Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen
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Claudia Neuwald-Burg
Jonny Henkel
Der Beitrag gibt einen Überblick über die Inhalte des Merkblattentwurfs WTA 7-4. Behandelt werden Methoden zur quantitativen Bewertung der Druckfestigkeit von Mauerwerkswänden und Pfeilern aus kleinformatigen künstlichen Vollsteinen. Die dafür notwendigen Arbeitsschritte, wie die Auswahl der Untersuchungsbereiche, Probenahme und Prüfkörperherstellung, Druckfestigkeitsprüfung an Mörteln, Steinen und Verbundprüfkörpern sowie die statistische Auswertung der Ergebnisse können nur teilweise nach aktuellen Normen ausgeführt werden. Im Merkblatt werden alternative Untersuchungsverfahren beschrieben und es wird dargelegt, inwieweit die Ergebnisse mit der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit nach DIN EN 1996 vergleichbar sind. Einflussfaktoren wie hohe Streuungen von Stein- und Mörtelfestigkeiten, ungünstige Materialkombinationen, Ausführungsfehler oder Durchfeuchtung lassen sich oft nur abschätzen. Gezielte Forschung würde es ermöglichen, Bestandsmauerwerk zukünftig noch genauer zu bewerten und Tragreserven besser nutzen zu können. Die WTA-Arbeitsgruppe gibt Impulse, woran im Hinblick auf einen nachhaltigen Umgang mit bestehender Bausubstanz zielgerichtet geforscht werden sollte.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 563 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen Claudia Neuwald-Burg Fraunhofer Informationszentrum Raum und Bau, Stuttgart Jonny Henkel AK Bauwerksdiagnostik, Ahrensfelde Verfasser des Merkblattentwurfs Toralf Burkert, Axel Dominik, Marc Gutermann, Peter Hegewaldt, Jonny Henkel, Maik Kramer, Dominik Müller, Claudia Neuwald-Burg, Gabriele Patitz, Ahmad Sabha, Ulf Schmidt, Peter Thiessen, Heinrich Wigger, Bernd Winkels Zusammenfassung Der Beitrag gibt einen Überblick über die Inhalte des Merkblattentwurfs WTA 7-4. Behandelt werden Methoden zur quantitativen Bewertung der Druckfestigkeit von Mauerwerkswänden und Pfeilern aus kleinformatigen künstlichen Vollsteinen. Die dafür notwendigen Arbeitsschritte, wie die Auswahl der Untersuchungsbereiche, Probenahme und Prüfköperherstellung, Druckfestigkeitsprüfung an Mörteln, Steinen und Verbundprüfkörpern sowie die statistische Auswertung der Ergebnisse können nur teilweise nach aktuellen Normen ausgeführt werden. Im Merkblatt werden alternative Untersuchungsverfahren beschrieben und es wird dargelegt, inwieweit die Ergebnisse mit der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit nach DIN EN 1996 vergleichbar sind. Einflussfaktoren wie hohe Streuungen von Stein- und Mörtelfestigkeiten, ungünstige Materialkombinationen, Ausführungsfehler oder Durchfeuchtung lassen sich oft nur abschätzen. Gezielte Forschung würde es ermöglichen, Bestandsmauerwerk zukünftig noch genauer zu bewerten und Tragreserven besser nutzen zu können. Die WTA-Arbeitsgruppe gibt Impulse, woran im Hinblick auf einen nachhaltigen Umgang mit bestehender Bausubstanz zielgerichtet geforscht werden sollte. 1. Ziele des Merkblatts Zur Bewertung der Druckfestigkeit von Bestandsmauerwerk sind unterschiedliche Verfahren bekannt und in vielen Veröffentlichungen beschrieben worden. Dennoch treten bei der Durchführung und der Auswertung von Mauerwerksuntersuchungen in der Praxis viele Fragen auf, die sich mithilfe der aktuellen Regelwerke nicht beantworten lassen. Im neuen WTA-Merkblatt werden Wege beschrieben, wie bei der Bewertung von Mauerwerk in unterschiedlichen baulichen Situationen vorgegangen werden kann. Das Merkblatt ist als Leitfaden für die Vorbereitung, Begleitung und Interpretation von Mauerwerksuntersuchungen gedacht. Als Grundlage für Tragfähigkeitsnachweise sollte die Druckfestigkeit möglichst als ein charakteristischer Wert angegeben werden, der Sicherheitsreserven gegenüber der Bruchfestigkeit beinhaltet, wie sie nach der aktuellen Mauerwerksnorm DIN EN 1996-1-1/ NA [8] gefordert werden. In besonderen Fällen können statische Nachweise von Bestandsmauerwerk auch nach bauzeitlichen DIN- oder TGL-Normen erfolgen. Auch dies wird im Merkblatt berücksichtigt [10]. Die aktuellen Normen werden in der Praxis am häufigsten zur Bewertung von Bestandsmauerwerk verwendet, weil die Anwender damit vertraut sind. Die Normen haben jedoch Anwendungsgrenzen, die im Bestand oft nicht gegeben sind. Für diese Fälle gibt der WTA-Merkblattentwurf alternative Bewertungsmethoden an. Einige davon sind wissenschaftliche Verfahren, die in der Praxis bisher wenig benutzt werden. Ein Ziel des Merkblatts ist, die Anwendung dieser Verfahren zu fördern. Sie können eine wertvolle Hilfe zur Einschätzung der Mauerwerksdruckfestigkeit bieten. Für ihre Anwendung sind einheitliche, praxistaugliche Prüfanleitungen notwendig. Das Merkblatt beschreibt die Verfahren und enthält eine detaillierte Prüfanleitung für das Fugenbohrkernverfahren nach Helmerich/ Heidel [12]. Auch Bruchmodelle eignen sich für die Mauerwerksbeurteilung. Sie ermöglichen, den Einfluss von Parametern zu berücksichtigen, die in der Auswertung nach der Mauerwerksnorm nicht abgebildet werden, wie die Steingeometrie und die Fugendicke [13]. 564 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen Einige Prüfverfahren wurden in das Merkblatt aufgenommen, obwohl sie nur selten infrage kommen, wenn lediglich die Mauerwerkdruckfestigkeit benötigt wird. Es handelt sich um In-situ-Messungen und Belastungstests, bei denen aus Verformungen auf Festigkeitswerte geschlossen werden kann. Dieser Rückschluss ist nur bei günstigen Randbedingungen möglich. In-situ-Tests sind aufwendig und erfordern immer eine wissenschaftliche Begleitung. Es erschien der Arbeitsgruppe jedoch sinnvoll, auch diese Möglichkeiten in das Merkblatt aufzunehmen. Aus der praktischen Anwendung können neue Impulse für die Forschung entstehen. 2. Anwendungsbereich Festigkeitskennwerte werden benötigt, wenn Lasten in bestehenden Gebäuden erhöht werden (etwa bei Aufstockungen oder beim Ausbau von Dachgeschossen), oder wenn aufgrund von Verformungen, Rissen oder Erosion Zweifel an der Tragfähigkeit von Bauteilen bestehen. Ein Bauteilversagen wegen Überschreitung der Mauerwerksdruckfestigkeit kommt an alten Gebäuden glücklicherweise selten vor, weil Mauerwerksbauten traditionell sehr robust konstruiert wurden und über Umlagerungsmöglichkeiten verfügen. Regelmäßige Überwachung alter Bauwerke ist selbstredend dennoch geboten, denn Alterung und unbedachte Eingriffe machen auch Mauerwerk zu schaffen. Wenn es zu gravierenden Schäden kommt, liegt das aber meistens an Fehlern im Mauergefüge mit Auswirkungen auf den Lastfluss oder auf den tragenden Querschnitt. Besonders gefährlich sind oberflächenparallele Risse, sie werden oft nicht bemerkt (Abb. 1). Neben der Bestimmung der Materialkennwerte ist daher eine sehr sorgfältige Bestands- und Zustandserkundung notwendig. Verfahren dazu werden im WTA-Merkblatt 4-5-99 »Beurteilung von Mauerwerk - Mauerwerksdiagnostik« beschrieben, das derzeit überarbeitet wird. Auch das WTA-Merkblatt 7-1-18 »Erhaltung und Instandsetzung von Mauerwerk - Konstruktion und Tragfähigkeit« enthält Hinweise zur Bestandserkundung. Ergänzend dazu befasst sich der vorliegende Merkblattentwurf 7-4 mit der quantitativen Bestimmung der Mauerwerksdruckfestigkeit. Seine Gültigkeit beschränkt sich auf Mauerwerk aus kleinformatigen künstlichen Steinen, insbesondere Vollziegeln, Kalksandsteinen und Leichtbetonsteinen. Natursteinmauerwerk wird nicht behandelt. Schon Mauerwerke und Pfeiler aus kleinformatigen Vollsteinen können je nach Steinsorte und Mörtelfestigkeit nicht mit einer einzigen Bemessungsformel beschrieben werden. Die Empfehlungen im Merkblattentwurf enthalten notwendigerweise Vereinfachungen, die nach Auffassung der Arbeitsgruppe aber zielführend sind. Zu komplexe Auswertungen sind fehleranfällig und bieten bei sehr inhomogenen Baustoffen oft auch nur scheinbar mehr Sicherheit. Abb. 1 Risse parallel zur Wandoberfläche werden oft erst im Schadensfall erkannt. 3. Inhalte des Merkblatts Das Merkblatt 7-4 beschreibt alle Arbeitsschritte zur Bestimmung der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit: Untersuchungsplanung, Probenahme, Laborversuche und die Auswertung der Versuchsergebnisse. 3.1 Vorbereitung und Probenahme Vor Beginn jeder Untersuchung müssen zunächst die Aufgabenstellung und das Nachweiskonzept mit dem Bauherrn bzw. seinen Vertretern geklärt werden. Außer rein technischen Aspekten sind behördliche Anforderungen zu beachten, wie Denkmalschutz und Arbeitsschutz. Oft ergibt sich daraus, an welchen Stellen wie viel Probenmaterial entnommen werden darf und welche Entnahmeverfahren möglich sind. Die Untersuchungen müssen mit anderen Untersuchungen oder Arbeiten koordiniert werden. Die Verfasser des Merkblatts weisen auf die Bedeutung einer fachlichen Begleitung der Probenahme hin. Die richtige Auswahl der Entnahmestellen und die Qualität der Proben sind entscheidend für die Aussagefähigkeit der Kennwerte, die daraus abgeleitet werden. Tragwerksplaner sollten das Mauerwerk immer selbst in Augenschein nehmen und die Probenahmestellen mit festlegen. Die Auswahl der Untersuchungsbereiche muss anhand 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 565 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen der individuellen Fragestellung getroffen werden. Die Proben müssen repräsentativ für das Mauerwerk im Untersuchungsbereich sein. Oft sind Maueroberflächen verputzt. Freilegungen sollten beaufsichtigt werden, um Schäden am Mauerwerk zu vermeiden (Abb. 2 und 3). Bei der Entnahme von Materialproben können sich Erkenntnisse zum Aufbau und zum Erhaltungszustand des untersuchten Bauteils ergeben, die bei der Bestandserkundung nicht entdeckt wurden. Generell gilt, dass der Mauerverband nicht eindeutig an der Fassade abgelesen werden kann. Bei dem Mauerverband in Abb. 3 beispielsweise zeigte sich bei der Probenahme, dass ein Sparmauerwerk vorlag, bei dem in der äußeren Schale ausschließlich halbe Steine vermauert waren, die nicht in die Wand einbanden. Abb. 2 Unsachgemäß freigelegte, beschädigte Mauersteine sind für Festigkeitsuntersuchungen unbrauchbar. Abb. 3 Auch Flächen unter harten Zementputzen können substanzschonend freigelegt werden. Die Entscheidung, an welchen Stellen welche Anzahl von Proben entnommen werden, richtet sich nach der baulichen Situation (Abb. 4 und 5). Hohe Probenzahlen bzw. viele Untersuchungsstellen führen zu genaueren Ergebnissen, sind aber wirtschaftlich nicht immer sinnvoll und vor allem substanzschädigend. Im Merkblatt sind Mindestwerte für Untersuchungsstellen und Probenanzahl angegeben, die möglichst nicht unterschritten werden sollen. Bei sehr schlanken, statisch stark ausgelasteten Bauteilen oder bei bauhistorisch wertvoller Substanz ist die Entnahme dieser Probenmengen nicht möglich. In diesen Fällen müssen zu den Druckfestigkeitstests zusätzliche Informationen herangezogen werden. Das können Versuchsdaten an vergleichbaren Mauerwerken aus anderen Testreihen sein, ergänzende zerstörungsarme Versuche oder materialwissenschaftliche Untersuchungen der Zusammensetzung und des Mikrogefüges. Solche Bewertungen setzen fundiertes Fachwissen und Erfahrung voraus. Abb. 4 Bei vielen Bauaufgaben können Proben in ausreichender Menge entnommen werden (Szenario A) Abb. 5 Schlanke Bauteile und historisch wertvolle Substanz dürfen nicht oder nur limitiert beprobt werden (Szenario B) 566 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen 3.2 Untersuchungskonzepte Mauerwerk hat oft gute Festigkeitseigenschaften und bei manchen Baumaßnahmen im Bestand reicht es aus, die Festigkeit grob zu schätzen. Wenn der Abstand zu den aufzunehmenden Spannungen offensichtlich hoch ist, erübrigt sich eine Untersuchung. Eine bloße Abschätzung setzt voraus, dass das Mauerwerk einen guten Erhaltungszustand aufweist. Die Materialfestigkeit kann dann anhand von Baustoffangaben aus vorhandenen Bauwerksunterlagen ersehen werden. Manchmal liegen auch Erfahrungswerte aus Untersuchungen an ähnlichem Mauerwerk in der Umgebung vor. Werden genauere Nachweise nötig, muss die Druckfestigkeit experimentell ermittelt werden. Das ist in aller Regel der Fall, wenn Umbauten geplant sind, die zu Lasterhöhungen führen, oder wenn eine Schwächung des Mauerwerks durch äußere Einwirkungen vermutet wird, wie hohe Auslastung, Verwitterung, Anprall, Hochwasser, Frost- oder Salzangriff. Üblicherweise - und das empfiehlt auch das Merkblatt - orientiert sich das Vorgehen dabei an der geltenden Mauerwerksnorm DIN EN 1996-1-1/ NA. Je nach Bauwerksalter sind auch Nachweise nach den bauzeitlichen Normen (DIN 1053 bzw. TGL) möglich [10]. Diese Normen gelten jedoch nur innerhalb bestimmter Anwendungsgrenzen. Mauerwerk, das stark von jedweden Normvorgaben abweicht, müssen andere Verfahren gewählt werden. Mögliche Wege sind in Abb. 6 und 7 schematisch dargestellt. In speziellen Fällen bleibt zudem die Möglichkeit von Belastungstests oder In-situ-Prüfmethoden. Abb. 6 Ablaufschema für die Druckfestigkeitsuntersuchung im Fall ausreichender Probenmengen. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 567 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen Abb. 7 Ablaufschema für die Druckfesigkeitsbestimmung anhand weniger Proben 3.3 Anwendung aktueller Normen auf den Bestand Das Untersuchen und Prüfen der Proben im Labor bildet einen Schwerpunkt des Merkblatts. Die Druckfestigkeit eines Baustoffs ist keine physikalische Materialkonstante, sondern eine technische Kenngröße, die nach den Vorgaben einer Norm geprüft werden sollte. Nur so sind Prüfwerte vergleichbar. Für die Mauerwerksdruckfestigkeit ist DIN EN 1052 [5] maßgebend. Ersatzweise dürfen die Druckfestigkeiten der Mauersteine und der Mauermörtel separat geprüft werden und die Mauerwerksfestigkeit wird nach DIN EN 1996-1-1/ NA anhand einer Potenzfunktion berechnet, deren Koeffizienten empirisch aus Versuchen nach DIN EN 1052 ermittelt wurden (Gleichung 1). f k = K · f st α · f m β (1) Dabei ist f k die charakteristische Mauerwerksdruckfestigkeit, f st die Steindruckfestigkeit und fm die Mörteldruckfestigkeit. Die Parameter K, α und β haben für unterschiedliche Mauersteinsorten und Mörtel jeweils unterschiedliche Werte und sind für heute übliche Mauerwerksarten in der Norm festgelegt. Innerhalb der in der Norm vorgegebenen Anwendungsgrenzen der Stein- und Mörtelfestigkeiten würde die Gleichung 1 auch für Bestandsmauerwerk zu einem realistischen Druckfestigkeitswert führen. Voraussetzung dafür ist, dass die mittlere Fugendicke etwa 12 mm beträgt und dass ein regelgerechter Mauerwerksverband vorliegt. Es sind jedoch drei weitere Aspekte zu berücksichtigen: 1. Die Festigkeitswerte von Mauersteinprüfkörpern aus altem Mauerwerk streuen meist sehr viel stärker als die von fabrikneuen Steinen. Diese Streuung muss in die Festigkeitswerte eingerechnet werden. 2. Die Mörteldruckfestigkeit kann im Bestand nur als Fugendruckfestigkeit bestimmt werden. Die Koeffizienten der Potenzgleichung aus DIN 1996-1-1/ NA wurden jedoch auf der Basis der Normdruckfestigkeit ermittelt (Prismendruckfestigkeit nach 28 Tagen Aushärtung in Laborklima [4]). 3. Mörteldruckfestigkeiten < 2,5 N/ mm 2 sind in der Norm nicht erfasst. 568 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen Im Merkblattentwurf 7-4 ist angegeben, wie die Stein- und Mörteldruckfestigkeitswerte aus bestehendem Mauerwerk geprüft und unter Beachtung der Festigkeitsstreuungen sowie der Probenanzahl ausgewertet werden sollten, um sinnvolle Eingangsgrößen für die Potenzfunktion zu erhalten. Für den in der Norm nicht abgedeckten Bereich der Mörtelfestigkeit unter 2,5 N/ mm 2 wird im Merkblatt eine lineare Ergänzung der Funktion vorgeschlagen (Abb. 8). Je niedriger die Druckfestigkeit des Mörtels ist, desto mehr nähert sich die Mauerwerksdruckfestigkeit der Spaltzugfestigkeit des Mauersteins als unterem Grenzwert an. Dieser Wert liegt beim etwa 0,08bis 0,1-Fachen der Steindruckfestigkeit [13]. Abb. 8 Die Potenzfunktion der Mauerwerksdruckfestigkeit, linear ergänzt. Die Anwendung der Prüfverfahren aus den aktuellen DIN-Normen ist allgemein bekannt. Es wird deshalb empfohlen, Bestandsmaterialien in Anlehnung an diese Vorgaben zu prüfen. In manchen Fällen kann es jedoch sinnvoller oder sogar notwendig sein, die Mauerwerksdruckfestigkeit an Verbundprüfkörpern zu prüfen oder nach einem Bruchmodell zu berechnen, weil die vorgefundenen Materialien die Anwendungsgrenzen der DIN EN 1996-1-1/ NA nicht erfüllen. Zerstörungsarme Verfahren benötigen viel Erfahrung. Sie können ergänzend eingesetzt werden, aber direkte Prüfverfahren nach An sicht der Merkblattverfasser nicht ersetzen. Prüfung der Steindruckfestigkeit Zur Bestimmung der Steindruckfestigkeit sollten möglichst ganze Steine aus dem Verband gelöst werden, die nach den Vorgaben geltender Prüfnormen (beispielsweise DIN EN 772-1: 2016-05) geprüft werden können [5]. Vorzugsweise sollten die fertigen Prüfkörper eine Schlankheit von näherungsweise 1,0 aufweisen, sodass ein Aufmauern von Steinen zum Prüfkörper sinnvoll sein kann. Nötigenfalls darf die Prüfung an Teilstücken erfolgen. Die gemessenen Steindruckfestigkeitswerte müssen dann mittels Formfaktoren auf das Bezugsformat umgerechnet werden. Bei manchen Steinen ist zusätzlich zum Formfaktor zu beachten, dass die Festigkeitswerte nicht über den ganzen Querschnitt gleichmäßig sind. Es besteht dann die Gefahr, dass an Teilstücken unzutreffende Werte gemessen werden. Prüfung der Mörteldruckfestigkeit Auch die Mörtelprüfung empfiehlt die Arbeitsgruppe mittels direkter Druckversuche an Prüfkörpern aus den Lagerfugenmörteln vorzunehmen. Die Koeffizienten der Potenzgleichung wurden auf der Grundlage der Normwerte der Mörteldruckfestigkeit (Prismendruckfestigkeit) formuliert. Dieser Wert kann an Proben aus dem Bestand nicht im Nachhinein gemessen werden. Ersatzweise sollte deshalb die Fugendruckfestigkeit nach DIN EN 18555-9 Verfahren III bestimmt werden. Die Nachrechnungsrichtlinie [9] erlaubt es, die Fugendruckfestigkeiten mit den Anforderungswerten nach DIN V 18580: 2007-03 gleichzusetzen und daraus auf die Normfestigkeit zu schließen. In der WTA-Arbeitsgruppe bestand in diesem Punkt keine Einvernehmlichkeit, weil in Laborversuchen auch für hydraulische Mörtel schon Fugendruckfestigkeit weit oberhalb von Prismendruckfestigkeiten gemessen worden sind. Die Verwendung einer höheren als der nach DIN EN 18555-9 bestimmten Fugendruckfestigkeit wird deshalb nicht empfohlen. Hingegen ist fraglich, ob eine Abminderung berücksichtigt werden muss, weil die (Norm-) Prismendruckfestigkeit eines Mörtels niedriger gewesen sein könnte als die gemessene Fugendruckfestigkeit. Tatsächlich hat Mörtel manchmal in der Fuge bessere Erhärtungsbedingungen als im Labor. Er ist dort jedoch meist auch schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Die Materialalterung wird in den Messwerten miterfasst. Für die Bewertung der Mörteldruckfestigkeit ist somit viel Sachverstand notwendig. Eventuell können mineralogische Gefügeuntersuchungen zur Bewertung hinzugezogen werden. Die chemische Zusammensetzung allein gibt keinen Anhaltspunkt für die Mörtelfestigkeit. 3.4 Verbundprüfkörper In der Praxis werden Druckfestigkeiten häufig an Bohrkernen bestimmt, wenn die Entnahme von Stein- und Mörtelproben Schwierigkeiten bereitet. Die Verfahren dazu sind nicht genormt. Der Merkblattentwurf enthält Beschreibungen der Bohrkernprüfungen nach den Verfahren von Berger [13], Helmerich/ Heidel [12] und Gunkler [11]. Beim Verfahren nach Gunkler wird der Bohrkern nur zum Ausschneiden einer Mauerwerksprobe verwendet. Die Festigkeitsprüfung erfolgt anschließend am gesägten Mauerwerksprisma. Bei dem Verfahren nach Berger werden Spaltzugfestigkeiten ermittelt und verglichen (Abb. 9). Beim Verfahren nach Helmerich/ Heidel erfolgt eine Druckprüfung unmittelbar am liegenden Bohrkern (Abb. 10). Die Zylinder werden in Einbaulage geprüft und mittels konkaver Lasteinleitungsplatten belastet. Das Verfahren nach Berger hat den Vorteil, dass kleinere Proben verwendet werden und Informationen 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 569 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen zur Steindruckfestigkeit in die Auswertung mit einfließen, was eine Plausibilitätskontrolle leicht möglich macht. Abb. 9 Prüfkörper und Lasteinleitung für das Fugenbohrkernverfahren nach Berger Abb. 10 Fugenbohrkern und Lasteinleitung nach Helmerich/ Heidel 3.5 Auswertung von Prüfwerten mit hoher Streuung Die Materialkennwerte von Proben aus Bestandsgebäuden unterliegen hohen Streuungen. Bei historischen Mauerziegeln liegen die Variationskoeffizienten oft im Bereich von 30 bis 40%, bei Mörtel sind sie ähnlich, bei Verbundprüfkörpern meistens etwas niedriger. Die Verteilung der Druckfestigkeitswerte kann mit einer logarithmischen Normalverteilung beschrieben werden. Mithilfe dieser Verteilung wird aus den Einzelwerten der Prüfreihe der charakteristische Wert berechnet. Für Mauerwerk ist dies das 5 %-Quantil. Der Wert kann aus den Verbundkörperpüfungen direkt berechnet werden. In die Potenzgleichung (1) hingegen müssen Mittelwerte eingesetzt werden. Zur Berücksichtigung der Materialstreuung empfiehlt das Merkblatt, statt arithmetischer Mittelwerte für die Mörteldruckfestigkeit das 50 %-Quantil anzunehmen. Aus den Mauersteindruckfestigkeiten wird zunächst das 5 %-Quantil ermittelt und daraus mit dem Faktor 1,25 ein theoretischer Mindestmittelwert berechnet. Diese Umrechnung führt bei hohen Variationskoeffizienten zu sehr geringen Festigkeitswerten. Es sollte deshalb vor der Auswertung der Prüfergebnisse die tatsächlich vorliegende Verteilungsfunktion verifiziert werden. Sehr hohe Variationskoeffizienten sind oft dadurch begründet, dass unterschiedliche Produkte vorliegen. Wenn beispielsweise die Steinproben unterschiedlichen Fabrikaten oder Produktionschargen zugeordnet werden können, ist es eventuell sinnvoller, diese getrennt auszuwerten und die Mauerwerksfestigkeit mit der niedrigeren Steindruckfestigkeit zu berechnen. Im Zweifel empfiehlt es sich, Kontrollversuche an Verbundkörpern durchzuführen oder eine Berechnung mittels Bruchmodellen vorzunehmen, die das Zusammenwirken von Stein und Mörtel analytisch beschreiben. Die komplexeren Formeln sind mithilfe einfacher Tabellenkalkulationsprogramme auch in der Praxis gut anwendbar. 3.6 Abminderungsfaktoren Maßgebend für die Mauerwerksdruckfestigkeit ist zu einem hohen Grad auch die Qualität der handwerklichen Ausführung. Fehler im Verband, mangelnde Vollfugigkeit, fehlendes Überbindemaß, unregelmäßige Fugendicken etc. führen zu niedrigeren charakteristischen Druckfestigkeiten. Negativ wirkt sich auch ein hoher Feuchtegehalt auf die Druckfestigkeit aus. Diese Einflüsse können bisher nur abgeschätzt und über Abminderungsfaktoren berücksichtigt werden. Hierzu besteht noch Forschungsbedarf. 3.7 In-situ-Methoden Belastungsversuche mit Verformungsmessungen, Flatjack-Tests oder ähnliche Verfahren erlauben unter günstigen Randbedingungen Rückschlüsse auf die Mauerwerksdruckfestigkeit. In seltenen Fällen sind sie vielleicht die einzige Möglichkeit, um quantitative Aussagen zur Mauerwerksfestigkeit treffen zu können. Alle diese experimentellen Verfahren erfordern jedoch einen hohen technischen und finanziellen Aufwand, sodass jeweils abgewogen werden muss, ob ihr Einsatz sinnvoll ist. 4. Zusammenfassung und Ausblick Die Bestimmung der Druckfestigkeit von Bestandsmauerwerk erfolgt überwiegend in Anlehnung an die aktuellen DIN-Normen. Diese wurden jedoch in erster Linie für den Neubau entwickelt und sind auf historisches Mauerwerk nur bedingt anwendbar. Zum einen entsprechen die historischen Baustoffe in ihrer Qualität nicht den Anforderungen an heutige Baustoffe, zum anderen unterlag die handwerkliche Herstellung des Mauerwerks früher ganz anderen Bedingungen. Im Merkblattentwurf 7-4 wird erläutert, wie die Ergebnisse solcher nach Neubaunormen geprüften Druckfestigkeiten ausgewertet werden müssen, um daraus die Mauerwerksdruckfestigkeit von Bestandsmauerwerk ab- 570 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Der Merkblattentwurf WTA 7-4 Ermittlung der Druckfestigkeit von Bestandsmauern aus künstlichen kleinformatigen Steinen zuleiten. Hohe Materialstreuungen müssen dabei besonders berücksichtigt werden. Die Verwendung der gegenwärtig zur Verfügung stehenden und auch im Merkblatt angegebenen Potenzfunktion nach DIN 1996-1-1/ NA ist dabei nicht immer sinnvoll: sie erfasst nicht alle Stein- und Mörtelkombinationen, die im Bestand anzutreffen sind und basiert auf der Prismendruckfestigkeit von Mauermörteln. Ziel weiterer Forschung sollte sein, eine solide Datenbasis für die Ermittlung einer Funktion zu entwickeln, die auf Fugendruckfestigkeiten statt auf Prismendruckfestigkeiten beruht und Mörtelfestigkeiten unter 2,5 N/ mm² erfasst. Alternativ können kleine Verbundprüfkörper getestet oder Bruchmodelle für die Bewertung herangezogen werden. Diese Verfahren basieren auf Forschungsarbeiten und sind in der Praxis noch nicht fest etabliert. Sie enthalten Umrechnungsfaktoren, die für unterschiedliche Mauerwerksarten im Rahmen von koordinierten Ringversuchen überprüft und ggf. angepasst werden sollten. Der WTA Merkblattentwurf 7-4 enthält Empfehlungen und zeigt Möglichkeiten auf, die Mauerwerksdruckfestigkeit nach dem aktuellen Stand des Wissens zu bewerten. Einen allgemeingültigen Weg dazu gibt es nicht, unterschiedliche Bewertungssituationen erfordern verschiedene Vorgehensweisen. Eine sachkundige Begleitung aller Arbeitsschritte und die Prüfung der Plausibilität der Ergebnisse sind immer notwendig. Die Prüfverfahren und Begrifflichkeiten sollten allerdings einheitlich geregelt und angewendet werden, denn nur so sind Ergebnisse miteinander vergleichbar und verlässlich einordenbar. Das Merkblatt soll zu einer Vereinheitlichung beitragen. Einsprüche und Ergänzungsvorschläge sind der Arbeitsgruppe willkommen. Eine Veröffentlichung mit ausführlichen Kommentaren und Ergänzungen der Arbeitsgruppenmitglieder zu allen Merkblattinhalten ist in Vorbereitung. Literatur [1] WTA-Merkblatt 4-5-99/ D. Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege: Beurteilung von Mauerwerk - Mauerwerksdiagnostik. Stuttgart: Dt. Fassung vom 30. September 1999, endgültige Fassung: 1999, redaktionell überarb.: Oktober 2015 [2] WTA-Merkblatt 7-1-18/ D. Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege (Hrsg.). Wigger, H.; Twelmeier, H. et al.: Erhaltung und Instandsetzung von Mauerwerk - Konstruktion und Tragfähigkeit. Stuttgart: Ausgabe: 12.2018/ D [3] DIN 18555-9: 2019-04: Prüfung von Mörteln mit mineralischen Bindemitteln - Teil 9: Bestimmung der Fugendruckfestigkeit von Festmörteln [4] DIN EN 1015-11: 2018-01. Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk - Teil 11: Bestimmung der Biegezug- und Druckfestigkeit von Festmörtel; Deutsche und Englische Fassung prEN 1015-11: 2017 [5] DIN EN 772-1: 2016- 05 Prüfverfahren für Mauersteine - Teil 1: Bestimmung der Druckfestigkeit [6] DIN EN 1052-2: 1998-12. Prüfverfahren für Mauerwerk - Teil 1: Bestimmung der Druckfestigkeit; Deutsche Fassung EN 1052-1: 1998 [7] DIN EN 1990: 2010-12. Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung; Deutsche Fassung EN 1990: 2002 + A1: 2005 + A1: 2005/ AC: 2010 [8] DIN EN 1996-1-1/ NA/ A1: 2014-03: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 6: Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten - Teil 1-1: Allgemeine Regeln für bewehrtes und unbewehrtes Mauerwerk; Änderung A1 [9] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau: Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie). Ausgabe 05/ 2011 [10] Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz (ARGEBAU): Hinweise und Beispiele zum Vorgehen beim Nachweis der Standsicherheit beim Bauen im Bestand (Stand 07.04.2008). Veröffentlicht am 09.06.2008. https: / / doi.org/ 10.1002/ dibt.200830026 [11] Gunkler, E.: Zur nachträglichen Bestimmung der Druckfestigkeit von Vollziegel-Mauerwerk. Forschungsarbeiten von 1990-1994. Heft 109 der Schriftenreihe des Instituts für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz der TU Braunschweig. Technische Universität. Braunschweig: 1994 [12] Heidel, R.: Ermittlung der Materialkennwerte von Mauerwerk als Grundlage zur Beurteilung von Mauerwerkskonstruktionen. Technische Hochschule Leipzig. Leipzig: 1989 [13] Wenzel, F.; Gigla, B.; Kahle, M.; Stiesch, G.: Historisches Mauerwerk, Untersuchen, Bewerten, Instandsetzen. Wenzel, F.; Kleinmanns, J.(Hrsg.): Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke. Empfehlungen für die Praxis. Sonderforschungsbereich 315, Universität Karlsruhe: 2000
