Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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War es dem Turm zu heiß?
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Matthias Jagfeld
In vielen historischen Türmen zeigen sich vertikale Risse deren Ursache oft mit Baugrundsetzungen und allgemeiner Verwitterung sowie dem heterogenen Aufbau des in der Regel mehrschaligen Mauerwerks in Zusammenhang gebracht wird. Auch der Einflüsse von täglich und jahreszeitlich wechselnden Bauwerkstemperaturen, der bei Kirchen oft als Ursache für Risse in den Längswänden vermutet wird, könnten einen Einfluss haben. Eine viel größere Temperatureinwirkung entsteht, wenn die hölzernen Geschossdecken und Dachwerke durch Brände zerstört werden. Dass solche Ereignisse eine mögliche Schadensursache darstellen können, kann mit der Methode der Finten Elemente rechnerisch gezeigt werden.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 291 War es dem Turm zu heiß? Brände als mögliche Ursache für Mauerwerksschäden an einem historischen Turm Prof. Dr.-Ing. Matthias Jagfeld Hochschule Coburg, Studiengang Digitale Denkmaltechnologien, Coburg TFI-Jagfeld, Gröbenzell Zusammenfassung In vielen historischen Türmen zeigen sich vertikale Risse deren Ursache oft mit Baugrundsetzungen und allgemeiner Verwitterung sowie dem heterogenen Aufbau des in der Regel mehrschaligen Mauerwerks in Zusammenhang gebracht wird. Auch der Einflüsse von täglich und jahreszeitlich wechselnden Bauwerkstemperaturen, der bei Kirchen oft als Ursache für Risse in den Längswänden vermutet wird, könnten einen Einfluss haben. Eine viel größere Temperatureinwirkung entsteht, wenn die hölzernen Geschossdecken und Dachwerke durch Brände zerstört werden. Dass solche Ereignisse eine mögliche Schadensursache darstellen können, kann mit der Methode der Finten Elemente rechnerisch gezeigt werden. 1. Einleitung Anlass für die durchgeführten Untersuchungen war die Planung von Instandsetzungsmaßnahmen am „Blauen Turm“ in Bad Wimpfen durch das Büro Kayser + Böttges, Barthel + Maus GmbH aus München. Die umfangreiche Bestands- und Schadensaufnahme ergab, dass auf allen vier Seiten des Turmes vertikale Risse mit Breiten von mehreren Zentimetern Breite vorhanden sind, die schon mehrfach überarbeitet und verfüllt worden waren. Bei mehreren vorangegangenen Sanierungsmaßnahmen wurde bereits erfolglos versucht, durch dem Einbau von Zugankern, Mund Mauerwerkinjektionen ein weiteres Risswachstum zu verhindern. Da weder Schäden an der Gründung vorliegen noch rechnerische Überbeanspruchungen des intakten Mauerwerks bei Eigengewicht und Windbelastungen festzustellen sind, blieb letztendlich neben dem speziellen Aufbau der Mittelschale des dreischaligen Mauerwerks die Lastumlagerungen durch die mehrfachen Umbauten der Turmspitze als mögliche Schadensursache übrig. Temperatureinflüsse aus täglich und jahreszeitlich wechselnden Bauwerkstemperaturen wurden wegen der großen Masse des Mauerwerks als Rissursache zunächst ausgeschlossen. Bekannt ist aber, dass es mehrere Brände gegeben hat, bei dem der Innenausbau des Turmes sowie das Turmdach vollständig zerstört wurden - siehe (Arbeitskreis für Hausforschung, 2020). Der vorliegende Artikel beruht auf einer Studie, die der Autor im Auftrag des Planungsbüros Büro Kayser + Böttges, Barthel + Maus GmbH erstellt hat. Ziel war zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Brandeinwirkung und den vorhandenen massiven vertikalen Rissen geben kann. 292 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 War es dem Turm zu heiß? Fig. 1: „Blauer Turm“ in Bad Wimpfen; Rissaufnahme Piper, 1972 (Institut für örtliche Angelegenheiten, 2020), oberhalb der gestrichelten Linie wurde das Mauerwerk 1848ff erneuert. 2. Bauwerk 2.1 Konstruktion In der hier beschriebenen Untersuchung wurde ein möglicher Schadensmechanismus qualitativ untersucht. Daher genügen einige Eckpunkte zur Beschreibung der Konstruktion: Der Turm ist bis zur Turmspitze ca. 52 m hoch. Der mittelalterliche Turmschaft ist nahezu quadratisch mit Außenmaßen von ca. 10,4 m, seine Oberkante befindet sich in einer Höhe von ca. 24 m über Gelände. Die Mauerdicken betragen auf allen Seiten ca. 2,4 m. Das Mauerwerk ist dreischalig, die Dicken der Innen- und der Außenschalen aus behauenen Kalksteinen beträgt ca. 40 - 60 cm, auf Innenseite wurde bei den Maßnahmen der 1970er Jahre eine Spritzbetonschale ergänzt. Die Mittelschale besteht aus Opus Spicatum, einem Mauerwerk, bei dem flache Steine schrägstehend in Mörtel versetzt werden. Auf dem mittelalterlichen Turmschaft befindet sich ein ca. 6,5 m hohes gemauertes Geschoß mit vier Ecktürmchen darüber das hölzerne Dachwerk. 2.2 Schäden Neben weiteren Schäden weisen alle vier Seiten des Turmes eine Vielzahl kleinerer und größerer vertikaler Risse auf. Auffällig ist, dass die Rissbreiten von unten bis zur mittleren Höhe des mittelalterlichen Schaftes zu- und nach oben wieder abnehmen. 2.3 Brandereignisse Dokumentiert sind drei Brandereignisse: 1674, 1848 und 1984. Aus Berichten von Zeitzeugen ist bekannt, dass der Turm nach dem Brand im Jahr 1848 aufgrund der Hitze im Inneren erst mehrere Wochen später wieder betreten werden konnte. Bei dem folgenden Wideraufbau mussten ca. 3,3 m des mittelalterlichen Mauerwerks abgetragen werden, weil das Mauerwerksgefüge als nicht mehr tragfähig eingeschätzt wurde. 3. Berechnungen 3.1 Zielsetzung Die durchgeführten Berechnungen sollen qualitativ klären, ob ein Zusammenhang zwischen den Rissen und dem Brandereignis bestehen kann. Die Temperaturverhältnisse während des Brandes und die für die Ermittlung der zeitlich veränderlichen Temperaturverteilungen erforderlichen thermodynamischen Materialparameter sind nicht bekannt und können nur mit Hilfe von Literaturangaben grob abgeschätzt werden. Quantitative Aussagen sind daher nicht möglich. Deswegen kann auch auf eine geometrisch exakte Abbildung des Turmes im Rechenmodell verzichtet werden. Für die Berechnungen kann ein einfaches Modell verwendet werden, dass die wichtigsten Maße schematisch abbildet. (CADFEM-WikiPLUS, 2020) 3.2 Modellbildung Die Geometrie des Turmes weist insgesamt 4 Symmetrieebenen auf: jeweils vertikale Flächen durch die gegen- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 293 War es dem Turm zu heiß? überliegenden Seitenmitten des quadratischen Grundrisses und zwei weitere vertikale Ebenen in Richtung der Diagonalen des Grundrisses. Da näherungsweise davon ausgegangen werden kann, dass auch die Temperaturbelastung durch den Brand dieselben Symmetrieebenen besitzt, ist es bei Berücksichtigung entsprechender Symmetriebedingungen ausreichend, ein Achtel des Turmschaftes in einem Rechenmodell abzubilden. Da die Außen- und Innenschale andere Materialeigenschaften aufweist, wird die Mehrschaligkeit im Modell berücksichtigt. Fig. 2: Geometrie des Turmschaftes (schematisch), Ausschnitt Rechenmodell, Maße in [m] 3.3 Materialkennwerte: Mechanische Materialkennwerte: Die außer der Dichte des Mauerwerks und der Druckfestigkeit sind keine mechanischen Materialkennwerte bekannt. Sie werden daher aus Erfahrung abgeschätzt oder Literaturangaben entnommen. Außenbzw. Innenschale: E-Modul Außenschalen: 1500 MN/ m² Dichte: 2800 kg/ m³ Druckfestigkeit vertikal: 7 MN/ m² Zugfestigkeit horizontal: 0,5 MN/ m² Füllmauerwerk: E-Modul Außenschalen: ~500 MN/ m² Dichte: 1800 kg/ m³ Druckfestigkeit vertikal: 2 MN/ m² Zugfestigkeit horizontal: 0,5 MN/ m Thermodynamische Materialkennwerte: Die Thermodynamischen Kennwerte wurden aus Literaturangaben abgeschätzt (TU Dresden. Szilagy, J., 1995): Wärmeleitfähigkeit: K = 0,7 - 1,75 ⇒ K = 0,7 W/ (m*K) Wärmekapazität: C = 700 - 740 ⇒ C = 700 J/ (kg*K) 3.4 Transiente Temperaturfeldberechnung: Die maßgebende Belastung ist bei den hier vorgestellten Untersuchungen die aus dem Brand im Mauerwerk entstehende Temperaturverteilung. Vor der Berechnung von mechanischen Spannungen muss daher eine zeitabhängige Temperaturfeldberechnung erfolgen. Temperaturmessungen zum Brandereignis stehen selbstverständlich nicht zur Verfügung. Es ist aber bekannt, dass die hölzerne Dachkonstruktion und die hölzernen Zwischendecken beim Brand eingestürzt sind. Eine plausible Annahme ist daher, dass das glühende Material sich unten im Turm angesammelt und dort lange hohe Temperaturen erzeugt hat. Über Konvektion und Strahlung wurde dort das Mauerwerk am meisten erhitzt. Das heiße Rauchgas ist nach oben gestiegen, hat über Konvektion die Turminnenseite erwärmt und sich dabei abgekühlt. In der Temperaturfeldberechnung wird das Brandereignis über Temperaturvorgaben für die umgebende Luft beschrieben. Die Wärmeübertragung von Luft auf Mauerwerk erfolgt im Rechenmodell ausschließlich über Konvektion. Übertragung über Strahlung wird nicht berücksichtigt. 294 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 War es dem Turm zu heiß? • Zu Beginn wird dem gesamten Turm eine konstante Temperatur von 20°C vorgegeben. • Auf der Außenseite kann das Mauerwerk Wärme über Konvektion an die umgebende Luft abgeben. Für die Umgebungsluft wird eine Temperatur von 20°C angesetzt. • Innenseitig werden drei Zonen berücksichtigt: Die untersten 5 m, der Bereich zwischen 5 m und 15 m und die obere Turmhälfte. Der Brand wird dadurch angenähert, dass im unteren Bereich für 24 Stunden eine Innenraumtemperatur von 1000°C angesetzt wird, im mittleren Bereich 600°C und in der oberen Turmhälfte 300°C. • Danach findet auf den Innenflächen keine Wärmeübertragung mehr statt (Adiabatische Randbedingungen) Der Wärmeübergangskoeffizient a an der Oberfläche des Turmes zur Außenlauft und zum Innenraum hängt von der Oberflächenbeschaffenheit und der Luftströmung ab. Auch er kann nur näherungsweise mit Literaturwerten beschrieben werden. In nachfolgender Tabelle 1 sind beispielhafte Werte angegeben. Der Wärmeübergangskoeffizient hängt von der Strömungsgeschwindigkeit der umgebenden Luft ab. Je schneller die Luft an der Wand vorbeiströmt, desto größer ist der Wärmeübergang. Während des Brandes war im Turminneren durch die entstehende Thermik eine schnelle Luftbewegung vorhanden. Sie wird mit 20 m/ s (=72 km/ h) abgeschätzt. Vorberechnungen zeigen, dass der Turm sich außenseitig kaum erwärmt, so dass dort kaum Luftbewegungen aus dem Brand selber resultieren. Luftbewegungen entstehen dort durch Wind. Sie werden näherungsweise mit 5 m/ s = 18 km/ h abgeschätzt. Tabelle 1: Wärmeübergangskoeffizienten aus (CADFEM-WikiPLUS, 2020) 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 295 War es dem Turm zu heiß? Innenwände: a = 7,5 * 20 0,78 = 77,6 Þ 80 W/ (m²*K) Außenwände: a = 7,5 * 5 0,78 = 26,3 Þ 30 W/ (m²*K) Fig. 3: Angenommene Konvektionsrandbedingungen für die ersten 24 Stunden des Brandes Di Berechnung wird für einen Zeitraum von 10 Tagen durchgeführt. Weil zu diesem Zeitpunkt das Mauerwerk noch immer nicht vollständig abgekühlt ist, wird ein letzter Lastschritt angehängt, mit dem das Modell wieder auf konstant 20°C gesetzt wird. Die Berechnungen zeigen, dass im Mauerquerschnitt ein starker Temperaturgradient entsteht. Zu Beginn des Brandes heizt sich die Innenwandung fast auf die angesetzte Innentemperatur auf. Nachdem innenseitig die Temperaturlast entfernt wurde fällt die Temperaturkurve wieder stark ab. Die Wärme breitet sich nach außen im Turmmauerwerk aus und der Temperaturgradient wird kleiner. Außenseitig ändern sich die Temperaturen kaum. Dass auf der Innenseite auch nach 20 Tagen noch eine Temperatur von ca. 200°C errechnet wird, stimmt qualitativ mit der historischen Aussage überein, dass der Turm auch zwei Wochen nach dem Brand aufgrund der Hitze nicht betreten werden konnte. Ein Wärmeabfluss kann bei den berücksichtigten Randbedingungen nur an der Außenseite stattfinden. Dort ergibt sich mit den hier angenommenen Materialdaten im untersuchten Zeitraum nur eine sehr geringe Temperaturerhöhung, so dass die eingebrachte Wärme im Rechenmodell noch nahezu vollständig im Mauerwerk gespeichert ist. Fig. 4: Errechneter Temperaturverlauf [°C] am in 5 m Höhe an verschiedenen Punkten des Mauerquerschnitts über die Zeit [Tage] 3.5 Mechanische Berechnung Für die mechanische Untersuchung wird dasselbe Elementnetz verwendet. Das Mauerwerk wird an der Unterseite in allen Richtungen unverschieblich gelagert. An den Symmetrieebenen werden die entsprechenden Randbedingungen angebracht. Die Berechnung erfolgt mit einem Materialmodell, das die Rissbildung im Mauerwerk berücksichtigen kann (Jagfeld, 2000). Bei dem auf der Mehrflächenplastizität beruhenden Materialmodell werden Risse durch plastische Dehnungen wiedergegeben. In einem ersten Lastschritt wird das Eigengewicht aufgebracht. Die Referenztemperatur, bei der keine Temperaturdehnungen entstehen, wird mit der Anfangstemperatur von 20°C gleichgesetzt. Anschließend werden der Reihenfolge nach die zuvor errechneten Temperaturverteilungen als Belastungen aufgebracht. Zum Ende der Berechnung wird das gesamte Modell wieder auf die Anfangstemperatur von 20°C gesetzt. Die statischen Berechnungen der einzelnen Belastungen bauen aufeinander auf. Sie sind nichtlinear und erfordern daher ein iteratives Lösungsverfahren. 4. Berechnungsergebnisse In den nachfolgenden Abbildungen Fig. 5- Fig. 8 sind die Verformungen 200-fach überhöht dargestellt. Um die Vergleichbarkeit der bbildungen herzustellen, werden im die selben Farbskalen verwendet. Zur besseren Anschulichkeit wird das 1/ 8-Modell auf den halben Turmquerschnitt erweitert. Vor dem Brandereignis entstehen durch das Eigengewicht des Mauerwerks Vertikalspannungen, die deutlich unterhalb der Mauerwerksfestigkeit liegen. In Außenbzw. Innenschale werden Werte von -2,2 MN/ m² errech- 296 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 War es dem Turm zu heiß? net, in der Mittelschale sind die Werte kleiner als -0,5 MN/ m² siehe Fig. 5. Die Größe der Druckspannungen ist in der Innen- und der Außenschale ungefähr gleich. Im unteren Bereich - beim ersten Querschnittssprung - sind geringe Verformungen nach außen erkennbar. Risse werden nicht errechnet. Daher wird auf die entsprechenden Abbildungen verzichtet. Fig. 5: Vertikalspannungen [MN/ m²] bei Eigengewicht, vor Brandbeginn Ein Tag nach Brandbeginn herrschen auf den Innenflächen des Turmes ungefähr die im Innenraum vorgegebenen Lufttemperaturen - siehe Fig. 6. Die Erwärmung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Innenschale des Mauerwerks. Diese dehnt sich vertikal und horizontal aus. Einerseits führt das dazu, dass die Mittel- und Außenschale horizontal mitgezogen werden und dort vertikale Risse entstehen und andererseits wird die vertikale Druckfestigkeit der Innenschale überschritten, so dass dort plastische Stauchungen entstehen. Die Verformungsfigur zeigt Ausbauchungen nach außen im unteren Turmbereich und eine „vasenförmige“ Ausweitung des oberen Schaftendes. 14 Tage nach Brandbeginn hat sich die eingetragene Wärme im Mauerwerk verteilt. Es ergibt sich eine deutlich gleichmäßigere Temperaturverteilung im Mauerwerk - siehe Fig. 7. Die Innenschale ist wieder deutlich abgekühlt, dafür ist die Mittelschale nun wärmer geworden. Die Vertikalspannungen in der Innenschale sind wieder deutlich kleiner geworden bleiben aber trotzdem größer als die Spannungen in der Außenschale. Dadurch, dass jetzt auch die Mittelschale erwärmt ist und sich horizontal ausdehnt, werden die vertikalen Risse in der Außenschale größer. Fig. 6: Ergebnisse 1 Tag nach Brandbeginn 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 297 War es dem Turm zu heiß? Fig. 7: Ergebnisse 14 Tage nach Brandbeginn Am oberen Schaftende des Turmes entstehen in Seitenmitte ebenfalls vertikale Risse. Die Ausbauchungen im unteren und mittleren Bereich nehmen ebenso zu wie „vasenförmige“ Aufweitung des oberen Randes. Fig. 8: Ergebnisse nach vollständiger Abkühlung 298 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 War es dem Turm zu heiß? Auch nach der vollständigen Abkühlung des Turmes verbleiben die Verformungen mit annähernd gleicher Größenordnung - siehe Fig. 8. Durch die Abkühlung zieht sich die Innenschale vertikal zusammen. Die plastischen Stauchungen bleiben jedoch vorhanden, so dass sie sich ihrer Belastung teilweise entzieht. Ein Teil ihrer ursprünglichen Last wird durch Schubverbund auf die Mittel- und Außenschale übertragen. Die Außenschale ist nun deutlich stärker belastet. Die vertikalen Risse auf der Außenseite verbleiben, zusätzlich ist eine Vielzahl vertikaler Risse auf der Innenseite entstanden. Unterhalb der „vasenförmigen“ Aufweitung werden innenseitig horizontale Risse errechnet. 5. Übertragung der Ergebnisse auf den Bergfried der Burgruine Forstenberg Die Ruine des Bergfrieds von Burg Forstenberg weist auf drei der vier erhaltenen Außenwänden des fünfeckigen Grundrisses jeweils einen breiten vertikale Risse auf. Die Risse beginnen in Höhe des zweiten Turmgeschosses, nehmen nach oben in der Breite zu und laufen am oberen Turmende in einem großen Mauerwerksbereich mit stark aufgelockertem Gefüge aus. Das Rissbild weist ausgenscheinlich eine große Ähnlichkeit mit den oben errechneten Rissbild auf. Auffällig ist auch die qualitative Ähnlichkeit der „vasenförmigen“ Aufweitung am oberen Ende des Schaftes - siehe Fig. 8. Die geschilderten Ähnlichkeiten legen die Vermutung nahe, dass der Berfried der spätestens im 17. Jhrdt. (Wikipedia, 2020) aufgegebenen Burg ausgebrannt ist. Fig. 9: Bergfried der Burgruine Forstenberg bei Regenstauf 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 299 War es dem Turm zu heiß? Fig. 10: Grundriss und Verlauf der Außenkanten der Turmwände 6. Bewertung Die hier vorgestellten Berechungen beruhen auf einer Vielzahl von Annahmen zu Materialdaten und Randbedinungen. Sie erheben keinen Anspruch auf eine quantitative Genauigkeit. Sie zeigen jedoch qualitativ, dass ein Brand im Turminneren eine mögliche Ursache für die vertikalen Rissen auf der Außenseite des „Blauen Turmes“ ind Bad Wimpfen ist. Weiter kann spekuliert werden, ob die deutliche Zerüttung des Mauergefüges durch viele vertikale Risse auf der Turminnenseite zum Einbau der Spritzbetonschale in den 1970er Jahren geführt hat. Auch könnte die „vasenförmige“ Aufweitung des oberen Endes mit den einhergehenden flächig in Seitemitte verteilten vertikalen Rissen und den innenseitigen horizontalen Rissen zum Abtrag und Wiederaufbau der oberen 3,3 m des Turmes nach dem Brand von 1852 geführt haben. Um Instandsetzungsmaßen zielgerichtet planen zu können, müssen die Ursachen vorhandener Schäden so genau wie möglich verstanden sein. Beim Blauen Turm in Bad Wimpfen konnten die vorgestellten Berechnungen dazu beitragen. Der Vergleich der Berechnungsergebnisse mit dem Schadensbild des Bergfriedes in Forstenberg zeigt ebenfalls eine große Ähnlichkeit. Auch bei diesem Turm kann ein Branderegnis zu den vorhandenen Schäden geführt haben. Die Erkenntnis, dass die Schäden am Bergfried der Ruine Forstenberg vermutlich auf ein einmaliges Brandereignis zurückgeführt werden können und nicht durch regelmäßig wiederkehrende Lasten hervorgerufen werden, war für den Entwurf und die Dimensionierung der Instandsetzungsmaßnahmen von großer Bedeutng. Die vorgesehenen Zuganker konnten für geringe Lasten konstruktiv bemessen werden. Die Eingriffe in den noch vorhandenen Bestand konnten so minimiert werden. Literaturverzeichnis [1] Arbeitskreis für Hausforschung, R.-W. (16. 11 2020). Datenbank Bauforschung/ Restaurierung. Von ttps: / / www.bauforschung-bw.de/ objekt/ id/ 127710667418/ blauer-turm-in-74206-bad-wimp fen/ abgerufen [2] CADFEM-WikiPLUS. (19. 11 2020). Von http: / / www.cae-wiki.info/ wikiplus/ images/ 5/ 57/ Konvek tion-2.jpg abgerufen [3] Institut für örtliche Angelegenheiten. (16. 11 2020). Institut für örtliche Angelegenheiten. Von https: / / cms.gtas-braunschweig.de/ uploads/ images/ Collec ting/ Pieper_Wimpfen_1972_Foto.jpg abgerufen [4] Jagfeld, M. (2000). Tragverhalten und Berechnung gemauerter Gewölbe bei großen Auflagerverschiebungen - Untersuchungen mit der Finite-Elemente- Methode. Aachen: Shaker. [5] TU Dresden. Szilagy, J. (1995). Leitgesteine für dei Denkmalpflege, Untersuchung petrophysikalischer Eigenschaften an Leitgesteinen für die Denkmalpflege. Dresden. [6] Wikipedia. (26. 11 2020). Wikipedia. Von https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Burg_Forstenberg abgerufen