Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken
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Christian Dommes
Christian Knorrek
Josef Hegger
Brücken stellen essentielle Verbindungen im kommunalen und Fernstraßennetz dar. Neben Alterserscheinungen setzt den Brücken auch das stark gestiegene Verkehrsaufkommen zu, sodass sich laut BMVI allein bei den Bundesfernstraßen weit über 2.200 Brücken in einem kritischen Zustand befinden. Die Traglastreserven dieser Bauwerke stoßen in vielen Fällen bereits jetzt an ihre Grenzen und müssen dringend erhöht werden, um auch das zukünftig zu erwartende Verkehrsaufkommen aufnehmen zu können. Am Institut für Massivbau (IMB) der RWTH Aachen werden daher in enger Zusammenarbeit mit mehreren Industriepartnern theoretische und experimentelle Untersuchungen durchgeführt, um ein neuartiges Konzept zur ganzheitlichen Verstärkung von Bestandsbrücken in Massivbauweise zu entwickeln. Durch die unterschiedlichen Applizierungsorte der Verstärkungsmaßnahmen sollen die Druck- und Zugzone verstärkt und die Querkrafttragfähigkeit
erhöht werden. Die Verstärkung kann dabei gezielt spezifische Traglastdefizite ausgleichen ohne das Eigengewicht der Brücke maßgeblich zu erhöhen, da innovative Materialien samt neuartigen Applikationsverfahren verwendet werden. Dadurch ist die Ertüchtigungsmaßnahme auf eine Vielzahl von Brückenbauwerken anwendbar.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 253 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken Christian Dommes Lehrstuhl und Institut für Massivbau, RWTH Aachen University, Deutschland Christian Knorrek Lehrstuhl und Institut für Massivbau, RWTH Aachen University, Deutschland Josef Hegger Lehrstuhl und Institut für Massivbau, RWTH Aachen University, Deutschland Zusammenfassung Brücken stellen essentielle Verbindungen im kommunalen und Fernstraßennetz dar. Neben Alterserscheinungen setzt den Brücken auch das stark gestiegene Verkehrsaufkommen zu, sodass sich laut BMVI allein bei den Bundesfernstraßen weit über 2.200 Brücken in einem kritischen Zustand befinden. Die Traglastreserven dieser Bauwerke stoßen in vielen Fällen bereits jetzt an ihre Grenzen und müssen dringend erhöht werden, um auch das zukünftig zu erwartende Verkehrsaufkommen aufnehmen zu können. Am Institut für Massivbau (IMB) der RWTH Aachen werden daher in enger Zusammenarbeit mit mehreren Industriepartnern theoretische und experimentelle Untersuchungen durchgeführt, um ein neuartiges Konzept zur ganzheitlichen Verstärkung von Bestandsbrücken in Massivbauweise zu entwickeln. Durch die unterschiedlichen Applizierungsorte der Verstärkungsmaßnahmen sollen die Druck- und Zugzone verstärkt und die Querkrafttragfähigkeit erhöht werden. Die Verstärkung kann dabei gezielt spezifische Traglastdefizite ausgleichen ohne das Eigengewicht der Brücke maßgeblich zu erhöhen, da innovative Materialien samt neuartigen Applikationsverfahren verwendet werden. Dadurch ist die Ertüchtigungsmaßnahme auf eine Vielzahl von Brückenbauwerken anwendbar. 1. Einleitung Brücken sind für die Verkehrsinfrastruktur von höchster Bedeutung und stellen wichtige Verbindungen im Bundesfern- und kommunalen Straßennetz sowie im Schienenverkehr dar. Mehr als 2.200 der knapp 40.000 Brücken im Bundesfernstraßennetz sind in einem kritischen Zustand. Davon sind mehr als 90% in Stahl- oder Spannbetonweise gebaut. Neben dem stark gestiegenen Verkehrsaufkommen sind Tragfähigkeitsdefizite aufgrund des Alters der Bestandsbrücken und der Bauart sowie einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes für den hohen Sanierungsbedarf verantwortlich. So sind gerade in den alten Bundesländern eine Vielzahl der bestehenden Brücken in der Nachkriegszeit errichtet worden. Die damaligen Lastananahmen decken die prognostizierte Zunahme der Beförderungsleistungen im Straßengüterverkehr zwischen 1980 und 2030 von 760% nicht ab. Zudem nimmt die Anzahl der genehmigungspflichtigen Schwerlasttransporte jedes Jahr weiter zu [7]. Durch das BMVI wurde 2013 daher die „Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand der Bundesfernstraßen“ mit dem Ziel der Erhöhung bzw. Wiederherstellung der Tragfähigkeit von bestehenden Brückenbauwerken entwickelt. Neben Brückenneubauten soll dabei die Brückenertüchtigung als wirtschaftliche Alternative verfolgt werden [2]. Für eine Verstärkungsmaßnahme ist im Allgemeinen nicht das Bauteil entscheidend, sondern die Beanspruchungsart. So müssen Brückenquerschnitte sowohl für Zug- und Druckals auch für Querkraftbeanspruchungen verstärkt werden. Bestehende Verstärkungskonzepte weisen allerdings gravierende Nachteile auf, weil diese aufgrund des Platzbedarfes häufig nur beschränkt eingesetzt werden können, nur lokal wirken oder das Eigengewicht drastisch erhöhen. Zudem ist die Instandsetzungsmaßnahme i.d.R. langwierig und bedarf einer umfangreichen Sperrung von Fahrbanen, sodass der Verkehrsfluss erheblich belastet wird. Es müssen daher effektive, schnelle und kostengünstige Lösungen zur Instandsetzung und Verstärkung entwickelt werden, damit die Bestandstragwerke bestmöglich ertüchtigt und die geplante Lebensdauer eingehalten werden kann. Innovative Lösungen mit einem Preisleistungsvorteil stellen für Bund, Länder, Kommunen und private Brückeneigner eine wirtschaftliche Alternative dar und reduzieren das Problem der ausgereizten Traglastreserven und der Überbelastung deutlich. Am Lehrstuhl und Institut für Massivbau (IMB) der RWTH Aachen University wurden daher theoretische und experimentelle Untersuchungen durchgeführt, um neue und innovative Konzepte zur ganzheitlichen Verstärkung von Bestandsbrücken zu entwickeln. 254 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken 2. Experimentelle Untersuchung 2.1 Versuchskörper Um eine Verstärkungsschicht aktivieren zu können, müssen die auftretenden Kräfte von der Fuge zwischen Bauwerk und Ertüchtigungsmaterial aufgenommen werden können. Zur Untersuchung dieser Kraftübertragung wurden insgesamt 26 Schubversuche an Verbundfugen durchgeführt, siehe Abbildung 1. Hierbei wurden zwei verschiedene Verstärkungssysteme aus einem Ultrahochfesten Beton (UHPC) und einem mikrobewehrten hochfesten Mörtel auf einen Altbeton (C20/ 25) appliziert. Der Altbeton repräsentiert eine Bestandsbrücke aus den 1950-Jahren. Die Einflüsse der Oberflächenrauigkeit und mechanischer Verbundmittel wurden für verschiedene Fugenlängen untersucht. Es wurde keine fugenkreuzende Bewehrung angeordnet. Lediglich die mit einer Mörtelschicht mit Mikrostahlarmierung verstärkten Versuchskörper wiesen eine Bewehrung parallel zur Fugenoberfläche auf, siehe dazu Abbildung 2. In Tabelle 1 ist die Versuchsmatrix dargestellt. Abbildung 1 - Versuchsaufbau der 26 Push-Off Tests Tabelle 1 - Versuchsmatrix Material Fugenfläche Anzahl Verbundmittel Rautiefe ØSchubspannung [-] [cm] [-] [-] [mm] [N/ mm²] UHPC 35 x 20 7 - 6 3,7 35 x 20 7 1 x Hilti HUS-6 6 3,3 Mörtel 35 x 20 3 - 1,5 3,3 35 x 20 3 1 x Ducon 12.9 Ø6mm 1,5 3,2 70 x 20 3 - 1,5 2,8 70 x 20 3 2 x Ducon 12.9 Ø6mm 1,5 2,9 2.2 Versuchsaufbau und -durchführung Um die in der Fuge übertragbaren Spannungen zu ermitteln, wurden zwei L-förmige Versuchskörper in Push-Off Versuchen bis zum Versagen belastet. Auf den Altbetonkörper wurden in horizontaler Position die verschiedenen Verstärkungsschichten betoniert. Um Schiefstellungen während der Versuche auszugleichen, wurde die Kraft mittels einer Kalotte in die Prüfkörper eingeleitet. Die Belastung erfolgte weggesteuert, d.h. die erforderliche Druckkraft zum Erzeugen der Verformung wurde kontinuierlich gemessen. Die verwendeten Materialien und die Baustoffkennwerte können Tabelle 2 entnommen werden. Abbildung 2 - Anordnung der Mikrostahlarmierung Tabelle 2 - Baustoffkennwerte Material Druckfestigkeit E-Modul Größtkorn [-] [N/ mm²] [N/ mm²] [mm] Altbeton 25 30000 32 UHPC 190 54000 2 Mörtel 100 38000 1 - 2 Um die Bauteilverformungen während der Versuche zu erfassen, wurden sowohl induktive Wegaufnehmer auf der Oberfläche der Versuchskörper angebracht als auch ein optisches Messverfahren genutzt. Neben der Fugenöffnung vertikal zur Fugenebene wurde die Fugenverschiebung parallel zur Fugenebene mit Wegaufnehmern dokumentiert. In Abbildung 3 ist die Anordnung der Messtechnik für einen Versuchskörper mit 35 cm Fugenlänge dargestellt. Durch das beidseitige Aufbringen der Wegaufnehmer konnte eine ungewollte Verdrehung des Versuchskörpers während der Belastung ausgeschlossen und somit ein symmetrischer Lastabtrag nachgewiesen werden. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 255 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken Abbildung 3 - Anordnung der Messtechnik 2.3 Ergebnisse 2.3.1 Auswertungskonzept Die Versuche werden mit Hilfe von Schubspannungs- Verformungsdiagrammen ausgewertet. Dazu wird die gemessene Kraft auf die Fugenfläche nach Tabelle 1 aufgeteilt. Die Diagramme wurden um den Effekt des Kriechens bereinigt, welcher während der Belastungspausen zum Dokumentieren der Risse auftrat. Die Risse lassen sich in zwei Kategorien einteilen: • Biegerisse im Anschnitt des kurzen Schenkels im Altbeton • Schubrisse im Fugenbereich Die Biegerisse treten lediglich aufgrund des Versuchsaufbaus auf und sind nicht Gegenstand der Untersuchung. Aufgrund der geringeren Festigkeit treten die Biegerisse fast ausschließlich im Altbetonkörper auf. Die Auswirkungen auftretender Biegerisse werden durch die Auswertung der Verformungen über die fugennahen Wegaufnehmer der Verstärkungsschicht minimiert. Aufgrund des höheren E-Moduls der Verstärkungsschicht erfassen diese geringere Stauchungen im Betonkörper als der entsprechende Wegaufnehmer am Altbeton. Schubrisse im Fugenbereich treten erst bei höheren Belastungen unmittelbar vor dem spröden Versagen der Fuge auf und sind dadurch schwer zu erfassen. Ein repräsentatives Bruchbild eines mit einer UHPC-Schicht verstärkten Versuchskörpers ohne Verbundmittel ist in Abbildung 4 dargestellt. Abbildung 4 - Rissbild nach Versagen der Fuge zwischen Altbeton und UHPC-Schicht In Abbildung 5 sind die Bruchflächen zweier verschiedener Versuchskörper dargestellt. An den unterschiedlichen Färbungen der Bruchflächen ist zu erkennen, dass das Versagen bei Versuchskörper a) im Altbeton (hellgrau) nahe der Fuge und bei Versuchskörper b) in der Fuge (Wechsel von hell- und dunkelgrau) auftrat. Bis auf Untersuchungen mit bewusst geschwächtem Verbund trat das Versagen im Altbeton immer parallel zur Fugenfläche auf. Somit wurde die Tragfähigkeit des Altbetons maßgebend. a) Versagen im Altbeton b) Versagen in der Fuge Abbildung 5 - Bruchflächen zweier Versuchskörper 2.3.2 Einfluss der Verbundmittel Die Hälfte der Versuchskörper wurde mit einem mechanischen Verbundmittel ausgebildet, siehe Tabelle 1. Die Schubspannungs-Verformungsbeziehungen reprä- 256 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken sentativer Versuchskörper mit Verbundmittel sind in Abbildung 6 in schwarz bzw. der Versuchskörper ohne Verbundmittel in grau dargestellt. Unabhängig vom gewählten Verbundmittel wurde keine Traglaststeigerung durch die Dübel beobachtet. Die Maximallast der Versuchskörper mit Verbundmittel liegt teilweise unter der Tragfähigkeit der Versuchskörper ohne Verbundmittel, da durch das nachträgliche Einbringen der Verbundmittel teilweise eine Schädigung der umliegenden Betonmatrix resultiert. Randl führt eine Abminderung der Traglast in [11] auf einen ähnlichen Effekt zurück. Die Einbindelänge der Dübel in den Altbeton und die Verstärkungsschicht reichte nicht aus, um die Traglast zu erhöhen. Stattdessen zog sich der Dübel nach Versagen der Fuge bei weiterer Belastung aus dem Altbeton heraus. In Abbildung 7 a) ist der in Lastrichtung verformte Dübel und in b) der Betonausbruch dargestellt. Abbildung 6 - Auswirkung von mechanischen Verbundmitteln auf die übertragbare Schubspannung in der Fuge Nach dem Schubversagen der Fuge können die Versuchskörper ohne Verbundmittel keine Lasten mehr übertragen, die zwei L-Körper sind voneinander gelöst. Die Versuchskörper mit Verbundmittel können nach dem Fugenversagen eine deutlich abgeminderte Kraft entsprechend dem Scherwiderstand des Dübels abtragen. Dieser wird allerdings erst mit dem Bruch in der Fuge und dem damit verbundenen Ausfall des Adhäsionstraganteils in der Fuge aktiviert [6]. Abbildung 7 - Auszug und Verformung des Dübels nach Versagen in der Fuge a) im UHPC b) im Altbeton 2.3.3 Einfluss der Rautiefe in der Fuge In Abbildung 8 sind die Schubspannungs-Verformungsdiagramme von Versuchskörpern mit einer Rautiefe von 6 mm in schwarz und mit einer Rautiefe von 1,5 mm in grau dargestellt. Die höhere Rautiefe führt zu einer ca. 15% höheren übertragbaren Schubspannung in der Fuge bei gleichzeitig geringeren Verformungen. Randl [11] bestätigt den positiven Einfluss der Oberflächenrauigkeit in der Fuge auf deren Schubsteifigkeit. Abbildung 8 - Auswirkung der Rautiefe auf die übertragbare Schubspannung in der Fuge 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 257 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken Die größere Rautiefe ermöglicht zudem eine Kraftübertragung bei sich öffnenden Fugen. Die entsprechenden Verläufe sind in Abbildung 9 in schwarz dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Kraft für eine Rautiefe von 6 mm mit steigender Rissöffnung länger übertragen werden kann. Abbildung 9 - Auswirkung der Rautiefe auf die Fugenöffnung 2.3.4 Einfluss der Fugenlänge Der Einfluss der Fugenlänge ist in Abbildung 10 anhand von Versuchen mit einer Fugenlänge von 35 cm (schwarz) und 70 cm (grau) dargestellt. Die Fugenverschiebung wurde dazu über die Fugenlänge normiert. Die Körper weisen unabhängig von der Fugenlänge eine ähnliche Steigung auf, somit hat die Fugenlänge keinen sichtbaren Einfluss auf die Steifigkeit der Fuge. Nach Claßen [3] werden Schubspannungen überwiegend über die Randbereiche der Fuge übertragen. So können über kürzere Fugen höhere mittlere Spannungen übertragen werden, da sich kein ausgeprägtes Tal in der übertragbaren Schubspannung ausbilden kann, siehe Abbildung 11. Aus diesem Grund nehmen die über die Fugenfläche gemittelten Spannungen mit zunehmender Länge der Fugen ab. Abbildung 10 - Auswirkung der Fugenlänge auf die übertragbaren Schubspannungen in der Fuge Abbildung 11 - Verlauf der Schubspannungsübertragung bei variierender Fugenlänge a) für eine lange Fuge b) für eine kurze Fuge 3. Versuchsnachrechnung Zur Überprüfung gängiger Bemessungsansätze werden die rechnerischen Tragfähigkeiten für die durchgeführten Versuche bestimmt. Die Schubkrafttragfähigkeit in der Fuge wird je nach Bemessungsansatz auf verschiedene Traganteile zurückgeführt. Die hier dargestellten Ansätze setzen in der Fuge folgende drei additive Traganteile an: • Adhäsion • Reibung • Bewehrung Das simple additive Zusammenführen der unterschiedlichen Traganteile wird in der Literatur diskutiert. Untersuchungen von Reinecke [12] beschreiben die zeitlich versetze Aktivierung der unterschiedlichen Traganteile. Obwohl die durchgeführten Versuche dies bestätigen, wird die zeitversetzte Aktivierung weder in den 258 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken Euro noch in den Model Codes berücksichtigt. Der Reibung wird aufgrund der fehlenden Kraft senkrecht zur Fugenfläche für die vorgestellte Versuchsreihe kein Traganteil zugeordnet. Abweichungen in den rechnerischen Tragfähigkeiten kommen daher aus unterschiedlich anzusetzenden Adhäsionsbeiwerten je nach Rauigkeit und den eingesetzten Verbunddübeln. In Abbildung 12 sind die rechnerischen Schubtragfähigkeiten der Fuge nach dem Eurocode 2 + NA(D) [4, 5], den Modelcodes von 1990 [8] und 2010 [9] und der amerikanischen AASHTO 2014 [1] für die mit einer UHPC- Schicht verstärkten Körper dargestellt. Zu erkennen ist, dass kein Bemessungsansatz die Tragfähigkeit annähernd richtig quantifiziert. Die höchste Tragfähigkeit, die durch die AASHTO berechnet wird, liegt bei weniger als der Hälfte der im Versuch ermittelten Schubspannung in der Fuge. Nach MC90 ergibt sich die geringste Tragfähigkeit von 1 N/ mm² übertragbarer Schubspannung. Das unterschiedliche Größtkorn des Altbetons und der Verstärkungsschichten wird durch keinen Bemessungsansatz berücksichtigt. Abbildung 12 - Rechnerische Tragfähigkeiten der UHPC Fugen mit einer Rautiefe von 6 mm In Abbildung 13 sind die Tragfähigkeiten für eine Fuge mit 70 cm Länge dargestellt. Da die Fugenlänge in den Bemessungsansätzen nicht berücksichtigt wird und ein Maßstabseffekt somit nicht berücksichtigt werden kann, liefern die Bemessungsansätze hier für die längeren Fugen qualitativ bessere Ergebnisse. Die rechnerische Tragfähigkeit setzt sich aus den Traganteilen der Adhäsion und der Bewehrung zusammen, obwohl die experimentelle Untersuchung zeigt, dass keine Traglaststeigerung durch den Einsatz von Verbunddübeln erreicht werden konnte. Der AASHTO ermittelt auch für die langen Fugen die besten Ergebnisse. Im Gegensatz dazu liefert der MC10 die geringste Tragfähigkeit. Abbildung 13 - Rechnerische Tragfähigkeit der 70 cm Fugen mit Verbunddübeln und einer Rautiefe von 1,5 mm Aus dem Vergleich der Bemessungsansätze untereinander und dem Vergleich mit den Versuchsergebnissen können zwei Schlussfolgerungen abgeleitet werden: • Die untersuchten Bemessungsansätze liefern für alle Prüfkörper eine deutlich verminderte rechnerische Tragfähigkeit in der Fuge gegenüber den durchgeführten Versuchen. • Obwohl nur Bemessungsansätze verglichen werden, welche die Fugentragfähigkeit auf die identischen drei Traganteile zurückführen, unterscheiden sich die rechnerischen Tragfähigkeiten erheblich. Diese großen Unterschiede zeigen, dass bisher keine einheitliche Bemessungsgrundlage existiert. 4. Zusammenfassung und Ausblick Brückenbauwerke in Deutschland müssen in den kommenden Jahren ertüchtigt werden, um den erheblich gestiegenen Verkehrslasten standhalten zu können. Gängige Bemessungsansätze schätzen die Schubkraftübertragung vom Bestandsbauwerk in die Verstärkungsschicht allerdings deutlich zu konservativ ab, dadurch verlieren viele Ertüchtigungsvorhaben ihre Wirtschaftlichkeit bereits in der Planungsphase. Die am Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen University durchgeführten Schubversuche zeigen, dass die rechnerische Tragfähigkeit nach dem in Deutschland gültigen Eurocode 2 je nach Fugenausbildung nicht einmal 50% der experimentell bestimmten Last entspricht. Der Vergleich zu weiteren Bemessungsansätzen verdeutlicht, dass keine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Schubkraftübertragung in Fugen existiert. Die durchgeführten Versuche zeigen, dass das nachträgliche Einbringen der untersuchten Verbundmittel zu keiner Traglaststeigerung in der Fuge führt. Eine größere Rauigkeit der Fugenoberfläche ermöglicht neben der erhöhten Tragfähigkeit auch 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 259 Innovative Verstärkung von Bestandsbrücken eine längere Kraftübertragung bei einer sich öffnenden Fuge. Die über die Fugenfläche gemittelte Schubspannung ist für Fugen mit kleiner Fläche höher. Um Brückenertüchtigungen auch für die ausführenden Firmen attraktiver zu machen, muss die Bemessung der Verbundfugen an aktuelle Forschungsergebnisse angepasst werden. Nur so kann die Brückenproblematik entschärft und damit das wirtschaftliche Potential Deutschlands ausgeschöpft werden. 5. Danksagung Die vorgestellten Untersuchungen wurden durch das Förderprogramm „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) gefördert. Die Autoren bedanken sich für die Unterstützung. Literaturverzeichnis [1] American Association of State Highway and Transportation Officials: AASHTO LRFD Bridge Design Specifications. Customary U.S. Units 7th Edition 2014, American Association of State Highway and Transportation Officials, Washington, (2014) [2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2016): Brückenmodernisierung im Bereich der Bundesfernstraßen [3] Classen, Martin; Adam, Viviane; Hillebrand, Matthias: Torsion Test Setup to Investigate Aggregate Interlock and Mixed Mode Fracture of Monolithic and 3D-Printed Concrete, in: Derkowski, W; Gwozdziewicz, P; Hojdys, L; Krajewski, P; Pantak, M. (Hrsg.): Concrete - Innovations in Materials, Design and Structures: Proceedings of the 2019 fib Symposium. fib Symposium 2019, Krakow, Poland, (2019), S. 521-528 [4] Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN): Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-2: Allgemeine Regeln - Tragwerksbemessung für den Brandfall. Deutsche Fassung EN 1992-1-2: 2004 + AC: 2008 (DIN EN 1992-1-2: 2010-12), Beuth, Berlin, (2010) [5] Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN): Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-2: Allgemeine Regeln - Tragwerksbemessung für den Brandfall (DIN EN 1992-1-2/ NA: 2010-12), Beuth, Berlin, (2010) [6] Heinrich, Jens; Zenk, Thomas; Maurer, Reinhard: Bewehrte Beton-Beton-Verbundfugen bei nachträglicher Verstärkung: Statische Tragfähigkeit, in: Bauingenieur 94 (11), (2019), S. 425-435 [7] Kaschner, R. et al.: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwese; Heft B 68, Auswikrungen des Schwerlastverkehrs auf die Brücken der Bundesfernstraßen, (2009). [8] Comite Euro-International du Béton: CEB-FIP Model Code for Concrete Structures. Design Code (Model Code 1990), Thomas Telford, London, Großbritannien, (1991) [9] International Federation for Structural Concrete: Model Code 2010. Final draft - Volume 2, International Federation for Structural Concrete (fib), Lausanne, Switzerland, (2012) [10] Randl, Norbert: Untersuchungen zur Kraftübertragung zwischen Alt- und Neubeton bei unterschiedlichen Fugenrauigkeiten. Dissertation, Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur. Leopold- Franzens-Universität, Innsbruck, (1997) [11] Randl, Norbert; Wicke, Manfred: Schubübertragung zwischen Alt und Neubeton: Experimentelle Untersuchungen, theoretischer Hintergrund und Bemessungsansatz, in: Beton- und Stahlbetonbau 95 (8), (2000), S. 461-473 [12] Reinecke, Ralf: Haftverbund und Rissverzahnung in unbewehrten Betonschubfugen. Dissertation. TU München, München, (2004)