Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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SalzTransportPutz - Stabilität durch die Porenstruktur?
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Andreas Zahn
Andreas König
Jonas Hallmann
Feuchteregulierungsputze – optimiert für den Salztransport – wurden mit Mikroröntgencomputertompgraphie (µXCT) untersucht. Damit wird ein ortsaufgelöster Einblick in die Makroporenstruktur dieser SalzTransportPutze ermöglicht.
Über 90 % des Gesamtmakroporengehaltes wird erstaunlicher Weise durch eine einzige Pore ausgebildet. Diese Pore bildet ein dreidimensionales Makroporennetzwerk in der Putzmatrix und keinen in sich geschlossenen, geometrischen Körper. Das bedeutet für die Praxis, dass kristallisierende Salze stets ausreichend Hohlraum zur Ausbildung ihrer Kristallstruktur finden, ohne die Putzmatrix zu zerstören. Dies gilt nicht nur für die Putzoberfläche, sondern auch für das Innere der Putzschicht.
Jenes dreidimensionale Makroporennetzwerk ist für die Langzeitstabilität der Putzmatrix verantwortlich und funktioniert selbst bei mittleren bis hohen Salzlasten. Es konnte nicht nur in Laborprismen nachgewiesen werden, sondern auch in Putzproben, die von Bauwerken entnommen und bei denen der Putz in Hand- und in Spritzapplikation eingebaut worden war. Darüber hinaus entsteht dieses Netzwerk sowohl in zementgebundenen als auch in zementfreien NHL-Putzen.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 285 SalzTransportPutz - Stabilität durch die Porenstruktur? Dr. rer. nat. Andreas Zahn MC-Bauchemie Müller GmbH & Co. KG, Leipzig Dr. rer. nat. Andreas König Universitätsklinikum Leipzig AöR, Poliklinik für zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Leipzig Jonas Hallmann MC-Bauchemie Müller GmbH & Co. KG, Leipzig Zusammenfassung Feuchteregulierungsputze - optimiert für den Salztransport - wurden mit Mikroröntgencomputertompgraphie (µXCT) untersucht. Damit wird ein ortsaufgelöster Einblick in die Makroporenstruktur dieser SalzTransportPutze ermöglicht. Über 90 % des Gesamtmakroporengehaltes wird erstaunlicher Weise durch eine einzige Pore ausgebildet. Diese Pore bildet ein dreidimensionales Makroporennetzwerk in der Putzmatrix und keinen in sich geschlossenen, geometrischen Körper. Das bedeutet für die Praxis, dass kristallisierende Salze stets ausreichend Hohlraum zur Ausbildung ihrer Kristallstruktur finden, ohne die Putzmatrix zu zerstören. Dies gilt nicht nur für die Putzoberfläche, sondern auch für das Innere der Putzschicht. Jenes dreidimensionale Makroporennetzwerk ist für die Langzeitstabilität der Putzmatrix verantwortlich und funktioniert selbst bei mittleren bis hohen Salzlasten. Es konnte nicht nur in Laborprismen nachgewiesen werden, sondern auch in Putzproben, die von Bauwerken entnommen und bei denen der Putz in Hand- und in Spritzapplikation eingebaut worden war. Darüber hinaus entsteht dieses Netzwerk sowohl in zementgebundenen als auch in zementfreien NHL-Putzen. 1. Feuchtigkeit und Salze im Mauerwerk Der Feuchtezustand eines Mauerwerks ist vor allem im erdberührten Bereich meist erhöht. Häufig sind horizontal sperrende Schichten eines älteren Mauerwerks nicht mehr intakt oder fehlen gänzlich. Dieser Umstand führt nicht selten zu einem starken kapillaren Sog insbesondere im Sockelbereich eines Gebäudes. Ähnlich feuchtebelastet sind erdberührte Mauern (Umfassungsmauern, Stützmauern u.a.). Die eingetragene Feuchtigkeit ist in der Regel kein reines Wasser, sondern mehr oder weniger mit wasserlöslichen Salzen (Chloride, Nitrate, Sulfate) angereichert. Außerdem werden auch die in den Baumaterialien vorhandenen wasserlöslichen Salze mobilisiert. Das bedeutet, es benötigt nicht zwingend einen Eintrag von Salzen von außerhalb. Bei einigen Bauwerken wurde das Schadpotential bereits mit der Wahl der Baumaterialien eingearbeitet. In den Verdunstungszonen reichern sich die Salze an und die Salzkristallisationen führen zu den bekannten Mauerwerks- und Putzschädigungen. Jedoch führt nicht nur die Kristallbildung in den Trocknungsbereichen zur Schädigung. Die mauerwerksschädigenden Salze sind oftmals in der Lage Kristallstrukturen mit unterschiedlicher Anzahl von Wassermolekülen in der Elementarzelle auszubilden. Somit können auch Umkristallisationen bei Änderungen der Mauerwerksfeuchte zu kristallisationsbedingten Schäden führen. Eine „Trockenlegung“ feuchte- und salzbelasteter Mauerwerke ist vielfach nicht möglich, nicht erwünscht oder aufgrund von Anforderungen aus dem Denkmalschutz nicht gestattet. 2. Feuchteregulierung mit Funktionsputzen nach WTA Im WTA-Merkblatt 2-14 [01] „Funktionsputze“ ist unter dem Aspekt der Beeinflussung des Wassertransports die „Feuchteregulierung - Wasserabgabe aus dem Mauerwerk ohne Schädigung des Putzes“ als spezielle Funktion enthalten. Anwendungsziel ist hier dauerhaftes Verputzen von stark durchfeuchtetem Mauerwerk. Für diese, nicht hydrophob eingestellten Putze wird eine Kombination aus überwiegend Kapillarporen (0,1 - 100 µm) und Luftporen (> 100 µm) zur Beeinflussung des Wasser- und Salztransportes definiert. Gelöste Salze werden in Richtung Oberfläche transportiert und können in Luftporen oder an der Oberfläche auskristallisieren. Die Gesamtporosität soll 40 - 60 Vol.-% betragen. 286 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 SalzTransportPutz - Stabilität durch die Porenstruktur? 3. Porositätsuntersuchungen 3.1 Feuchteregulierungsputz (2010) In den Ausführungen „Feuchteregulierungsputz: Feuchte- und Salztransport in einem porositätsoptimierten Putzsystem“ [2] wurde mit Hg-Druckporosimetrie der Kapillarporenanteil und die Porenradienverteilung des von uns betrachteten Feuchteregulierungsputzes bestimmt. Die Gesamtporosität wurde aus der Bestimmung von Roh- und Reindichte ermittelt. Der Luftporenanteil (Makroporen > 100 µm) konnte somit aus der Differenz berechnet werden. Diese Eigenschaften wurden so auch an einem Sanierputz ermittelt. Porensystem - Feuchteregulierungsputz (2010): - Kapillarporen < 100µm 27,8 Vol.-% - Gesamtporosität 53,9 Vol.-% - Makroporen > 100 µm berechnet 26,1 Vol.-% Porensystem - Sanierputz (2010): - Kapillarporen < 100µm 45,2 Vol.-% - Gesamtporosität 54,3 Vol.-% - Makroporen > 100 µm berechnet 9,1 Vol.-% Der von uns betrachtete Feuchteregulierungsputz zeichnete sich durch einen relativ hohen Makroporenanteil aus. Wir haben damals bereits geschlussfolgert, dass der Feuchteregulierungsputz nicht nur ein enges Kapillarporensystem besitzt, sondern insgesamt sehr breit gefächerte Porengrößen aufweist. Dadurch wird der kapillare Sog im Wesentlichen unterbunden und die gelösten Salze werden an die Oberfläche transportiert und können kristallisieren. Antworten auf die Fragen „Was passiert bei vollständiger Austrocknung des Putzes? “ und „Zerstören die Kristalle das Putzgefüge im Inneren des Putzes? “ konnten wir nicht geben. 3.2 Feuchteregulierungsputze - optimiert für den Salztransport In Fortführung dieser Untersuchungen haben wir uns speziell auf Feuchteregulierungsputze konzentriert, die augenscheinlich auch bei hohen Salzlasten Stabilität im Putzgefüge aufweisen. Diese Feuchteregulierungsputze werden nachfolgend als SalzTransportPutze (STP) bezeichnet. Für die Porositätsuntersuchungen wurden folgende Proben herangezogen: STP 01 (2016) Probe aus einem 40x40x160 mm Prisma, im Labor hergestellt Bindemittel Zement, Zuschlag Kalkstein-Brechsand- Sieblinie µXCT-Probe ca. 20x20x90 mm STP 02 (2019) Probe aus einer Putzfläche geschnitten - BV Plötzky Putz wurde mit der Hand gemischt und verarbeitet, Putzstärke ca. 3 cm Bindemittel NHL, Zuschlag Kalkstein-Brechsand-Sieblinie µXCT-Probe ca. 15x15x25 mm STP 03 (2018) Probe aus einer Putzfläche geschnitten - BV Pöthen Putz wurde maschinell verarbeitet (G4, Nachmischer, D4-2 LP, 26 m Schlauch - Innendurchmesser 30 mm), Putzstärke ca. 6 cm Bindemittel Zement, Zuschlag Kalkstein-Brechsand- Sieblinie µXCT-Probe ca. 20x20x60 mm STP 04 (2018) Probe aus einer Putzfläche geschnitten - BV Pöthen Putz wurde maschinell verarbeitet (G4, Nachmischer, D4-2 LP, 26 m Schlauch - Innendurchmesser 30 mm), Putzstärke ca. 6,5 cm Bindemittel NHL, Zuschlag Kalkstein-Brechsand-Sieblinie µXCT-Probe ca. 20x20x60 mm Da bisherige Untersuchungen an unseren Feuchteregulierungsputzen zum Porensystem mit Hg-Druckporosimetrie und Bestimmung von Roh- und Reindichte keinen detaillierten Einblick in das Makroporensystem gestatten, haben wir die Mikroröntgencomputertomographie (µXCT) ausgewählt, mit der Poren > 40 µm ortsaufgelöst bestimmt werden können. Dazu wurde ein Industrietomograph mit einer Feinfokusröntgenröhre (Öffnungsdurchmesser 3mm, Wolfram Target) und einem 2D-Detektor benutzt. Bei den länglicheren Proben (STP 03 (2018), STP 04 (2018)) wurden die digitalen Datensätze nach einer Kalibrierung der Grauwertverteilungen miteinander verbunden [3]. Die Messungen erfolgten ortsaufgelöst entlang der Probenlängsachse. (Abb. 1) Abb. 1: ortsaufgelöste Makroporosität (3D) entlang der Probenachse Aus den µXCT-Messungen sind folgende grundsätzlichen Ergebnisse ermittelt worden: - ortsaufgelöste Makroporosität - Porenanzahl (Makroporen) in den Porenklassen (Anlehnung an DIN EN 480-11) 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 287 SalzTransportPutz - Stabilität durch die Porenstruktur? - Sphärizität der Makroporen in den einzelnen Porenklassen - ortsaufgelöste, dreidimensionale Darstellung des Makroporensystems Abb. 2: örtlich aufgelöste Gesamtporosität - STP 01 Die örtliche aufgelöste Makroporosität entlang der Längsachse der Probe STP 01 (Laborprisma 2016) zeigt einen Verlauf mit relativ geringen Abweichungen. Der gemittelte Wert liegt > 23 Vol.-%. (Abb. 2) Die ortsaufgelöste Makroporosität der Proben STP 02 - 04 ist in Abb. 3 dargestellt. Hierfür wurde in Längsrichtung die Makroporosität für jedes einzelne Schnittbild ermittelt und als Liniendiagramm dargestellt. Die Abbildung verdeutlicht, dass sich die Makroporosität im Längsquerschnitt einer Probe im Mittel (Standardabweichung) um max. 2,7 Vol.-% verändert. Abb. 3: ortsaufgelöste Gesamtporosität - STP 02-04 In den nachfolgenden Diagrammen sind Porenanzahl, Porosität in Vol.-% und die Sphärizität der Poren für die einzelnen Porenklassen dargestellt. Die Werte beziehen sich auf ein Volumen von 12x12x25 mm = 3.600 mm 3 . Die Sphärizität, auch Zirkularität genannt, ist eine charakteristische Größe in der Granulometrie zur Beschreibung des Rundungsgrades. Die Größe wird aus dem Verhältnis zwischen spezifischer Oberfläche und dem Volumen berechnet. Die Sphärizität kann maximal den Wert 1, was einer Kugel entspricht, erreichen. Abb. 4a: STP 02 (2018) Abb. 4b: STP 02 (2019) Abb. 5a: STP 03 (2018) 288 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 SalzTransportPutz - Stabilität durch die Porenstruktur? Abb. 5b: STP 03 (2018) Abb. 6a: STP 04 (2018) Abb. 6b: STP 04 (2018) Anhand des Vergleiches zwischen Anzahl an Poren sowie anteiligem Porenvolumen wird deutlich, dass der überwiegende Anteil am Gesamtporenvolumen in einem einzigen großen Porennetzwerk vorliegt. Kleine Poren mit einer Größe von ≥ 40 µm kommen zwar in großer Anzahl vor, tragen aber auf Grund ihres sehr geringen einzelnen Porenvolumens nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtmakroporenvolumen bei. In allen untersuchten Fällen nimmt die größte einzelne Pore über 90 % des Gesamtmakroporenvolumens ein. Die mit steigender Porengröße abnehmende Sphärizität verdeutlicht, dass es sich bei den großen Poren nicht um kuglige Luftporen, sondern um Fehlstellen im Putzgefüge mit einer deutlich größeren spezifischen Oberfläche im Verhältnis zu ihrem Volumen handelt. Es sind jedoch immer noch geschlossene geometrische Körper. Das dreidimensionale Makroporennetzwerk wurde computertomographisch als eine Pore nachgewiesen. Miteinander kommunizierende Röhren sind immer nach einer oder mehreren Seiten offen, ohne Materialbegrenzung. Das Makroporennetzwerk kann auch dreidimensional dargestellt werden (Abb. 7-10). Im jeweils linken Prisma sind die Poren in die Putzmatrix (grau) eingebettet. Im jeweils rechten Prisma wurde die Putzmatrix entfernt. Das dreidimensionale Makroporennetzwerk ist eindeutig erkennbar. Abb. 7: STP 01 (2016) - Laborprisma Abb. 8: STP 02 (2019) 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 289 SalzTransportPutz - Stabilität durch die Porenstruktur? Abb. 9: STP 03 (2018) Abb. 10: STP 04 (2018) 4. Fazit Die Mikroröntgencomputertomographie (µXCT) gestattet einen detaillierten Einblick in die Makroporenverteilung von Putzproben. In den porositätsoptimierten SalzTransportPutzen wurden folgende Makroporengehalten ermittelt: Erfasst wurden Poren mit einem Durchmesser > 41 µm. Je größer die Poren werden, umso mehr verringert sich die Sphärizität. Bis zu einem Durchmesser von ca. 1.000 µm sind die Poren aber stets in sich abgeschlossene geometrische Gebilde. Ihr Anteil an der gesamten Makroporosität liegt immer bei kleiner 10 %. Über 90 % des Gesamtmakroporengehaltes wird durch ein großes Gebilde von miteinander verbundenen Poren, einem dreidimensionalen Netzwerk in der Putzmatrix, ausgebildet. Die Mikroröntgencomputertomographie identifiziert dieses Netzwerk als eine einzige große Pore. Da an keiner Stelle des erfassten Porennetzwerkes eine Porenwandung einen Abschluss bildet, liegt das Makroporennetzwerk praktisch nicht als geschlossener geometrischer Körper vor. Kristallisierende Salze treffen aus diesem Grund bei der Kristallisation auf keinen Widerstand, welcher den Aufbau eines Expansionsdrucks ermöglichen würde. Es gibt immer einen Hohlraum zur störungsfreien Ausbildung ihrer Kristallstruktur. Da sich dies nicht nur auf die Oberfläche der untersuchten Salztransportputze bezieht, sondern auch auf die Putzmatrix im Inneren einer Putzschicht, können die Putze eine besonders hohe Dauerhaftigkeit auch bei hohen Salzlasten generieren. In den Bereichen, in denen eine Trockenlegung der Bauwerke nicht wirtschaftlich oder nicht möglich ist, können Salztransportputze eine echte Alternative darstellen. Die Vorteile eines dreidimensionalen Makroporennetzwerkes liegen auf der Hand. Zum einen kann die Feuchtigkeit effizient und ohne Feuchtigkeitsstau über die Putzoberfläche an die Umgebung abgegeben werden und zum anderen bietet die spezielle Porenstruktur ausreichend Platz um Kristallisationsdruck auf das Putzgefüge zu vermeiden. Dadurch kann auch bei mittel bis hoch salzbelasteten Bauwerken eine Langzeitstabilität erzielt werden, welche eine nachhaltige Instandsetzung dort ermöglicht, wo andere Maßnahmen versagen. Literaturquellen [1] WTA-Merkblatt 2-14 Funktionsputze Ausgabe 07.2019, Frauenhofer IRB Verlag 2019 [2] Jungermann-Last, W. et.al., Feuchteregulierungsputz: Feuchte- und Salztransport in einem porositätsoptimiertem Putzsystem TAE Esslingen, 2. Kolloqium zur Erhaltung von Bauwerken 2011 [3] König, A., Analysis of air voids in cementitious materials using micro X-ray computed tomograohy (µXCT) Construction and Building Materials 244 (2020) 118313