Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW
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Frank Spörel
Das Durchschnittsalter von Wehren und Schleusen an Bundeswasserstraßen beträgt über 80 Jahre. Bei vielen dieser Bauwerke steht eine Tragfähigkeitsbewertung an. Die Bauwerke weisen aufgrund der sehr gedrungenen Querschnitte und der großen Bauteildicken Besonderheiten auf, die bei Anwendung aktueller Bemessungsgleichungen zur Tragfähigkeit zu sehr konservativen Ergebnissen führen. Das BAWMerkblatt „Bewertung der Tragfähigkeit bestehender massiver Wasserbauwerke (TbW)“ enthält u.a. einen Ansatz, der unter bestimmten Randbedingungen eine Bewertung der Tragfähigkeit ohne Betonuntersuchungen anhand von auf der sicheren Seite liegenden charakteristischen Kennwerte zu Druck- und Zugfestigkeit ermöglicht. Basis dieser tabellierten Werte sind die in der BAW in den letzten Jahrzehnten an zahlreichen Bauwerken durchgeführten Bohrkernuntersuchungen. Im Ergebnis waren die in DIN EN 1992-1-1:2011-01 enthaltenen Zusammenhänge zwischen Druck- und Zugfestigkeit nicht unbedingt auf alte Bauwerke übertragbar. Die Herleitung der tabellierten Kennwerte wird an Hand der Auswertung der vorhandenen großen Datenbasis erläutert.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 403 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW Frank Spörel Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Zusammenfassung Das Durchschnittsalter von Wehren und Schleusen an Bundeswasserstraßen beträgt über 80 Jahre. Bei vielen dieser Bauwerke steht eine Tragfähigkeitsbewertung an. Die Bauwerke weisen aufgrund der sehr gedrungenen Querschnitte und der großen Bauteildicken Besonderheiten auf, die bei Anwendung aktueller Bemessungsgleichungen zur Tragfähigkeit zu sehr konservativen Ergebnissen führen. Das BAWMerkblatt „Bewertung der Tragfähigkeit bestehender massiver Wasserbauwerke (TbW)“ enthält u.a. einen Ansatz, der unter bestimmten Randbedingungen eine Bewertung der Tragfähigkeit ohne Betonuntersuchungen anhand von auf der sicheren Seite liegenden charakteristischen Kennwerte zu Druck- und Zugfestigkeit ermöglicht. Basis dieser tabellierten Werte sind die in der BAW in den letzten Jahrzehnten an zahlreichen Bauwerken durchgeführten Bohrkernuntersuchungen. Im Ergebnis waren die in DIN EN 1992-1-1: 2011-01 enthaltenen Zusammenhänge zwischen Druck- und Zugfestigkeit nicht unbedingt auf alte Bauwerke übertragbar. Die Herleitung der tabellierten Kennwerte wird an Hand der Auswertung der vorhandenen großen Datenbasis erläutert. 1. Einleitung Die Tragfähigkeitsbewertung bestehender Bauwerke nach aktuellem Regelwerk ist oft mit Schwierigkeiten verbunden. Die Konstruktionsmethoden und sehr großen Querschnitte entsprechen oft nicht mehr den heutigen Vorgehensweisen. Da keine entsprechend an diese Besonderheiten angepasste Regelwerke vorlagen, wurde das BAWMerkblatt zur Bewertung der Tragfähigkeit bestehender massiver Wasserbauwerke (TbW) entwickelt [1, 2]. Die Betoneigenschaften sind die Grundlage für die Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Wasserbauwerke. Sie können über Bohrkernuntersuchungen oder über vorhandene Bauwerksunterlagen ermittelt bzw. abgeschätzt werden. Umfangreiche Auswertungen zahlreicher Bohrkernuntersuchungen an bestehenden Wasserbauwerken ermöglichten einen Eindruck hinsichtlich der Festigkeitseigenschaften von etwa in den letzten hundert Jahren erstellten Wasserbauwerken. Diese Untersuchungen waren die Grundlage für die Erarbeitung von Festlegungen zu Betoneigenschaften in [1] für den Fall, dass eine Bewertung auf Grundlage von Bauwerksunterlagen durchgeführt werden kann. Die Hintergründe zu diesen Festlegungen werden im vorliegenden Beitrag erläutert. 2. Druck- und Zugfestigkeit 2.1 Zusammenhänge in Regelwerken Neben der Druckfestigkeit ist die Zugfestigkeit ein wichtiger Parameter. Da die Bestimmung der axialen Zugfestigkeit eine sehr komplexe Prüfung darstellt, wird sie oft auf Basis der charakteristischen Druckfestigkeit f ck berechnet. Die Berechnung des Mittelwerts f ctm sowie des 5-% (f ctk,0,05 ) und 95-%-Fraktilwertes (f ctk,0,95 ) (Gleichung (1) bis (3)) kann DIN EN 1992-1-1: 2011-01 [3] entnommen werden. f ctm = 0,30 *f ck (2/ 3) (1) f ctk,0,05 = 0,7*f ctm (2) f ctk,0,95 = 1,3*f ctm (3) Diese Gleichungen beziehen sich auf wasssergelagerte zylindrische Prüfkörper für die Druckfestigkeit mit einem Verhältnis von Höhe zu Durchmesser (h/ d) von 2,0. Sie können auf eine Literaturauswertung sowie Untersuchungen von Betonprüfkörpern im Alter von 28 d aus dem Jahr 1969 zurückgeführt werden [4]. Ausnahme ist der Austausch der ursprünglich in der Gleichung 1 enthaltenen mittleren Druckfestigkeit durch die charakteristische Druckfestigkeit. Die Hintergründe dazu konnten nicht in Erfahrung gebracht werden. Eine ausführlichere Betrachtung der Zusammenhänge und Abweichungen von den ursprünglichen Untersuchungen kann [5] entnommen werden. 404 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW 2.2 Bewertung bestehender Bauwerke Bei bestehenden Bauwerken weichen die Betoneigenschaften von denen von Laborprüfkörpern im Alter von 28 Tagen ab. Da die Bewertung bestehender Bauwerke zunehmend wichtiger wird, haben sich die Aktivitäten hinsichtlich der Bestimmung der Eigenschaften bestehender Bauwerke ausgeweitet. Die entsprechenden Methoden wurden zusammengefasst und Regelwerke zur Bewertung bestehender Bauwerke erarbeitet [6, 7, 8, 9]. Da Laborprüfungen die Grundlage für Gleichung 1 sind, repräsentiert die Gleichung die Zugfestigkeit von Laborprüfkörpern und nicht die Bauwerkszugfestigkeit. Aktuelle Untersuchungen legen dar, dass Gleichung 1 auch für bestehende Bauwerke angewendet werden kann [7]. Für Anwendungsfällen mit einer besonderen Bedeutsamkeit der Zugfestigkeit wird dennoch die gesonderte Bestimmung der Zugfestigkeit empfohlen. 3. Analyse von Bohrkernprüfungen an Wasserbauwerken 3.1 Zielsetzung der Analyse Die Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ist für 317 Schleusen und 256 Wehre zuständig [10]. Das Alter der Bauwerke variiert in großen Bandbreiten, teilweise über 100 Jahre. Bei der Begutachtung von Betoneigenschaften dieser Wasserbauwerke durch die BAW in den letzten etwa 30 bis 40 Jahren wurde beobachtet, dass die Zugfestigkeit oft niedriger war als nach Gleichung 1 und 2 erwartet. Aus diesem Grund erfolgte eine umfassende Auswertung, um systematische Zusammenhänge in Erfahrung zu bringen. Die Ergebnisse dieser Auswertungen sind die Grundlage für die in den Tabellen 3 und 4 im BAW Merkblatt TbW [1] genannten Zugfestigkeiten. Deren Herleitung wird im Folgenden erläutert. 3.2 Datenaufbereitung Die Festigkeitswerte müssen für vergleichende Betrachtungen auf einheitliche Formate und Lagerungsbedingungen transferiert werden. Die Umrechnung der Zugfestigkeit f ct aus der Spaltzugfestigkeit f ct,sp erfolgte entsprechend [3] gemäß Gleichung 4. f ct =0,9 * f ct,sp (4) Die Druckfestigkeit wird von der Prüfkörpergeometrie und den Lagerungsbedingungen beeinflusst. Die maßgebende Prüfkörperrandbedingungen nach [3] sind nassgelagerte zylindrische Prüfkörper mit einem Verhältnis h/ d von 2,0. Je nach vorliegendem Prüfkörperformat im Rahmen der Begutachtungen erfolgte eine Umrechnung der Druckfestigkeitskennwerte auf die Referenzprüfkörper nach Gleichung 5 und 6. f c , 2,0 =f c , 1,0 *0,82 (5) f c,2,0 Druckfestigkeit, h/ d= 2,0 f c,1,0 Druckfestigkeit, h/ d= 1,0 f c , wet =f c , dry *0,92 (6) f c,wet Druckfestigkeit, nass gelagerte Prüfkörper f c,dry Druckfestigkeit, Prüfkörperlagerung 20/ 65 Neben den Mittelwerten wurden bei der Auswertung auch die Standardabweichung und der Variationskoeffizient bestimmt. Die charakteristischen Kennwerte zur Druck- und Zugfestigkeit wurden auf Basis einer log- Normalverteilung und eines Vertrauensniveaus von 95 % entsprechend Gleichung 7 [1] bestimmt. X k =exp(m y -k n *s y ) (7) m y =1/ n * ∑ln(x i ) s y =√1/ (n-1)*∑(ln(x i )-m y ) 2 k n nach Tabelle 1 Tabelle 1: k n , in Abhängigkeit der Prüfkörperanzahl n [1] n 3 4 5 6 7 8 10 15 20 50 100 200 500 k n 6,36 4,65 3,94 3,54 3,28 3,10 2,86 2,54 2,38 2,06 1,93 1,84 1,76 3.3 Druck- und Zugfestigkeit in Abhängigkeit von der Bauzeit Bild 1 fasst die mittlere Druckfestigkeit f cm , welche über Bohrkernuntersuchungen an zahlreichen Bauwerken mit Bauzeiten in den letzten etwa 130 Jahren bestimmt wurden, zusammen. Jeder Datenpunkt stellt ein Bauwerk oder Bauteil wie z. B. Kammerwand, Bauwerkssohle, Wehrpfeiler o. ä. dar. Bild 2 stellt die gleichen Zusammenhänge für die entsprechend Gleichung 4 bestimmte Zugfestigkeit f ct dar. Bild 1: Druckfestigkeit f cm an Wasserbauwerken [5] 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 405 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW Bild 2: Zugfestigkeit f ctm an Wasserbauwerken [5] Die Bilder zeigen neben der zeitlichen Entwicklung der Festigkeit die große Streuung der Eigenschaften. Es ist ersichtlich, dass ein Großteil der Bauwerke Festigkeiten aufweisen, welche nicht durch die Druckfestigkeitsklassen nach [3] abgedeckt werden. 3.4 Statistische Kennwerte der Festigkeitseigenschaften Der in DIN EN 1992-1-1 für die Druckfestigkeit indirekt hinterlegte Variationskoeffizient kann aus den Gleichung 8 abgeleitet werden. Sie legt nach [3] den Zusammenhang zwischen mittlerer (f cm ) und charakteristischer (f ck) Druckfestigkeit fest. f cm = f ck + 8 (8) Unter Annahme einer Normalverteilung der Druckfestigkeit kann die charakteristische Druckfestigkeit grundsätzlich nach Gleichung 9 abgeleitet werden. f ck = f cm - 1,645*σ c (9) Durch Gleichsetzen ergibt sich eine konstante Standardabweichung σ c =4,86 N/ mm². Der Variationskoeffizient COV c für die Druckfestigkeit kann unter Ansatz der Standardabweichung von 4,86 N/ mm² nach Gleichung 10 abgeleitet werden. COV c = 4,86/ f cm (10) Umfangreiche Auswertungen zur Standardabweichung der Druckfestigkeit von Laborprüfkörpern wurden von Rüsch et.al. [11] durchgeführt. Die dort ermittelten Zusammenhänge und diejenigen nach DIN EN 1992-1-1 sind in Bild 3 und 4 zusammen mit den an den Bauwerken ermittelten Kennwerten dargestellt. Bild 3: Standard Abweichung der Druckfestigkeit [5] Beide Ansätze zeigen für Zylinderdruckfestigkeiten von mehr als etwa 30 N/ mm² vergleichbare Werte sowie mit abnehmender Festigkeit deutlich steigende Variationskoeffizienten. Neben der grundsätzlichen Abbildung der Bauwerksdaten wird aber auch die sehr hohe Streuung ersichtlich. Insgesamt liegen die Variationskoeffizienten an den Bauwerken jedoch höher. Dies ist nachvollziehbar, da bei den Bauwerksproben, im Gegensatz zu den auf Laborprüfkörpern beruhenden Ansätzen nach Rüsch et. al. [11] und DIN EN 1992-1-1 [3], auch Einflüsse aus der Betonverarbeitung, der Hydratationswärmeentwicklung der massigen Bauteile und der Exposition im Laufe der bisherigen Nutzungsdauer einfließen. Zum Einfluss der Hydratationswärmeentwicklung auf die Festigkeitsentwicklung enthält [12] weiterführende Hintergrundinformationen. Bild 4: Variationskoeffizient der Druckfestigkeit [5] Die gleichen Betrachtungen wie zur Druckfestigkeit können auch für die Zugfestigkeit angestellt werden. Bei Annahme, dass f ctk,0,05 das 5%-Quantil einer Normalverteilung darstellt, ergibt sich Gleichung 11. f ctk,0,05 = f ctm - 1,645*σ ct (11) Ein Gleichsetzen mit Gleichung 2 ergibt für die Standardabweichung der Zugfestigkeit σ ct den Zusammen- 406 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW hang nach Gleichung 12 und daraus den Variationskoeffizienten COV ct , (Gleichung 13) welcher somit in den Ansätzen in DIN EN 1992-1-1 enthalten ist. σ ct =0,182*f ctm (12) σ ct / f ctm = COV ct = 0,182 (13) Die Gleichungen 10 und 13 zeigen, dass in DIN EN 1992-1-1 [3] von unterschiedlichen Abhängigkeiten beim Variationskoeffizienten der Druck- und Zugfestigkeit ausgegangen wird. Während die Zusammenhänge für die Druckfestigkeit von Rüsch et. al. [11] herausgearbeitet wurden, konnten die Hintergründe für den davon abweichenden Ansatz bei der Zugfestigkeit in einer Literatursichtung nicht nachvollzogen werden. In [13] wurde eine ähnliche Größenordnung des Variationskoeffizienten beobachtet. Die Bilder 6 und 7 enthalten einen Abgleich der Ansätze aus DIN EN 1992-1-1 mit den Daten der Bohrkernuntersuchungen. Die Zugfestigkeit am Bauwerk wurde entsprechend Gleichung 4 abgeleitet. Bild 5: Standardabweichung der Zugfestigkeit [5] Bild 6: Variationskoeffizient der Zugfestigkeit [5] Die Daten zeigen, dass beide Kenngrößen von der mittleren Zugfestigkeit abhängen. Mit steigender Zugfestigkeit steigt die Standardabweichung und der Variationskoeffizient sinkt. Der Variationskoeffizient der Druck- und Zugfestigkeit liegt in vergleichbaren Größenordnungen, wie auch von [13] beobachtet. Besonders für niedrige Festigkeiten unterschätzen die Ansätze aus DIN EN 1992-1-1 die an den Bauwerken vorliegenden Variationskoeffizienten. Dies fällt bei der Zugfestigkeit deutlicher als bei der Druckfestigkeit aus. Die unterschiedlichen in DIN EN 1992-1-1 angesetzten Zusammenhänge der Standardabweichung und des Variationskoeffizienten der Druckbzw. Zugfestigkeiten lassen erwarten, dass eine Anwendung auf Bauwerksuntersuchungen unzureichend sein kann. Da die Standardabweichung und der Variationskoeffizient Einfluss auf die charakteristischen Werte f ck und f ctk hat, weisen die am Bauwerk ermittelten Kennwerte darauf hin, dass eine Berechnung der Zugfestigkeit aus der Druckfestigkeit nach den Gleichungen 1 bis 3 nicht empfehlenswert erscheint. Weiterführende Auswertungen von Bauwerksproben in [5] weisen zusätzlich darauf hin, dass der Umrechnungsfaktor zur Berücksichtigung des Prüfkörpereinflusses auf die Druckfestigkeit gemäß Gleichung 5 bei Bohrkernen deutlich abweichen kann. Die übliche Prüfung von Bohrkernprüfkörpern mit einem Verhältnis h/ d=1,0 würde demnach zu einer Überschätzung der tatsächlichen Druckfestigkeit führen, wenn die Prüfwerte mit Gleichung 5 auf den Referenzprüfkörper umgerechnet werden. Weitere Details können [5] entnommen werden. 3.5 Charakteristische Festigkeitswerte 3.5.5 Anforderungen und Annahmen Neben den erwähnten Umrechnungsfaktoren weichen die Festigkeitswerte von Bohrkernen und Laborprüfkörpern voneinander ab. Dies wird in [7] ausführlich beschrieben. Die Ursprungsuntersuchungen weisen auf eine Abhängigkeit zur Festigkeit selbst hin [14]. Der große Streubereich wird in [12] dargelegt. Neben diesen Einflüssen und denen der Prüfkörperformate und Lagerungsbedingungen übt die Wahl des statistischen Verfahrens zur Bestimmung charakteristischer Werte einen weitern Einfluss aus. Beispiele verschiedener Methoden können [1, 15-18] entnommen werden. 3.5.5 Druck- und Zugfestigkeit Die Bilder 7 und 8 zeigen die nach Gleichung 7 ausgewertete charakteristische Druck- und Zugfestigkeit auf Basis der Bohrkernprüfungen. Sie liegt niedriger als der in DIN EN 1992-1-1 dargestellte Ansatz. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 407 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW Bild 7: Korrelation zwischen f cm und f ck nach [3] und Gleichung 7 [5] Bild 8: Korrelation zwischen f ctm and f ctk nach [3] und Gleichung 7 [5] Vor dem Hintergrund der oft hohen Variationskoeffizienten und des höheren Vertrauensniveau, als näherungsweise in DIN EN 1990 indirekt hinterlegt, scheint dies nachvollziehbar. Die Auswertungen bestätigen, dass die Abschätzung der charakteristischen Festigkeit nach den Gleichungen 2 und 8 gemäß DIN EN 1992-1-1 auf Basis der Mittelwerte für die bestehenden Bauwerke auf der unsicheren Seite liegen. Bei Auswertung der Bauwerksprüfwerte mit dem Ansatz nach DIN EN 1990 [21] ergeben sich erwartungsgemäß höhere charakteristische Werte und es findet eine Angleichung statt. Die Mehrzahl der Bauwerksprüfwerte wird aber auch hier überschätzt (Bild 9). Bild 9: Korrelation zwischen f cm and f ck nach [3] und bei Auswertung der Prüfwerte mit dem Ansatz nach DIN EN 1990 zur Bestimmung von f ck [5] 3.6 Korrelation zwischen Druck- und Zugfestigkeit Ziel der Auswertungen war eine Überprüfung, ob die Gleichungen 1 und 2 auch auf bestehende massive Wasserbauwerke angewendet werden können. Bild 10 zeigt die Korrelation zwischen der mittleren Druck- und Zugfestigkeit sowie die in DIN EN 1992-1-1 [3] hinterlegten Korrelationen, die auf den Gleichungen 1 und 8 basieren. Zusätzlich sind die nach Heilmann [4] ermittelten Korrelationen eingefügt, da diese tatsächlich auf Mittelwerten basieren und die ursprüngliche Basis des Ansatzes aus DIN EN 1992-1-1 darstellen. Bild 10: Korrelation zwischen f cm und f ctm [5] Der Ansatz nach DIN EN 1992 deckt etwa den Mittelwert der Daten ab. Der Ansatz nach Heilmann deckt zusätzlich auch den oberen Streubereich der Daten ab, der untere Streubereich wird jedoch nicht erfasst. Bei Betrachtung der charakteristischen Werte spielen darüber hinaus auch die Variationskoeffizienten der Druck- und Zugfestigkeit sowie die verwendeten statistischen Auswerteverfahren eine große Rolle. Der aus Gleichung 1 und 2 resultierende Zusammenhang von charakteristi- 408 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW scher Zug- und Druckfestigkeit nach DIN EN 1992-1-1 ist in Bild 11 dargestellt. Ergänzend sind die Daten der Bohrkernuntersuchungen angegeben. In den meisten Fällen überschätzt der Ansatz nach DIN EN 1992-1-1 die auf Prüfwerten basierende charakteristische Zugfestigkeit. Bild 11: Korrelation zwischen f ck und f ctk Da dies eine für statische Betrachtungen auf der unsicheren Seite liegende Festlegung wäre, wurde auf Basis der tatsächlich vorliegenden Prüfdaten der aus Bild 11 hervorgehende Zusammenhang abgeleitet, welcher den Großteil der tatsächlich vorhandenen Prüfwerte auf der sicheren Seite liegend abdeckt (Gleichung 14). f ctk,is = 0,10 *f ck,is (2/ 3) (14) 3.7 Anwendung im BAWMerkblatt TbW Das BAW Merkblatt TbW bietet in der Stufe A die Möglichkeit, unter bestimmten Randbedingungen die Betoneigenschaften auf Basis von Bauwerksunterlagen abzuschätzen. Diesen Unterlagen können beispielsweise Informationen über das Jahr der Bauwerkserstellung und die damals angesetzten Festigkeitsklassen des Betons enthalten. Die aus den alten Festigkeitsklassen auf heutige Randbedingungen abgeleiteten charakteristischen Druckfestigkeiten sind in [6] dargestellt und wurden auch in das BAWMerkblatt TbW übernommen. In [6] wird jedoch die Zugfestigkeit auf Basis der Ansätze in DIN EN 1992-1-1 abgeleitet. Die Erfahrungen an Wasserbauwerken, die im Gegensatz zu DIN EN 1992-1-1 auf einer großen Anzahl von tatsächlichen Prüfwerten beruht, hat jedoch, wie zuvor dargestellt, deutliche Abweichungen gezeigt. Für eine Bewertung der Tragfähigkeit auf Basis von Bauwerksunterlagen ist aber eine konservative Abschätzung geboten. Dies ist mit den Ansätzen in DIN EN 1992-1-1 jedoch nicht gegeben. Aus diesem Grund wurden die im BAWMerkblatt TbW in den Tabellen 3 und 4 enthaltenen und für die statischen Betrachtungen anzusetzenden charakteristischen Zugfestigkeiten auf Basis von Gleichung 14 abgeleitet. 4. Zusammenfassung Für die Tragfähigkeitsbewertung bestehender Bauwerke ist die Kenntnis der Betondruck- und der Betonzugfestigkeit eine grundlegende Voraussetzung. Die Zugfestigkeit wird häufig in Regelwerken auf Basis der Druckfestigkeit berechnet. Die Basis der dort hinterlegten Zusammenhänge bilden Untersuchungen an Laborprüfkörpern, welche in den 1960er Jahren durchgeführt wurden. Die Anwendbarkeit dieser Zusammenhänge auf die Bewertung bestehender massiver Wasserbauwerke wurde auf Basis von zahlreichen realen Prüfwerten an Bohrkernen überprüft. Aufgrund von Abweichungen dieser Prüfwerte von den Ansätzen im Regelwerk der DIN EN 1992-1-1, welche auf der unsicheren Seite liegen, wurde ein neuer Ansatz für bestehende Wasserbauwerke abgeleitet. Die Ergebnisse und Hintergründe für diesen Baustein zur Bewertung der Tragfähigkeit bestehender massiver Wasserbauwerke im BAWMerkblatt Tbw werden dargestellt und erläutert. Literatur [1] Bundesanstalt für Wasserbau (Hg.) (2016): BAW- Merkblatt Bewertung der Tragfähigkeit bestehender, massiver Wasserbauwerke (TbW). Karlsruhe: Bundesanstalt für Wasserbau (BAW-Merkblätter, -Empfehlungen und -Richtlinien). [2] Fleischer, H.; Kunz, C.; Ehmann, R.; Spörel, F. (2016): Neues BAW-Merkblatt zur Bewertung der Tragfähigkeit bestehender massiver Verkehrswasserbauten In: Bautechnik 93, (12), S. 907-911 [3] DIN EN 1992-1-1: 2011-01: Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1992-1-1: 2004 + AC: 2010. [4] Heilmann, H.G. (1969): Beziehungen zwischen Zug- und Druckfestigkeit des Betons. In: Beton 19 (2), S. 68-70 [5] Spörel, F. (2018): Assessment of the in situ compressive and tensile strength of existing massive hydraulic structures. In: Alexander, M. G.; Beushausen, H.; Dehn, F.; Moyo, P.(Hg.): International Conference on Concrete Repair, Rehabilitation and Retrofitting (ICCRRR2018), Cape Town, South Africa, November 19-21, 2018. MATEC Web of Conferences. LesUlis Cedex A: EDP Sciences. S. 1-8. https: / / doi.org/ 10.1051/ matecconf/ 201819906014 zuletzt geprüft am 29.10.2020 [6] Schnell, J.; Zilch, K.; Dunkelberg, D.; Weber, M. (2016): Sachstandbericht Bauen im Bestand - Teil I: Mechanische Kennwerte historischer Betone, Betonstähle und Spannstähle für die Nachrechnung von bestehenden Bauwerken. DAfStb-Heft 616 [7] Brauer, N. et. al. (2017): Sachstandbericht Bauen im Bestand - Teil II: Bestimmung charakteris- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 409 Druck- und Zugfestigkeit massiver Wasserbauwerke im Bestand - Hintergründe zu Festlegungen im BAWMerkblatt TbW tischer Betondruckfestigkeiten und abgeleiteter Kenngrößen im Bestand. DAfStb-Heft 619 [8] Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand, BMBS Berlin/ Bonn (2011) [9] DBV Merkblatt Bewertung der In-situ-Druckfestigkeit von Beton Deutscher Beton- und Bautechnikverein (DBV), 2016 [10] Bödefeld, J.; Kloé, K. (2013): Management system for infrastructures at waterways. In: Proceedings of the Third International Symposium on Life-Cycle Civil Engineering (IALCCE’12) [11] Rüsch, H. et. al. (1969): Statistische Analyse der Betonfestigkeit. DAfStb-Heft 207 [12] The Concrete Society (2004): In situ strength of concrete. An investigation into the relationship between core strength and standard cube strength. Project Report No. 3 [13] F. S. Rostásy, E.-H. Ranisch (1990): Altersabhängige Beziehung zwischen der Druck- und Zugfestigkeit von Beton im Bauwerk - Bauwerkszugfestigkeit. DAfStb-Heft 408 [14] Petersons, N. (1968): Should standard cube test specimens be replaced by test specimens taken from structures. In: Materials und Structures, 5, S. 425-435 [15] DIN 1048-4: Prüfverfahren für Beton Bestimmung der Druckfestigkeit von Festbeton in Bauwerken und Bauteilen Anwendung von Bezugsgeraden und Auswertung mit besonderen Verfahren. (1991) [16] DIN EN 13791: 2008-05: Bewertung der Druckfestigkeit von Beton in Bauwerken und in Bauwerksteilen; Deutsche Fassung EN 13791: 2007 [17] DIN EN 1990: 2010-12: Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung; Deutsche Fassung EN 1990: 2002 + A1: 2005 + A1: 2005/ AC: 2010 [18] DIN EN 13791: 2020-02: Bewertung der Druckfestigkeit von Beton in Bauwerken und in Bauwerksteilen; Deutsche Fassung EN 13791: 2019
