eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2021
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Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee

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2021
Lars Wolff
Michael Bruns
Die Umschlaganlage Voslapper Groden in Wilhelmshaven ist ein Tiefwasseranleger für den Umschlag von chemischen Produkten. Errichtet wurde die Anlage in den Jahren 1979 bis 1980. Der etwa 2,1 km lange Anleger besteht aus einer 1,3 km langen Transportbrücke zwischen Deich und Anlegerabzweig sowie einer etwa 800 m langen Anlegerbrücke. Die auf Stahlpfählen aufgelagerte Konstruktion besteht aus Stahl- und Spannbetonfertigteilen mit einer Spannweite von bis zu 35 m. Infolge der Exposition im Meerwasser zeigen die Stahlbeton- und Spannbetonbauteile verschiedene, komplexe Schadensbilder, die eine umfangreiche Instandsetzung des Bauwerks erfordern. So weisen eine Vielzahl der Bauteile ausgeprägte Schäden in Form von Rissen und großflächigen Hohllagen infolge Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) auf. Weiterhin haben aus dem Meerwasser stammende Chloride bereits großflächig zu Bewehrungskorrosion geführt. Die beiden für sich gesehen getrennt ablaufenden Schädigungsmechanismen überlagern sich im vorliegenden Fall, so dass im Zuge einer Instandsetzung der betreffenden Stahl- und Spannbetonbauteile beide Schädigungsmechanismen berücksichtigt werden mussten. Im Zuge einer Pilotinstandsetzung in den Jahren 2010 und 2011 wurden erste Teile der Umschlaganlage durch Kombination verschiedener Instandsetzungsprinzipien, u.a. durch Anwendung des Prinzips des kathodischen Korrosionsschutzes (KKS) instandgesetzt. Im Jahr 2019 erfolgten erneut Untersuchungen an den beiden in den Jahren 2010 und 2011 instandgesetzten Bauteilen der Umschlaganlage. Im Zuge dieser Untersuchungen konnten keine neuen Schäden an den instandgesetzten Bauteilen festgestellt werden. Basierend auf diesen Erfahrungen wurde im Jahr 2020 mit der Instandsetzung weiterer Bauteile der Umschlaganlage begonnen.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 419 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Lars Wolff, Michael Bruns Ingenieurbüro Raupach Bruns Wolff, Aachen, Deutschland Zusammenfassung Die Umschlaganlage Voslapper Groden in Wilhelmshaven ist ein Tiefwasseranleger für den Umschlag von chemischen Produkten. Errichtet wurde die Anlage in den Jahren 1979 bis 1980. Der etwa 2,1 km lange Anleger besteht aus einer 1,3 km langen Transportbrücke zwischen Deich und Anlegerabzweig sowie einer etwa 800 m langen Anlegerbrücke. Die auf Stahlpfählen aufgelagerte Konstruktion besteht aus Stahl- und Spannbetonfertigteilen mit einer Spannweite von bis zu 35 m. Infolge der Exposition im Meerwasser zeigen die Stahlbeton- und Spannbetonbauteile verschiedene, komplexe Schadensbilder, die eine umfangreiche Instandsetzung des Bauwerks erfordern. So weisen eine Vielzahl der Bauteile ausgeprägte Schäden in Form von Rissen und großflächigen Hohllagen infolge Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) auf. Weiterhin haben aus dem Meerwasser stammende Chloride bereits großflächig zu Bewehrungskorrosion geführt. Die beiden für sich gesehen getrennt ablaufenden Schädigungsmechanismen überlagern sich im vorliegenden Fall, so dass im Zuge einer Instandsetzung der betreffenden Stahl- und Spannbetonbauteile beide Schädigungsmechanismen berücksichtigt werden mussten. Im Zuge einer Pilotinstandsetzung in den Jahren 2010 und 2011 wurden erste Teile der Umschlaganlage durch Kombination verschiedener Instandsetzungsprinzipien, u.a. durch Anwendung des Prinzips des kathodischen Korrosionsschutzes (KKS) instandgesetzt. Im Jahr 2019 erfolgten erneut Untersuchungen an den beiden in den Jahren 2010 und 2011 instandgesetzten Bauteilen der Umschlaganlage. Im Zuge dieser Untersuchungen konnten keine neuen Schäden an den instandgesetzten Bauteilen festgestellt werden. Basierend auf diesen Erfahrungen wurde im Jahr 2020 mit der Instandsetzung weiterer Bauteile der Umschlaganlage begonnen. 1. Einleitung Die Umschlaganlage Voslapper Groden in Wilhelmshaven ist ein Tiefwasseranleger für den Umschlag von chemischen Produkten. Errichtet wurde die Anlage zwischen 1979 und 1980. Die etwa 2,1 km lange Konstruktion besteht aus einer 1,3 km langen Transportbrücke zwischen Deich und Abzweigbauwerk sowie einer etwa 800 m langen Verbindungsbrücke, welche zu den drei Anlegerbauwerken führt. Die Transportbrücke wiederum besteht aus zwei getrennten parallel verlaufenden Brücken, der Zufahrts- und der Montagebrücke. Die auf Stahlpfählen aufgelagerte Konstruktion besteht aus Stahl- und Spannbetonfertigteilen mit einer Spannweite von bis zu 35 m. Die Gründung erfolgte auf eingerammten Stahlpfählen mit einem Pfahlkopf aus Stahlbeton. Auf diesem Pfahlkopf liegt ein Jochbalken auf, der den Pfahlkopf (im Fall der Verbindungsbrücke) oder die beiden Pfahlköpfe (im Fall der Transportbrücke) ringförmig umschließt. Im Fall der Transportbrücke weisen die Joche einen aufgelösten Querschnitt auf, d.h. zwischen den beiden Pfahlköpfen befindet sich ein nach unten offener kastenförmiger Querschnitt, siehe auch Bild 12. Auf den Jochen liegen die Spannbeton-Überbauteile der Zufahrts-, Montage- und Verbindungsbrücke sowie die Unterkonstruktionen für die Medienleitungen für die Versorgung der naheliegenden chemischen Produktionsanlagen auf. Bild 1 gibt einen Eindruck von der Größe und Konstruktion der Umschlaganlage. 420 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Bild 1: Umschlaganlage Voslapper Groden, Luftbild (oben, Quelle: Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG) und Blick vom Deich auf die Transportbrücke mit Zufahrtsbrücke (rechts im Bild) und Montagebrücke (links im Bild) sowie im Hintergrund die Verbindungsbrücke (unten) Infolge der Exposition im Meerwasser zeigen die Stahlbeton- und Spannbetonbauteile verschiedene komplexe Schadensbilder, die eine umfangreiche Instandsetzung des Bauwerks erfordern. So weisen eine Vielzahl der Bauteile ausgeprägte Rissbilder auf, die u.a. auf Treiberscheinungen des Betons hindeuten. Infolge der unterschiedlichen Konstruktion und Belastung der einzelnen Bauteile, z.B. der Vorspannung des Überbaus, ist die Ausprägung dieser Rissbilder bauteilbezogen jedoch höchst unterschiedlich. Des Weiteren zeigen die Stahl- und Spannbetonbauteile deutlich erhöhte Chloridgehalte sowie eine z.T. bereits fortgeschrittene Bewehrungskorrosion. Infolge der exponierten Lage im Meerwasser und der komplexen, sich z.T. überlagernden Schadensbilder sind die klassischen Instandsetzungsprinzipien, z.B. nach [12], nicht oder nur bedingt anwendbar. 2. Vorgehensweise bei den Bauwerksuntersuchungen Sowohl aufgrund der Größe des Bauwerks mit einer Gesamtlänge von 2,1 km, der unterschiedlichen Konstruktion der Transport- und Verbindungsbrücke, des dazwischen liegenden Abzweigbauwerks und der Anlegerbauwerke sowie der deutlich dreistelligen Gesamtanzahl an Stahl- und Spannbetonfertigteilen ist der Ist-Zustand eines derartigen Bauwerkes nur mit einem abgestuften Untersuchungsprogramm sinnvoll zu erfassen. Erschwerend kommt hinzu, dass einzelne Bauteile, dazu zählen beispielsweise die Innenseiten der Joche der Transportbrücke zwischen den beiden Pfahlköpfen oder die Anlegerbauwerke, nicht mit einem Brückenuntersichtgerät, sondern nur mit Hilfe sehr aufwändiger Hängegerüste vollflächig untersucht werden können. Bei widrigen Witterungsbedingungen mit starkem Wind und hohem Wellengang besteht hier stets die Gefahr, dass Teile des Gerüstes durch Wellenschlag zerstört werden, so dass derartige Untersuchungen nur in Jahreszeiten mit einer geringen Sturmwahrscheinlichkeit durchgeführt werden können. Zur Untersuchung des Ist-Zustandes der Umschlaganlage Voslapper Groden als Basis für die Erarbeitung von Instandsetzungskonzepten wurde ein abgestuftes Untersuchungsprogramm erarbeitet. Hierbei wurden bestimmte Bauteilgruppen, dazu zählen beispielsweise die Joche als Unterkonstruktion, sehr ausführlich untersucht, während andere Bauteilgruppen exemplarisch untersucht wurden und der Zustand nur visuell untersuchter Bauteile anhand der umfassend untersuchten Bauteile abgeschätzt wurde. In einem ersten Schritt erfolgten zunächst intensive Begehungen der Umschlaganlage, sowohl auf der Oberseite, als auch mittels der unterhalb der Zufahrts- und Verbindungsbrücke verlaufenden Kontrollgänge, siehe Bild 2 links. Durch eine Befahrung mittels Schiff, welche unmittelbar unter der Brücke aufgrund der starken Gezeitenströmung nur in einem engen Zeitfenster von etwa einer Stunde bei Hoch- oder bei Niedrigwasser durchgeführt werden kann, konnte zudem ein Eindruck vom Zustand der Untersicht der Joche, der Anlegerbauwerke oder des Abzweigbauwerks zwischen Transport- und Verbindungsbrücke gewonnen werden, siehe auch Bild 2 unten. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 421 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Bild 2: Beispiel für den unterhalb der Brücken verlaufenden Kontrollgang (oben), Ansicht einer der Anlegerplattformen vom Schiff aus (unten) Nach dieser Begehung wurden für ein erstes fünftägiges Untersuchungsprogramm insgesamt vier Joche der Transport- und Verbindungsbrücke ausgesucht, die mittels Hängegerüst handnah untersucht werden konnten. Bei diesen Jochen war von außen visuell erkennbar ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Schadensbild vorhanden. Ergänzend wurden stichpunktartig direkt zugängliche Bauteile, wie z.B. die auflagernahen Bereiche einzelner Spannbeton-Überbauteile sowie kleine Teilflächen der Anlegerbauwerke untersucht. Ein wesentlicher Schwerpunkt dieser Untersuchungen war der Nachweis einer AKR u.a. mit den in diesem Beitrag beschriebenen Bauwerks- und Laboruntersuchungen. Auch wurde in Teilflächen eine Potentialfeldmessung mit ergänzender Bestimmung von Chloridtiefenprofilen und Inspektionsöffnungen durchgeführt. Parallel erfolgte eine Auswertung der vorliegenden Unterlagen, wie z.B. den Bautagebüchern, Informationen bzw. Eignungsprüfungen zu den in der Bauzeit verwendeten Baustoffen, Ergebnissen aus Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 [15] sowie bereits erfolgter Instandsetzungsmaßnahmen einzelner Bauteile. Vor allem die detaillierte Auswertung der vorliegenden Ergebnisse aus Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 [15] erlaubte eine Bewertung der bisherigen Schadensentwicklung, z.B. die Zunahme von Rissen bei einzelnen Bauteilgruppen. Auch konnte anhand der Bautagebücher sowie des visuell bei einigen Bauteilen vorhandenen höchst unterschiedlich ausgeprägten Schadensbildes eine Zeitspanne in der Bauphase festgestellt werden, in der vermutlich Abweichungen in der Ausführung bei Erstellung der Spannbeton-Überbauteile auftraten, da Bauteile aus dieser Zeitspanne unabhängig von der Lage am Bauwerk ein deutlich ausgeprägteres Schadensbzw. Rissbild zeigten als andere Bauteile. Nach Abschluss dieses ersten Untersuchungsprogramms war es möglich, die wesentlichen Ursachen der umfangreichen Schadensbilder bauteilbezogen zu erfassen sowie die Vielzahl an unterschiedlichen Rissbildern verschiedenen Ursachen und begleitenden Faktoren zuzuordnen. Auch konnte anhand dieses ersten Untersuchungsprogramms ein erster überschläglicher Instandsetzungsaufwand abgeschätzt und dem Bauherrn vorgestellt werden. Für das weitere Vorgehen war in Rücksprache mit dem Bauherrn zunächst abzuklären, welche Anforderungen der Bauherr an die weitere Nutzungsdauer des Bauwerks stellt, um die möglichen Optionen bei Erarbeitung des Instandsetzungskonzeptes berücksichtigen zu können. Um die angestrebte Nutzungsdauer zu erreichen, stehen nach DIN EN 1504-9 [16] grundsätzlich folgende Optionen zur Verfügung: a. keine Maßnahmen für eine bestimmte Zeitdauer, jedoch Überwachung des Bauwerks; b. erneuter Nachweis der Tragfähigkeit, der möglicherweise zu einer reduzierten Einstufung der Funktionstüchtigkeit des Betontragwerks führt c. cVermeidung oder Verminderung einer weiteren Verschlechterung des Zustandes des Tragwerks; d. vollständige oder teilweise Verstärkung oder Instandsetzung und Schutz des Betontragwerks; e. vollständige oder teilweise Rekonstruktion oder Austausch des Betontragwerks; f. vollständiger oder teilweiser Abriss des Betontragwerks. Seitens des Bauherrn wurde die Option d) der vorgenannten Optionen gewählt. In einem zweiten wesentlich umfangreicheren sechswöchigen Untersuchungsprogramm wurden alle Joche der Transport- und Verbindungsbrücke umfassend untersucht, da diese aufgrund der direkten Nähe zum Meerwasser eine deutlich größere Schädigung infolge AKR sowie chloridinduzierter Korrosion aufwiesen als die darüber angeordneten Spannbeton-Überbauteile. Die Untersuchung erfolgte parallel mittels Brückenuntersichtgerät sowie Hängegerüsten, die im Fortschritt der Untersuchungen von Joch zu Joch umgehängt wurden. Im Rahmen dieses Untersuchungsprogramm erfolgten 422 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee u.a. vollflächige Potentialfeldmessungen, begleitet von Schadenskartierungen und ergänzenden Bohrkernentnahmen. An den entnommenen Bohrkernen wurden u.a. die Druckfestigkeiten des Bauwerksbetons als auch weitere Bestimmungen des AKR-bedingten Resttreibpotentials vorgenommen. Im Rahmen ergänzender Untersuchungsprogramme erfolgten zudem ergänzende Untersuchungen direkt zugänglicher Bauteile, z.B. eine flächige Potentialfeldmessung der Fahrbahn der Zufahrtsbrücke. 3. Beschreibung der Bauwerksuntersuchungen 3.1 Allgemeines Zur Bestimmung der Schadensursachen sowie als Grundlage zur Entwicklung geeigneter Instandsetzungskonzepte wurden durch das Ingenieurbüro Raupach Bruns Wolff in Kooperation mit dem Institut für Bauforschung der Aachen University, ibac, umfangreiche Bauwerks- und Laboruntersuchungen durchgeführt. Zu den Bauwerksuntersuchungen zählten unter anderem: - Risskartierung an Spannbetonträgern der Transport- und Verbindungsbrücke - Schadenskartierung der Joche der Transport- und Verbindungsbrücke - Exemplarische Bestimmungen der Betondeckung - Potentialfeldmessungen - Bestimmung von Chloridtiefenprofilen - Anlegen von Inspektionsöffnungen zur Bestimmung des Korrosionszustands der Bewehrung - Entnahme von Bohrkernen zur weitergehenden Untersuchung im Labor In anschließenden Laboruntersuchungen wurden im Wesentlichen die Ursachen und Auswirkungen der am Objekt vorhandenen Rissbildungen bestimmt. Hierzu zählten im Einzelnen: - Licht- und Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen an Bauwerksproben und Dünnschliffen zur Klärung des Vorhandenseins sowie der Ursachen von Treiberscheinungen - Bestimmung des Resttreibpotentials infolge einer Alkali-Kieselsäurereaktion AKR sowohl ohne als auch mit einer zusätzlichen Alkalizufuhr von außen - Bestimmung der Betondruckfestigkeit vor und nach Bestimmung des Resttreibpotentials 3.2 Erfassung und Kartierung bauteiltypischer Rissbilder Das Bauwerk zeigt verschiedene bauteilspezifische Rissbilder, deren wesentliche Ursachen sowohl konstruktiver Art, herstellungsbedingt als auch Folge von Treiberscheinungen im Beton sind. So weisen die Spannbeton-Überbauteile der Fahrbahnen vor allem im Bereich der Endverankerungen der Spannglieder Rissverläufe auf, die etwa den Drucktrajektorien des Bauteils folgen. Innerhalb des Druckbogens der Träger hingegen sind kaum Rissbildungen vorhanden. Bild 3: Spannbeton-Überbauteil der Transportbrücke, Rissbildung im Bereich der Endverankerung der Spannglieder (oben) und netzförmige Risse im Bereich der Kappen (unten) Genauere Untersuchungen dieser Bauteile zeigten unter anderem, dass die im Bereich der Endverankerungen vorhandenen Rissbilder auf eine Überlagerung verschiedener Ursachen zurückzuführen sind. Dazu zählen u.a.: • Fehlerhafte Bewehrungsführung, vor allem bzgl. der Verbügelung der Trägerenden • Unzureichender Bewehrungsgrad der Spaltzugbewehrung • AKR-bedingte Rissbildung im nicht durch die Vorspannung überdrückten Bereich des Betons 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 423 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Exemplarische Bauteilöffnungen im Bereich der Endverankerungen zeigten, dass hier entgegen den Vorgaben der Bewehrungspläne keine Verbügelung der Trägerenden vorhanden ist. Diese fehlende Verbügelung ist vor allem für die parallel zu den Trägerenden verlaufenden Risse verantwortlich. Die Tatsache, dass in den Kappen im Bereich der Trägerenden verstärkt netzförmige Risse vorhanden sind, nicht jedoch innerhalb des Druckbogens, zeigt, dass das Auftreten AKR-bedingter Treiberscheinungen durch die Vorspannung überlagert wird. So ist bekannt, dass durch AKR entstehende Spannungen durch Druckspannungen im Bauteil, z.B. durch die im vorliegenden Fall vorhandene Vorspannung, effektiv überdrückt werden können. Eine schädigende Rissbildung tritt, je nach Bauteilgeometrie, Reaktionsrate der AKR sowie Größe der vorhandenen Druckspannungen somit nur in geringerem Maße oder im Extremfall gar nicht zu Tage. Die Größe der für eine Inhibierung der AKR erforderlichen Druckspannungen im Beton wird in [1] mit etwa 3 bis 10 N/ mm² angegeben. In [2] wird in Versuchen eine signifikante Abnahme der Dehnungen bei Druckspannungen größer als etwa 10 N/ mm² gezeigt. Die Jochbalken der Transportbrücke sowie der Anlegerbauwerke weisen vor allem im Bereich der Auflagerung auf den Pfahlköpfen konstruktionsbedingte, im Wesentlichen vertikal verlaufende Risse, z.T. aber auch netzförmige Risse auf, siehe Bild 4. Auch in diesem Fall liegt eine Überlagerung konstruktionsbedingter Ursachen mit AKR-bedingten Treiberscheinungen, verstärkt durch die bestehende Art der Entwässerung rund um die Pfahlköpfe, vor. So weisen die Joche, je nach Typ, ein bis zwei konusförmige Aussparungen auf, welche auf den Pfahlköpfen aufliegen. Der Ringspalt zwischen Joch und Pfahlkopf ist nicht verschlossen, so dass zwischen den Überbauteilen herablaufendes Wasser in diesen Ringspalt eindringt und damit die Joche im Bereich der Pfahlköpfe praktisch dauerhaft wassergesättigt sind. Erkennbar wird dies u.a. an wasserführenden Rissen auf den an die Pfahlköpfe angrenzenden Innenseiten der Joche, siehe Bild 5. Bild 4: Bereiche netzförmiger Risse (Schraffierung) im Bereich der Pfahlköpfe; Joch der Transportbrücke (oben) sowie Joch eines Anlegerbauwerks (unten) Der erhebliche Einfluss dieser Wassersättigung auf den Schädigungsgrad des Betons infolge AKR wurde auch beim Vergleich der unterschiedlich exponierten Bereiche innerhalb eines Bauteiltyps, z.B. der Joche, oder zwischen unterschiedlichen Bauteilen deutlich. So wurden Hohllagen im Beton, welche im Wesentlichen auf eine AKR zurückgeführt werden können (vergleiche Kapitel 3 sowie Bild 11), nahezu ausschließlich auf den Innenseiten der Joche der Transportbrücke gefunden. Hier liegen aufgrund der unmittelbaren Lage über dem Wasser und dem nach oben geschlossenen Querschnitt dauerhaft hohe Luftfeuchten vor, so dass die Innenwände dieser Joche praktisch dauerhaft wassergesättigt sind, auch wenn diese nicht direkt wasserbeaufschlagt werden. Auf den Außenseiten der Joche hingegen wurden netzförmige Risse u.a. als Anzeichen einer AKR vorwiegend im Bereich rund um die Pfahlköpfe festgestellt. Hier liegt aufgrund der beschriebenen Konstruktion ebenfalls eine hohe Wassersättigung des Betons vor. 424 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Bild 5: Ursache der Wasserführung in den bauteilspezifischen typischen Trennrissen der Joche im Bereich der Pfahlköpfe: Aufstehendes Wasser auf einem Joch im Bereich des Ringspaltes zwischen Joch und Pfahlkopf (oben) und Ablauffahnen im Bereich von Rissen auf der an einen Pfahlkopf angrenzenden Innenwand eines Joches (unten) Andere Bereiche hingegen, wie z.B. die Flügelwände der Joche, welche zwar direkt beregnet werden aber auch infolge Wind und Sonneneinstrahlung trocknen können, waren lange Zeit weitgehend frei von AKR-typischen Schadensbildern. Hier traten nennenswerte Schäden erst deutlich später auf. 3.3 Untersuchungen zum Korrosionszustand der Bewehrung Zur Lokalisierung im Hinblick auf Bewehrungskorrosion kritischer Bereiche wurde zunächst eine Potentialfeldmessung der Joche, der Seitenflächen einzelner Spannbeton-Überbauteile sowie der Zufahrtsbrücke im Bereich der Fahrbahn durchgeführt. Während im Bereich der untersuchten Spannbeton-Überbauteile lediglich lokal Hinweise auf eine korrosionsaktive Bewehrung gefunden wurden, zeigte sich im Bereich der Joche ein wesentlich differenzierteres Bild. Ergänzend zu Potentialfeldmessungen an allen Jochen erfolgte eine Kartierung von Schadstellen. Im folgenden Bild 6 ist die Potentialfeldmessung an der Außenseite eines Joches beispielhaft dargestellt. Bild 6: Potentialfeldmessung an der Außenseite eines Jochs vom Brückenuntersichtgerät aus Ausführliche Informationen zur Auswertung der Potentialfeldmessungen im vorliegenden Fall sind in [8] enthalten. Vor allem aufgrund der lokal sehr unterschiedlichen Wassersättigung in Teilbereichen der Joche und damit verbundener Belüftungsunterschiede waren im Zuge der Auswertung der Potentialfeldmessungen besondere Überlegungen erforderlich, um Fehlinterpretationen der gemessenen Potentiale zu vermeiden. Hier bestätigte sich einmal mehr, dass feste Potentialgrenzwerte bei Auswertung von Potentialfeldern nicht existieren. Weitere Informationen zu diesem Thema finden sich z.B. auch in [3] bis [5]. Im vorliegenden Fall konnten objektbezogene Potentialgrenzen, ab denen mit hoher Wahrscheinlichkeit von korrodierender Bewehrung auszugehen ist, vor allem durch ergänzende Bauteilöffnungen bestätigt werden. Bei den Jochen wurden auf Basis der beschriebenen Vorgehensweise Potentialwerte, bei denen von einer sehr hohen Korrosionswahrscheinlichkeit auszugehen ist, von -400 bis -450 mV CSE ermittelt. Inspektionsöffnungen im Bereich von Potentialen kleiner -450 mV CSE zeigten an allen angelegten Inspektionsöffnungen Korrosionserscheinungen der freigelegten Bewehrung. Die Auswertung der Potentialfelder vor dem Hintergrund 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 425 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee der Festlegung des erforderlichen Instandsetzungsaufwandes erfolgte unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Inspektionsöffnungen, des Vorhandenseins von Potentialgradienten in den Potentialfeldern, den bestimmten Chloridtiefenprofilen, der Exposition der Bauwerksteile sowie vorhandener Schadensbilder wie z.B. Risse oder Hohllagen. Beispiele für zwei deutlich unterschiedliche Potentialfelder zweier nahe beieinander liegender Joche sind in Bild 7 gegeben. Bild 7: Vergleich der Potentialbilder von zwei nahe beieinander liegenden Jochen der Transportbrücke mit deutlich unterschiedlich ausgeprägten Potentialverteilungen 4. Untersuchungen zur Bewertung der Schädigung infolge AKR 4.1 Allgemeines Die so genannte Alkali-Silika-Reaktion AKR beschreibt die Reaktion von Gesteinskörnungen, die alkalilösliche Kieselsäure enthalten, mit Alkalihydroxid der Porenlösung des Betons. Die Alkalien, vornehmlich Natrium, stammen entweder aus dem Zement oder dringen infolge der Exposition von außen in den Beton ein (z.B. Tausalze im Straßenbau, Salze aus Meerwasser). Gesteinskörnungen gelten nach [6] dann als alkaliempfindlich, wenn sie diese reaktionsfähige amorphe und wasserhaltige Modifikationen der Kieselsäure enthalten. Grundsätzlich kann eine AKR bei allen SiO 2 -haltigen Gesteinskörnungen ablaufen. I.d.R. sind die Reaktionsraten sowie die gebildeten Gelmengen jedoch so klein, dass keine Schäden auftreten. Als kritisch im Hinblick auf eine schädigende AKR gelten nach [7] alle amorphen, kryptokristallinen und gittergestörten SiO 2 -Minerale. In [6], [7] und [8] werden u.a. folgende Gesteinsarten genannt: • Opalsandsteine (Opal. Chrisobalit) • Kieselkreide, Kieselkalke (Chalcedon, kryptokristalliner Quarz) • Obsidian (vulkanisches Glas) • Gebrochene Grauwacken • Gebrochener Kies des Oberrheins • Silikathaltiger dolomitischer Kalkstein • Gläser • Gebrochener Quarzporphyr (Rhyolith) • Rezyklierte Gesteinskörnungen; Die an der Umschlaganlage Voslapper Groden u.a. verwendeten Gesteinsvarietäten, Grauwacken sowie Porphyre, sind somit grundsätzlich als AKR-gefährdet einzustufen. Des Weiteren sind offensichtlich im verwendeten Jadesand Kieselkalke, d.h. Kalksteine mit einem eingelagerten Anteil an überwiegend mikrokristallinem SiO 2 vorhanden, die laut vorgenannter Aufstellung ebenfalls AKR-gefährdet sein können. Bevorzugt findet die AKR bei Temperaturen zwischen 10 bis 40 °C und hoher Wassersättigung des Betons statt. Meerwasserbauwerke unterliegen somit infolge der i.d.R. dauerhaft hohen Wassersättigung des Konstruktionsbetons sowie der stetigen Alkalizufuhr aus dem Meerwasser einem deutlich höheren Risiko einer AKR als Bauwerke in anderen Expositionen. Die AKR verläuft je nach Gesteinsvarietät sowie klimatischen Randbedingungen unterschiedlich schnell. So können erste Schäden an Bauwerken sowohl bereits nach wenigen Monaten bis 2 Jahren als auch erst nach mehr als 20 bis 30 Jahren auftreten. Nach [7] kann die AKR in drei Reaktionstypen eingeteilt werden: • Alkali-Silika-Reaktion • Alkali-Silikat-Reaktion • Alkali-Carbonat-Reaktion Die häufigste Reaktion ist die Alkali-Silika-Reaktion. So reagiert bei dieser Reaktion amorphe Kieselsäure, ausgehend von der Oberfläche eines Gesteinskorns, sehr schnell mit der alkalischen Betonporenlösung. 426 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Die Folge sind eine starke Gelbildung sowie hohe Treibraten, die bereits nach wenigen Jahren zu umfangreichen Schäden der Bauteilstruktur führen können [9]. Bei der Alkali-Silikat-Reaktion hingegen dringen Alkalien vornehmlich über Mikrorisse in das Gesteinskorn ein, wobei geringe Gelmengen gebildet werden. Mit der Zeit wird das Gesteinskorn entlang dieser vorgeprägten Schwächezonen durch die Gelbildung aufgesprengt, die Risse setzen sich in der Betonmatrix fort. Der Schadensverlauf ist gegenüber der klassischen AKR i.d.R. deutlich langsamer. Typischerweise tritt dieses Schadensbild bei Grauwacken, Quarzporphyren oder auch gebrochenen quarzitischen Zuschlägen auf [9]. Ein Schema dieser beiden Schadensformen der AKR nach [9] ist im folgenden Bild 8 gezeigt. Bild 8: Ablaufschema der Alkali-Kieselsäure-Reaktion oder Alkali-Silikat-Reaktion bei verschiedenen Gesteinstypen nach [9] Die dritte Variante der AKR, die Alkali-Carbonat-Reaktion hingegen ist eher selten und in ihren Reaktionsmechanismen sowohl weitgehend unbekannt als auch umstritten [7]. Äußerlich kann sich eine AKR sowohl in Form von einer großflächigen Zerstörung des Gefüges, z.B. in Form von Rissbildungen, Schalenbildungen etc. als auch lokal in Form so genannter „Pop-Outs“ äußern. Ein Beispiel eines solchen „Pop-Outs“ an einem Joch der Umschlaganlage Voslapper Groden ist im folgenden Bild 9 gezeigt. Bild 9: „Pop-Out“ infolge AKR-bedingter Umwandlung eines oberflächennahen, kleinen Gesteinskorns an einem Joch der Umschlaganlage 4.2 Laboruntersuchungen zum Nachweis einer AKR Neben den in Bild 9 dargestellten, am Objekt vorhandenen „Pop-Outs“ zeigten auch die entnommenen Bohrkerne klare Hinweise auf Gefügeschädigungen infolge AKR. So wiesen einige der entnommenen Bohrkerne nicht nur quer zur Oberfläche sondern auch parallel zur Oberfläche verlaufende Schalenrisse auf, die sich am Bauteil i.d.R. akustisch durch Abklopfen mit einem Hammer bereits als Hohllage wahrnehmen ließen. Ein vergleichbares Rissbild wie das in den folgenden beiden Bildern wurde auch am Eidersperrwerk an entnommenen Bohrkernen festgestellt [10]. Auch in [11] wird eine parallel zur Oberfläche verlaufende Rissbildung in Form von Schalenrissen als ein typischer Hinweis auf eine Schädigung infolge AKR angesehen. Bild 10: Beispiele für Bohrkerne mit Schalenrissen parallel zur Bauteiloberfläche (Quelle: Institut für Bauforschung der Aachen University, ibac) Im Anschluss an die visuelle Untersuchung der Bohrkerne erfolgte eine Untersuchung der Bohrkerne am Lichtmikroskop. In diesen Untersuchungen wurde zum Teil eine nahezu vollständige Umwandlung kleiner Gesteinskörnungen infolge AKR festgestellt, de- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 427 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee ren Herkunft vermutlich der zur Herstellung der Betonbauteile verwendete Jadesand in der Körnung 0 bis 2 mm ist. Auch lichtmikroskopische Untersuchungen an Dünnschliffen sowie Untersuchungen am Rasterelektronenmikroskop zeigten Gefügestörungen infolge AKR. So wurden auch an den Dünnschliffen Risse an den groben Gesteinskörnungen festgestellt, die sich in der Matrix fortsetzen. Eine signifikante Gelbildung wurde nicht festgestellt, da im vorliegenden Fall offenbar in erster Linie eine Alkali-Silikat-Reaktion abläuft. Lediglich bei kleinen Gesteinskörnungen aus dem Jadesand spielte auch eine Alkali-Silika-Reaktion eine Rolle. Wesentlich für die Bewertung der zukünftig zu erwartenden AKR-bedingten Dehnungen sowie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der Instandsetzung ist das anhand von Lagerungsversuchen an Bohrkernen ermittelte Resttreibpotential des Betons (vgl. z.B. [10] oder [13]). Durchgeführt wurde ein zweistufiges Verfahren. Zunächst erfolgte eine konstante Lagerung bei 60 °C über Wasser. Anschließend erfolgte ein zyklisches Verfahren mit einer Alkalizufuhr von außen. Details zu den durchgeführten Lagerungsversuchen können u.a. [17] entnommen werden. Die Ergebnisse zeigten hinsichtlich der Lagerungsbedingungen signifikante Unterschiede. Bei der konstanten Lagerung bei 60 °C über Wasser wurde lediglich bei einigen Bohrkernen eine gewisse Zunahme der Dehnungen infolge der erhöhten Feuchte- und Temperaturverhältnisse beobachtet. Bei der zyklischen Lagerung mit Alkalizufuhr hingegen zeigten alle Bohrkerne eine unterschiedlich stark ausgeprägte Zunahme der Maximaldehnungen. So erreichen einzelne Bohrkerne aus den Jochen Gesamtdehnungen von bis etwa 3 mm/ m und mehr. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen beispielsweise auch Seyfarth und Giebson [13] oder Breitenbücher und Sievering [14]. Auch in ihren Versuchen nahm die Dehnung unter einer äußeren Alkalizufuhr z.T. um den Faktor 3 bis 4 gegenüber einer alkalifreien Lagerung zu. 4.3 Instandsetzungskonzept Basierend auf den durchgeführten Bauwerksuntersuchungen wurde in einem ersten Schritt bauteilbezogen für jedes Joch bzw. deren Teilflächen der Instandsetzungsbedarf erarbeitet. Da eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Instandsetzung eine zielgerichtete Entwässerung ist, wurde parallel die Wasserführung bzw. Wasserableitung von Niederschlagswasser von den Verkehrsflächen der Umschlaganlage geändert. Zur Vermeidung einer chloridinduzierten Korrosion stehen dem Planer gemäß RL SIB [12] mehrere Verfahren, wie z.B. R-Cl, W-Cl oder K bzw. Kathodischer Korrosionsschutz KKS zur Verfügung. Die Instandsetzung durch AKR geschädigter Bauteile ist grundsätzlich nur durch Trockenlegung der Konstruktion, nicht selten sogar nur durch einen partiellen Austausch des AKR-geschädigten Betons möglich. Bei Meerwasserbauten ist die Trockenlegung aufgrund der Exposition grundsätzlich kritisch, häufig sogar unmöglich. Wesentliches Kriterium für die Bewertung geeigneter Instandsetzungskonzepte ist die Ermittlung des Resttreibpotentials der Gesteinskörnungen infolge AKR. Ist praktisch kein weiteres Treibpotential vorhanden, kann eine Instandsetzung dauerhaften Erfolg haben, ohne dass mit weiteren Rissbildungen und zunehmenden Festigkeitseinbußen gerechnet werden muss. Bei einem weiterhin vorhandenen Resttreibpotential hingegen ist i.d.R. auch nach Instandsetzung dauerhaft von einem erhöhten Instandhaltungsaufwand sowie ggf. Nutzungseinschränkungen auszugehen (Reduktion der Verkehrslast etc.). Zur Klärung der Umsetzbarkeit der erarbeiteten Instandsetzungskonzepte wurden im Rahmen einer Probeinstandsetzung in den Jahren 2010 und 2011 zwei hinsichtlich des Schädigungsgrades höchst unterschiedliche Joche ausgewählt. Bei diesen Jochen wurde das zuvor erarbeitete Instandsetzungskonzept umgesetzt. Dieses Instandsetzungskonzept sah für die beiden Joche teilflächenbezogen die Instandsetzungsprinzipien R-Cl sowie den Kathodischen Korrosionsschutz vor. Die Wahl geeigneter Instandsetzungskonzepte für die Teilflächen erfolgte anhand der zuvor beschriebenen Bauwerks- und Laboruntersuchungen. So wurden die Innenwände beider Joche mittels Prinzip R-Cl instandgesetzt. Für die Außenflächen wurde in Teilflächen ein KKS-System installiert, z.T. war aufgrund der geringen Korrosionswahrscheinlichkeit und praktisch nicht vorhandenen Vorschädigung die Applikation eines Oberflächenschutzsystems ausreichend. Im Bild 11 sind beispielhaft Teilflächen eines Joches nach Betonabtrag mittels HDW-Handlanze dargestellt. Die Reprofilierung der HDW-gestrahlten Flächen erfolgte mit einem Spritzmörtel gemäß der damals geltenden Ausgabe 2004 der ZTV-W LB 219 [18] in Verbindung mit dem BAW-Merkblatt „Spritzmörtel/ Spritzbeton nach ZTV-W LB 219 [19]. Allerdings wurde in Absprache mit dem Produkthersteller ein Austausch des Zementes gegen einen NA-Zement vorgenommen. Als Anoden für die Außenwandflächen kam ein KKS-System mit in Schlitzen angeordneten Ti/ MMO-Bandanoden zum Einsatz. Abschließend wurde vollflächig an den Innen- und Außenseiten der Joche ein Oberflächenschutzsystem der Klasse OS 5b (Polymer-Zementschlämme) nach RL SIB [12] aufgetragen. 428 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee Bild 11: Teilflächen eines Jochs nach begonnenem Betonabtrag mittels HDW-Handlanze; Untersicht des Jochs im Bereich eines Pfahlkopfes (oben) sowie Innenwand zwischen zwei Pfahlköpfen (unten) Die Probeinstandsetzung der beiden Joche wurde im Jahr 2011 abgeschlossen. 5. Bauwerksuntersuchungen im Jahr 2019 Etwa 9 Jahre nach Abschluss der Probeinstandsetzung wurde eines der beiden in den Jahren 2010/ 2011 instandgesetzten Joche erneut handnah untersucht. Bei diesem Joch lagen im Jahr 2010 vor Beginn der Instandsetzung bereits große oberflächenparallele Hohllagen an den Innenseiten der Wände vor, zudem waren lokal auch bereits nennenswerte korrosionsbedingte Querschnittsverluste vorhanden. Dieses Joch war zum Zeitpunkt der damaligen Bauwerksuntersuchungen als ein besonders stark geschädigtes Joch eingestuft worden. Für die Untersuchung im Jahr 2019 wurde das Joch teilweise eingerüstet, um vor allem den innenliegenden Bereich zwischen den beiden Pfahlköpfen vollflächig untersuchen zu können. Bild 12 zeigt diesen Bereich im Jahr 2019. Bild 12: Mittlerer Bereich eines der im Jahr 2010/ 2011 instandgesetzten Joche im Jahr 2019 Im Zuge der handnahen Untersuchungen wurden keine erneut aufgetretenen Hohllagen festgestellt. Lediglich vereinzelt zeigten sich kleine Aussinterungen im Bereich von an die Pfahlköpfe angrenzenden Wandflächen sowie lokal einzelne kleinflächige Beschädigungen des OS 5b Systems. Auch bei dem zweiten Joch, welches im Jahr 2019 allerdings nicht handnah untersucht wurde, zeigten sich von einem Brückenuntersichtgerät keine Hinweise auf erneut aufgetretene Schäden. 6. Geplante Instandsetzungsmaßnahmen Seitens des Bauherrn wurde das Ende der Restnutzungsdauer der Umschlaganlage auf das Jahr 2042 festgelegt. Vor Beginn der Planung der Instandsetzungsmaßnahmen erfolgte eine Nachrechnung der gesamten Umschlaganlage entsprechend der aktuell gültigen Normen unter Berücksichtigung der durch die fortlaufenden Bauwerksprüfungen festgestellten Schäden sowie der Ist-Lasten und der geplanten zusätzlichen Lasten für einen Umschlag von Flüssiggas (LNG). Die Nachrechnung erfolgte u.a. unter Berücksichtigung der Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie) der BASt. Die Durchführung der Nachrechnung erfolgte durch die Curbach Bösche Ingenieurpartner Beratende Ingenieure PartG mbB. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit den beiden im Zuge einer Probeinstandsetzung instandgesetzten Joche wurde beschlossen, nun auch die Instandsetzung weiterer Joche nach dem gleichen Prinzip vorzunehmen. Aufgrund der fortgeschrittenen Schädigungen wurde allerdings das Prinzip W-Cl nach RL SIB [12], d.h. das alleinige Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems, an den Außenwandflächen nicht mehr angewendet, sondern nur noch die Instandsetzungsprinzipien R-Cl und KKS. Zudem wurde im Zuge der Planung der Instandsetzung vorgesehen, nennenswert korrosionsgeschädigte Bewehrung aufgrund des mit dem korrosionsbedingten Quer- 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 429 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee schnittsverlust einhergehenden Verlusts an Duktilität zu ersetzen. Basierend auf den Ergebnissen der Ist-Zustandserfassung und den nachfolgenden Bauwerksprüfungen wurden in einem ersten Schritt besonders stark geschädigte Joche für eine Instandsetzung ausgewählt. In den kommenden Jahren sollen entsprechend ihres Ist-Zustandes weitere Joche folgen. 7. Zusammenfassung und Ausblick Die Komplexität bei der Bewertung von Schäden an Offshore-Bauten wurde anhand der Umschlaganlage Voslapper Groden in der Nordsee beschrieben. So beeinflussen die Konstruktion, die verwendeten Baustoffe, die Bauausführung sowie die Exposition die einzelnen Schädigungsmechanismen erheblich. Dieser Umstand erschwert die Auswahl geeigneter Instandsetzungskonzepte, da es durchaus sein kann, dass ein Instandsetzungsprinzip zwar einen Schädigungsmechanismus stoppen, einen anderen jedoch verstärken kann. Auf Basis von Probeinstandsetzungen von zwei Jochen und der bislang positiven Erfahrungen über einen Zeitraum von 9 Jahren wurde im Jahr 2020 mit der Instandsetzung weiterer Joche begonnen. Nach und nach sollen nun sämtliche besonders stark geschädigten Joche der einzelnen Brücken sowie der Flächenbauwerke nach einem vergleichbaren Schema instandgesetzt werden. In Abhängigkeit des höchst unterschiedlichen Schädigungsgrades sind hier lokal jeweils bauteilspezifische Anpassungen erforderlich. Dies betrifft beispielsweise die bauteilflächenbezogene Auswahl der jeweils anzuwendenden Instandsetzungsprinzipien. Literaturverzeichnis [1] Herrador, M.F. ; Martinez-Abella, F. ; Rabunal Dopicp, J.R.: Experimental Evaluation of Expansive Behavior of an Old-Aged ASR-Affected Dam Concrete: Methodology and Application. In: Materials and Structures (RILEM) 41 (2008), Nr. 1, S. 173- 188 [2] Multon, S. ; Toutlemonde, F.: Effect of Applied Stresses on Alkali-Silica Reaction-Induced Expansions. In: Cement and Concrete Research 36 (2006), Nr. 5, S. 912-920 [3] RILEM TC 154-EMC ; Elsener, B. ; Andrade, C. ; Gulikers, J. ; Raupach, M.: Half-Cell Potential Measurements - Potential Mapping on Reinforced Concrete Structures. 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Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Erfahrungen bei der Instandsetzung einer durch Alkali-Kieselsäurereaktion und chloridinduzierte Korrosion geschädigte Anlegerbrücke in der Nordsee [18] ZTV-W LB 219: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219). Ausgabe 2004 [19] BAW-Merkblatt „Spritzmörtel/ Spritzbeton nach ZTV-W LB 219, Abschnitt 5“ Ausgabe 2005. Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe.