellung der Rissbehandlung wird schrittweise gezeigt, ebenso das notwendige Gerät in Abhängigkeit der Füllstoffe, Packerarten und Planung.
kevb710233
7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 233 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung Korrektes technisches Vorgehen gemäß neuer Regelwerke Götz Tintelnot TPH Bausysteme GmbH, Norderstedt Zusammenfassung Durch das EuGH Urteil von 2014 zu Zusatzanforderungen an Bauprodukte in Deutschland und dem daraus resultierenden Wegfall der bisherigen Nachweisführung und Ausschreibungspraxis hat sich baurechtlich für Bauunternehmen, Sachkundige Planer und die öffentliche Bauverwaltung eine neue Situation ergeben: Mit den harmonisierten europäischen Bauproduktnormen (hEN) lässt sich die Erfüllung der deutschen Bauwerksanforderungen nicht immer lückenlos nachweisen. Hierzu gibt auch die durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlichte so genannte Prioritätenliste Aufschluss. Auf der Suche nach einer Lösung dieses Problems hat sich der öffentliche Bauherr im Jahre 2017 für die Einführung der BAWEmpfehlung (Bundesanstalt für Wasserbau) bei gleichzeitiger Novellierung der ZTV-ING und ZTV-W entschieden. Die Nachweisführung für einzelne Bauprodukte können seither entweder in Form von projektspezifischen Leistungsnachweisen gemäß Anforderung des Planers erbracht werden oder alternativ über ein freiwilliges DIBt Gutachten. Die Interaktion überlagernder Regelwerke bei der WU-Planung mit Rissen und deren Sanierung wird veranschaulicht. Die Grundsätze der Planung gemäß geltenden Regeln und Praxis wird erklärt, die Abhängigkeiten zwischen Rissarten, Rissursachen, Bauwerksnutzung, Lasteinträgen und den richtigen Füllstoffen wird schrittweise erläutert. Eine praxisorientierte, detaillierte Darstellung der Rissbehandlung wird schrittweise gezeigt, ebenso das notwendige Gerät in Abhängigkeit der Füllstoffe, Packerarten und Planung. 1. Einführung Für Bauunternehmen, Sachkundige Planer und die öffentliche Bauverwaltung ist eine neue baurechtliche Situation entstanden. Mit harmonisierten europäischen Bauproduktnormen (hEN) lässt sich die Erfüllung der deutschen Bauwerksanforderungen nicht immer lückenlos nachweisen. Durch die Neugestaltung der Musterbauordnung (MBO) [1] sowie die neue Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) [2] wird ein neues, anspruchsvolles Vorgehen aufgezeigt. Die Anforderungen an Instandhaltungsprodukte müssen für jedes Projekt aus den Anforderungen an das jeweilige Bauwerk abgeleitet werden. Die für die Betoninstandsetzung relevanten ZTV-W LB 219 [3] und ZTV-ING Teil 3, Abschnitt 4 und 5 [4] wurden bereits daran angepasst, dass standardisierte Qualitätsmerkmale, die zuvor Restnormen wie der DIN V 18028 [5] entsprechen mussten, nicht mehr gefordert werden dürfen. Stattdessen sind die Qualitätsmerkmale der zu verwendenden Rissinjektionsstoffe vom Auftraggeber bzw. durch den von diesem beauftragten Sachkundigen Planer für jedes Projekt einzeln festzulegen. Vor diesem Hintergrund wurde ebenfalls die BASt-Listung [6] eingestellt. Bild 1. Entstandene Lücken durch Wegfall deutscher Restnormen 234 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung 2. Regelwerke 2.1 Entstehung und Entwicklung baurechtlicher Normen und Regelwerke In Deutschland wurde bereits ab 1968 mit der Einführung der DIN 1045 der Umgang mit Stahlbeton geregelt. Ab 1988 wurde die ZTV-Riss, also die erste Regelung des öffentlichen Bauherrn zum Thema der Betoninstandsetzung eingeführt, die ab 1993 in die ZTV-ING mit dem Teil 3, Abs. 5 intrigiert wurde. Die 2001 eingeführte Instandsetzungsrichtlinie (IS-RL) [7] des Deutschen Ausschuss’ für Stahlbeton (DAfStb) regelt bis heute die Betoninstandsetzung in vier Teilen, zusätzlich führte er im Jahr 2003 die DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ (WU-Richtlinie) ein, die in der Überarbeitung von Dezember 2017 ein Standardwerk für sachkundige Planer für das technisch korrekte Planen einer WU-Konstruktion darstellt. Auch in dieser WU-Richtlinie wird auf die Notwendigkeit einer Betoninstandsetzung in Zusammenhang mit der Entstehung und Planung von zum Beispiel Trennrissen gemäß der Entwurfsgrundsätze (EGS) A, B und C hingewiesen (A: Vermeidung von Trennrissen, B: Bauweise mit vielem kleinen Trennrissen, C: Bauweise mit wenigen breiten Trennrissen). Hier überlagern sich die Regelwerke, der sachkundige Planer muss nach zwei verschiedenen Regelwerken planen. Durch die Einführung der EN 1504-5 in Deutschland im Jahr 2007 musste die ZTV-ING Teil 3, Abs. 5 angepasst werden, die Anforderungsprüfungen zur Erfüllung der „Brauchbarkeit“ wurde nun innerhalb der DIN 18028 und 18026 für Instandsetzungsprodukte zusätzlich zur Leistungserklärung gemäß EN1504-5 geregelt. Durch das EuGH Urteil 2014 sah sich der Gesetzgeber genötigt, tiefgreifende Änderung im Baurecht durchzuführen. 2.2 Welche Konsequenzen hat das EuGH-Urteil für die Planung von Risssanierungen? Einige ausgewählte Zitate aus dem ergangenen Urteil des EuGH verdeutlichen die Tragweite in der Regelung der Nachweisführung von Rissfüllstoffen bzw. Instandsetzungsprodukte durch z.B. AbZ oder die DIN 18028 bzw. 18026. EuGH-Urteil, Randziffer 48: „(Selbst) wenn ein Mitgliedstaat eine bestehende harmonisierte Norm für lückenhaft hält, (…) kann ein Mitgliedstaat keine (…) einseitigen nationalen Maßnahmen treffen“ EuGH-Urteil, Randziffer 57: „Die Richtlinie 89/ 106 sieht Verfahren vor, anhand deren die Mitgliedstaaten gegen harmonisierte Normen vorgehen können (…).“ EuGH-Urteil, Randziffer 58: „Die in der Richtlinie 89/ 106 vorgesehenen Verfahren können (…) nicht als fakultativ angesehen werden, wenn ein Mitgliedstatt eine bestehende harmonisierte Norm für lückenhaft hält (…)“ EuGH-Urteil, Randziffer 52: „Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/ 106 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten von der Brauchbarkeit der Produkte ausgehen, die so beschaffen sind, dass die Bauwerke, für die sie verwendet werden, bei ordnungsgemäßer Planung und Bauausführung den wesentlichen Anforderungen nach Art. 3 entsprechen, wenn diese Produkte die CE-Kennzeichnung tragen, aus der hervorgeht, dass sie sämtlichen Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen. (Konzept der „Brauchbarkeit“ in der Bauproduktrichtlinie wurde nicht in die EU-BauPVO übernommen)“ Da das Konzept der „Brauchbarkeit“ der Instandsetzungsprodukte eben nicht mehr Bestandteil der Nachweisführung ist, sondern lediglich die Leistungserklärung gemäß EN 1504-5 beizubringen ist, muss nun der Sachkundige Planer je nach Einwirkungen auf das instand zu setzende Bauwerk und Bauteil und im Hinblick auf das Erreichen des jeweiligen Schutz- und Instandsetzungsziel festlegen, welche projektspezifischen Anforderungen an Rissinjektionsstoffe zu stellen sind. Mit „Brauchbarkeit“ ist im Übrigen die technische Eignungsprüfung durch beispielsweise die Rissbalkenprüfung oder eine vergleichbar realistische Anwendungsuntersuchung gemeint. 2.3 Derzeitige Hürden für Planer und Ausführende bei der Planung. Aktuell verlangen ZTV-W und ZTV-ING, dass der Sachkundige Planer die projektspezifischen Anforderungen an Rissinjektionsstoffe je nach Bauwerk festlegt. Die erforderlichen Nachweise sind vom jeweiligen Auftragnehmer, also der bauausführenden Firma an jeder einzusetzenden Charge zu führen. Ein solcher Nachweis für jedes Projekt bedeutet erhebliche Zeitaufwendungen sowie zeitliche Vorläufe - sowohl für Planer als auch für öffentliche Bauverwaltungen. 2.4 Gibt es aktuell einen technisch-juristischen konsistenten Planungsweg? Im Einführungserlass zur BAWEmpfehlung 2017 [9] sowie im Anhang der aktuellen ZTV-ING und ZTV-W sind DIBt-Gutachten als freiwillige Systemnachweise zur Qualitätssicherung vorgesehen. Diese Gutachten bescheinigen, dass ein harmonisiertes Bauprodukt mit CE- Kennzeichnung zusätzlich dazu auch die vom Hersteller angegebenen Leistungen für Bauwerksanforderungen in Deutschland erfüllt. Sie bieten für öffentliche Bauvorha- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 235 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung ben sowie für den Hoch- und Ingenieurbau eine komfortable Alternative zu aufwendigeren projektspezifischen Produktnachweisen. (MVV TB Abschnitt D 3) Das DIBt wurde als einzige in Deutschland benannte Stelle dieser Art (§ 30 BauPVO [10]) vom Bund mit der Erstellung solcher freiwilligen Gutachten beauftragt. Die Erstellung von Gutachten für Rissinjektionssysteme zur Betoninstandsetzung auf Grundlage der BAWEmpfehlung 2017 erfolgte durch offizielle Beauftragung des Bundesverkehrsministeriums. Als solche werden die Gutachten regelmäßig im Bereich des Verkehrswegebaus des Bundes als gleichwertige Alternative akzeptiert, sofern sie den projektspezifischen Anforderungen der Leistungsbeschreibung vollumfänglich genügen. (BAWBrief 01/ 2017 [11]) Bild 2. DIBt-Gutachten zum Lückenschluss gemäß MVV TB Abschnitt D 3 2.5 Rissinstandsetzungsarbeiten bereits bei Entwurfsgrundsätzen einplanen; konkrete Hinweise an WU- Planer gemäß WU-Richtlinie 2017: 12 In der aktuellen WU-Richtlinie wird auf die Notwendigkeit einer Betoninstandsetzung gemäß Instandhaltungsrichtlinie bzw. ZTV-ING und BAWEmpfehlung 2017 in Zusammenhang mit der Entstehung und Planung von zum Beispiel Trennrissen gemäß den Entwurfsgrundsätzen hingewiesen. Hier überlagern sich die Regelwerke: Der sachkundige Planer muss nach zwei verschiedenen Regelwerken planen. In den letzten Jahren haben sich im allgemeinen Hochbau die so genannten Frischbetonverbundfolien (FBV) als Alternative zur Rissinstandsetzung angeboten, die den rückwärtigen Wasserzutritt durch solche Trennrisse verhindern sollen. Trotz vorhandener AbP als Prüfnachweis sind diese Folien kein Bestandteil der Regelwerke. Damit schuldet der sachkundige Planer eine regelkonforme WU-Planung mit Instandsetzungskonzept gemäß geltenden Regeln. Es wird derzeit empfohlen, bis zur Einführung einer Überarbeitung der Instandsetzungsrichtlinie in Form der Technischen Regel Instandhaltung (TR-IH) die BA- WEmpfehlung mit ZTV-ING 2017 als Planungsgrundlage zu wählen. 3. Planung 3.1 Rissarten Die Bestimmung der Rissarten ist eine planerische Aufgabe und fällt in den Bereich eines Fachplaners, Gutachters oder Sachverständigen. Um einen Riss wirkungsvoll behandeln zu können, muss man zu allererst die Ursache des Risses feststellen, danach den Riss kategorisieren und zum Schluss den Riss genau benennen. In der Praxis werden die folgenden Rissarten unterschieden: 1. Längsrisse 2. Frostsprengungen 3. Risse längs der Bewehrung 4. Diagonal gerichtete Risse 5. Krakeleerisse 6. Schwindrisse 7. Trennrisse 8. Oberflächige Netzrisse 9. Längs- und Verbundrisse 10. Schubrisse 11. Unwirksame Fuge 12. Rostflecken 13. Biegerisse Bild 3. Übersicht der Rissarten 3.2 Rissursachen Es gibt unterschiedliche Ursachen für Risse im Beton, beispielsweise: • Schwindvorgänge • Temperaturspannungen • Bauteilüberlastung • Bauteilsetzung • fehlerhafte Dimensionierung der Bewehrung • Frost, Tau, Regen 236 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung • Bewehrungskorrosion • fehlende Nachbehandlung des Betons Sobald die Rissursache erkannt und der Riss kategorisiert ist, kann der Planer ein schlüssiges Konzept erarbeiten. Bild 4. Rissschaden Schwindvorgänge 3.3 Füllziele Gemäß ZTV-ING werden bestimmte Instandsetzungsziele je nach Bauwerk und dessen Funktion unterschieden. Ein Riss lässt sich gegen den Eintritt von Wasser, Feuchtigkeit oder Chloriden verschließen. Instandsetzungsziele können daher sein: • Abdichten • begrenzt dehnbares Verbinden • kraftschlüssiges Verbinden • optische Instandsetzung 3.4 Identifizierung von Rissfüllstoffen Gemäß ZTV-ING lässt sich der Feuchtezustand eines Risses in eine von vier Kategorien einordnen: • DY: trocken („Dry“) • D: feucht („Damp“) • WT: nass („Wet“) • WF: fließendes Wasser („Water Flow“) Gemäß ZTV-ING lässt sich die Verwendung eines Rissfüllstoffes in eine von drei Kategorien einordnen: • F: kraftschlüssiger Füllstoff („Force“) • D: dehnfähiger Füllstoff („Durable“) = begrenztes Füllen und Verbinden von Rissen • S: quellfähiger Füllstoff („Swellable“) Das Verfüllen eines Risses geschieht entweder durch Injektion (I) oder durch Vergießen (V). Entsprechend dieser ZTV-ING Einteilung ergeben sich die in folgender Tabelle aufgeführten Kürzel für die Kategorisierung von Rissfüllstoffen. Bild 5. ZTV-ING - Teil 3 Massivbau - Abschnitt 5: „Füllen von Rissen und Hohlräumen in Betonbauteilen - Anhang A“ 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 237 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung 4. Praxis - Wie wird ein Riss verpresst? 4.1 Notwendiges Equipment Um einen Riss fachgerecht zu verpressen, benötigt man neben dem nötigen Werkzeug wie Bohrmaschine, Injektionsgerät und korrekten Rissfüllstoff auch die entsprechenden Einfüllstutzen (Packer) sowie das nötige Zubehör wie beispielsweise Zuleitungen und Mischer, Risslineal, Eimer und Pressluft zum Ausblasen der Bohrlöcher. Man unterscheidet zwei Arten von Packern, die je nach Einsatzzweck verwendet werden: Klebepacker finden Verwendung bei Sichtbeton und anderen Bauteilen, bei denen optische Aspekte eine Rolle spielen oder bei denen die Bewehrung nicht angegriffen werden darf. Die Packer werden mit speziellem Werkstoff direkt auf den Riss geklebt, so dass die Bauteiloberfläche weitestgehend instand bleibt. Im Gegensatz dazu wird das Bauteil für das Setzen von Bohrpackern angebohrt, was zu wesentlich höheren möglichen Injektionsdrücken und entsprechend tieferem Eindringen des Füllstoffes führt. Zudem wird etwaiges Nachverpressen mit höheren Drücken ermöglicht. Die Entscheidung über die Art der zu verwendenden Packer muss individuell vom Sachkundigen Planer getroffen werden. Die Wahl des Injektionsgerätes ist abhängig vom verwendeten Rissfüllstoff und kann beispielsweise in ein- oder zweikomponentiger Ausführung, als handbetriebene oder pneumatisch angetriebene Pumpe in unterschiedlichen Größen vorkommen; die Anzahl und Größe der zu verpressenden Risse ist hierbei entscheidend. 4.2 Fachgerechte Vorbereitung Ein wichtiger Punkt bei der Vorbereitung ist das Kennzeichnen des Risses auf der Bauteiloberfläche sowie das Anzeichnen der Punkte für die Positionierung der Packer, um der Bohr- und Injektionskolonne eindeutige Hinweise auf den zu verpressenden Riss zu geben. Anschließend wird der Riss in einer Zeichnung möglichst genau kartographiert, um die Instandsetzung später exakt dokumentieren zu können. Bei der Verwendung von Bohrpackern muss das Bohrmehl nach dem Bohren unbedingt mit Hilfe von Pressluft zunächst aus dem Bohrloch entfernt werden, bevor der Packer eingesetzt wird. Ansonsten ist ein korrektes Verfüllen nicht möglich, da der Staub das vollständige Eindringen des reinen Rissfüllstoffes in den Riss erschwert oder sogar verhindert. Bei Klebepackern ist zu beachten, dass vor dem Setzen des Packers eine ordnungsmäßige Untergrundvorbereitung vorgenommen wird: Die Stellen, wo ein Klebepacker angebracht werden soll, müssen vorher gereinigt werden - zum Beispiel mit einer Topfscheibe. Erst danach dürfen die Klebepacker mit Hilfe eines Nagels zentriert über dem Riss aufgesetzt werden. Hier ist zu beachten, dass die Verdämmung, gerade bei Verwendung von Klebepackern und insbesondere bei der kraftschlüssigen Rissinjektion, eine wichtige Voraussetzung für die Verteilung des Füllguts unter Druck darstellt. Vom Füllgrad wiederum ist der Erfolg der Maßnahme abhängig, in der Regel lässt sich eine misslungene Rissverfüllung nicht wieder heilen. Vor Herstellung der Verdämmung beziehungsweise dem Verkleben der Packer ist die Tragfähigkeit des Betonuntergrundes festzustellen, die gilt besonders bei niedrigen Altbetonklassen gemäß ZTV-ING 2017, beziehungsweise ZTV-W 2017. Der Packerabstand ist abhängig von der Bauteildicke. In der Regel entspricht der Packerabstand der halben Bauteildicke oder maximal 30 cm, gemäß ZTV-ING. Für Bohrpacker werden die Löcher im 45° Winkel gebohrt, um den Riss möglichst mittig anzuschneiden. 238 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung Bild 6. Anordnung der Packer in Standardfällen bei einer vorgegebenen Fülltiefe bis max. 600 mm [4] 4.3 Injektionsvorgang Nach korrektem Setzen der Packer erfolgt die Entnahme einer Rückstellprobe. Hierfür wird eine kleine Menge des zu verpressenden Rissfüllstoffes in einen bereitgestellten Behälter eingefüllt. Diese Rückstellprobe ist auch ein wichtiger Bestandteil der fachgerechten Dokumentation (siehe 4.4 Dokumentation). Anschließend erfolgt die Rissinjektion nach einem vom Sachkundigen Planer vorab festgelegten Injektionsplan. Die Injektion sollte aufgrund der Gravitation unbedingt von unten nach oben erfolgen; zudem muss die einmal gewählte Seitenrichtung links/ rechts oder rechts/ links während der gesamten Injektionen konsistent beibehalten werden. Abhängig vom zu verfüllenden Riss, des Füllziels und des Füllstoffes erfolgt eine oder mehrere Nachinjektionen. Die Rückstellprobe kann dabei Aufschluss über den Reaktionsgrad des Materials geben. Nach Ende der Aushärtezeit wird gegebenenfalls die Verdämmung abgeschlagen und die Packer entfernt. Im Anschluss daran werden die Bohrlöcher fachgerecht verschlossen, beispielsweise mit PCC-Mörtel (Polymer 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 239 Fachgerechte Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung Cement Conrete) und die Oberfläche gegebenenfalls optisch wiederhergestellt. 4.4 Dokumentation Zu einer Betoninstandsetzung mit Hilfe einer Rissinjektion gehört immer auch eine umfassende, lückenlose Dokumentation. Diese erlaubt unter anderem den späteren Nachweis der korrekten Planung und Ausführung der Betoninstandsetzung. Die folgenden Punkte gehören zu einer fachgerechten Dokumentation: • Basisdaten (Baustelle, Bauteil, Datum, Fehlstellenbezeichnung) • Witterung • Bauteiltemperatur • Risskartierung • Risslänge, Rissbreite • Füllgutbezeichnung, Hersteller, Chargen-Nr. • Prüfung der Vorbereitung (zum Beispiel Verdämmung) • verwendete Injektionsdrücke • eingebrachte Füllgutmenge (Menge oder Masse) Anhand der vor der Injektion genommenen Rückstellprobe des Injektionsmaterials kann der Verarbeiter nachweisen, dass das Material korrekt reagiert hat. Alle Informationen zur korrekten Dokumentation sowie standardisierte Formblätter findet man in der ZTV-ING Teil 3, Abschnitt 5. 5. Zusammenfassung Risse in Betonbauwerken sind systemimmanent und müssen entsprechend der aktuellen Regelwerke eingeplant werden. Jeder Riss ist einzeln zu bewerten und nach den aktuell geltenden technischen Richtlinien und Regelwerken auch einzeln zu behandeln. Mit Einführung der BAWEmpfehlung bei gleichzeitiger Novellierung der ZTV-ING und ZTV-W wurden entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen. Nachweisführung für einzelne Bauprodukte kann entweder in Form von projektspezifischen Leistungsnachweisen gemäß Anforderung des Planers erbracht werden oder alternativ über ein freiwilliges DIBt Gutachten. Dies gilt auch dort, wo es um die Planung von WU-Konstruktionen gemäß WU-Richtlinie geht. Ein WU-Planer ist verpflichtet, ein Instandsetzungskonzept vorzulegen. Das freiwillige DIBt Gutachten bietet Planern und Ausführern die Möglichkeit, auf einfache Art zu bescheinigen, dass ein harmonisiertes Bauprodukt mit CE-Kennzeichnung zusätzlich die vom Hersteller angegebenen Leistungen für Bauwerksanforderungen sicher erfüllt. Werden zudem die hier skizzierten Handlungsanweisungen zum korrekten Instandsetzen mittels Rissinjektion in der Praxis befolgt, so entspricht dies allen Anforderungen einer fachgerechten Rissbehandlung als Bestandteil der Betoninstandsetzung. Literaturangaben [1] Bauministerkonferenz: Musterbauordnung (MBO) [2] DIBt (Hrsg.): Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB). Ausgabe 2017/ 1 mit Druckfehlerkorrektur vom 11. Dez. 2017. [3] ZTV-W LB 219 (2017): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219), Ausgabe 2017. BMVI, Abteilung Wasserstraßen, Schifffahrt. [4] ZTV-ING Teil 3 Massivbau, Abschnitt 4 Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen und Abschnitt 5 Füllen von Rissen und Hohlräumen in Betonbauteilen. Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand 2017/ 10 [5] DIN V 18028: 2006-06 (zurückgezogen): Rissfüllstoffe nach DIN EN 1504-5: 2005-03 mit besonderen Eigenschaften [6] Bundesanstalt für Straßenwesen: Zusammenstellungen der geprüften/ zertifizierten Stoffe, Stoffsysteme und Bauteile für Bauwerke der Bundesfernstraßen [7] Deutschen Ausschuss für Stahlbeton: Richtlinie für Instandsetzung von Betonbauteilen - Oktober 2001 [7] DIBt: Prioritätenliste für die Überarbeitung defizitärer harmonisierter Bauproduktnormen. Stand 25. Februar 2019 [8] Europäischer Gerichtshof: Urteil C-100/ 13 vom 16. Oktober 2014 [9] BAW Bundesanstalt für Wasserbau: BAWEmpfehlung Instandsetzungsprodukte - Hinweise für den Sachkundigen Planer zu bauwerksbezogenen Produktmerkmalen und Prüfverfahren, Ausgabe 2019 [10] Bau PVO: Verordnung (Eu) Nr. 305/ 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/ 106/ EWG des Rates [11] Westendarp, A.: Betoninstandsetzung im Verkehrswasserbau - Überarbeitung der ZTV-W LB 219 und der zugehörigen Regelwerke. BAWBrief 01/ 2017