Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen
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Iris Hindersmann
Peter Haardt
Der Einsatz von Monitoring an Bundesfernstraßen findet aktuell nur statt, wenn ein konkreter Schaden bzw. ein Defizit beurteilt oder überwacht werden soll. Monitoring bietet aber auch die Möglichkeit sicherzustellen, dass vorhandene Brücken bis zu Sanierung oder Neubau weiter genutzt werden können. Um Monitoring in eine breitere Anwendung zu bringen, wurden im Rahmen der Ressortforschung an der BASt zwei Forschungsvorhaben durchgeführt, mit dem Ziel einer Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen von Monitoringmaßnahmen. Die Quantifizierung der Zuverlässigkeit erfolgt über ein Verfahren, welches die Abschätzung der Versagenswahrscheinlichkeit einer Monitoringmaßnahme bei einer Schwellwertüberwachung ermöglicht. Hierbei werden zwei Aspekte zur Bestimmung des Zugewinns an Zuverlässigkeit betrachtet, erstens die Wahrscheinlichkeit, dass das Monitoring einen gravierenden Schaden nicht erkennt und
zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass der zeitliche Aspekt zwischen der Erkennung des Schadens und Umsetzung einer entsprechenden Maßnahme zu kurz ist. Die Quantifizierung des Nutzens einer Monitoringmaßnahme erfolgt durch die Gegenüberstellung der Kosten und des Nutzens. Einbezogen werden hierbei die Kosten für Unterhaltung und Instandsetzung, Installation und Betrieb des Monitoringsystems, ein mögliches Brückenversagen und die volkswirtschaftlichen Kosten. Die volkswirtschaftlichen bzw. indirekten Kosten entstehen durch Verkehrseinschränkungen und werden durch die Parameter Betriebskosten, Reisezeiten, Verkehrssicherheit (Unfälle), Lärm und Luftverschmutzung abgebildet.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 331 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen Iris Hindersmann Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Germany Peter Haardt Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Germany Zusammenfassung Der Einsatz von Monitoring an Bundesfernstraßen findet aktuell nur statt, wenn ein konkreter Schaden bzw. ein Defizit beurteilt oder überwacht werden soll. Monitoring bietet aber auch die Möglichkeit sicherzustellen, dass vorhandene Brücken bis zu Sanierung oder Neubau weiter genutzt werden können. Um Monitoring in eine breitere Anwendung zu bringen, wurden im Rahmen der Ressortforschung an der BASt zwei Forschungsvorhaben durchgeführt, mit dem Ziel einer Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen von Monitoringmaßnahmen. Die Quantifizierung der Zuverlässigkeit erfolgt über ein Verfahren, welches die Abschätzung der Versagenswahrscheinlichkeit einer Monitoringmaßnahme bei einer Schwellwertüberwachung ermöglicht. Hierbei werden zwei Aspekte zur Bestimmung des Zugewinns an Zuverlässigkeit betrachtet, erstens die Wahrscheinlichkeit, dass das Monitoring einen gravierenden Schaden nicht erkennt und zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass der zeitliche Aspekt zwischen der Erkennung des Schadens und Umsetzung einer entsprechenden Maßnahme zu kurz ist. Die Quantifizierung des Nutzens einer Monitoringmaßnahme erfolgt durch die Gegenüberstellung der Kosten und des Nutzens. Einbezogen werden hierbei die Kosten für Unterhaltung und Instandsetzung, Installation und Betrieb des Monitoringsystems, ein mögliches Brückenversagen und die volkswirtschaftlichen Kosten. Die volkswirtschaftlichen bzw. indirekten Kosten entstehen durch Verkehrseinschränkungen und werden durch die Parameter Betriebskosten, Reisezeiten, Verkehrssicherheit (Unfälle), Lärm und Luftverschmutzung abgebildet. 1. Einleitung Die Bundesfernstraßen umfassen ein Netz von etwa 39.500 Brücken [1]. Ein großer Teil dieser Brücken muss instandgesetzt, ertüchtigt oder erneuert werden. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Der Verkehr auf Bundesfernstraßen ist in den letzten Jahren stark angestiegen und der Güterverkehr hat dabei überproportional an Menge und Gesamtgewicht zugelegt. Die Tragreserven der Brücken sind dadurch teilweise aufgebraucht, da faktisch eine Nutzungsänderung für die Brücken stattgefunden hat. Der Großteil der Brückenbauwerke in Westdeutschland wurde in den 1960er bis 1980er Jahren gebaut. Bedingt durch hohe Materialpreise und geringe Lohnkosten wurde der Materialeinsatz optimiert, dadurch gibt es heute beispielsweise Probleme mit zu geringer Schubbewehrung bei relevanten Hauptbauteilen von Massivbrücken. Als zusätzliches Problem kommt die Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Brücken hinzu, die auf einen Rückstau der Erhaltungsmaßnahmen schließen lässt [1; 2]. Da eine Ertüchtigung und/ oder Ersatz aller betroffenen Bauwerke kurzfristig nicht möglich sein wird, ist es notwendig, Konzepte und Verfahren zu entwickeln, um die vorhandenen Brücken bis zur Sanierung oder dem Neubau sicher weiter zu nutzen. Monitoring kann zur Sicherstellung der Verfügbarkeit nutzbringend eingesetzt werden, in dem Sicherheitsreserven erkannt, Prognosen des zukünftigen Verhaltens ermöglicht und so das Erhaltungsmanagement optimiert werden kann. Bislang unbekannt ist die Quantifizierung der Zuverlässigkeit des vorhandenen Brückenbauwerks als Ergebnis des Einsatzes von Monitoring sowie die Bewertung des tatsächlichen Nutzens. Zur Entwicklung von Verfahren mit dem Ziel einer Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen wurden im Rahmen der Ressortforschung der BASt zwei Forschungsvorhaben durchgeführt, die im Folgenden beschrieben werden. 2. Monitoring - Definition und Einsatz in der Praxis Eine einheitliche Definition der Begriffe „Überwachung“ und „Monitoring“ liegt nicht vor, in diesem Artikel wird den Definitionen des Merkblatts „Monitoring: Planung, Vergabe und Betrieb“ des Deutschen Beton- und Bautechnik Vereins gefolgt [3]. Monitoring beschreibt da- 332 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen rin den Gesamtprozess zur Erfassung, Analyse und Bewertung von Bauwerksreaktionen und/ oder der einwirkenden Größen mittels eines Messsystems über einen repräsentativen Zeitraum (zeitliche Entwicklung der Messgröße; kontinuierliche, periodische oder ereignisbasierte Messung, global lokal). Zu unterscheiden sind hierbei Kurzzeitmonitoring (Datenerfassung über Minuten bis Tage, z.B. während einer Probebelastung), Langzeitmonitoring (Datenerfassung über Wochen bis Jahre, z.B. zur Schadensüberwachung) und Dauermonitoring (permanente Datenerfassung ohne geplantes Ende, z.B. für kathodischen Korrosionsschutz) [3]. Bislang kommt bei den Brücken im Bundesfernstraßennetz Monitoring einerseits zur Anwendung, wenn eine Brücke geschädigt ist und das Ausmaß der Schädigung beurteilt werden soll. Andererseits wird mit dem Einsatz von unterschiedlichen Messtechniken ein vorhandener Schaden überwacht, damit die Funktionsfähigkeit der Brücke weiter gewährleistet werden kann. Ein Beispiel für diese Aufgabenstellung ist die Überwachung der Koppelfugen der Autobahnbrücke Duisburg-Beeck (A42). Es handelt sich um eine Spannbetonbrücke, die in drei Bauabschnitten je Richtung gebaut wurde. Nach der Fertigstellung der einzelnen Bauabschnitte wurde an den Arbeitsfugen die Vorspannung über Spanngliedkopplungen übertragen. Infolge von erhöhten Spannungen in diesen Kopplungsfugen, z.B. durch Temperaturgradienten, kann es zu Rissen kommen. Ermüdungsrelevante Rissbewegungen in Abhängigkeit von Temperaturveränderungen und Verkehrsbelastungen können durch das Anbringen von Wegaufnehmern und Temperatursensoren beobachtet werden. Sofern die zulässigen Spannungsschwingbreiten eingehalten werden und die Schädigungssumme unterhalb eines kritischen Wertes liegt, kann die Brücke weiter betrieben werden [4; 5]. Eine aktuelle Abfrage des BMVI bei den Bundesländern zum Einsatz von Monitoring-Systemen hat gezeigt, dass der Einsatz von Monitoring derzeit auf vorhandene Schäden und Defizite beschränkt ist. Mit dem Einsatz des Monitorings werden v.a. die Verlängerung der Restlebensdauer und der Weiterbetrieb der Brücke angestrebt. Grund für die noch geringe Verbreitung des Einsatzes von Monitoring sind häufig fehlendes Wissen in Bezug auf den Einsatz und den Nutzen von Monitoring, fehlende Regelwerke und Standardisierung und die Tatsache, dass der Nutzen des Monitorings finanziell nicht abgeschätzt werden kann. Der Einsatz von Monitoring kann aber insbesondere bei Entscheidungen über Erhaltungsmaßnahmen positive Auswirkungen haben. Aktuell werden Entscheidungen zu Erhaltungsmaßnahmen auf Grundlage objektbezogener Informationen aus der Bauwerksprüfung nach DIN 1076: 1999 [6] und eventueller Sonderprüfungen (nach OSA) getroffen [7]. Der Einsatz von Monitoring kann helfen weitere relevante Informationen zum Bauwerk zu gewinnen. Der verstärkte Einsatz von Monitoring bringt einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen durch die verbesserte Gewährleistung der Verfügbarkeit sowie einer Kostenersparnis in Verbindung mit der besseren Ausnutzung der vorhandenen Brücken und ihrem späteren Ersatzneubau. 3. Quantifizierung der Zuverlässigkeit In der Nachrechnungsrichtlinie des BMVI ist der Einsatz von Monitoring als Kompensationsmaßnahme aufgeführt. Der Einsatz dieser Kompensationsmaßnahme in der Praxis ist aber selten, da der Sicherheitsgewinn, welcher durch den Einsatz von Monitoring entsteht, nicht quantifizierbar ist [8]. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens der BASt [9] wurde ein Verfahren für Überwachungsaufgaben entwickelt. Das Verfahren ermöglicht die Abschätzung der Versagenswahrscheinlichkeit einer Monitoringmaßnahme mit einer Schwellwertüberwachung. Ausgehend von der Überlegung, dass zwischen zwei Bauwerksprüfungen (in der Regel im Abstand von 6 Jahren) die Gefahr besteht, dass sich ein Schaden neu entwickelt bzw. ein Schadensverlauf gravierender ist, als erwartet, steht im Resultat eine erhöhte Versagenswahrscheinlichkeit des Bauwerks. Der Einsatz von Monitoring ist eine Möglichkeit zur Reduzierung des Risikos, dies entspricht einer Verknüpfung von Versagenswahrscheinlichkeit und Auswirkungen. Durch den Einsatz von Monitoring sind Informationen zum Zustand des Bauwerks in deutlich kürzeren Abständen verfügbar. Mit der Schadenserkennung ist die Einleitung von entsprechenden Maßnahmen, wie beispielsweise Verringerung der Verkehrslast durch Reduzierung der Fahrspuren, verbunden. Dieser Mechanismus ergibt einen Zugewinn an Zuverlässigkeit und dieser wird im Rahmen des Projekts quantifiziert [9]. Zwei Aspekte sind bei der Bestimmung des Zugewinns an Zuverlässigkeit relevant, erstens die Wahrscheinlichkeit, dass das Monitoring einen gravierenden Schaden nicht erkennt und zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass der zeitliche Aspekt zwischen der Erkennung des Schadens und Umsetzung einer entsprechenden Maßnahme zu kurz ist. Diese beiden Aspekte werden in den Phasen „Schadenserkennung“ und „Reaktion“ ermittelt [9]. In der „Schadenserkennungsphase“ wird die Wahrscheinlichkeit quantifiziert, dass trotz Datenerhebung und auswertung ein gravierender Schaden nicht erkannt wird und das Tragwerk versagt. Das Vorgehen wird hier beispielhaft für eine Schwellwertüberwachung der Verkehrslasten erläutert. In Abbildung 1 ist der Zusammenhang zwischen der Verkehrsbelastung Q und einem Indikator X (z.B. Durchbiegung) dargestellt [9]. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 333 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen Abbildung 1: Schema der Beziehung zwischen dem Indikator X und der Verkehrslast Q [9] Der Wert X lim bezeichnet einen Schwellwert, der eine Maßnahme auslöst und Q Xlim ist die zugehörige Verkehrslast. Der Wert X Qmax stellt die Erreichung des Grenzzustands und der Wert Qmax die entsprechende Verkehrslast dar. Bei der Überschreitung des Grenzwertes (X Qmax ) kommt es zum Tragwerksversagen. Der Schwellwert (X lim ) muss so gewählt werden, dass die Überschreitung des Grenzwertes X Qmax und damit ein Tragwerksversagen vermieden wird, d.h. es sollten vorher Warnmeldungen ausgelöst und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Die Überschreitung der Verkehrslast (Q Xlim ), welche mit einer Maßnahme verbunden ist, wird durch die Überschreitung des Schwellwerts (X lim ) angezeigt. Dieser Wert (X lim ) kann aus der Verteilung der Verkehrslasten in einem bestimmten Zeitraum (z.B. Stunden) über eine Auswertung der Extremwerte ermittelt werden [9]. In der „Reaktionsphase“ wird der zeitliche Aspekt berücksichtigt, dass aufgrund des kurzen zeitlichen Abstandes zwischen der Schwellwertüberschreitung und dem Tragwerksversagen eine risikoreduzierende Maßnahme nicht umgesetzt werden kann. Die Reaktionsphase setzt sich zusammen aus den Aspekten Messdauer, verlängerte Messdauer aufgrund von Ausfällen, der Dauer der Datenverarbeitung und der Dauer der Maßnahmenumsetzung. Im Projekt wurde die verlängerte Messdauer aufgrund von Ausfällen über eine Befragung von Herstellern und Nutzern von Sensoren erfasst [9]. Abbildung 2: Hochstraße Gifhorn [10] Das Verfahren wurde am Fallbeispiel der Plattenbalkenbrücke „Hochstraße Gifhorn“ im Zuge der Bundesstraße B4 getestet. Die Brücke wurde in einem vorherigen Projekt mit einem Monitoring zur Schwellwertüberwachung der Defizite Schub und Biegung in Längsrichtung ausgestattet [9; 10]. Um den Zusammenhang zwischen den messbaren Indikatoren und der Tragfähigkeit herzustellen, wurden die Versagensmechanismen Biegeversagen und Schubversagen anhand von nichtlinearen FE-Modellen simuliert. Die temperaturkompensierten Durchbiegungs- und Dehnungsmesswerte konnten dann genutzt werden, um die Versagenswahrscheinlichkeit in der Schadenserkennungs- und Reaktionsphase zu bestimmen. Im Ergebnis brachte die Monitoringmaßnahme einen Zuverlässigkeitsgewinn, welcher auf den Zugewinn bei der Überwachung des Grenzzustands der Schubtragfähigkeit zurückzuführen ist [9; 10]. Das entwickelte Verfahren liefert konzeptionelle und berechnungstechnische Grundlagen, um den Sicherheitsgewinn durch den Einsatz von Monitoring zu quantifizieren. Vor einem breiten Einsatz in der Praxis sind jedoch noch Fragen zu klären. Diese betreffen z. B. eine mögliche Vereinfachung des Verfahrens und die Ausweitung der Quantifizierung der Zuverlässigkeit auf Monitoring ohne Schwellwertüberwachung. Weiterhin ist aufgrund der komplexen Berechnungsmethodik die Entwicklung eines Softwaretools erforderlich. 4. Nutzen von Monitoring Der Einsatz von Monitoring ist immer mit der Entstehung von Kosten verbunden. Da Monitoring keine Standardleistung im Ingenieurbau ist, muss nach der Bundeshaushaltsordnung die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme dargelegt werden. Mit dem Einsatz eines Monitorings ist ein Informationsgewinn verbunden, dieser Informationsgewinn ist aber nicht kostenlos. Eine Methode zur Abschätzung der Kosten des Informationsgewinns liegt aktuell nicht vor. Mit der Richtlinie zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Rahmen von Instandsetzungs-/ Erneuerungsmaßnahmen bei Straßenbrücken (RI-WI-BRÜ), den Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen (EWS) und dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP 2030) liegen Methoden vor, mit denen eine Abschätzung des Nutzens von Maßnahmen möglich ist [11-13]. Das Verfahren nach RI-WI-BRÜ erfolgt auf Basis der Kapitalwertmethode, hierbei werden die aktuell zu tätigen Investitionskosten ins Verhältnis zu dem Kapital gesetzt, das jetzt eingesetzt werden müsste, um die Investition später zu tätigen. Also das Verhältnis von Ersatzneubau jetzt zu Instandhaltung jetzt und Ersatzneubau später [3; 11]. Die Nutzen-Kosten-Analyse stellt die Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegenüber, diese Methode findet u. a. in der Bundesverkehrswegeplanung und auch in der Empfehlung für Wirtschaftlichkeitsuntersuchun- 334 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen gen an Straßen Anwendung. [12; 13]. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach der EWS hat entweder das Ziel einen Variantenvergleich alternativer Ausführungen eines Projekts bezüglich seiner Wirtschaftlichkeit zu betrachten und/ oder eine Dringlichkeitsreihung von Straßenbaumaßnahmen durchzuführen. In der EWS werden Investitionskosten und laufende Kosten, wie Unterhalt, Verkehrssicherung und Verkehrslenkung einbezogen und dem Nutzen aus Veränderung der Betriebskosten, Fahrzeiten, Unfallgeschehen, Lärmbelästigung, Schadstoffbelastung, Klimabelastung, Trennwirkung und Flächenverfügbarkeit in bebauten Gebieten gegenübergestellt [12]. Im Rahmen eines weiteren Forschungsvorhabens der BASt [5] wurde eine Methode zur Abschätzung von Kosten und Nutzen einer Monitoringmaßnahme entwickelt. Diese Methode ermöglicht es, den monetären Nutzen einer Monitoringmaßnahme darzulegen, bevor das Monitoring installiert ist. Bei diesem Vorgehen sollen nicht nur die Kosten betrachtet werden, die dem Auftraggeber entstehen, sondern auch die Kosten, die für die Allgemeinheit anfallen, also die indirekten oder volkswirtschaftlichen Kosten. Diese Kosten entstehen beispielsweise bei der Sperrung einer Brücke, wenn Umwege gefahren werden müssen. Aus diesen Umfahrungen resultieren längere Reisezeiten, höhere Betriebskosten, beispielsweise durch höheren Spritverbrauch und einen höheren Ausstoß an Luftschadstoffen. Für die Kosten- Nutzen-Abschätzung einer Monitoringmaßnahme greift die Methode auf das „Value-of-Information-Konzept“ zurück, welches auf der Bayes’schen Entscheidungstheorie aufbaut [5]. Um den monetären Nutzen einer Monitoringmaßnahme darlegen zu können, wird eine Abschätzung der Kosten und des Nutzens durch die Gegenüberstellung von Betrieb mit Monitoring und Betrieb ohne Monitoring durchgeführt. Hierbei werden die Kosten, welche durch Installation und Betrieb der Monitoringanlage, Versagenskosten der Brücke, Kosten für Unterhalt und Instandsetzung und volkswirtschaftliche Kosten, abgebildet durch die Parameter Betriebskosten, Reisezeiten, Verkehrssicherheit (Unfälle), Lärm und Luftverschmutzung einbezogen [5]. Abbildung 3: Darstellung des Konzepts zur Abschätzung des Nutzens von Monitoringmaßnahmen [5] Abbildung 3 zeigt schematisch das Konzept für den Fall Betrieb mit Monitoring und Betrieb ohne Monitoring. Für den Fall, dass kein Monitoring eingesetzt wird, ergibt sich aus der Zustandserfassung nach der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 [6] eine Unterhaltsentscheidung, aus der Kosten abgeleitet werden. Weiterhin werden indirekte Kosten, die sich aus den Verkehrsbeschränkungen, beispielsweise Geschwindigkeitsbeschränkungen oder eine Fahrbahnstreifenreduktion, einbezogen. Diese Kosten werden dann durch die Parameter Betriebskosten, Reisezeiten, Verkehrssicherheit (Unfälle), Lärm und Luftverschmutzung beschrieben. Verkehrseinschränkungen werden im Projekt für die betrachteten Beispiele mit dem Programm PTV Visum berechnet [5]. Für den Fall, dass Monitoring eingesetzt wird, ist die Ermittlung der Kosten komplexer. Die Zustandsentwicklung wird im diesem Fall durch ein Indikatormodell beschrieben. Aufgrund der Kenntnisse zum Zustand der Brücke wird eine physikalische Größe (Schadensindikator) gewählt, dessen Überwachung Informationen zum Zustand liefert. Unterschiedliche Zustände des Bauwerks werden in sog. Schwellwertgruppen beschrieben. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 335 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen Die Schwellwertgruppen ergeben sich aus der zeitlichen Entwicklung des Schadensindikators (Unsicherheiten in der Monitoringmessung und in der Aussagekraft des Schadenindikators zum Zustand werden berücksichtigt). Abbildung 4 zeigt, wie sich der Zustand des Bauwerks im betrachteten Beispiel durch die Veränderung des Monitoringergebnisses in Bezug auf den Schadensindikator von unkritisch zu kritisch verändert [5]. Abbildung 4: Schematische Darstellung des Schwellwertmonitorings und der Schwellwertgruppen [5] Die Kosten für den Fall mit Monitoring ergeben sich dann aus den Aspekten [5]: • Kosten für Installation und Betrieb des Monitoringsystems. • Kosten für ein mögliches Versagen des Brückenbauwerks. • Kosten für die entsprechende Unterhaltungsstrategie. • Kosten für die Verkehrsbeschränkung. Die Kosten für den Betrieb mit Monitoring werden dann mit den Kosten für den Betrieb ohne Monitoring verglichen und der Nutzen als Differenzgröße abgeleitet. Im Folgenden wird das Vorgehen am Beispiel der Brücke Duisburg-Beeck im Zuge der A 42 (Abbildung 5) erläutert. Abbildung 5: Brücke an der A42 in Duisburg-Beeck [14] Es handelt sich um eine Hohlkastenbrücke aus dem Jahr 1980. Die Brücke wurde in 3 Bauabschnitten mit vollgestoßenen Spanngliedern gebaut. Die Nachrechnung der Brücke und die Bauwerksprüfung ergab eine Überschreitung der zugelassenen Rissweiten im Bereich der Koppelfugen. Das Ergebnis vorläufiger Analysen ist, dass es für die Brücke zwei Alternativen gibt [5]: • Ersatzneubau (Sperrung für Sondertransporte während der Planungszeit, Sperrung von jeweils einem Teilbauwerke für den Neubau, Dauer von 48 Monate). • Verstärkung und Einsatz eines Monitorings (Verstärkung beider Teilbauwerk, Instandsetzung von jeweils einem Teilbauwerk und Monitoring mit Auswertung, Dauer 26 Monate). Um die Kosten für den Betrieb mit und ohne Monitoring berechnen zu können, ist es notwendig die unterschiedlichen Verkehrsszenarien für die Brücke je nach Alternative darzulegen. Aus den o.g. Entscheidungsalternativen ergeben sich die folgenden Szenarien [5]: • 1: keine Einschränkung. • 2: Sperrung für Sonderschwertransporte. • 3: Sperrung des südlichen Teils der Brücke aufgrund der Verstärkung bzw. Neubau, Sperrung für Sonderschwertransporte. • 4: Sperrung des nördlichen Teils der Brücke aufgrund der Verstärkung bzw. Neubau, Sperrung für Sonderschwertransporte. • 5: Sperrung des südlichen Teils der Brücke, nördlicher Teil Brückenklasse 60. Das erste Szenario beschreibt den Basisfall ohne Sperrung vor der Entscheidung. Die Szenarien zwei bis fünf beschreiben den Verkehr in den unterschiedlichen Entscheidungsalternativen bis zu dem Zeitpunkte, an dem eine Entscheidung für eine der beiden Alternativen getroffen wurde. Für alle Verkehrsszenarien werden die Kosten für die Parameter Reisezeiten, Betriebskosten, Verkehrssicherheit (Unfälle), Luftverschmutzung und Lärm berechnet. Abbildung 6 zeigt die Kostenveränderungen im Vergleich zum Basisfall. Abbildung 6: tägliche Veränderung der Kosten im Vergleich zum Basisfall, eigene Darstellung nach [5]. 336 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen Neben den Kosten, die sich aus den Verkehrsbeschränkung ergeben haben, sind die folgenden Kosten in die Berechnung des Beispiels einbezogen worden: • Kosten für die Unterhaltungsstrategie (hier Kosten für Verstärkung oder Neubau). • Versagenskosten. • Kosten für das Monitoring (Installation und Betrieb). Die Gegenüberstellung der Kosten von Neubau zu Monitoring und Verstärkung der Brücke haben gezeigt, dass ein Neubau deutlich höhere Kosten verursachen würde. Dieses lässt sich insbesondere auf die höhen indirekten Kosten aus der Verkehrseinschränkung zurückführen, wie Tabelle 1 zeigt. ohne Monitoring (Mio. €) mit Monitoring (Mio. €) Differenz (Mio. €) direkte Kosten 11,8 4,3 7,4 indirekte Kosten 61,0 24,0 37,0 Summe 72,8 28,3 44,4 Tabelle 1: Kosten für die Fälle mit und ohne Monitoring[5] Im Ergebnis wurde durch die Überwachung der Koppelfugen gezeigt, dass eine Weiternutzung der Brücke möglich ist. Damit konnten im Vergleich zum Neubau Kosten eingespart werden [5]. Die wirtschaftliche Analyse von Monitoringmaßnahme mit der Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen findet aktuell nicht statt. Die Nutzung dieser Methode stellt aber eine gute Möglichkeit dar, die Anwendung von Monitoring beim Verkehrsträger Straße zu erweitern. Insbesondere die Darlegung einer Kosteneinsparung vor der Installation des Monitorings ist positiv zu bewerten. Für den Einsatz der Methode sind noch einige Weiterentwicklungen notwendig. Im Rahmen des Projekts wurde bereits ein Softwaretool zur Nutzung erstellt, dieses sollte weiter vereinfacht und getestet werden. Die Abschätzung der indirekten Kosten ist mit viel Aufwand bzw. der Nutzung einer speziellen Software verbunden. In einem weiteren Schritt sollte die Methode daher vereinfacht und der Einsatz an verschiedenen Monitoringanwendungen getestet werden. 5. Fazit Monitoring als Gesamtprozess zur Erfassung, Analyse und Bewertung von Bauwerksreaktionen bzw. einwirkenden Größen mittels eines Messsystems wird bei Brückenbauwerken nur schadens- und einzelfallbezogen eingesetzt. Im Rahmen von zwei Ressortforschungsprojekten wurden Verfahren zur Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen einer Monitoringmaßnahme entwickelt. Diese Verfahren tragen zu einer breiteren Anwendung von Monitoring bei Brückenbauwerken und einer besseren Verfügbarkeit dieser Bauwerke bei. Dieses ist möglich, da eine Begründung für die entstehenden Kosten abgeleitet werden kann. Dieser Aspekt spielt neben dem fehlenden Hintergrundwissen auf Seiten der Auftraggeber zum Einsatz von Monitoring und der fehlenden Standardisierung von Monitoringanwendungen eine entscheidende Rolle für den eingeschränkten Einsatz von Monitoring. Das Verfahren zur Abschätzung der Zuverlässigkeit einer Monitoringmaßnahme ermöglicht die Darstellung des Sicherheitsgewinns für Brückenbauwerke. Die Ergebnisse der Ressortforschungsprojekte stellen einen wichtigen Schritt zum breiteren Einsatz von Monitoring und damit der Verfügbarkeit von Brückenbauwerken dar. Der Einsatz der entwickelten Verfahren in der Praxis kann durch eine Vereinfachung und die Entwicklung passender Software gelingen. 6. Literatur [1] BMVI: Bericht „Stand der Ertüchtigung von Straßenbrücken der Bundesfernstraßen“ 26.10.2015. [2] Marzahn, G.: Instandsetzungsbedarf von Infrastrukturbauten in Deutschland. In: Müller, H. S., Nolting, U., Haist, M. (Hg.): Bauwerkserhaltung - Instandsetzung im Beton- und Stahlbetonbau 2016. [3] DBV: Merkblatt: Monitoring: Planung, Vergabe und Betrieb 2018. [4] Sperling, D., Heumann, G.: Anwendung der Nachrechnungsrichtlinie aus Betonbrücken - Praxisbeispiel aus Sicht eines Ingenieurbüros. In: Empelmann, M. (Hg.): VSVI Seminar Brücken- und Ingenieurbau 2012. [5] Schubert, M., Faber, M. H., Betz, W., Straub, D., Niemeier, E., Ziegler, D., Walther, C., Majka, M.: Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von Monitoringmaßnahmen. Bremen: Fachverlag NW in der Carl Schünemann Verlag GmbH 2020. [6] DIN 1076: 1999: Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen - Überwachung und Prüfung. [7] BMVBS: Richtlinien für die Erhaltung von Ingenieurbauten RI-ERH-ING - Leitfaden Objektbezogene Schadensanalyse (OSA) 2007. [8] BMVBS: Richtlinie für die Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie) 2011. [9] Ralbovsky, M., Prammer, D., Lachinger, S., Vorwagner, A.: Verfahren und Modelle zur Quantifizierung der Zuverlässigkeit von dauerüberwachten Bestandsbrücken. Bremen: Fachverlag NW in der Carl Schünemann Verlag GmbH 2020. [10] Siegert, C., Holst, A., Empelmann, M., Budelmann, H.: Überwachungskonzepte für Bestandsbauwerke aus Beton als Kompensationsmaßnahme zur Sicherstellung von Standsicherheit und Gebrauchs- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 337 Monitoring von Bestandsbrücken - Quantifizierung von Zuverlässigkeit und Nutzen tauglichkeit. Bremen, Bremen: Fachverlag NW in der Carl Schünemann Verlag GmbH 2015. [11] BMVBS: Richtlinie zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Rahmen von Instandsetzungs-/ Erneuerungsmaßnahmen bei Straßenbrücken (RI-WI-BRÜ) 2004. [12] FGSV: Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen 1997. [13] Dahl, A., Kindl, A., Walter, C., Paufler-Mann, D., Ross, A., Waßmuth, V., Weinstock, F., Mann, H.- U.: Methodenhandbuch zum Bundesverkehrswegeplan 2030. FE 97.358 2015. [14] Straßen NRW: Prüfbericht Hauptprüfung 2010 nach DIN 1076 an der A 42 2010.
