eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
71
2021
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Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung

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2021
Sebastian May
Alexander Schumann
Frank Schladitz
Die Ertüchtigung von bestehenden Bauwerken stellt Planer und Bauherren immer häufiger vor große Herausforderungen. So sind häufig aus architektonischen, historischen aber auch statischen Gesichtspunkten Sanierungen und Verstärkungen von Tragstrukturen ohne größere Baumaßnahmen nicht möglich. Soll zusätzlich die Trag- und Gebrauchstauglichkeit wiederhergestellt oder verbessert werden - z. B. infolge Dauerhaftigkeitsproblemen der Stahlbewehrung - kann dies meistens nur mit ressourcenintensiven, aufwendigen und bestandsbelastenden Maßnahmen erfolgen (z. B. Ergänzung von massiven Verstärkungen aus Stahlbeton oder Teilabriss und Neubau). Eine wirtschaftliche und bereits des Öfteren angewendete Alternative ist die Verstärkung mit Carbonbeton. Durch seine hohe Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit bei minimalen Schichtdicken überzeugt der innovative und noch relativ neue Werkstoff gegenüber herkömmlichen Maßnahmen. Im Rahmen des Berichts werden neben den planerischen Leistungen beim Anwenden der vorhandenen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zum Verstärken mit Textil-/Carbonbeton auch die Ausführung auf der Baustelle ausführlich gezeigt. Ebenso sind die planerischen Schritte für eine Zustimmung im Einzelfall – welche häufig im vornherein überschätzt werden – nachvollziehbar dargestellt. Abschließend werden neben den Bearbeitungsinhalten bei jetzigen Planungsprojekten aktuelle Ausführungsbeispiele im Brücken- und Hochbau gezeigt.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 243 Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung Sebastian May CARBOCON GmbH, Dresden, Deutschland Alexander Schumann CARBOCON GmbH, Dresden, Deutschland Frank Schladitz Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland Zusammenfassung Die Ertüchtigung von bestehenden Bauwerken stellt Planer und Bauherren immer häufiger vor große Herausforderungen. So sind häufig aus architektonischen, historischen aber auch statischen Gesichtspunkten Sanierungen und Verstärkungen von Tragstrukturen ohne größere Baumaßnahmen nicht möglich. Soll zusätzlich die Trag- und Gebrauchstauglichkeit wiederhergestellt oder verbessert werden z. B. infolge Dauerhaftigkeitsproblemen der Stahlbewehrung kann dies meistens nur mit ressourcenintensiven, aufwendigen und bestandsbelastenden Maßnahmen erfolgen (z. B. Ergänzung von massiven Verstärkungen aus Stahlbeton oder Teilabriss und Neubau). Eine wirtschaftliche und bereits des Öfteren angewendete Alternative ist die Verstärkung mit Carbonbeton. Durch seine hohe Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit bei minimalen Schichtdicken überzeugt der innovative und noch relativ neue Werkstoff gegenüber herkömmlichen Maßnahmen. Im Rahmen des Berichts werden neben den planerischen Leistungen beim Anwenden der vorhandenen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zum Verstärken mit Textil-/ Carbonbeton auch die Ausführung auf der Baustelle ausführlich gezeigt. Ebenso sind die planerischen Schritte für eine Zustimmung im Einzelfall - welche häufig im vornherein überschätzt werden - nachvollziehbar dargestellt. Abschließend werden neben den Bearbeitungsinhalten bei jetzigen Planungsprojekten aktuelle Ausführungsbeispiele im Brücken- und Hochbau gezeigt. 1. Einleitung Der Stahlbeton ist in den letzten knapp 200 Jahren seit seiner Entwicklung 1855, u.a. durch Joseph Monier. zum wichtigsten Baumaterial der Welt geworden. Es gibt neben zahlreichen Vorteilen des Materials (u. a. Festigkeit, Formgestaltung) auch einige gravierende Nachteile. So werden jährlich mehrere Milliarden Kubikmeter an Beton weltweit verbaut. Dabei werden neben dem Verbrauch von Ressourcen auch über 4,5 Milliarden Tonnen an hergestelltem Zement verbraucht. Die Herstellung einer Tonne Zement ist in Deutschland mit rund 600 kg CO 2 -Emission verbunden. Das Bauwesen gilt daher als einer der treibenden Faktoren bei der Klimaerwärmung. Ein weiterer Nachteil des Stahlbetons sind seine Dauerhaftigkeitsprobleme. Bei unzureichender oder fehlender Betondeckung fängt die Stahlbewehrung an zu korrodieren. In Deutschland wurden zahlreiche Bauwerke im Brücken- und Hochbau mit dem Verbundmaterial Stahlbeton in der Nachkriegszeit errichtet und sind mit einem Alter von ca. 60 Jahren an ihre ursprüngliche Lebensdauer angelangt, siehe u. a. [1]. Infolge von Nutzungsänderungen und höheren Beanspruchungen sowie normativen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Planung sind zahlreiche Bauwerke normativ nicht mehr ausreichend tragfähig. Sollten konventionelle Instandsetzungsmaßnahmen aufgrund von statischen, architektonischen oder planerischen Gründen nicht funktionieren, werden die Bauwerke häufig teil- oder vollabgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Eine bereits des Öfteren verwendete Alternative zur Verstärkung solcher Bauwerke stellt der Verbundwerkstoff Textilbzw. Carbonbeton dar. Dieses innovative Baumaterial ist seit über 20 Jahren erforscht und besteht aus einer gitterartigen textilen Carbonbewehrung und einem feinkörnigen Hochleistungsbeton. Aufgrund seiner hervorragen Eigenschaften hat sich dieses Material in zahlreichen Anwendungen bewährt. Die neuartige Carbonbewehrung korrodiert nicht und besitzt eine hohe Tragfähigkeit. Somit kann der Carbonbeton insbesondere für dünne Schichten und Bauteile erfolgreich einge- 244 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung setzt werden. Das zeigen sowohl die Anwendungen im Bereich des Neubaus, wie z. B. Fassadenelementen und Schalentragwerken (vgl. z. B. [2], [3]), als auch bei der Verwendung zum Instandsetzen/ Verstärken für verschiedenste Tragwerke im Hoch- und Brückenbau (vgl. z. B. [4], [5], [6] und [6]). 2. Allgemeine Informationen zur Carbonbeton- Verstärkung Die Vorteile einer Verstärkung mit Carbonbeton sind vielfältig. Bestandskonstruktionen können mit wenigen Millimetern Carbonbeton saniert oder statisch verstärkt werden. Durch die dünnen Schichtdicken (vgl. Abbildung 1) werden nur sehr geringe Zusatzlasten infolge Eigenlasten in das Bauteil getragen und die Optik der oft denkmalgeschützten Bauwerke bleibt erhalten. Die dünnen Schichtstärke sind ausreichend zur Aufnahme der Verbundspannungen zwischen Verstärkungsbeton und Gelege. Die Carbongelege der aktuellen Anwendungen weisen dabei charakteristische Zugfestigkeiten oberhalb von 2.000 N/ mm² auf, weshalb i. d. R. eine Verstärkung mit 1 - 2 Lagen Carbonmatten (Carbongelegen) ausreicht (entspricht einer Carbonbeton Schichtstärke von 10 - 15 mm). Abbildung 1: Aufbau einer Carbonbeton-Verstärkung Foto, links: SGL Group, rechts: CARBOCON Diese Carbongelege wurde in den letzten Jahren ausreichend erforscht und hinsichtlich ihrer Anwendung in der Praxis durch Projekte bestätigt (siehe folgende Abschnitte). Durch eine einlagige Carbonbetonverstärkung kann die Biegetragfähigkeit im Versuch um das 3 - 4-fache angehoben werden [7]. Einachsial tragende Gelege können dabei statisch nur in eine Richtung angesetzt werden (analog R-Matte im Stahlbetonbau), siehe u. a. [8]. Zweiachsial tragende Carbongelege (analog Q-Matte) können in beide Richtungen statisch angesetzt werden. Aufgrund des flächigen Eintrags der Kraft der Carbongelege der Verstärkungsschicht in den Bestand kann auf eine zusätzliche Verdübelung der Verbundfuge, wie bei der herkömmlichen Spritzbetonverstärkung erforderlich, verzichtet werden. Die Ausführung ist daher weniger schädigend für das Bestandsbauwerk und kann aufgrund der leichten Bewehrungsstruktur sowie der geringen Feinbetonschicht zügiger und somit wirtschaftlicher erfolgen. Durch den geringeren Materialverbrauch beim Verstärkungsbeton aufgrund der dünnen Schichtstärken können sowohl wertvolle Ressourcen, wie z. B. Sand, aber auch CO 2 -Emissionen eingespart werden, was der Carbonbeton-Verstärkung im Thema Nachhaltigkeit zu Gute kommt. Des Weiteren entstehen keine „Abfallprodukte“ (Bauschutt), da die Gebäude nicht abgerissen werden und somit nachhaltig und ökologisch weitergenutzt werden können. Ein weiterer signifikanter Vorteil für den Carbonbeton ist, dass dieser weit über die beim Stahlbeton angestrebten Lebenszeiten von 50 bis 100 Jahren hinaus ausgelegt werden kann. Aufgrund der guten Dauerhaftigkeitseigenschaften der Carbonbewehrungen sind Lebensdauern von über 100 Jahren möglich. 3. Planungsschritte einer Carbonbeton-Verstärkung Der Carbonbeton unterliegt zum jetzigen Zeitpunkt keiner normativen Regelung oder Richtlinie in Deutschland. Die Planung, Berechnung und Ausführung sind jedoch in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) [8] zum Verstärken mit Carbon-/ Textilbeton geregelt. In dieser abZ sind Anwendungsbereiche, Materialien und technische Regelungen für die Ausführung beschrieben. Die Zulassung wurde erstmalig bereits 2014 erteilt und diente als Grundlage für zahlreiche ausgeführte Verstärkungsmaßnahmen (siehe Abschnitt 4 und 5). Aufgrund der materialspezifischen Weiterentwicklung der Carbongelege in den vergangenen Jahren und dem teils beschränkten Anwendungsbereich der abZ sind häufig - aufbauend auf den Regelungen der abZ - Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) bzw. vorhabenbezogene Bauartengenehmigungen (vBG) erforderlich. Viele Bauherren und beteiligte Planer verbinden mit einer ZiE und dem damit einhergehenden Planungsprozess zusätzliche Kosten und Terminprobleme, weshalb häufig anstelle des Carbonbetons auf eine konventionelle Baumaßnahme zurückgegriffen wird. Betrachtet man jedoch alle Kosten (Planung, Ausführung, Unterhaltung) sind die Bedenken nicht gerechtfertigt und der Carbonbeton ist schon jetzt wirtschaftlicher. In den nächsten Abschnitten werden die Planungsschritte für eine Carbonbetonverstärkung geschildert. Bedingt durch die genannten Vorteile des Carbonbetons und der oft vorhandenen Nachteile konventioneller Verstärkungsmaßnahmen entscheiden sich Bauherren und Architekten/ Planer für die Verstärkung mit Carbonbeton. Nach einer Rücksprache mit den projektbeteiligten Partnern werden die Randbedingungen und Anforderungen an die Baumaßnahme geklärt. Hierbei wird zu Beginn, als Teil einer Machbarkeitsstudie, überprüft, ob und in welchem Rahmen der Carbonbeton angewendet werden kann. Dabei wird erörtert, ob die vorhandene abZ ausreicht oder eine ZiE notwendig wird. Bei positiver Beurteilung der Studie und Entscheidung für die Carbonbeton-Verstärkung werden als Nächstes die Materialien festgelegt. Anhand dieser kann der Planer den benötigten 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 245 Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung Verstärkungsgrad (Lagenanzahl) bestimmen. Sollte dabei während der ersten beiden Schritte festgestellt werden, dass die Materialien der abZ [8] nicht zur Anwendung kommen und das Projekt außerhalb des Anwendungsgebietes der abZ [8] liegt, muss nun das Versuchskonzept für die ZiE erarbeitet werden. Die Erstellung dieses Konzeptes basiert auf dem Knowhow des Planers bzw. Gutachters für die Carbonbeton-Verstärkung und erfolgt unter Einbeziehung der Projektbeteiligten sowie der zugehörigen Prüfstelle des jeweiligen Bundeslandes. Nur durch regen Austausch aller Partner im Projekt kann die ZiE erfolgreich in den Planungsprozess (Leistungsphasen nach HOAI) eingeordnet werden. Im nächsten Schritt werden die bisherigen Ergebnisse zum Carbonbeton zusammengestellt. Durch vorhandene Versuchsergebnisse aus der Forschung sowie ggf. bisherigen Praxisprojekten und einer nationalen und internationalen Literatur-/ Richtlinienrecherche lässt sich das Versuchsprogramm in Absprache mit den bauaufsichtlichen Behörden oft deutlich reduzieren. Dadurch können Kosten und Zeit im Projekt gespart werden. Diese Phase läuft meist schon parallel zur Erstellung des Versuchskonzeptes der ZiE. Im Anschluss daran erfolgt die Prüfung der fehlenden Materialkennwerte in Abhängigkeit der jeweiligen projektbezogenen Randbedingungen (vgl. Abbildung 2). Dabei werden u. a. Abminderungsfaktoren für äußere Einflüsse (z. B. Temperatur, Expositionsklasse) im Versuch für die Carbonbewehrung und bei Bedarf für den Beton bestimmt. Abbildung 2: Prüfung Zugfestigkeit des Geleges im Dehnkörper (links: Raumtemperatur; rechts: erhöhte Temperatur mittels Heizstrahler) Sollten darüber hinaus Großbauteilversuche zur Bestätigung der Ingenieurmodelle und zur Überprüfung der Übertragbarkeit der Materialkennwerte aus den kleinteiligen Versuchen sowie der Statik erforderlich sein, sind die zu verstärkenden Bauteile in Anlehnung an das reale Bauteil/ Bauwerk zu konzeptionieren und zu bemessen. Dabei muss das Bauteil hinsichtlich der nachzuweisenden Versagensart dimensioniert sein. Sind diese Bedingungen erfüllt, wird anschließend das Bauteil hergestellt und verstärkt. Des Weiteren muss hierbei der Versuchsstand unter Einhaltung der ZiE-Randbedingungen des nachzuweisenden Bauteils sowie der örtlichen Bedingungen des Prüflabors geplant werden (vgl. Abbildung 3). Dabei muss das verstärkte Bauteil die erforderliche Laststeigerung im Versuch aufweisen und i. d. R. auch die vorhergesagte Versagensart nach Erreichen des benötigten Lastniveaus abbilden. Hierbei sind des Weiteren vorab die Lastkapazität der Prüfmaschine für den Bauteilversuch sowie die Einrichtung der Labore (z. B. Hebezeug der Labore für Bauteil, Messtechnik) zu berücksichtigen. Abbildung 3: Querkraftversuch eines verstärkten T-Trägers in Kooperation mit der Universität Innsbruck Foto: CARBOCON Als Letztes werden im Rahmen des Gutachtens zur ZiE die Kennwerte aus der Statik mit den Versuchsergebnissen überprüft sowie Prüfempfehlungen für begleitende Bauteilversuche während der Ausführung (Fremdüberwachung) erstellt. 4. Ausführung einer Carbonbeton-Verstärkung am Beispiel der Hyparschale in Magdeburg Die Baumaßnahme „Verstärkung der Hyparschale Magdeburg mit Carbonbeton“ soll die einzelnen Ausführungsschritte zeigen. Das Schalentragwerk von Ulrich Müther wurde 1969 errichtet und war über Jahrzehnte eines der größten Schalenbauwerke Deutschlands (Abbildung 4). Im Jahr 1990 wurde das Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt. Infolge nicht ausreichender Instandsetzungsarbeiten musste das Objekt 1997 aufgrund von Mängeln und Abnutzungserscheinungen gesperrt werden [4]. Im Rahmen von Voruntersuchungen stellte sich die Maßnahme „Verstärken mit Carbonbeton“ aufgrund des minimalen Materialverbrauchs, deutlich geringerer Ausführungskosten sowie dem minimal invasiven Eingriff in die Bestandsstruktur als wirtschaftlichste Variante unter Berücksichtigung der ZiE-Versuchs- und Planungskosten dar. Des Weiteren sprach ebenso die schnelle Ausführung der Verstärkung für den Carbonbeton. 246 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung Abbildung 4: Hyparschale Magdeburg vor der Verstärkung Foto: CARBOCON Als erster Schritt wird die zu verstärkende Betonoberfläche gemäß [9] von Aufbauten (z. B. Abdichtung) befreit und anschließend mit einem geeigneten Verfahren (z. B. Sandstrahlen bzw. Feststoffstrahlen) aufgeraut. Die geforderte Rautiefe zur Sicherstellung des Verbundes zwischen Altbeton und Verstärkungsbeton wird anschließend kontrolliert (Abbildung 5). Hier kann u. a. das Sandverfahren nach Kaufmann [10] verwendet werden. Die allgemeinen Anforderungen (z. B. Vorbehandlung) an die zu verstärkende Oberfläche sind in [8] geregelt, Abweichungen oder zusätzliche Anforderungen werden im Gutachten zur ZiE bestimmt. Abbildung 5: Überprüfung der Oberflächenbeschaffenheit Foto: CARBOCON Im Anschluss daran wird die Feinbetonschicht mit einer Stärke ca. 5 mm im Spritzverfahren aufgebracht (Abbildung 6). Dafür wurde der in der abZ [8] geregelte Feinbeton verwendet werden. Alternativ kann der Feinbeton im Laminierverfahren aufgetragen werden. Abbildung 6: Auftragen der ersten Feinbetonschicht Foto: CARBOCON Als Nächstes wird das Carbongelege - welches als Matten- oder Rollenware erhältlich ist - in den frischen Feinbeton eingearbeitet. Dabei können sowohl einachsiale Gelege entsprechend der abZ [8] oder weiterentwickelte zweiachsial tragende Gelege wie in Magedeburg verwendet werden. Zur Sicherstellung des einwandfreien Kontakts der beiden Materialien wird das Gelege mit Glättkellen leicht in den Feinbeton gedrückt (Abbildung 7). Daran anschließend wird die nächste Feinbetonschicht mit einer Schichtstärke von ca. 5 mm aufgebracht. Dieser Vorgang „Gelege + Feinbeton“ kann nach erforderlichem Verstärkungsgrad wiederholt werden. Abbildung 7: Einarbeiten des Carbongeleges Foto: CARBOCON Aufgrund der relativ feinen aber hochfesten Struktur des Carbongeleges und der damit verbundenen flächigen Einleitung der Querzugspannungen der Verstärkung in den Bestand ist eine zusätzliche Verdübelung, wie bei der herkömmlichen Spritzverstärkung, nicht erforderlich. Dadurch können u. a. Dauerhaftigkeitsprobleme infolge Eintrags von Feuchte in den Bestand ausgeschlossen werden. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 247 Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung Abbildung 8: Nachbehandlung der Carbonbetonverstärkung Foto: CARBOCON Die obere Betonschicht wird abschließend glatt abgezogen und nachbehandelt (z. B. feuchte Jutebahnen), siehe Abbildung 8. Eine größere Betondeckung ist für das Gelege aufgrund seiner Resistenz gegen äußere Medien nicht nötig. Für das Projekt Hyparschale Magdeburg ist eine Verstärkungsschicht von gerade einmal 10 mm auf der Schalenober- und -unterseite ausreichend, um das Bestandsbauwerk statisch nach aktueller Normung zu ertüchtigen und hinsichtlich der Dauerhaftigkeit aufgrund des sehr feinen Rissbildes mit sehr geringen Rissbreiten zu verbessern. 5. Weitere Ausführungsbeispiele mit Carbonbeton- Verstärkung Die folgenden Projekte sollen beispielhaft die Anwendung des Carbonbetons im Bereich der Verstärkung zeigen. Bei diesen Bauwerken hat sich die effiziente Instandsetzungsmaßnahme sowohl aus wirtschaftlicher als auch technischer und architektonischer Sicht durchgesetzt. Der Beyer-Bau der Technischen Universität (TU) Dresden ist eines der ältesten Bestandsgebäude des Universitätsgeländes (vgl. Abbildung 9). In dem Gebäude befindet sich die Fakultät der Bauingenieure, welche in den vergangenen Jahren den Carbonbeton für die Verstärkung erforscht haben. Jetzt wird dieses Gebäude mit dem innovativen Carbonbeton verstärkt. Abweichend von der abZ [8] wird die Verstärkung neben den Deckenfeldern auch an den Unterzügen im Bereich der Biegezugzone angeordnet. Diese Konfiguration wurde im Rahmen des ZiE- Prozesses rechnerisch und experimentell nachgewiesen. Abbildung 9: Verstärkung des Beyer-Baus (Fakultät Bauingenieure) der TU Dresden Foto: CARBOCON Der Carbonbeton wurde neben der Verstärkung im Hochbau auch schon im Brückenbau erfolgreich angewendet. In Abbildung 10 wird eine Autobahnbrücke in Hessen gezeigt, welche im dritten und vierten Quartal 2020 auf der Unter- und Oberseite mit bis zu 6 Lagen Carbongelege verstärkt wurde. Bei der Brücke handelt es sich um eine vorgespannte Mehrfeldbrücke mit rechnerischen Defiziten im Bereich der Robustheitsbewehrung infolge des möglichen Ausfalls spannungsrissgefährdeter Spannglieder. Zwar wurden experimentelle Versuche zur Bestätigung der entwickelten Ingenieuransätze durchgeführt, die Kennwerte des Carbongeleges wurden jedoch aus bestehenden Ergebnissen aus der Literatur übernommen. Abbildung 10: Verstärkung einer Autobahnbrücke in Hessen Foto: Oliver Steinbock, cbing Ein zweites aktuelles Projekt im Brückenbau ist die Verstärkung einer Brücke bzw. Durchführung unter einer Autobahn in Nordrhein-Westfalen (vgl. Abbildung 11). Bedingt durch die zu erhaltende Durchflussbreite des Flusses und der Überschüttung des Querschnittes mit mehreren Metern Bodenmaterial, wird bei dem Bauwerk eine dünne Schale aus Carbonbeton als Neubau unter dem vorhandenen Bestand geplant. Diese Konstruktion wird alle Lasten des Bestandsbauwerk aufnehmen. Für 248 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Verstärken mit Carbonbeton - von der Planung bis zur Ausführung die Maßnahme wurde sich entschieden, da sie sowohl dauerhafter aber auch deutlich wirtschaftlicher gegenüber herkömmlichen Maßnahmen (z. B. Abriss und Neubau) ist. Abbildung 11: Verstärkung einer Autobahnbrücke in Nordrhein-Westfalen Foto: CARBOCON Als letztes Projekt wird auf die denkmalgeschützte Brücke Thainburg in Naumburg verwiesen (siehe Abbildung 12). Die Fußgängerbrücke wurde 1894 in Monierbauweise errichtet und ist aufgrund seiner geringen Konstruktionshöhe und dem niedrigen Bogenstich bei einer Spannweite von knapp 15 m ingenieurtechnisch herausragend. Die Genehmigungsplanung und ZiE wurde aufbauend auf der abZ [8] geplant und erteilt. Durch eine argumentative ZiE-Planung wurden keine Versuche zur Erlangung der Genehmigung benötigt. Aufgrund von Corona und der aktuellen Bausituation in Deutschland wurde die Ausführung auf voraussichtlich 2021 verschoben. Abbildung 12: Verstärkung der Brücke Thainburg in Naumburg Foto: CARBOCON 6. Zusammenfassung und Ausblick Anhand der gezeigten Vorteile zum Verstärken mit Carbonbeton hat sich die neuartige Bauweise schon jetzt in zahlreichen Bereichen sowohl wirtschaftlich als auch technisch durchgesetzt. Der ggf. zusätzliche Planungsaufwand einer ZiE lässt sich durch eine frühzeitige Integration in den Planungsprozess ohne zeitlichen Verzug des Projektes integrieren und umsetzen. Durch die schlanke, materialsparende und nachhaltige Carbonbetonverstärkung können Bestandsgebäude durch minimalen Eingriff dauerhaft und effizient verstärkt werden. Die Ausführungskosten der Carbonbetonverstärkung - trotz der etwas preisintensiveren Carbonbewehrungen - sind bereits heute aufgrund der zuvor beschriebenen Vorteile mehr als konkurrenzfähig im Vergleich zu herkömmlichen Verstärkungsvarianten oder zum oftmals erforderlichen Abriss und Ersatzneubau. Literatur [1] Naumann J.: Brückenertüchtigung jetzt - Ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Mobilität auf Bundesfernstraßen. In: DBV - Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E. V. (Hrsg.), DBV-Heft 22, Berlin, 2011. [2] Rempel, S.; Will, N.; Hegger, J.; Beul, P.: Filigrane Bauwerke aus Textilbeton. Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Heft S1, S. 83-93. [3] Müller, E.; Scheerer, S., Curbach, M.: Material and space saving carbon concrete elements. Civil Engineering Design 1 (2019), Heft 1, S. 3-9. [4] Hentschel, M.; Schumann, A.; Urlich, H.; Jentzsch, S.: Sanierung der Hyparschale Magdeburg. Bautechnik 96 (2019), Heft 1, S. 25-30. [5] Erhard, E.; Weiland, S.; Lorenz, E.; Schladitz, F.; Beckmann, B.; Curbach, M.: Anwendungsbeispiele für Textilbetonverstärkung: Instandsetzung und Verstärkung bestehender Tragwerke mit Textilbeton. Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Heft S1, S. 74-82. [6] Al-Jamous, A.; Uhlig, K.: Sanierung der historischen Betonbogenbrücke in Naila. In: Curbach, M. (Hrsg.): Tagungsband zum 27. Dresdner Brückenbausymposium am 13. und 14.3.2017 in Dresden, Dresden: Institut für Massivbau der TU Dresden, 2017, S. 71-78. [7] Müller, E.; Schmidt, A.; Schumann, A.; May, S.; Curbach, M: Biegeverstärkung mit Carbonbeton. Beton- und Stahlbetonbau (2020). doi: 10.1002/ best.202000012. [8] Z-31.10-182: Verfahren zur Verstärkung von Stahlbeton mit TUDALIT (Textilbewehrter Beton). Geltungsdauer 2016-2021. [9] DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (2001); Teil 1-4. [10] Kaufmann, N: Das Sandflächenverfahren. Straßenbautechnik 24 (1971), Nr. 3, S. 131-135.