Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81
Füllen von Rissen und Hohlräumen an porösen, hohlraumhaltigen (und auch wasserbelasteten) Betonen
21
2023
Benjamin Reims
Beton und Betonbauteile sind optimal für eine Druckbeanspruchung ausgelegt. Sie nehmen jedoch nur geringe Zug- oder Biegespannungen auf, die neben dem Schwinden und mechanischen Belastungen (Verkehrslasten) die häufigsten Ursachen für Risserscheinungen und Undichtigkeiten darstellen.
Dafür ist aber eine gute Zusammensetzung, Verarbeitung und Verdichtung für die Einhaltung der beschriebenen Eigenschaften erforderlich. Leider werden immer häufiger Fehler bei den einzelnen Arbeitsschritten eingebaut. Diese entstehen aber nicht immer nur im reinen Handwerk (Ausführung), sondern bereits viel früher in der Planungsphase. Um Lunker, Kiesnester, Fehlstellen in der Praxis behandeln zu können, ist eine Bauzustandsanalyse, in der sämtliche Merkmale und Ursachen der Riss- und Hohlraumbildung festgestellt und dokumentiert werden, erforderlich. Besonders Hohlräume sollten nicht erst durch das „Anbohren“ des Betons festgestellt werden.
kevb810051
8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 51 Füllen von Rissen und Hohlräumen an porösen, hohlraumhaltigen (und auch wasserbelasteten) Betonen Dipl.-Ing. (FH) Benjamin Reims WEBAC Chemie GmbH, Barsbüttel bei Hamburg Zusammenfassung Beton und Betonbauteile sind optimal für eine Druckbeanspruchung ausgelegt. Sie nehmen jedoch nur geringe Zug- oder Biegespannungen auf, die neben dem Schwinden und mechanischen Belastungen (Verkehrslasten) die häufigsten Ursachen für Risserscheinungen und Undichtigkeiten darstellen. Dafür ist aber eine gute Zusammensetzung, Verarbeitung und Verdichtung für die Einhaltung der beschriebenen Eigenschaften erforderlich. Leider werden immer häufiger Fehler bei den einzelnen Arbeitsschritten eingebaut. Diese entstehen aber nicht immer nur im reinen Handwerk (Ausführung), sondern bereits viel früher in der Planungsphase. Um Lunker, Kiesnester, Fehlstellen in der Praxis behandeln zu können, ist eine Bauzustandsanalyse, in der sämtliche Merkmale und Ursachen der Riss- und Hohlraumbildung festgestellt und dokumentiert werden, erforderlich. Besonders Hohlräume sollten nicht erst durch das „Anbohren“ des Betons festgestellt werden. 1. Bauzustandsanalyse Vor Beginn sämtlicher Instandsetzungsbzw. Instandhaltungsmaßnahmen steht eine umfangreiche Bauzustandsanalyse. Ohne diese ersten Schritte können die durchzuführenden Maßnahmen und eingesetzten Produkte nur „abgeschätzt“ werden. Eine zielführende Instandsetzung ist so häufig nur dem Zufall überlassen. Die Instandsetzungsmaßnahmen sowie die hierfür einzusetzenden Füllgüter werden in Abstimmung mit der Analyse der Rissmerkmale wie Rissart, -ursache, -geometrie, -breite, -breitenänderung, Feuchtezustand und Verschmutzung/ Verunreinigungen ausgewählt. Zur Bestimmung der Rissbreite können z. B. Risslehren oder Risslupen verwendet werden. In die Tiefe eines Bauteils kann man entweder anhand eines Bohrkerns, Probebohrungen mit einem größeren Durchmesser oder mit Hilfe eines Endoskops schauen. (Bild 1). Eine weitere Methode, die man oberflächennah einsetzen kann, ist das Abklopfen der Oberflächen. Das Georadar und auch Ultraschall werden in den neueren Regelwerken zusätzlich benannt. 2. Rissarten Wichtig ist die Differenzierung der Rissarten. Unterschieden wird gewöhnlich in „Oberflächennahe Risse“ sowie in „Trennrisse“. Die Verfahren zur Rissfüllung weichen hier zum Teil erheblich voneinander ab. Häufig kann man so ohne weiteres gar nicht feststellen, ob die Risse durch das Bauteil durchgehen. Feuchtigkeit oder sogar fließendes Wasser könnten ein Indikator dafür sein, bei jedoch trockenen Rissen sieht das anders aus. Dann bleibt häufig nur noch die Möglichkeit Bohrkerne zu entnehmen, um diese Informationen zu bekommen. Bild 1: Bohrkernentnahme für Bauzustandsanalyse 3. Rissbreite/ Risstiefe Die Rissbreite ist der Abstand der Rissufer, gemessen auf der Bauteiloberfläche, senkrecht zum Rissverlauf. Da längere Risse unterschiedliche Breiten aufweisen sollten mehrere Messungen in wesentlichen Bereichen stattfinden. Es sind bei jeder Messung Datum, Uhrzeit, Wetterlage und Bauteiltemperatur zu dokumentieren. Die Genauigkeit der Messung liegt meist bei 0,1mm. 52 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Füllen von Rissen und Hohlräumen an porösen, hohlraumhaltigen (und auch wasserbelasteten) Betonen Bild 2: Messen der Rissbreite 4. Rissbreitenänderungen Für die Auswahl des geeigneten Füllmaterials und dem damit verbundenen Erfolg der Injektionsmaßnahme ist vor allem die Rissbreitenänderung von Bedeutung. Bauteilbewegungen während der Erhärtungsphase des Füllmaterials oder nach der Aushärtung können zu weiteren Schäden bzw. Undichtigkeiten führen. Dies ist wichtig bei kraftschlüssigen Injektionen besonders bei standsicherheitsrelevanten Bauteilen. Rissbreitenänderungen können kurzzeitig, täglich oder auch langfristig auftreten. Je nach Jahreszeit oder Belastung z. B. durch Verkehr treten die Bewegungen völlig unterschiedlich auf. Es kann sogar zu Überlagerungen kommen. Bild 3: Bauteilbewegungen Wie in Bild 3 dargestellt gehen Risse nicht nur „auf und zu“, sie erfahren z. B. durch Setzungen oder Belastungen auch Höhenunterschiede bzw. -versätze. Bei z. B. dynamisch belasteten Bauteilen auch häufig und ich sehr kurzen Zeitabständen. Dabei könnte eine vorhandene Verdämmung abplatzen und zum Austritt des Injektionsmaterials führen. Ein möglichst hoher Füllgrad wäre somit nicht mehr zu gewährleisten. Die Bestimmung der tatsächlichen Rissbewegungen ist für die Materialauswahl von hoher Wichtigkeit. Starr aushärtende Füllgüter werden nur dann verwendet, wenn die Rissursache (Entstehung) beseitigt und sichergestellt ist, dass die Füllung keiner zu starken Bauteilbewegung ausgesetzt ist. Bei sich weiterhin bewegenden Rissen müssen Füllgüter mit dehnbaren (elastischen) Eigenschaften eingesetzt werden. Bild 4: Wechselseitiges Anbohren, ggf. Verdämmung vorsehen 5. Hohlräume Hohlräume und/ oder auch Haufwerksporigkeiten können in verschiedenen Varianten in Betonbauteilen enthalten sein. Hierzu gehören z. B. Lunker, Kiesnester und Fehlstellen. Diese entstehen teilweise z. B. schon bei den Betonierarbeiten. Schlechte Verdichtung, falsches Mischungsverhältnis, Entmischungen, zu viel Bewehrung oder eben unzugängliche Bereiche sind nur ein kleiner Teil der Möglichkeiten. Bild 5: Große Fehlstellen in Stütze Im Zusammenhang mit abdichtenden, dehnbaren oder eben auch kraftschlüssigen Injektionen ist aber die Feststellung die wichtigste Information für das ausführende Unternehmen. Sollten die Hohlräume im Vorfeld übersehen worden sein, könnte es zu falschen Anwendungen, falscher Materialauswahl oder auch zu viel zu hohen Materialverbräuchen führen. Von den Fehlern und Folgen mal ganz abgesehen. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 53 Füllen von Rissen und Hohlräumen an porösen, hohlraumhaltigen (und auch wasserbelasteten) Betonen Bild 6: Hohlraumverfüllung durch Injektion Eine besonders schwere Anwendung im Zusammenhang mit Hohlräumen und Fehlstellen ist die Abdichtung von Halbfertigteilwänden (Sandwichelementwände), die durch viele verschiedene Fehlerquellen auffallen. Hier zeigt das Bild 7 die kritischen Bereiche, die meist in den Fußpunkten und bis zu einer Höhe von 30-50 cm ab Bodenkante entstehen. Bild 7: Injektionen bei Halbfertigteilen Bei solchen Konstruktionen ist die Durchführung sehr schwer, da die verschiedenen - meist wassergefüllten - Fehlstellen miteinander zusammenhängen bzw. verbunden sind. Hier sollten lediglich Fachfirmen beauftragt werden, die Mischung aus Abdichtung und statischer Ertüchtigung sanieren zu dürfen. 6. Feuchtezustände Für die richtige Füllgutauswahl muss festgestellt werden, ob die Risse trocken, feucht oder wasserführend sind. Wasser und Feuchtigkeit können bei nicht speziell feuchtigkeitsverträglichen Produkten zu unkontrollierten Reaktionsergebnissen führen. Bild 8: Feuchte Risse an einer Betonstütze In den älteren Regelwerken haben wir es mit den Feuchtzuständen Trocken Feucht Drucklos wasserführend Drückendes Wasser zu tun, während in der DIN EN 1504-5 kleinere Änderungen/ Anpassungen beschrieben sind: Trocken Feucht Nass Fließendes Wasser 7. Instandsetzungsziele Nach der Feststellung des Ist-Zustandes werden die Instandsetzungsziele festgelegt. Die Ergebnisse der Bauzustandsanalyse liefern dem Planer wichtige Informationen zu den Instandsetzungsmöglichkeiten und der entsprechenden Materialauswahl. Aus der Erfahrung heraus werden die Instandsetzungsziele auf Grundlage der DAfStb-Richtlinie (Instandsetzungs-Richtlinie), die auf den Entwürfen zur ZTV-ING (Teil 3; Abschnitt 5) beruht, geplant und festgelegt. Dort sind die Anwendungsziele in Abhängigkeit von den Feuchtezuständen beschrieben. Aus der Tabelle (Nicht hier enthalten) heraus können die konkreten Füllgüter (Materialbasis) ausgewählt werden. Diese theoretischen Vorgaben lassen sich auf den Baustellen nicht immer so umsetzen, da immer wieder die örtlichen Randbedingungen in Verbindung mit dem Instandsetzungsziel einen Widerspruch ergeben. Zum Beispiel wären Druckwasserführende Bauteile im Winter kraftschlüssig/ Druckfest abzudichten - wenn überhaupt - nur bedingt und mit sehr hohem Zusatzaufwand möglich. Diese extremen Bauwerksbedingungen werden in den Regelwerken und Produktanforderungen in dieser Kombination nicht behandelt und können von Rissfüllgütern nach Instandsetzungs-Richtlinie nicht erfüllt werden. 54 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Füllen von Rissen und Hohlräumen an porösen, hohlraumhaltigen (und auch wasserbelasteten) Betonen Zusätzliche Möglichkeiten bietet hier die europaweit gültige DIN EN 1504. Diese Norm hebt die Leistungsmerkmale der einzelnen Produkte hervor - unabhängig von ihrer Materialbasis und liefert dem Planer ein breiteres Spektrum an Einsatzmöglichkeiten und Zieldefinitionen. Anwendungsziele nach DIN EN 1504-5: Kraftschlüssiges Verbinden (Kategorie F) Dehnbares Verbinden (Kategorie D) Quellfähiges Verbinden (Kategorie S) Bild 9: Prinzip Rissinjektion 8. Produkte (Dehnbare Polyurethane) Wenn keine relevanten statischen Anforderungen bestehen, sind die wasserreaktiven, dehnbaren Polyurethanharze die richtige Wahl. Durch ihr Aufschäumen nach Kontakt mit Wasser oder Feuchtigkeit bilden sie nicht nur eine dehnbare Schaumstruktur, sondern entwickeln eine hohe Klebkraft an den nassen Rissflanken. Diese schnelle Reaktion verhindert in der Praxis oft einen Materialaustritt über die Oberfläche und gewährleistet eine effektive Abdichtung der Konstruktion. Im Gegensatz zu den schnellschäumenden, wasserstoppenden Polyurethanschaumharzen ist die expandierte Schaumstruktur des Polyurethanharzes geschlossenzellig und ermöglicht so eine wasserdichte Konstruktion. Durch die entstandenen Bläschen im kompakten Material können eventuell entstehende Bewegungen des Bauteils aufgenommen werden, die abdichtende Wirkung bleibt dabei erhalten. 9. Produkte (Druckfeste Polyurethane) Zusätzlich kann bei der abdichtenden Risssanierung auch noch die Hohlraumfüllung sowie eine Stabilisierung erzielt werden. Übliche Polyurethanharze können zwar zum Füllen von Hohlräumen verwendet werden besitzen aber keine nennenswerten verfestigenden Eigenschaften für Beton. Hier kann erfolgreich auf die neue Generation hochfester Polyurethanharze zurückgegriffen werden, die hohe Druckfestigkeiten besitzen und so auch verfestigend wirken. Ihre Haftung auf trockenem Beton ist mit der von Epoxidharzen vergleichbar; auf feuchten Untergründen sind sie üblichen Epoxidharzen überlegen. Die Wasserreaktivität dieser druckfesten PUR-Harze kann es nicht nur gut mit der Feuchtebelastung des Bauwerkes aufnehmen, sondern-führt darüber hinaus zu beschleunigter Aushärtung auch bei tiefen Temperaturen (niedrige Mindestanwendungstemperatur von >1 °C), wenn oberhalb des Gefrierpunkts gerade noch injiziert werden kann.-Die Mikroschaumbildung in Kontakt mit Wasser bringt einen weiteren Vorteil: das Injektionsmaterial vernetzt schneller und macht so Verdämmarbeiten häufig überflüssig- Für die Verarbeitung dieser Produkte ist die gleiche Injektionstechnik wie bei der klassischen Rissinjektion erforderlich. Daher muss von dem zuvor gewähltem Injektionsverfahren nicht abgewichen werden. Zusätzliches Equipment wird nicht benötigt. 10. Produkte (Epoxidharze) Was bisher undenkbar für die Polyurethanharze (Druckfestigkeit) gewesen ist, kann man auf die Epoxidharze nahtlos übertragen. Bisher waren die am Markt befindlichen Produkte bei maximal restfeuchter Oberfläche/ Rissflanke einzusetzen. Hier gibt es Produkte, die nicht nur bei nassen, sondern auch bei kalten Temperaturen verwendet werden können. Somit sind die mineralischen Produkte nicht mehr die „Alleinherrscher“ bei Situationen, wo Kraftschluss unter feuchten/ nassen oder gar kühlen Bedingungen gefordert wird. 11. Mineralische Systeme (ZL/ ZS) Sind betonähnliche Injektionsmaterialien, die in erster Linie zur Hohlraumfüllung eingesetzt werden. Die deutlich preiswerteren Varianten sind Mischungen aus Zement und Wasser einschließlich eventuellen Zusatzmitteln und -stoffen. Die vom Mahlgrad her deutlich feiner eingestellten Suspensionen können bei kleineren Rissbereichen verwendet werden. 12. Zusammenfassung Extreme Bedingungen auf der Baustelle, wie z. B. tiefe Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, und extreme Feuchtezustände, besonders bei Wasserbauwerken, stellen hohe, oftmals kaum erfüllbare Anforderungen an Planung, Ausführung und Produkte von Instandsetzungsarbeiten. Mit den heute verfügbaren modernen Produkten sind Anwendungsziele über Stoffklassengrenzen hinweg möglich. So können mit unter extremen Witterungsverhältnissen aushärtenden Kunstharz-Injektionssystemen Risse nicht nur abgedichtet und geschlossen, sondern auch Hohlräume und mangelhaft verdichteter Beton zugleich verfestigt (kraftschlüssig verbunden) werden. Nach-einer-Bauzustandsanalyse können die Injektionsmaterialien-passend für die-Objektbedingungen ausgewählt werden. Dabei kann besonders die Druckfestigkeit 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 55 Füllen von Rissen und Hohlräumen an porösen, hohlraumhaltigen (und auch wasserbelasteten) Betonen auf die Bauteilfestigkeit abgestimmt werden. Solche Anforderungen können bereits in der Planungsphase festgelegt und mit den entsprechenden Injektionssystemen auch für so unterschiedliche mineralische Baumaterialien wie Beton oder Mauerwerke realisiert werden. Nicht alle Injektionsmaterialien können/ dürfen allerdings als Hohlraumfüller verwendet werden. Je nach echter Baustellensituation können durch eine falsche Materialauswahl größere Schäden provoziert werden. Zum Beispiel dürfen Epoxidharze wegen Ihrer starken Wärmeentwicklung in der Erhärtungsphase nur in sehr kleinen Fehlstellen von max. 100 ml eingesetzt werden. Speziell bei stärker wasserbelasteten Bauwerken spielen erweiterte Möglichkeiten der Rissfüllstoffe eine wichtige Rolle. Hier erfordern außergewöhnliche Sanierungen von allen Baubeteiligten außergewöhnliche Lösungen. Mit den passenden Produkten gelingt es, auch schwierige Sanierungslösungen tatkräftig anzugehen und unsere Wasserbauwerke auch unter kritischen Bedingungen langfristig und dauerhaft zu schützen. Nach DIN EN 1504-5 ist es also kein Problem, kraftschlüssig verbindende Injektion auch bei Extrembedingungen oder feuchten und sogar nassen Rissen an kritischen Rissflanken durchzuführen. Literaturverzeichnis [1] WEBAC Chemie GmbH; Broschüre Risssanierung [2] Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb [3] ZTV-ING [4] DIN EN 1504-5 [5] Objektdokumentation WEBAC Chemie GmbH Dipl.-Ing. Benjamin Reims reims@webac.de