Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Mit neuem Prüfverfahren (PAT) und innovativen Rohstoffen - der Weg zu beständigeren Parkhaus-Verschleißschichten
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Sandro La Spina
Stefan Kühner
Thomas Pusel
Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonkonstruktionen wird in befahrenen Bauwerken wie Parkhäusern oder Tiefgaragen durch Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) sichergestellt. Immer wieder wird in der Baubranche über die Lebensdauer dieser Parkhausbeschichtungen diskutiert.
Üblicherweise sind die klimatischen Bedingungen während der Applikation und der Aushärtung in der Praxis näher am kritischen Bereich als an den konstanten Laborbedingungen, die während einer OS Prüfung vorherrschen. Hohe Luftfeuchtigkeit greift chemisch in die Vernetzung von Polyurethansystemen ein und verändert folglich deren mechanische Eigenschaften.
Durch den Einsatz von innovativen Rohstoffen in der Polyurethantechnologie konnte nun die Feuchtigkeitstoleranz der Verschleißschicht erhöht werden. Das Wasser aus der Luftfeuchtigkeit wird gezielt bei der Aushärtungsreaktion umgesetzt. Damit wird die mechanische Beständigkeit vor allem von bei tiefen Temperaturen und hohen Luftfeuchtigkeit applizierten Beschichtungen verbessert.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 515 Mit neuem Prüfverfahren (PAT) und innovativen Rohstoffen - der Weg zu beständigeren Parkhaus-Verschleißschichten Sandro La Spina Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Dr. Stefan Kühner Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Dr. Thomas Pusel Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonkonstruktionen wird in befahrenen Bauwerken wie Parkhäusern oder Tiefgaragen durch Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) sichergestellt. Immer wieder wird in der Baubranche über die Lebensdauer dieser Parkhausbeschichtungen diskutiert. Üblicherweise sind die klimatischen Bedingungen während der Applikation und der Aushärtung in der Praxis näher am kritischen Bereich als an den konstanten Laborbedingungen, die während einer OS Prüfung vorherrschen. Hohe Luftfeuchtigkeit greift chemisch in die Vernetzung von Polyurethansystemen ein und verändert folglich deren mechanische Eigenschaften. Durch den Einsatz von innovativen Rohstoffen in der Polyurethantechnologie konnte nun die Feuchtigkeitstoleranz der Verschleißschicht erhöht werden. Das Wasser aus der Luftfeuchtigkeit wird gezielt bei der Aushärtungsreaktion umgesetzt. Damit wird die mechanische Beständigkeit vor allem von bei tiefen Temperaturen und hohen Luftfeuchtigkeit applizierten Beschichtungen verbessert. 1. Allgemein Genormte Prüfverfahren für befahrene Oberflächenschutzsysteme, wie beispielsweise die „Bestimmung des Abriebwiderstandes“ (Taber-Abrieb) gemäß DIN EN ISO 5470-1.09-1999, spiegeln die tatsächlichen Beanspruchungen in der Praxis nicht wider und sind somit ebenso wenig ein Maß für die Verschleißbeständigkeit wie die häufig zitierten Materialhärten nach Shore A und D. Der Vortrag zeigt, warum der Parking Abrasion Test (PAT) derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit ist und warum Prüfungen wie z.B. Taber und Shore-Härte nur unzureichende Kennwerte liefern. Bestätigt wurde das z.B. durch die TU Kaiserslautern bei ihren Untersuchungen am Verschleißverhalten von OS-Systemen. Der Parking Abrasion Test (PAT) war auch ein Erfolgsgarant bei der Entwicklung hoch verschleißfester Beschichtungen. 2. Normative Prüfverfahren Mit den Prüfverfahren Taber Abriebverfahren (DIN EN ISO 5470-1) und BCA-Verfahren (DIN EN 13892- 4) erfolgt der normative Nachweis der Dauerhaftigkeit von Beschichtungssystemen [1]. Diese Verfahren sind ursprünglich zur Verschleißbestimmung an anderen Materialien und auch für andere Anwendungsgebiete entwickelt worden. Aufgrund der vorgegebenen Beanspruchungsart, der Belastung als auch der anschließenden Auswertung führen diese Verfahren bei abgestreuten Beschichtungssystemen zu keinen praxisrelevanten Ergebnissen und sind daher auch in der Fachwelt umstritten. Im Zuge der Grundprüfung für ein Oberflächenschutzsystem wird an den gemischten Stoffen der Härtungsverlauf über die Entwicklung der Shore-Härte A bzw. D ermittelt. Die Härte des Kunstharzes wird gemäß der DIN EN ISO 868 „Kunststoffe und Hartgummi - Bestimmung der Eindruckhärte mit einem Durometer (Shore-Härte)“ ermittelt. 516 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Mit neuem Prüfverfahren (PAT) und innovativen Rohstoffen - der Weg zu beständigeren Parkhaus-Verschleißschichten 3. Taber Abriebverfahren Der Anwendungsbereich des Taber Abriebverfahrens ist die Bestimmung des Abriebwiderstandes von beschichteten Textilien. Gemäß der DIN EN 1504-2 ist es für Imprägnierungen und Beschichtungen auf Beton zu prüfen, wenn deren physikalische Widerstandsfähigkeit nachgewiesen werden soll [2]. Im Prinzip versteht man bei diesem Verfahren unter Abrieb den fortschreitenden Materialverlust der abgeriebenen Oberfläche eines Beschichtungsmaterials, der durch die schneidende oder kratzende Wirkung eines Reibrades hervorgerufen wird. Zur Präzision des Prüfverfahrens liegen bisher keine Ergebnisse aus Ringversuchen vor, so dass darüber keine Aussagen getroffen werden können. Es ist jedoch zu vermuten, dass aufgrund der vielen Parameter, die genauestens eingehalten werden müssen, (z.B. die Abstände der einzelnen Bauteile und die Anbringung der Gegengewichte) die Abweichungen in den Prüfergebnissen relativ hoch ausfallen werden [3]. Diese Vermutung zur (geringen) Präzision des Prüfverfahrens konnte in einem Ringversuch an Industriefußböden bestätigt werden. In den Ringversuch wurden acht Labore, davon vier akkreditierte Prüfinstitute, in vier Ländern mit einbezogen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Streuung war so groß, dass eine Vergleichbarkeit nicht möglich war (Abb. 1). Somit ist eine Reproduzierbarkeit des Verfahrens nicht gewährleistet. Abb. 1: Taber Abrieb (CS11/ 1000/ 1000) in µg mit zwei verschiedenen Beschichtungen. Inwieweit nun dieses genormte Abriebverfahren Rückschlüsse auf das Verschleißverhalten von Beschichtungen für Parkbauten zulässt, ist fragwürdig. Denn das tatsächliche reale Belastungsszenario wird durch das Prüfverfahren nicht abgebildet - so werden z.B. das Anfahren und Bremsen, der Haftverbund zwischen den einzelnen Schichten, der Verbund zwischen dem Beschichtungssystem und dem Untergrund mit den dadurch entstehenden Schub- und Scherspannungen, sowie die intensiven Druckkräfte, dabei nicht berücksichtigt. 4. Härteprüfung nach Shore A und Shore D Diese Methode dient zur Bestimmung der Härte mit den Shore A und Shore D Härteprüfgeräten. Sie ermöglicht die Bestimmung der Härte nach der vollständigen Aushärtung an Probekörpern und Erzeugnissen aus Kunststoffen und Hartgummi (DIN EN ISO 868). Unter der Härte versteht man die Größe des Widerstandes, den ein fester Körper (insbesondere seine Oberfläche) dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt. Bei physikalischen Härtebestimmungen wird ein definierter Probenkörper mit bestimmter Kraft stoßfrei einige Zeit lang gegen die Oberfläche des zu prüfenden Materials gedrückt. Unter der Härte nach Shore wird der Widerstand gegen das Eindringen eines Körpers bestimmter Form unter definierter Federkraft verstanden. Der eindringende Probekörper ist ein Metallstift, der beim Härteprüfgerät nach Shore A kegelförmig ist, eine abgeflachte Spitze hat und für Messungen an Elastomeren geeignet ist. Beim Härteprüfer nach Shore D ist der Metallstift kegelförmig und spitz zulaufend. Die Prüfung wird mit unverfülltem Material mit einer Mindestschichtdicke von 4,0 mm durchgeführt. Die Probekörper dürfen keine runde, unebene oder raue Oberfläche haben. Die Verschleißschichten von Oberflächenschutzsystemen sind in der Regel mit Quarzsand vorgefüllt und werden im Nachgang noch mit Quarzsand im Überschuss abgestreut. Somit unterscheiden sich die vom Prüfverfahren vorgesehenen Prüfkörper grundlegend von den Verschleißschichten in der Praxis, was eine Korrelation ausschließt. 5. Bestimmung der Verschleißbeständigkeit nach dem PAT-Verfahren Sowohl an der Technischen Universität Kaiserslautern [1] als auch bei der Sika Deutschland GmbH [4] werden Verschleißuntersuchungen durchgeführt, bei dem ein PKW-Reifen den Einparkvorgang simuliert. Hierbei handelt es sich um den Parking Abrasion Test (PAT), der das Belastungsszenario realitätsnah nachstellt (Abb. 2). Mit Hilfe dieser Prüfmethode sind gezielte Entwicklungen von Beschichtungen mit hoher Abnutzungsbeständigkeit möglich, da anhand von Vergleichsreihen Produkte und Systemkomponenten mit den robustesten Gesamteigenschaften ausgewählt werden können. Ein Beispiel ist die neue Generation von feuchtigkeitsunempfindlichen Polyurethanen. Hier konnten signifikante Unterschiede im Verschleißverhalten in Relation zur Feuchtigkeitsempfindlichkeit gezeigt werden [6]. Die neue Technologie ermöglicht dabei eine gleichbleibend hohe Abriebbeständigkeit des Beschichtungsmaterials gerade auch bei kritischen klimatischen Bedingungen während der Applikation. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 517 Mit neuem Prüfverfahren (PAT) und innovativen Rohstoffen - der Weg zu beständigeren Parkhaus-Verschleißschichten Abb. 2: Prüfstand Parking Abrasion Test der Sika Deutschland GmbH Abb. 3 zeigt ein totales Versagen bereits nach 5.000 Zyklen von einem Standard-PU-Beschichtungssystem, welches bei 8°C und 80% rLf appliziert wurde. Im Gegensatz dazu ist der bei Raumtemperatur beschichtete Prüfkörper auch bei 20.000 Zyklen nur minimal beschädigt. Herkömmliche mechanische Untersuchungen können diese Unterschiede nicht abbilden. Im Unterschied dazu zeigt Abb. 4 eine feuchtetolerante Beschichtung basierend auf der neuen Technologie. Die Ergebnisse zeigen keinen Einfluss von den Applikationsbedingungen. Abb. 3: PAT Prüfung eines Standard-PU-Beschichtungssystems beschichtet bei 8°C 80% rLf (links) und 23°C 50% rLf (rechts) nach jeweils 5.000 Zyklen Abb. 4: PAT Prüfung eines feuchtigkeitsunempfindlichen PU-Beschichtungssystems beschichtet bei 8°C 80% rF (links) und 23°C 50% rLf (rechts) nach jeweils 5.000 Zyklen 6. Zusammenfassung Die Bestimmung der Lebensdauer von Parkhausbeschichtungen ist ein häufig diskutiertes Thema. Der nutzungsbedingte Verschleiß, durch die mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge, wird häufig korreliert mit Verfahren, wie beispielsweise Taber-Abrieb oder der Shore Härte. Diese Prüfverfahren sind jedoch nicht geeignet ein praxisnahes Verschleißverhalten abzubilden. Der PAT ist derzeit das einzig sinnvolle Verfahren zur Prüfung der Verschleißbeständigkeit. Mit dem PAT lassen sich nicht nur Unterschiede an einzelnen Materialien, sondern auch für Applikationsbedingungen und unterschiedlichen OS-Systemaufbauten aufzeigen. Literatur [1] EN 1505-2: 2004, „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken Teil2: Oberflächenschutzsysteme für Beton“ [2] EN ISO 5470-1: Bestimmung des Abriebwiderstandes. Teil 1: Taber-Abriebprüfgerät DIN EN ISO 5470-1: 09.1999 [3] Breit, W.; Ladner, E.-M.; Krams, J.: Nachweis der Verschleißbeständigkeit von Parkhausbeschichtungssystemen unter realitätsnahen Prüfbedingungen. Forschungsinitiative Zukunft Bau, F 2954, SF-10.08.18.7-11.26/ II 3-F20-10-074 vom 12. Dezember 2014 [4] Pusel, T.; Zilg, C.; Bänzinger, H.: Abnutzungsprüfung von OS Parkhaussystemen unter “Real-Bedingungen”. In: 3. Verkehrsbauten vom 29.-30. Januar 2008 in Ostfildern, Technische Akademie Esslingen, Ostfildern, 2008 [5] Pusel, T.; Grötzinger, J.; La Spina, S.: Parkhausbeschichtungen mit erhöhter Feuchtigkeitstoleranz vom Januar 2018 in Ostfildern, Technische Akademie Esslingen, Ostfildern, 2018
