eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
71
2021
71

Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik

71
2021
Jörg Röder
Im Rahmen von Untersuchungen zur Stand- und Verkehrssicherheit zweier weitgespannter Hallendachkonstruktionen mit äußerem Hängewerk wurden Schäden erkannt. Zum einen wurden an der Hängewerkskonstruktion, deren Zugglieder aus Spannstählen St 60/90 aus DDR-Produktion bestehen, die mittels Muffen und Verschraubungen verbunden wurden, vornehmlich im Bereich der Gewinde und Einleitungspunkten in die Dachkonstruktion fortgeschrittene Korrosionsschäden festgestellt. Zudem wurden vor allem an den Stahlbetonpylonen und Riegeln und in verringertem Maße an den Stahlbetonfundamenten der Hallenkonstruktionen ungerichtete Rissbildungen und Schäden vorgefunden, die im Rahmen von Untersuchungen auf eine lang anhaltende Alkali-Kieselsäue-Reaktion (AKR) zurückgeführt werden konnten. Unter Berücksichtigung des AKR-Restpotentials, der daraus abgeleiteten weiteren Schädigung des Betongefüges und der prognostizierten Beeinträchtigung der Betonfestigkeitseigenschaften für die vorgesehene Restnutzungsdauer wurde die Standsicherheit der Hängewerkskonstruktionen nachgewiesen, die Sanierung der Tragwerke geplant und schließlich durchgeführt. Neben dem Nachweis der Standsicherheit der Hängewerkskonstruktionen wurde in Abstimmung mit dem zuständigen Prüfingenieur die Ausarbeitung und Durchführung eines Standsicherheitsmonitorings als zweite Grundbedingung für die Nutzung der Hallentragwerke für weitere 30 Jahre festgelegt. Das diskontinuierliche Standsicherheitsmonitoring umfasst engmaschige Inspektionen und Untersuchungen und gibt konkret vor, wann welche Bauteile in Augenschein zu nehmen, handnah zu untersuchen, zu vermessen bzw. zu beproben sind, um die Standsicherheit der Bauteile und damit des gesamten Tragwerks sicherzustellen. Ziel der Inspektionen ist es, die Auswirkungen der AKR auf die Festigkeitseigenschaften der Betonbauteile sowie deren Geometrie, wie zum Beispiel Längenänderungen der Fundamente oder eine Verkrümmungszunahme der unter hoher Druckbeanspruchung stehenden Stahlbetonpylone infolge Verringerung des Beton-E-Moduls zu überwachen und im Hinblick auf die Standsicherheit des gesamten Hängetragwerks zu bewerten.
kevb710339
7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 339 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik Prof. Dr.-Ing. Jörg Röder Fachhochschule Potsdam, Fachgebiet Bauwerkserhaltung, Bundesrepublik Deutschland Zusammenfassung Im Rahmen von Untersuchungen zur Stand- und Verkehrssicherheit zweier weitgespannter Hallendachkonstruktionen mit äußerem Hängewerk wurden Schäden erkannt. Zum einen wurden an der Hängewerkskonstruktion, deren Zugglieder aus Spannstählen St 60/ 90 aus DDR-Produktion bestehen, die mittels Muffen und Verschraubungen verbunden wurden, vornehmlich im Bereich der Gewinde und Einleitungspunkten in die Dachkonstruktion fortgeschrittene Korrosionsschäden festgestellt. Zudem wurden vor allem an den Stahlbetonpylonen und Riegeln und in verringertem Maße an den Stahlbetonfundamenten der Hallenkonstruktionen ungerichtete Rissbildungen und Schäden vorgefunden, die im Rahmen von Untersuchungen auf eine lang anhaltende Alkali-Kieselsäue-Reaktion (AKR) zurückgeführt werden konnten. Unter Berücksichtigung des AKR-Restpotentials, der daraus abgeleiteten weiteren Schädigung des Betongefüges und der prognostizierten Beeinträchtigung der Betonfestigkeitseigenschaften für die vorgesehene Restnutzungsdauer wurde die Standsicherheit der Hängewerkskonstruktionen nachgewiesen, die Sanierung der Tragwerke geplant und schließlich durchgeführt. Neben dem Nachweis der Standsicherheit der Hängewerkskonstruktionen wurde in Abstimmung mit dem zuständigen Prüfingenieur die Ausarbeitung und Durchführung eines Standsicherheitsmonitorings als zweite Grundbedingung für die Nutzung der Hallentragwerke für weitere 30 Jahre festgelegt. Das diskontinuierliche Standsicherheitsmonitoring umfasst engmaschige Inspektionen und Untersuchungen und gibt konkret vor, wann welche Bauteile in Augenschein zu nehmen, handnah zu untersuchen, zu vermessen bzw. zu beproben sind, um die Standsicherheit der Bauteile und damit des gesamten Tragwerks sicherzustellen. Ziel der Inspektionen ist es, die Auswirkungen der AKR auf die Festigkeitseigenschaften der Betonbauteile sowie deren Geometrie, wie zum Beispiel Längenänderungen der Fundamente oder eine Verkrümmungszunahme der unter hoher Druckbeanspruchung stehenden Stahlbetonpylone infolge Verringerung des Beton-E- Moduls zu überwachen und im Hinblick auf die Standsicherheit des gesamten Hängetragwerks zu bewerten. 1. Zweck und Ziel An zwei weitgespannten, stützenfreien Hallentragwerken (siehe Bild 1) wurden im Jahr 2012 Untersuchungen der Stand- und Verkehrssicherheit in Anlehnung an die AR- GEBAU-Richtlinie [1] durchgeführt. Bei diesen Hallen werden die Lasten der Hallendächer mittels einer außenliegenden Hängewerkskonstruktion bestehend aus Spannstäben und Stahlbetonpylonen abgetragen (Bild 2 und 3). Im Rahmen dieser Erstuntersuchungen wurden durch die CRP Bauingenieure GmbH (nachfolgend CRP genannt) neben Korrosionsschäden an den Spannstäben der Hängewerkskonstruktion Schäden an den Stahlbetonpylonen und den zwischen diesen angeordneten Spannbetonriegeln festgestellt. Neben offensichtlich korrosionsbedingten Betonabplatzungen vor allem im Bereich der Bügelbewehrung (Pylone der Schwimmhalle) konnten die überwiegend ungerichteten Rissbildungen mit Aussinterungen an den Stahlbetonpylonen der Leichtathletikhalle im Rahmen weiterer Untersuchungen auf eine lang andauernde AKR zurückgeführt werden. Eine abgeschwächte AKR-Problematik zeigten Untersuchungen auch an den Fundamenten. Anschließend erfolgte der statische Nachweis der Hallentragwerke unter Berücksichtigung der AKR-Prognose und die darauf abgestimmten Sanierungen der Hallentragwerke bis zum Jahr 2017. Wesentlicher Bestandteil der Genehmigung der Nutzung der Hallentragwerke für weitere 30 Jahre war die Ausarbeitung und Durchführung eines Standsicherheitsmonitorings mit engmaschiger, diskontinuierlicher Überwachung der Beton- und Stahlbauteile der Hängewerke. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Überwachung verdeckter Bauteile gelegt. Im Rahmen des Beitrags werden nach einer kurzen Vorstellung der Hallentragwerke, der vorgefundenen Schäden sowie deren Sanierung die wesentlichen Elemente des Inspektions- und Überwachungskonzeptes sowie deren Berücksichtigung im Zuge der Sanierungsplanung und -umsetzung zusammenfassend vorgestellt und erläutert. 340 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik 2. Beschreibung der Hallentragwerke Die Leichtathletik- und Schwimmhalle wurden in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre errichtet. Das Dachtragwerk besteht bei beiden Hallen aus einem räumlichen Stabnetzfaltwerk (siehe Bild 1). Das statische System und die Abmessungen des Hängewerks der Leichtathletik- und der Schwimmhalle, an das das räumliche Stabnetzfaltwerk der Hallendächer angehängt ist, sind in den Bildern 2 und 3 wiedergegeben. Nachfolgend wird exemplarisch die Hallendachkonstruktion der Leichtathletikhalle kurz beschrieben und der wesentliche Unterschied zum Tragwerk der Schwimmhalle erläutert. Bild 1: Räumliches Stabnetzfaltwerk vom Typ „Berlin“ als Dachtragwerk 2.1 Hallentragwerk der Leichtathletikhalle Das in 11 Achsen vorhandene Hängewerk zur Aufnahme der Dachlasten der Leichtathletikhalle besteht je Hängewerksachse aus Spannstahlzuggliedern, zwei Abhängepunkten in den Drittelspunkten des Daches und zwei ca. 18,9 m hohen Stahlbetonpylonen (siehe Bild 2). Die Spannweite zwischen den Stahlbetonpylonen beträgt 63 m. Die Spannweite der Hallenkonstruktion selbst beträgt zwischen den Längsaußenwänden 60 m. Die Spannweite von den Hallenlängswänden bis zu den beiden Abhängepunkten je Hängewerksachse wird jeweils durch ein 18 m langes Raumnetzfalt-werkselement überspannt. Zwischen den beiden Abhängepunkten je Hängewerksachse spannt ein 24 m langes Raumnetzfaltwerkselement. Die Abhängepunkte sind somit in Hallenquerrichtung symmetrisch angeordnet. An den Giebelseiten gibt das Raumnetzfaltwerk seine Lasten an in den Giebelwänden integrierte, eingespannte Stahlbetonstützen ab. Der Abstand zwischen den einzelnen Hängewerken in Hallenlängsrichtung beträgt 12 m. Die Hallenlänge beträgt somit insgesamt (10+2) * 12 m = 144 m. Von den beiden je Hängewerksachse vorhandenen Abhängepunkten des Hallendaches verlaufen je 6 geneigte Spannseile St 60/ 90 mit einem Durchmesser von 32 mm zum Kopfpunkt der Stahlbetonpylone. Zur Aufnahme der daraus resultierenden Horizontalkräfte wurden von den Pylonköpfen 12 steil geneigte Spannseile St 60/ 90 mit einem Durchmesser von 32 mm nach außen bis zum Baugrund geführt und dort mittels einer Pfahlkopfplatte mit jeweils acht Zugpfählen verankert. Zwischen den Abhängepunkten des Hallendaches befinden sich zur Aufnahme der dort auftretenden Horizontalkräfte ebenfalls Spannseile St 60/ 90 mit einem Durchmesser von 32 mm. Zur Reduktion der Verformungen der Dachkonstruktion beim Auftreten ungleichmäßiger Dachlasten wurden zudem zwischen den Abhängepunkten des Daches und den Stahlbetonpylonen je 2 vorgespannte, horizontale Spannseile St 60/ 90 mit einem Durchmesser von 32 mm angeordnet. Die Vertikallasten aus den beiden Schrägabspannungen vom Hallendach zum Baugrund werden von den Stahlbetonpylonen aufgenommen und über ein flach gegründetes Einzelfundament in den Baugrund abgeleitet. Die aus den Schrägseilen in Höhe der Pfahlkopfplatte der Zugpfähle resultierenden Horizontalkräfte werden über Stahlbetondruckglieder, die zwischen dem Pfahlkopfbalken und dem Einzelfundament des Stahlbetonpylons horizontal angeordnet sind, in das Einzelfundament des Stahlbetonpylons abgeleitet und dort über Reibung in den Baugrund abgetragen. Im Bereich der Hallenlängswände sind eingespannte Stahlbetonstützen angeordnet, an die das Raumnetzfaltwerk die Vertikallasten des Dachtragwerks abgibt. Zudem nehmen die eingespannten Stahlbetonstützen die horizontalen Windlasten auf die Hallenlängswände auf. Die Aussteifung des Hallentragwerks erfolgt über das Stabnetzfaltwerk und die eingespannten Stahlbetonstützen in den Hallenwänden. Die Stahlbetonpylone werden in Hallenlängsrichtung durch biegesteif angeschlossene Stahlbetonfertigteilrahmenriegel, die jeweils zwischen zwei Pylonen angeordnet sind, gegen Knicken gesichert. 2.2 Hallentragwerk der Schwimmhalle Die Hallendachkonstruktion der Schwimmhalle unterscheidet sich von jener der Leichtathletikhalle im Wesentlichen darin, dass aufgrund der geringeren Spannweite nur ein Abhängepunkt je Querachse angeordnet wurde und die Anzahl der Spannstäbe geringer ist (siehe Bild 3). 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 341 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik Bild 2: Schematischer Querschnitt des Dachtragwerks der Leichtathletikhalle mit Darstellung der wesentlichen Tragglieder des Dachtragwerks in Hallenquerrichtung; in Hallenlängsrichtung wurde diese Hängwerkskonstruktion insgesamt 11 mal ausgeführt Bild 3: Schematischer Querschnitt des Dachtragwerks der Schwimmhalle mit Darstellung der wesentlichen Tragglieder des Dachtragwerks in Hallenquerrichtung; in Hallenlängsrichtung wurde diese Hängwerkskonstruktion insgesamt 4 mal ausgeführt 342 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik 3. Korrosionsschäden an den Spannstählen der Hängewerkskonstruktion Im Jahr 2012 wurde durch die CRP Bauingenieure GmbH eine Überprüfung der Stand- und Verkehrssicherheit der beiden Hallenkonstruktionen in Anlehnung an die ARGEBAU-Richtlinie [1] durchgeführt. Vertiefende Untersuchungen im Bereich nicht ohne weiteres einsehbarer Konstruktionselemente schlossen sich an. Bild 4: Korrosionsschaden im Gewindebereich eines gering beanspruchten Spannstabes Neben Korrosion im Bereich offen liegender Gewindeteile (siehe Bild 4) wurden im Bereich der Durchstoßungspunkte der aus Spannstahl St 60/ 90 bestehenden Abhängestäbe durch den Dachaufbau der Hallendächer Korrosionsschäden zum Teil mit Materialabtrag vorgefunden. An einem Abhängestab der Schwimmhalle wurde eine Blattrostbildung mit einem Materialabtrag von bis zu 1 mm vorgefunden (siehe Bild 5). Bild 5: Korrosionsschäden an einem Abhängestab an der Schwimmhalle über die Höhe des Dachaufbaus mit geringer Blattrostbildung Auch bei der exemplarischen Untersuchung am Übergang der Zugstäbe aus St 60/ 90 in die Pfahlkopffundamente wurden punktuelle Korrosionsschäden ohne signifikante Querschnittsabminderung festgestellt. Die geringe Korrosion war dem guten Korrosionsschutz der Stäbe bestehend aus einem Beschichtungssystem sowie einer Bitumenummantelung zu verdanken. Einzeluntersuchungen an korrodierten Gewinden zeigten, dass der Korrosionsangriff im Gewindegrund nur gering ist (siehe auch Bild 6 und 7). Zusammenfassend wird im Gutachten von Prof. Nürnberger sinngemäß festgestellt, dass bei fachgerechter Erneuerung des Korrosionsschutzes ein zukünftiges Versagen der Zugstäbe infolge Spannungsrisskorrosion, Schwingkorrosion und Reibeermüdung ausgeschlossen werden kann. Dies bedingt auch, dass der Korrosionsschutz nach dessen Herstellung regelmäßig zu überprüfen, zu warten und bei Bedarf instand zu setzen ist. Bild 6: Korrodiertes Gewinde eines Spannstahlstabes nach dem Ausbau aus der Konstruktion Bild 7: Gewinde des Spannstahlstabes aus Bild 7 nach dem Sandstrahlen, die Gewindegänge sind durch die Korrosion beeinträchtigt, der Gewindegrund ist nur gering angegriffen 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 343 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik 4. Schäden an den Stahlbetonbauteilen infolge Korrosion und AKR An den außenliegenden Stahlbetonbauteilen der Schwimmhalle wurden vor allem Betonabplatzungen entlang der Bügelbewehrung und zum Teil auch entlang der Längsbewehrung der Stahlbetonpylone festgestellt. Die Betonabplatzungen, die in Bild 8 zu erkennen sind, waren auf eine Depassivierung infolge Karbonatisierung des Betons zurückzuführen. Trotz recht geringer Karbonatisierungstiefe waren aufgrund der geringen Betondeckung systematische Betonabplatzungen (siehe Bild 8a)) und Korrosion mit leichter Blattrostbildung festzustellen Im Gegensatz dazu wurden an der Leichtathletikhalle weitgehend ungerichtete Rissbildungen festgestellt, die an allen Seitenflächen der Pylone und der Riegel in variierendem Umfang vorzufinden waren. Bild 9 zeigt eine Detailaufnahme dieser ungerichteten Rissbildungen und der begleitenden Aussinterungen an einem Stahlbetonpylon. a) Betonabplatzung entlang der Querbewehrung b) Betonabplatzung entlang der Längsbewehrung Bild 8: Korrosionsbedingte Betonabplatzungen an den Stahlbetonpylonen der Schwimmhalle Bild 9: Detailaufnahme ungerichteter Rissbildungen mit Aussinterungen an einem Stahlbetonpylon Ein Fluoreszenzschnelltest zeigte, dass im Beton bereits eine AKR stattgefunden hatte. Zur Ermittlung der Auswirkungen des AKR-Restpotentials auf die Entwicklung der Druckfestigkeit und des E-Moduls des Betons wurden Klimawechsellagerungen am F.A. Finger-Institut für 344 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik Baustoffkunde durchgeführt, die eine Alterung des Betons für eine Zeitspanne von 30 Jahren simulieren sollten. Begleitend wurden vor und nach den Klimawechsellagerungen an Bohrkernen aus dem gleichen Entnahmebereich vergleichende Druckfestigkeits- und E-Modulbestimmungen durchgeführt. Anhand der Zustandsanalyse aus dem Jahr 2013 sowie der Untersuchungsergebnisse des F.A. Finger-Instituts für Baustoffkunde leitete Univ.- Prof. Dr.-Ing. Könke eine Prognose für die Entwicklung der Betondruckfestigkeit und des E-Moduls für die Stahlbetonbauteile für die nächsten 30 Jahre bezogen auf die aktuell festgestellten Werte ab. Abhängig vom AKR-Restpotential wurde für die Stahlbetonpylone der Schwimmhalle bzw. der Leichtathletikhalle eine Reduktion der Betondruckfestigkeit um 15 % bzw. 20 % und des E-Moduls um 30 % bzw. 50 % prognostiziert. 5. Statischer Nachweis sowie Austausch der Spannbetonriegel und Sanierung der Stahlbetonpylone Im Wesentlichen aufgrund der in den nächsten 30 Jahren zu erwartenden Halbierung des E-Moduls des Betons und weniger aufgrund der prognostizierten Abminderung der Druckfestigkeit konnte die Standsicherheit der Stahlbetonpylone der Leichtathletikhalle nur durch Austausch der stark geschädigten Spannbetonriegel, Ersatz durch steifere Stahlriegel und den um 1,25 m höheren Einbau der neuen Stahlriegel nachgewiesen werden. Damit konnte die freie Kraglänge oberhalb der Aussteifungsriegel so weit verringert werden, dass deren Standsicherheit unter Ansatz des außergewöhnlichen Schneelastfalls „norddeutsche Tiefebene“ und der tatsächlich vorhandenen Imperfektionen der Stahlbetonpylone, die durch ein Aufmaß ermittelt wurden, für die nächsten 30 Jahre nachgewiesen werden konnte. Die neuen Stahlriegel wurden mittels massiver Kopfplatten, durch den Stahlbetonpylon durchgeführter Gewindestangen und auf der Pylonrückseite angeordneter massiver Widerlagerplatten mit den Stahlbetonpylonen biegesteif verbunden (siehe Bild 10). Bild 10: Neue Stahlriegel an der Leichtathletikhalle Aufgrund des geringen AKR-Restpotentials und zur Verhinderung zukünftiger Korrosionsschäden wurden die Stahlbetonpylone der Schwimmhalle mittels eines ca. 4 cm dicken, zweilagigen Spritzmörtelauftrags (M3 mit niedrigem Alkaligehalt) und einer Beschichtung mit einem Oberflächenschutzsystem OS5 saniert. Aufgrund des höheren AKR-Potentials wurden an der Leichtathletikhalle Risse verpresst, Fehlstellen lokal ausgebessert und reprofiliert sowie abschließend ein möglichst diffusionsoffenes Oberflächenschutzsystem OS5 mit erhöhter Rissüberbrückung aufgebracht. Die beschriebenen Maßnahmen sollen den Wassereintritt von außen in den Stahlbetonquerschnitt minimieren und gleichzeitig eine Abgabe von Feuchtigkeit aus dem Betonquerschnitt mittels Diffusion ermöglichen, um die Kernfeuchte zu minimieren. 6. Diskontinuierliches Standsicherheitsmonitoring für die Hallentragwerke zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit Weitere Voraussetzung für die Nutzung der Leichtathletikhalle in den kommenden 30 Jahren war - ergänzend zum Nachweis der Standsicherheit unter Berücksichtigung der fortschreitenden AKR - die gemeinsame Festlegung von Planer, Prüfingenieur und Gutachter, dass ein verbindliches Inspektions- und Überwachungskonzept für das Primärtragwerk der Leichtathletikhalle erstellt und umgesetzt wird. Das Standsicherheitsmonitoring soll die in den nächsten 30 Jahren durchzuführenden Inspektionen, Untersuchungen und geodätischen Überwachungsmessungen am Tragwerk hinsichtlich der zeitlichen Abstände und des Umfangs umfassen. Die regelmäßig durchzuführenden Inspektionen, Untersuchungen und geodätischen Überwachungsmessungen sollen sicherstellen, dass am Primärtragwerk auftretende Schäden so rechtzeitig erkannt und behoben werden, dass es zu keiner Beeinträchtigung der Standsicherheit und Dauerhaftigkeit der Konstruktion kommt. Zudem soll in größeren zeitlichen Abständen mit begleitenden, in geringem Umfang zerstörenden Untersuchungen die Entwicklung der Betonfestigkeit in den Stahlbetonpylonen überwacht werden. Grundlage des Standsicherheitsmonitorings ist ein Bauwerksbuch, in dem alle wesentlichen Informationen zum Tragwerk und den durchgeführten Sanierungsmaßnahmen enthalten sind. Dieses Bauwerksbuch ist Teil des Inspektions- und Überwachungskonzeptes und bildet die Grundlage für die Bewertung des Tragwerkszustandes. Das Standsicherheitsmonitoring umfasst das gesamte Primärtragwerk und die Fassade mit einer Fokussierung auf die kritischen Tragwerkselemente Hängewerk aus Spannstählen, Stahlbetonbauteile mit aktiver AKR und neu eingebaute Stahlriegel sowie den Anschluss der neuen Stahlriegel an die Stahlbetonpylone. Im Rahmen des Standsicherheitsmonitorings werden Untersuchungen des Zustandes folgender Tragwerkselemente des Primärtragwerks sowie der Fassade durchgeführt: 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 345 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik 1 Tragende Stahlbauteile der Hängewerkskonstruktion und der Pylonaussteifung: > Abhängepunkte des Dachtragwerks (Abhängestäbe besonders im Bereich der Dachdurchführung - siehe Bild 11 und 12, Kalottenlager, Joche und Verschraubungen etc.), > Zugstäbe des Hängewerks (visuelle Untersuchung und bei erhöhter Schiefstellung Untersuchung der Zugtragfähigkeit), > Verankerung der Zugstäbe an den Pylonköpfen (siehe Bild 13 und 14) und in den Fundamenten, > neue Stahlriegel zwischen den Pylonen (Korrosionsschutz, Anschluss an die Stahlbetonpylone). Bild 11: Durchstoßungspunkt des Hängewerks durch das Dachtragwerk mit möglichst einfach zu öffnendem Anschluss zur Zustandskontrolle des Abhängestabes Bild 12: Detaildarstellung zu Bild 11 mit einfach zu demontierendem und wieder herstellbarem Formstück zur Zustandskontrolle des Abhängestabes im Bereich des Durchstoßungspunktes des Hängewerks durch das Dachtragwerk Bild 13: Verankerung der Zugstäbe am Pylonkopf, neu hergestellte Abdeckung mit einer Blechhaube zum Schutz vor direkter Regenbeanspruchung Bild 14: Übergang der Zugstäbe in den Pylonkopf und Abdeckung des Pylonkopfes mit einer Blechhaube zum Schutz vor direkter Regenbeanspruchung 346 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik 2 Tragende Stahlbauteile des Dachtragwerks > Stahltrapezblech, > Stabnetzfaltwerk. 3 Stahlbetonpylone > Visuelle Untersuchungen zum Allgemeinzustand, zur Oberflächenschutzbeschichtung und zur Abdichtung im Übergang zum Erdreich, > Materialuntersuchungen mittels Bohrkernen zur Ermittlung von E-Modul und Druckfestigkeit, > geodätische Messungen zur Schiefstellung und Krümmung der Pylone. 4 Stahlbetonfundamente > Visuelle Untersuchungen der herausstehenden Teile des Pfahlkopffundamentes (Beton und Abdichtung), > Materialuntersuchungen mittels Bohrkernen zur Ermittlung von E-Modul und Druckfestigkeit, > geodätische Messungen zur Höhenlage der Pfahlkopffundamente (Überwachung der Tragfähigkeit der Stahlbetonfundamente und der Zugpfähle) und zur Höhenlage der Pylonfundamente (Überwachung der Tragfähigkeit der Stahlbetonfundamente; siehe Bild 15), > geodätische Messungen zur Ermittlung der Abmessungen der Pylon- und Pfahlkopffundamente zur Überwachung einer durch eine AKR hervorgerufenen Ausdehnung des Betons (siehe Bild 15), > exemplarische Messung der Temperatur der Fundamente nahe der Betonoberfläche zur Erfassung der temperaturbedingten Längenänderungen (Differenzierung zwischen einer Dehnung infolge Temperatur bzw. einer AKRbedingten Ausdehnung; siehe Bild 15). Bild 15: Messpunktordnung an den Fundamenten zur geodätischen Überwachung der Höhenlage und der Fundamentabmessungen, hier exemplarisch für ein Pylonfundament der Schwimmhalle 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 347 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik 5 Verglasung und hinterlüftete Keramik-Fassade > Inaugenscheinnahme der Glaselemente im Hinblick auf Schäden an der Verglasung bzw. der Befestigung der Glaselemente, > Inaugenscheinnahme der Keramikfassade im Hinblick auf Schäden an den Keramikelementen und deren Befestigung an der Unterkonstruktion. Grundsätzlich wird beim Standsicherheitsmonitoring des Primärtragwerks der Hallen zwischen Inspektionen alle 3 Jahre, alle 6 Jahre und alle 12 Jahre unterschieden. Dabei wurde bei der Vorgabe dieser Inspektions- und Untersuchungsabstände vorausgesetzt, dass eine jährliche Baubegehung durch den Gebäudeeigentümer bzw. eine von ihm beauftragte Person erfolgt. Die Inspektions- und Untersuchungstiefe variiert abhängig vom betrachteten Tragwerkselement leicht. In der Regel wurden abhängig vom Untersuchungsintervall folgende Inspektionstiefen vorgegeben: > Begehung: jährlich > Sichtkontrolle: alle 3 Jahre > handnahe Untersuchung: alle 6 Jahre > Überprüfung der Geometrie: alle 3 Jahre > Druckfestigkeitsuntersuchung: alle 12 Jahre bzw. bei Feststellung erhöhter Verformungen Die turnusmäßigen Prüfungen und daraus gegebenenfalls resultierenden Instandhaltungsmaßnahmen dienen der Sicherstellung der Verkehrs- und Standsicherheit des Primärtragwerks und der Fassade für die noch angestrebte Nutzungsdauer bis zum Jahr 2045. Die aufgeführten Inspektionen und Überwachungen des Tragwerks sind durch ein entsprechend qualifiziertes Ingenieurbüro durchzuführen. Die im Rahmen der Bauwerksinspektion und -überwachung durchgeführten Untersuchungen sowie deren Ergebnisse sind in einer gutachtlichen Stellungnahme nachvollziehbar darzustellen und zu bewerten. Die gutachtliche Stellungnahme enthält auch eine Fotodokumentation und/ oder Skizzen mit Darstellung der Untersuchungsergebnisse. Folgenden Umfang muss die gutachtliche Stellungnahme in jedem Fall aufweisen: - Ort und Datum der Prüfungen, - genaue Benennung und Bezeichnung des Gebäude- oder Bauteils, - Personen, die bei den Prüfungen anwesend waren, - Art der durchgeführten Prüfungen, - Dokumentation der Prüfergebnisse (auch der unauffälligen), - Beurteilung der Prüfergebnisse, - Soll-Ist-Vergleich sowie - ggf. Empfehlungen zur Instandsetzung. Wird bei der Inspektion und Überwachung eine signifikante Abweichung des Istvom Sollzustand festgestellt, sind weitergehende Untersuchungen zu veranlassen und/ oder Instandsetzungsmaßnahmen zu planen und durchzuführen. 7. Bedeutung des Standsicherheitsmonitorings Das Versagen eines Stahlbetonpylons würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem progressiven Kollaps der gesamten Hallendachkonstruktion führen. Nicht vorhandene Umlagerungsmöglichkeiten, hohe Tragwerksauslastungen und verdeckte Konstruktionselemente, deren Zustand nicht visuell beurteilt werden kann, bergen ein erhöhtes Schadensrisiko. Folgerichtig sind diese beiden Hallenkonstruktionen gemäß [2] in eine hohe Bauwerkskategorie einzugruppieren. Daher sind an diesen Tragwerken sehr sorgfältige und in die Tiefe gehende regelmäßige Inspektionen und Untersuchungen gemäß den Anforderungen in [1] und [3] durchzuführen, um das Schadensrisiko zu minimieren. Hinzu kommt die noch nicht abgeschlossene AKR in den Stahlbetonbauteilen - insbesondere in den Stahlbetonpylonen. Die Entwicklung der AKR und deren Auswirkungen muss überwacht und bewertet werden. Zur Beurteilung des Betons sind dabei auch in größeren Zeitabständen Bohrkernentnahmen unter anderem zur Bestimmung des E-Moduls und der Druckfestigkeit vorgesehen. Bei der Sanierung der Hängewerkskonstruktion der Hallentragwerke bestand das Bestreben, Konstruktionspunkte, die einer erhöhten Witterungbeanspruchung ausgesetzt und zugleich nicht ohne Hilfsmittel einsehbar sind, möglichst effektiv zu schützen. Daher wurden die Pylonköpfe mit einer Blechhaube, die geöffnet werden kann, vor direkter Regenbeanspruchung geschützt (siehe Bild 13 und 14). Trotz aller Maßnahmen sind Alterungsschäden nicht zu vermeiden. Daher bleibt abschließend zu betonen, dass im Rahmen der Inspektionen empfohlene Wartungen und Instandsetzungen umzusetzen sind, um eine Schädigung und Beeinträchtigung der Stand- und Verkehrssicherheit bereits in einem frühen Stadium zu beheben und den Schadensfortschritt zu verhindern. 348 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Standsicherheitsmonitoring an weitgespannten Hallentragwerken mit AKR- und Korrosionsproblematik Literatur [1] Hinweise für die Überprüfung der Standsicherheit von baulichen Anlagen durch den Eigentümer/ Verfügungsberechtigten, veröffentlicht von der Bauministerkonferenz, Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU), Fassung September 2006 [2] Röder, J.: Möglichkeiten zur Klassifizierung von Gebäuden im Hinblick auf die Überprüfung der Verkehrssicherheit, in: Erhaltung von Bauwerken, 1. Kolloquium 27. und 28.01.2009, Ostfildern: Technische Akademie Esslingen [3] Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes - RÜV -, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten, Stand: 31. März 2006