eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 7/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
71
2021
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Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorträge

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2021
Domenika von Kruedener
Axel Dominik
An bestehenden, älteren Bauwerken aus Mauerwerk oder Magerbeton sind oft Auswirkungen von Feuchtigkeitsschäden in unterschiedlichem Ausmaß zu erkennen. Diese Feuchtigkeitsschäden können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige Schadensanalyse notwendig, um die Ursache der Feuchte abzustellen und ein individuelles, stimmiges Sanierungskonzept zu erstellen. Bei älteren Gebäuden, insbesondere solche, die vor 1970 gebaut wurden stehen die Wände oft auf einem kapillaraktiven Streifenfundament oder die Mauerwerkssteine reichen gar bis ins Erdreich und haben direkten Kontakt mit der Feuchte im Erdboden. Bei einer fehlenden Horizontalsperre kann die Feuchte bzw. das Wasser ungehindert über die Kapillarporen entgegen der Schwerkraft nach oben steigen. Neben der aufsteigenden Feuchte gibt es noch weitere Schadensursachen, die hier nicht im Detail behandelt werden. Der Fokus liegt auf einer nachträglichen Horizontalsperre im Paraffininjektionsverfahren und ihrer Wirkungsweise.
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7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 611 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge Domenika von Kruedener ISOTEC GmbH, Kürten, Deutschland Axel Dominik Ingenieurbüro Dominik, Bornheim, TH-Köln Zusammenfassung An bestehenden, älteren Bauwerken aus Mauerwerk oder Magerbeton sind oft Auswirkungen von Feuchtigkeitsschäden in unterschiedlichem Ausmaß zu erkennen. Diese Feuchtigkeitsschäden können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige Schadensanalyse notwendig, um die Ursache der Feuchte abzustellen und ein individuelles, stimmiges Sanierungskonzept zu erstellen. Bei älteren Gebäuden, insbesondere solche, die vor 1970 gebaut wurden stehen die Wände oft auf einem kapillaraktiven Streifenfundament oder die Mauerwerkssteine reichen gar bis ins Erdreich und haben direkten Kontakt mit der Feuchte im Erdboden. Bei einer fehlenden Horizontalsperre kann die Feuchte bzw. das Wasser ungehindert über die Kapillarporen entgegen der Schwerkraft nach oben steigen. Neben der aufsteigenden Feuchte gibt es noch weitere Schadensursachen, die hier nicht im Detail behandelt werden. Der Fokus liegt auf einer nachträglichen Horizontalsperre im Paraffininjektionsverfahren und ihrer Wirkungsweise. 1. Grundlagen der Feuchte an Gebäuden Neben seitlich eindringender Feuchte, Spritzwasser im Sockelbereich, Kondensation, Schlagregenbeanspruchung, Wasserschäden und Neubaufeuchte sind auch die hygroskopische Feuchte sowie kapillar aufsteigende Feuchte Ursachen für Feuchteschäden. Hier wird vornehmlich die kapillar aufsteigende Feuchte betrachtet, da diese Ursache durch eine nachträgliche Horizontalsperre abgestellt werden kann. Bild 1: Feuchteverteilung bei kapillar aufsteigender Feuchte - Prinzipskizze Durch das Abstellen der Feuchteursache kommt zumindest keine weitere Feuchtigkeit über Kapillartransport in die Baukonstruktion. Die Wandkonstruktion ist nicht mit sofortiger Wirkung trocken, die Dauer der Feuchteabgabe („Austrocknung“) findet i.d.R. über mehrere Jahre statt. Der Feuchtetransport findet vereinfacht über mehrere Phasen statt. In der ersten Phase wird das Wasser kapillar an die Konstruktionsober-fläche transportiert, an der es verdunstet. Diese Transportart findet im Vergleich zu den anderen Phasen schnell statt. In der zweiten Phase verlagert sich die Verdunstungszone vom oberflächennahen Bereich weiter ins Bauteilinnere. Im Inneren des Bauteilquerschnitts geht das flüssige Wasser in Dampfform über. Dieser „Wasserdampf“ gelangt durch Dampfdiffusionsprozesse aus dem Bauteil heraus. Der Prozess dauert deutlich länger als Phase 1. In der letzten und dritten Phase wird das Restwasser bzw. die Restfeuchte, kein flüssiges Wasser, ebenfalls über reine Dampfdiffusion aus dem Bauteil transportiert. Dieser Prozess dauert nochmals deutlich länger als in den zuvor genannten Phasen. Die Feuchteabgabedauer kann insgesamt mehrere Jahre dauern. 612 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge Bild 2: Phasen des Feuchtetransports während des Erreichens der Ausgleichsfeuchte Der Feuchtetransport führt dazu, dass evtl. im Bauwerk vorhandene oder eingetragene baustoffschädliche Salze insbesondere in der ersten Phase bis in den ober-flächennahen Bereich transportiert werden. In Ab-hängigkeit von der Art und Konzentration des baustoffschädlichen Salzes können diese auskristallisieren und u.a. durch eine Volumenzunahme die Baustoffe beanspruchen. Dies kann unter Umständen auch nach dem Einbau einer wirksamen Horizontalsperre oder anderen Feuchteschutzmaßnahmen zu weiteren Ab-platzungen z.B. des Putzes bzw. der Farbe führen. Um die an das betroffene Bauteil angrenzenden Räume zeitnah nach den durchgeführten Feuchteschutzmaßnahmen wieder nutzen zu können, kann zum Beispiel ein Sanierputzsystem auf der Wand aufgetragen werden. Ein Sanierputzsystem kann Salze bis zu einem gewissen Maße einlagern und gleichzeitig die Feuchteabgabe des Bauteils über Dampfdiffusionsprozesse zulassen. Die Dauerhaftigkeit eines Sanierputzsystems ist neben den Eigenschaften wie Zusammensetzung, Porosität und Dicke auch von der Art des Salzes sowie der Salzkonzentration abhängig. Darauf wird in diesem Rahmen jedoch nicht näher eingegangen. Durch eine Sanierung von Feuchteschäden kann maximal die Ausgleichsfeuchte des Baustoffs unter den vorliegenden raumklimatischen Bedingungen erreicht werden. Die Ausgleichsfeuchte beschreibt den Zustand bzw. den Feuchtegehalt eines Baustoffes, der sich einstellt, sobald der Gleichgewichtszustand zwischen der Umgebungsfeuchtigkeit und Feuchte im jeweiligen Baustoff erreicht ist. Bei der Ausgleichsfeuchte spielt die Salzbelastung des Baustoffs eine entscheidende Rolle. Unterschiedliche Salze haben die Eigenschaft, mehr oder weniger Wasser aus der Umgebungsluft aufzunehmen, demnach ändert sich auch salzbedingt der Ausgleichsfeuchtegehalt im Baustoff. Ein salz-haltiger Baustoff kann entsprechend einen hohen Feuchtegehalt aufweisen, obwohl alle Feuchteschutzmaßnahmen regelkonform ausgeführt wurden. Dieser Effekt wird hygroskopische („wasseranziehende“) Feuchte genannt. Bild 3: Kapillare Wasseraufnahme eines Fundamentmauerwerks mit einer oberflächennahen Verdunstungszone und bauschädlichen Salzen - Prinzipskizze Wie kapillaraktiv ein Baustoff ist, hängt u.a. von seinem Porengefüge (Porenart und Porengeometrie) ab. Die sogenannten Kapillarporen sind in der Lage, Wasser entgegen der Schwerkraft nach oben zu transportieren (kapillar aufsteigende Feuchte). Diese Fähigkeit ist abhängig von der Porengröße, Porenart und der Rauigkeit der Porenwandung. Der Durchmesser einer kapillaraktiven Baustoffpore liegt zwischen 10 -5 mm und 10 -2 mm. Zudem weist die innere Porenwandung eine gewisse Rauigkeit (Randwinkel < 90°) auf. Sie hat zudem hydrophile, wasserliebende Eigenschaften. Ist die Rauigkeit zu gering (Randwinkel > 90°), so kann ein kapillarer Wassertransport in Abhängigkeit von dem Randwinkel bedingt bis gar nicht stattfinden. Bei einer geringen Rauigkeit mit einem Randwinkel > 90° wird von einer hydrophoben Eigenschaft ge-sprochen. Bild 4: Kontaktwinkel < 90°, hydrophile Eigenschaften des Baustoffs - Prinzipskizze 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 613 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge Bild 5: Kontaktwinkel > 90°, hydrophobe Eigenschaften des Baustoffs - Prinzipskizze 2. Grundlagen zur Anordnung einer nachträglichen Horizontalsperre Der Begriff „nachträgliche Horizontalsperre“ suggeriert die Funktion einer absolut feuchtedichten Sperre im Bauteil, was vielfach nicht der Realität entspricht. Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten der nachträglichen Horizontalsperre, um die aufsteigende Feuchte in Baustoffen zu reduzieren bzw. vollkommen zu sperren. Neben dem mechanischen Horizontalsperrenverfahren sind die sogenannten Bohrlochinjektionsverfahren weit verbreitet, die teilweise auch als „chemische Horizontalsperren“ bezeichnet werden. Über definierte Bohrlöcher (Bohrlochlänge, Abstand der Bohrlöcher untereinander, Winkel bzw. Neigung der Bohrkanäle) werden sogenannte Injektionsstoffe in das Bauteil eingebracht. Über die Bohrkanalwandung dringt der Injektionsstoff kapillar in das Bauteil ein. Sobald der Injektionsstoff seine Wirksamkeit in den Kapillarporen ausbilden konnte, wird der kapillare Feuchtetransport in diesem Bereich durch unter-schiedliche Wirkungsweisen behindert bzw. gestoppt. Bei den Bohrlochinjektionsverfahren gibt es Unterschiede in der Ausführung sowie in den Wirkmechanismen der verschiedenen Produkte. Die fachgerechte Ausführung einer nachträglichen Horizontalsperre im Bohrlochinjektionsverfahren ist im WTA-Merkblatt 4-10 „Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapillaren Feuchtetransport“ geregelt. Darin enthalten ist eine schematische Darstellung der verschiedenen Wirkungsweisen. In diesem Beitrag wird vornehmlich auf das Bohrlochinjektionsverfahren im Zusammenhang mit dem Paraffininjektionsverfahren eingegangen. 2.1 Wirkungsweisen der verschiedenen Horizontalsperren Die Wirkungsweisen der verschiedenen Produkte gliedern sich in Kapillarporenverstopfung, Kapillarporenverengung, Poren-Hydrophobierung oder einer Kombination aus Kapillarporenverengung bzw. -verstopfung und Poren-Hydrophobierung. Das hier näher beschriebene drucklose Injektionsverfahren mittels Paraffin ist der Wirkungsweise der Kapillarporenverstopfung zuzuordnen. Bild 6: Wirkmechanismen verschiedener Injektionsstoffe in den Baustoffporen - Prinzipskizze Chemische Injektionen wirken meistens dadurch, dass sie eine Porenhydrophobierung hervorrufen. Dafür machen sich viele Produkte die vorhandene Feuchteverteilung im Baustoff zunutze. Dies bedeutet z.B., dass ein „wasserlöslicher Wirkstoff“ sich im vor-handenen Feuchtemilieu verteilt. Seitens des Produktherstellers wird eine Höchstgrenze für den im Bauteil vorhandenen Feuchtegehalt (Durchfeuchtungsgrad (DFG)) angegeben, bis zu denen der Injektionsstoff wirkt. Aus verschiedenen Untersuchungen ist bekannt, dass die Durchfeuchtungsgrade innerhalb eines Bauteils, z.B. bestimmt an mehreren Teilproben, die aus einem Bohrkern entnommen wurden, sehr unterschiedlich sein können. Im Rahmen eines Forschungsprojektes / 5,6/ konnte festgestellt werden, dass die Bestimmung des Durchfeuchtungsgrades an einer Mauerziegelwand große Unterschiede zwischen Mauerziegel und Mörtel (hergestellt aus Trassmehl, Kalkhydrat und Sand) vorhanden sind. Der DFG des Mauerziegels lag bei den Versuchen <20%, der des Fugenmörtels >60%, obwohl die beprobten Stellen direkt nebeneinander lagen. Somit ist Vorsicht geboten, wenn Durchfeuchtungs-grade als Wirkungsgrenze für Injektionsstoffe angegeben werden. 614 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge Bild 7: Feuchteverteilung über einen Mauerwerksquerschnitt, Vergleich der verschiedenen Durchfeuchtungsgrade in Mörtel und Mauerstein - Prinzipskizze Bild 8: Ergebnisse Feuchteverteilung zu Bild 7 Eine nachträgliche Horizontalsperre im Paraffin-injektionsverfahren ist von dem Durchfeuchtungsgrad des Baustoffs unabhängig. Vor der Injektion des Wirkstoffs Paraffin wird die Injektionszone mittels in die Bohrkanäle eingelegter Heizstäbe herunter getrocknet, damit das in den Poren befindliche Wasser verdunstet und die Poren „frei“ von Feuchtigkeit sind. Nachdem der Injektionsbereich heruntergetrocknet wurde und die Kapillarporen in diesem Bereich frei von flüssigem Wasser sind, kann das verflüssigte, erwärmte Paraffin in die Bohrkanäle eingebracht werden. Das Paraffin wird durch das Erwärmen in einem Paraffinschmelz-behälter so verflüssigt, dass es von den erwärmten Baustoffporen ebenso wie Wasser kapillar aufgenommen werden kann. Nachdem die Poren im Injektionsbereich (Feuchtesperrgürtel) mit Paraffin gesättigt sind und das Paraffin erhärtet ist, bildet sich ein ca. 15 cm hoher horizontaler Sperrgürtel aus. Durch diesen Sperrgürtel kann kein Wasser mehr durch Kapillarporen transportiert werden, da die Kapillarporen, kleinere Hohlräume und ggf. Risse mit Paraffin gefüllt sind. 3. Verfahrensablauf Zunächst wird für die nachträgliche Horizontalsperre, die Injektionsebene (-zone) festgelegt. Diese ist von der Gebäudekonstruktion und ggf. zusätzlichen Instandsetzungsmaßnahmen wie z. B. einer Vertikalabdichtung von außen oder innen abhängig. Sobald die Injektionsebene festgelegt wurde, werden die Bohrungen in einem Winkel von ca. 20° nach unten geneigt und einem Abstand von ca. 100 mm bis 125 mm in das Mauerwerk eingebracht. Aufgrund dieses Neigungswinkels wird bei der Bohrung auch eine Lagerfuge getroffen. Bild 9: Bohren der Bohrkanäle im Neigungswinkel ca. 20° Ggf. werden sehr klüftige Mauerwerke vor den nächsten Arbeitsschritten mit geeigneten Materialien verfüllt, damit der Injektionsstoff nicht „weglaufen“ kann. Kommt es zu einer Hohlraumverfüllung, werden die Bohrungen nach Erhärtung des Materials erneut gebohrt. Von dem Mauerwerk bleiben die hinteren 5 cm stehen, die Bohrlochlänge errechnet sich somit aus der Mauerwerksdicke und dem Neigungswinkel. Anschließend wird der angefallene Bohrstaub aus dem Bohrloch ausgesaugt, damit dieser die kapillare Saugfähigkeit des Mauerwerks nicht beeinflusst. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 615 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge Bild 10: Ermittelte Bohrlochlänge, abhängig von der Bauteildicke, dem Neigungswinkel der Bohrung und 5 cm „unberührtem“ Bauteil - Prinzipskizze Im darauffolgenden Arbeitsschritt werden Spezialheizstäbe in die Bohrlöcher eingebracht. Die Länge der Heizstäbe richtet sich nach der Mauerwerksdicke. Die Injektionszone wird unter ständiger Beobachtung auf ca. 110°C aufgeheizt. Bei Erreichen dieser Temperatur befindet sich kein flüssiges Wasser mehr in den Kapillarporen. Zunächst steigt die Temperatur im Mauerwerk auf ca. 100°C und das flüssige Wasser in den Kapillarporen verdampft. Dieser physikalische Prozess benötigt einige Energie, somit steigt die Bauteiltemperatur während dieser Phase nicht weiter an. Erst wenn das freie Wasser verdampft ist, beginnt die Temperatur des Baustoffs weiter anzusteigen. Die Temperatur von 110°C ist ein Indikator dafür, dass die Poren des Baustoffs von Wasser befreit sind und das Spezialparaffin vollständig in die Kapillarporen eindringen kann. Bild 11: Anstieg der Bauteiltemperatur in der Injektionsebene während des Trocknungsprozesses Nach Erreichen der für die Injektion notwendigen Temperatur werden spezielle Vorratsbehälter in die Bohrlöcher gesteckt. In diese Vorratsbehälter wird das zuvor im Paraffinschmelzbehälter erhitzte, verflüssigte Paraffin eingefüllt und in die Wand injiziert. Bild 12: Anbringen der Vorratsbehälter Sowohl die Vorratsbehälter als auch die Bohrlöcher werden durch die Heizstäbe, welche durch die Vorratsbehälter hindurchgeführt wurden, auf Temperatur gehalten. Über die Behälter fließt nun das Paraffin in die Bohrkanäle und verteilt sich über die Bohrkanalwandung kapillar im Baustoff. Dieses Paraffin hat die Eigenschaft, dass es flüssiger ist als Wasser. Aus diesem Grund dringt es bis in sehr feine Baustoffporen vor. Bild 13: Paraffininjektion mittels Vorratsbehälter - Prinzipskizze Eine kapillare Sättigung bzw. das Ende der Injektion ist erreicht, sobald der Baustoff über einen längeren Zeitraum keine weitere Paraffinmenge mehr aufnimmt. Wenn dieser Zustand erreicht, ist werden die Heizstäbe und Vorratsbehälter entfernt. Durch das Abkühlen des Mauerwerks erstarrt das Paraffin und die mit Paraffin gefüllten Poren sind so geschlossen, dass kein Feuchtetransport über Kapillarporen mehr stattfinden kann. Durch diese Verfahrensweise entsteht ein voll-ständiger, ca. 15 cm hoher „Sperrgürtel“. Dieses Verfahren ist sowohl bei einem Mauerwerk aus künstlichen Steinen als auch bei einem Naturstein-mauerwerk, auch mit nicht kapillaraktiven Mauer-steinen anwendbar. Bei einem Natursteinmauerwerk bzw. Bruchsteinmauerwerk aus nicht bzw. schwach 616 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge saugenden Natursteinen erfolgt der wesentliche Feuchtetransport über das kapillaraktive Fugennetz. Durch die geneigten Bohrungen werden bei einem Bruchsteinmauerwerk meist mehrere Fugen getroffen. Diese können gut getrocknet werden und speziell formuliertes Paraffin kann sich gleichmäßig in den porösen getrockneten Baustoffen verteilen. Neben der direkten Wirkung gegen kapillar aufsteigendes Wasser hat das Spezialparaffin zudem noch verfestigende Eigenschaften. Gerade bei älteren Gebäuden, in denen die Fugen teilweise sandig sind, hat dies nochmals zusätzliche Vorteile. Versuche an Verbundproben aus Ziegelmaterial und Kalkmörtel haben gezeigt, dass der Baustoff nach einer Paraffininjektion eine ca. 35%-ige Steigerung der Druckfestigkeit aufweist. Die Bohrkanäle müssen anschließend immer mittels eines Spezialmörtels verschlossen werden. 4. Wirkung der Paraffininjektion Die Wirkung einer Paraffininjektion tritt sofort nach dem Erstarren des Paraffins ein. Sobald das Paraffin in den Baustoffporen aufgenommen wurde, sind diese Poren so geschlossen, dass kein Wasser mehr kapillar in bzw. durch diese Poren gelangen kann. Es stellt sich eine Feuchtesperrzone ein. Dieses Verfahren ist DFG-unabhängig, da vor der Injektion die Injektionsebene herunter getrocknet wird und das freie Wasser in den Kapillarporen verdunstet. Zusätzlich ist dieses Verfahren auch unabhängig von der im Bauteil vorhandenen Salzbelastung. Die Injektion, Verstopfung der Poren und Reaktion des Paraffins erfolgt rein physikalisch: Das flüssige Paraffin wird nach dem Trocknungsprozess in einen Baustoff mit einem leeren Porengefüge gegeben. In diesem Porengefüge wird das Paraffin durch physikalische Kapillarkräfte verteilt und erstarrt durch Abkühlen. Nach dem Erstarren ist ein sofortiger kapillarsperrender Effekt vorhanden. Bild 14: Benetzungsprobe und hydrophobe Eigenschaften eines Ziegelmauerwerks nach einer Paraffininjektion Ob dem Baustoff ausreichend viel Paraffin zum Verschluss der Poren hinzugefügt wurde, kann durch mehrere Faktoren festgestellt werden. Für diese Beurteilung spielen u.a. Mauerwerksart, Mauerwerksdicke, Klüftigkeit des Mauerwerks, verbrauchte Paraffin-menge pro lfm und die Injektionsdauer eine wesentliche Rolle. Der über der Horizontalsperre liegende Bereich trocknet mit der Zeit aus. Dies kann durch entsprechende Messungen geprüft werden. Dabei kann es, wie bereits beschrieben zu Salzausblühungen im oberflächennahen Bereich kommen. Diese können besonders in der Anfangsphase des „Austrocknungsprozesses“ zu deutlichen Beanspruchungen des Bauteils führen (z.B. Putzabplatzungen). Daher sind begleitende Maßnahmen notwendig. Damit der Raum nach der Sanierung direkt genutzt werden kann, empfiehlt es sich, den oberhalb der Horizontalsperre befindlichen Putz durch ein Sanierputzsystem zu ersetzen. 5. Prüfkriterien der WTA für Injektionsstoffe Für eine Prüfung nach WTA gemäß WTA-Merkblatt 4-10 „Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapillaren Feuchtetransport “ müssen drei Mauerwerksprüfkörper erstellt werden. Die Prüfung kann mit drei verschiedenen Durchfeuchtungsgraden (DFG) durchgeführt werden. Zur Wahl stehen ein DFG 60%, DFG 80% oder DFG 95%. Dabei bestimmt der Hersteller des Injektionsstoffes den (DFG), für den der Injektionsstoff geprüft werden soll. Die Einstellung des geforderten DFG erfolgt durch Abtrocknen, Befeuchten bis zur Massekonstanz, erneutes Herabtrocknen und entsprechende Wasser-zugabe bis zur Erreichung des jeweiligen DFG der Mauerwerksprüfkörper. Besteht ein Injektionsstoff die Prüfung eines höheren DFG von 80% oder 95%, so kann die Prüfung für einen geringeren DFG nach WTA-Merkblatt 4-10 entfallen. Zwei der drei Prüfkörper werden mit dem zu prüfenden Injektionsmaterial injiziert, der dritte Prüfkörper dient als Referenzprüfkörper. Der genaue Ablauf der Prüfung kann im WTA-Merkblatt 4-10 „Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapillaren Feuchtetransport“ aus Tabelle 1 entnommen werden. Zur Erfüllung der Prüfkriterien muss der Durchfeuchtungsgrad eines, mit Injektionsstoff behandelten Prüfkörpers lediglich um 50 % gesenkt werden. Zudem darf der DFG des injizierten Prüfkörpers nach 90 Tagen nicht wieder zunehmen. Aus den Prüfkriterien kann geschlossen werden, dass es bei den zertifizierten Injektionsstoffen sehr große Unterschiede in der Wirksamkeit und in der Geschwindigkeit des Wirksamkeitseintritts geben kann. 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Juli 2021 617 Nachträgliche Horizontalsperren und Feuchtetransportvorgänge 6. Wahl des Injektionsstoffes Die Wahl der Injektionsstoffe ist neben den Prüf-kriterien nach dem WTA-Merkblatt 4-10 sehr stark von den am Bauteil gegebenen Feuchteverhältnissen, u. a. von bestimmten Durchfeuchtungsgraden abhängig. Wie im vorigen Abschnitt bereits erwähnt, können durch die niedrigen Anforderungen der Prüfkriterien für einen zertifizierten Injektionsstoff große Unterschiede in der Wirksamkeit vorkommen. Somit ist es für den Planer und für den Anwender schwierig, einen geeigneten Injektionsstoff unter den objektspezifischen Verhältnissen auszuwählen. Ins-besondere sollten neben der Feuchtegehaltbestimmung des Bauteils und der Bestimmung der baustoff-schädlichen Salzbelastung auch weitere bauphysikalische Verhältnisse sowie die Raumnutzungsklasse mit in die Planung einbezogen werden. Ziel sollte es sein, Injektionsstoffe zu verwenden die auch bei hohen Durchfeuchtungsgraden von DFG 95% wirksam sind. Quellen [1] WTA-Merkblatt 4-10 „Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapillaren Feuchtetransport “ [2] C.Hecht, J.Dreyer, G.Saulich: “Festigkeitseigenschaften von Verbundproben aus historischem Ziegel und Kalkmörtel nach der Injektion von Paraffin” - Technische Universität Wien, März 2002 [3] Yannick Bosbach: “Aufheizprozesse in Mauerwerken als Grundlage der Paraffin-Methode für die Horizontalabdichtung gegen aufsteigende Feuchte” - Bachelorarbeit Universität Wuppertal, November 2018 [4] ISOTEC GmbH: “ISOTEC-Architectus Ratgeber bei Feuchteschäden an Gebäuden” - 4. Ausgabe, Januar 2020 [5] Dominik, Axel; Koch, Sabine: “Die Wirkung eines Heizsystems (Temperierbzw. Konditioniersystem) auf feuchte- und salzbelastetes Mauerwerk in einem temporär genutzten Gebäude” - Abschlussbericht F1006/ F-0E zu einem Forschungsprojekt, gefördert unter dem Az 20941 von der Deutschen Stiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück, August 2008 [6] Djahanschah, Sabine: (Herausgeber, Autor), & 10 mehr) „Erhalt temporär genutzter Gebäude (Initiativen zum Umweltschutz, Band 77, ISBN-13 : 978- 3503114634, Herausgeber : Erich Schmidt Verlag GmbH & Co, 2. Dezember 2009) [7] Weiß, G.: „Austrocknungsverhalten von Mauerwerk aus künstlichen und natürlichen Steinen“ - Aachen, Technische Hochschule, Fachbereich 3, Institut für Bauforschung, Studienarbeit, 1995 (unveröffentlicht)