eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 8/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81

Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden

21
2023
Hans-Hermann Neumann
Wenig Beachtung fand in den Publikationen bisher die Bildung von sekundärem Ettringit in Ziegelmauerwerk mit zementhaltigen Mörteln sei es bei Denkmälern, modernen Verblendschalen oder gar Wärmedämm-Verbundsystemen mit keramischer Bekleidung. Letztgenannte spielen im Zuge der energetischen Instandsetzung von Bestandsgebäuden oder Neubauten eine immer größere Rolle, da mit ihnen in Regionen mit ziegeldominierten Fassaden das gewohnte Orts- oder Stadtbild erhalten bleiben soll. Das gilt insbesondere für Norddeutschland. Die Schäden an dem Spektrum von Fassaden in Ziegel- bzw. Klinkeroptik mit zementären Mörteln resultieren aus einem starken Gefügeumbau. Treibende Kraft ist eindringendes Regenwasser, welches Bestandteile wie Calciumhydroxid entfernt und sukzessive zur sekundären Bildung von Ettringit führt. Im Extremfall sind die Schäden so stark, dass ein Rückbau erfolgen muss, sei es bei einem historischen Bauwerk nach 83 Jahren oder bei einem Wärmedämm-Verbundsystem mit herabgestürztem keramischem Belag bereits nach weniger als 5 Jahren.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 137 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Dr. rer. nat. Hans-Hermann Neumann Bausachverständigenbüro und Baustofflabor Dr. Neumann, Hamburg Zusammenfassung Wenig Beachtung fand in den Publikationen bisher die Bildung von sekundärem Ettringit in Ziegelmauerwerk mit zementhaltigen Mörteln sei es bei Denkmälern, modernen Verblendschalen oder gar Wärmedämm-Verbundsystemen mit keramischer Bekleidung. Letztgenannte spielen im Zuge der energetischen Instandsetzung von Bestandsgebäuden oder Neubauten eine immer größere Rolle, da mit ihnen in Regionen mit ziegeldominierten Fassaden das gewohnte Orts- oder Stadtbild erhalten bleiben soll. Das gilt insbesondere für Norddeutschland. Die Schäden an dem Spektrum von Fassaden in Ziegelbzw. Klinkeroptik mit zementären Mörteln resultieren aus einem starken Gefügeumbau. Treibende Kraft ist eindringendes Regenwasser, welches Bestandteile wie Calciumhydroxid entfernt und sukzessive zur sekundären Bildung von Ettringit führt. Im Extremfall sind die Schäden so stark, dass ein Rückbau erfolgen muss, sei es bei einem historischen Bauwerk nach 83 Jahren oder bei einem Wärmedämm-Verbundsystem mit herabgestürztem keramischem Belag bereits nach weniger als 5 Jahren. 1. Einführung Nach der seit langem bekannten Treibmineralbildung in Stahlbetonbauwerken (Ettringit und Thaumasit) und daraus resultierenden Schäden [1] ist in den letzten 20 Jahren sehr intensiv die Reaktion von zementgebundenen Injektionsmitteln mit Gipsmörteln historischer Bauwerke aus Ziegel- oder Naturwerksteinmauerwerk untersucht worden, da die zur Stabilisierung und Verbesserung der Tragfähigkeit injizierten Zemente durch Reaktion mit dem Hochbrandgips ebenfalls zu starken Schäden führten [2], [3], [4]. Im Einzelfall musste sogar ein Rückbau vorgenommen werden [5]. Bei der Suche nach einem Ersatz des Zementes erwiesen sich Gips- und Kalkhydrat-Injektionen als ungeeignet, da sie nicht erhärten oder dieser Prozess zu lange dauert. Bei. hydraulischem Kalk wären auch Schäden zu erwarten [6]. Letztendlich erfolgt heute eine Stabilisierung des geschädigten Mauerwerks z. b. durch Edelstahlbohranker [7]. Nach diesen Kenntnissen drängt sich die Frage auf, ob sich Ettringit sekundär auch in historischem Ziegelmauerwerk mit zementhaltigem Mörtel bilden kann, zumal Zement stets mit Gips als Erstarrungsverzögerer eingesetzt wird. Die Zementchemie und -mineralogie der Erhärtung ist sehr gut bekannt, seit es z. B. die hochauflösende Rasterelektronenmikroskopie im Niederdruckverfahren gibt. Der bei der Erstarrung gebildete primäre Ettringit wird mit zunehmender Dauer des Prozesses zu Monosulfat abgebaut, wobei diese Phase abhängig von den Umgebungsparametern schnell karbonatisiert. Dennoch sind viele Zwischenstufen möglich, so dass in Zusammenhang mit Bauwerksfeuchte theoretisch auch sekundärer Ettringit auftreten kann [8] [9]. Eher zufällig wurde sekundärer Ettringit in größerem Umfang in Ziegelmauerwerk mit zementgebundenen Mörteln eines historischen Gebäudes bei einer Schadensanalyse polarisationsmikroskopisch nachgewiesen. Dies bildete den Ausgangspunkt auch bei anderen Bauwerken darauf zu achten, ob und unter welchen Umständen dieses Treibmineral kristallisiert und welche Konsequenzen sich daraus beispielsweise für Instandsetzungen des Mauerwerks ergeben. Auf der anderen Seite wurden Schäden durch Ettringit bei einem Gebäude, welches mit einem Wärmedämm-Verbundsystem mit einer keramischen Bekleidung energetisch instand gesetzt wurde, bereits vor Ablauf der Gewährleistung nachgewiesen [10]. Inzwischen liegt der Nachweis für eine Reihe von Gebäuden vor, die vom historischen Mauerwerk bis hin zum WDVS mit keramischer Bekleidung reicht. Weniger scheinen Gebäude mit Verblendschalen aus Ziegeln oder Klinkern davon betroffen zu sein. In diesem Beitrag soll die Ettringitbildung und deren Schadenspotenzial für verschiedenen Gruppen von Ziegelmauerwerk bzw. Fassadentypen in Ziegel- und Klinkeroptik beschrieben und so weit wie möglich interpretiert werden, um darauf auf bauend Instandsetzungsmöglichkeiten darzustellen und Hinweise zu geben, worauf bei dem Neubau bzw. der energetischen Sanierung von Bestandsbauten in Klinkeroptik zu achten ist, um Schäden zu vermeiden, auch wenn der Schadensprozess in seiner Gesamtheit noch nicht vollständig aufgeklärt ist und es dazu sicherlich noch weiterer Untersuchungen bedarf. Wichtig ist an dieser Stelle die Sensibilisierung für diesen Schadensprozess. Der Praxisbezug führt gleichzeitig vor Augen, an welchen Stellen es bei der vorhandenen Produktpalette, der Bauüberwachung und Bauausführung Verbesserungsbedarf gibt, um zu nachhaltigen Maßnahmen bzw. zum nachhaltigen Bauen zu gelangen. In diesem Zusammenhang ist darunter zu verstehen, so zu bauen, dass die angestrebte Lebensdauer des Bauteils möglichst erreicht wird und nicht z. B. aufgrund von nicht fachgerechter Verarbeitung oder Verwendung des falschen Materials 138 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden vorzeitig eine erneute Sanierung stattfinden muss, im Extremfall bereits nach wenigen Jahren. Dies erfordert zusätzliche Kosten für den Rückbau, die erneute Baustoffproduktion, wer auch immer die zu tragen hat, sowie die Verarbeitung und verschlechtert unnötigerweise die CO 2 - Bilanz. 2. Sekundäre Ettringitbildung in Ziegelmauerwerk bis hin zu Fassaden in Ziegel-/ Klinkeroptik 2.1 Vorbemerkungen Bei den untersuchten Bauwerken aus Ziegelmauerwerk ließ sich nur an solchen eine Ettringitneubildung unterschiedlicher Intensität feststellen, die Mörtel mit hohen Zementgehalten aufwiesen. Bei Ziegelmauerwerk mit Kalkzementmörteln oder hydraulischen Kalken wurden keine Treibmineralbildungen identifiziert. Damit ist bereits die erste Eingrenzung getroffen. Bei Wärmedämm-Verbundsystemen mit keramischer Bekleidung werden grundsätzlich hoch zementhaltige Verlegemörtel für die Verklebung der Keramikriemchen verwendet. Der Fugenmörtel besitzt als Bindemittel ebenfalls Zement, auch der gewebearmierte Unterputz, häufig aber noch Kalkhydrat als weitere Bindemittelkomponente. Unter Anwendung des obigen Eingrenzungskriteriums können bei Wärmedämm-Verbundsystemen mit Riemchenbelag theoretisch sämtliche damit ausgerüsteten Gebäude davon betroffen sein. Die Mehrzahl weist aber keine sekundäre Ettringitbildung auf. Damit stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen sekundärer Ettringit in der keramischen Bekleidung entsteht. Für historische und/ oder denkmalgeschützte Gebäude kommt für die nachfolgend beschriebene Ettringitbildung erst der Zeitraum nach Erfindung und Einführung des Portlandzementes in Deutschland von der Mitte des 19. Jahrhunderts an in Frage, obgleich die Patentierung des Portlandzements durch William Aspidin bereits auf das Jahr 1824 datiert [11]. Damit einhergehend erfolgten bahnbrechende Erneuerungen in der Ziegelproduktion wie z. B. die Einführung der Strangpresse und des Hoffmann’schen Ringofens. Dies hatte nicht nur eine Verbesserung und eine Angleichung der Qualität der einzelnen Ziegel in dem Produktionsprozess zur Folge, sondern auch die Herstellung von Steinen mit höherer Druckfestigkeit, die fortan vor allem für das Vormauerwerk verwendet wurden, während das Hintermauerwerk noch aus Ziegeln der örtlichen Ziegeleien in traditioneller Produktionstechnik entstand. In diesem Zusammenhang müssen auch konstruktive Veränderungen im Wandquerschnitt bei der Schadensanalyse berücksichtigt werden. Als Beispiel seien Sturzträger aus Eisen hinter dem Vormauerwerk genannt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Lochverblendziegel mit den neuen Verfahren hergestellt. Diese besaßen eine große Maßhaltigkeit und wurden als Vormauersteine zusammen mit verschiedenen Arten von Formsteinen, die zusammen einen Art Baukastensystem bildeten, zur Fassadengestaltung eingesetzt, wobei die nur 0,5 bis 0,8 cm breiten Fugen optisch in den Hintergrund traten. Für diese Art von Vormauerwerk kamen in der Regel Mörtel mit deutlich höherem Zementgehalt zum Einsatz, während das Hintermauerwerk weiterhin aus porösen Hintermauerziegeln mit geringer Druckfestigkeit und zumeist Kalkmörtel mit geringem Zementgehalt bestand. Mauerwerke mit diesem Ziegeltyp bilden die erste betrachtete Gruppe im Hinblick auf die sekundäre Ettringitbildung. Die zweite Gruppe stellen dunkelrote Hartbrandklinker dar, die in den 1920er Jahren verwendet wurden. In Hamburg gehören dazu viele Bauten von Fritz Schuhmacher und Fritz Höger, u. a, auch das Kontorhausviertel, welches zum UNESCO Welterbe gehört. Gebäude mit einem Vormauerwerk aus diesen Steinen sind in Norddeutschland sehr häufig. Zusätzlich zu der Vermauerung mit stark zementhaltigen Mörteln erfolgte häufig eine Kombination mit Stahlbeton, sei es als Tragwerk hinter dem Vormauerwerk oder zur optischen bzw. architektonischen Fassadengliederung mit Dekorputzauflage. Das heutige Baugeschehen prägen infolge der energetischen Anforderungen an die Neubauten und zu modernisierenden Altbauten Verblendmauerwerk mit Kerndämmung und Wärmedämm-Verbundsysteme mit keramischer Bekleidung. Im Mörtel zwischen den Verblendsteinen scheint die Bildung von Ettringit eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen, während in der keramischen Bekleidung von Wärmedämm-Verbundsystemen häufiger Schäden infolge sekundärer Ettringitbildung und eines damit einhergehenden Gefügeumbaus auftreten. 2.2 Historisches Vormauerwerk aus Lochverblendziegeln Mit Vormauerwerk aus Lochverblendziegeln lassen sich Fassaden architektonisch außerordentlich facettenreich gestalten, insbesondere durch die Art der Steinauswahl, da die dünnen Fugen optisch in den Hintergrund treten. Sogenannte Viertel- und Halbsteine mit horizontaler Lochung, deren Sichtseite ca. 12 x 6,7 cm groß ist, prägen häufig die Flächen. Für die Verzahnung mit dem Hintermauerwerk sorgt der Wechsel aus Viertelsteinen und Halbsteinen. Ecksteine besitzen demgegenüber eine vertikale Lochung [12]. Abb. 1: Typisches Detail eines Vormauerwerks mit Lochverblendziegeln. Die Fuge ist als Schattenfuge ausgebildet. Beispiel Finanzamt Kiel, Feldstraße. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 139 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Aufgrund der hohen Festigkeit der Lochverblendziegel erfolgte zumeist ein Vermauern mit zementreichen Versetzmörteln, die vor Ort gemischt wurden. Entweder kann dieser Mörtel bis zur Fugenoberfläche reichen und bündig mit den Ziegeloberflächen abschließen oder als Schattenfuge ausgebildet sein. Abb. 1 gibt eine Detailaufnahme in der Ausführung mit Schattenfuge wieder und Abb. 2 einen petrographischen Dünnschliff senkrecht zu einer Lagerfuge in der Übersicht. Die Außenseite weist zur linken Bildseite. Abb. 2: Dünnschliffbild senkrecht zur Oberfläche. Der Mörtel ist zurückversetzt. Lange Bildkante: 35 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. An anderen Gebäuden wurde der Versetzmörtel bis in ca. 0,5 cm Tiefe herausgekratzt und nachträglich mit einem Fugenmörtel verschlossen. Dabei konnten an mehreren der untersuchten Gebäude Gipsmörtel festgestellt werden. Abb. 3 zeigt eine Makroaufnahme von der Maueroberfläche und Abb. 4 einen petrografischen Dünnschliff senkrecht zur Oberfläche. Der Gipsmörtel weist Quarzsand als Gesteinskörnung auf. Das aus Hochbrandgips bestehende Bindemittel besitzt eine sehr viel geringere Porosität auf als der mineralische Mörtel dahinter und sorgt für die Schlagregensicherheit. Außerdem konnte auf diese Weise eine weiße Fuge ausgebildet werden, zumal es noch keinen Weißzement gab. Abb. 3: Der Fugenmörtel besteht aus Gips, vermutlich um eine weiße Fugenfarbe zu erzeugen, zumal es noch keinen Weißzement gab. Beispiel Grundschule Hasselbrook, Hamburg. Abb. 4: Dünnschliffbild senkrecht zur Oberfläche. Der Fugenmörtel besitzt Gips als Bindemittel. Lange Bildkante: 23 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Der erste Nachweis der sekundären Ettringitbildung erfolgte eher zufällig. Die Kirche in Hamburg-Moorburg wies einige Risse im Vormauerwerk und Schäden im Bereich des Fugenmörtels auf. Zunächst ergab sich die Frage, ob der Fugenmörtel insgesamt erneuert werden müsste oder eine teilflächige Instandsetzung ausreichen würde. Dazu wurde zunächst zerstörungsfrei die Wasseraufnahme vor Ort überprüft (Abb. 5). Die Wasseraufnahmeprüfung des Verbundes erfolgte mit der Wasseraufnahme-Prüfplatte nach Franke und die der Ziegel mit dem Wassereindringprüfer nach Karsten. Abb. 5. Zerstörungsfreie Prüfung der Wasseraufnahme auf der Südseite der Kirche in Moorburg (Hamburg) mittels Franke-Platte auf dem Verbund und Karsten- Röhrchen auf den Steinen. Offensichtliche Fehlstellen, wie in Abb. 6 beispielhaft dargestellt, blieben bei der Messung unberücksichtigt, da der Fugenmörtel an solchen Stellen ohnehin hätte erneuert werden müssen. Auch im Bereich der augenscheinlich intakten Fugenmörteloberfläche war die Wasseraufnahme des Verbundes stellenweise so groß, dass sich eine rasterelektronenmikroskopische Untersuchung anschloss. 140 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 6: Offensichtliche Fehlstellen im Fugenmörtel. Kirche in Moorburg. Die Aufsicht auf den Fugenmörtel im Rasterelektronenmikroskop (Abb. 7) gibt einen völlig desolaten Fugenmörtel mit vielen feinen Rissen und Materialverlusten wieder. Die Zuschlagkörner ragen nicht nur aus der Oberfläche infolge der Rückwitterung des Bindemittels heraus, sondern sind großenteils nicht mehr vom Zement umgeben. Daraus resultiert das Absanden der Oberfläche bei dem Reiben mit dem Finger. Abb. 7: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von der Oberfläche des Fugenmörtels. RE-Bild. Nun war die Frage, ob der hohe Wassereintrag bereits zu Gefügeveränderungen oder gar -schäden geführt hatte. Abb. 8: Dünnschliffübersicht Beispiel: Kirche Moorburg. Lange Bildkante: 41 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Dafür wurde ein petrographischer Dünnschliff hergestellt, den Abb. 8 in der Übersicht wiedergibt. Die Außenseite zeigt zur linken Bildkante. Der Querschnitt durch eine Lagerfuge lässt erkennen, dass jeder Viertelstein an der Oberseite eine Vertiefung besitzt. Diese ermöglichte eine bessere Verarbeitung und sollte zusätzlich sicherlich einen besseren Verbund sorgen. Die hohe Wasseraufnahme bewirkte eine starke Karbonatisierung, insbesondere entlang der Fugenflanken, erkennbar anhand der hellbraunen Kristallrasen auf dem hinteren Teil der Vertiefung in der oberen Ziegelseite, dessen Ausschnitt Abb. 9 darstellt. Die Größe der Kristalle deutet auf einen bereits lang anhaltenden, sich zyklisch wiederholenden Prozess hin. Zu beachten ist die größere Porosität an der Grenzfläche zwischen Mörtel und Lochverblendziegel. Die Porendurchmesser übersteigen häufig den maximalen Durchmesser über den noch eine Kapillartransport des aufgenommenen Wassers möglich ist. Am effektivsten läuft die Wasseraufnahme bei starkem Regen mit Winddruck ab. Abb. 9: Detail aus Abb. 8. Der hellbraune Kristallrasen entlang der Ziegelflanke (unten) und dem Mörtel (oben) aus Calcitkristallen belegt eine starke Karbonatisierung. Lange Bildkante: 2,5 mm. Teilgekreuzte Polarisatoren. Außenseite: links. Abb. 10: In den großen Poren (blau eingefärbt) finden sich als Saum oder Füllung nadelige Kristalle. Lange Bildkante: 2,5 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 141 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Auch vom Fugenrand ausgehend hat sich Ettringit gebildet. Ein Beispiel stellt Abb. 10 dar. In großen runden Poren lässt sich zunächst ein sehr dunkler Saum feststellen, dessen Zusammensetzung mittels Polarisationsmikroskop nicht geklärt werden konnte. Ettringit liegt als weiterer Saum oder als Porenfüllung vor. Typische dünne lange Kristallnadeln sind erst bei stärkerer Vergrößerung sichtbar (Abb. 11). Die Nadeln scheinen auf einen Calcitsaum, der sich im Mörtel an der Grenzfläche zum Ziegel (obere Bildkante) gebildet hat, aufgewachsen zu sein. Abb. 11: Detailaufnahme von nadeligen Kristallen in einer Pore (blau). Die nadeligen Kristalle scheinen auf einen Calcitsaum (hellbraun) aufgewachsen zu sein. Lange Bildkante: 0,5 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Aufgrund des geringen Durchmessers der Nadeln zeigen sich die charakteristischen Interferenzfarben unter gekreuzten Polarisatoren erst bei zusammengewachsenen Kristallnadelbüscheln (Abb. 12), wobei diese durch die Imprägnierung mit blau eingefärbtem Kunstharz vom üblichen Erscheinungsbild leicht abweichen. Abb. 12: Gleicher Ausschnitt wie Abb. 11, aber mit gekreuzten Polarisatoren. Die Untersuchung mit dem Rasterelektronenmikroskop bestätigt die für Ettringit charakteristische Kristallmorphologie (Abb. 13) und das dazu gehörende EDX-Spektrum lässt die typischen Elemente Calcium (Ca), Schwefel (S) und Aluminium (Al) erkennen (Abb. 14). Der Siliciumpeak (Si) kann den Untergrund repräsentieren oder aber es handelt sich möglicherweise um Ettringit der sogenannten Woodfordit-Route (Mischkristall zur Thaumsitbildung). Abb. 13: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der nadeligen Kristalle in einem Querbruch des Vormauermörtels. RE-Bild. Abb. 14: EDX-Spektrum zur Elementzusammensetzung der nadeligen Kristalle aus Abb. 13. Abb. 15: Sturz mit hohem Zementanteil und Bildung von sekundärem Ettringit. Innerhalb des Vormauerwerks können auch verschiedene Vormauermörtel verwendet worden sein. Dies stellte sich an einer Bauzustandsanalyse eines anderen Bau- 142 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden werks (Grundschule Hasselbrook, Hamburg) heraus. Der Zementanteil des Vormauermörtels im Sturz ist sehr viel höher als im restlichen Vormauerwerk (Abb. 15). Nur im Sturz wurde Ettringit nachgewiesen. 2.3 Historisches Klinkermauerwerk Die im Ringofen in der 1920er Jahren hergestellten dunkelroten Klinker können ganze Stadtquartiere prägen. Sie umfassen ein breites Spektrum von Gebäuden, wie Wohnhäuser, Kirchen, Wassertürme, Handelshäuser, Schulen, Bahnhöfe und sogar Krematorien. Die Klinker bilden das Vormauerwerk, während das Hintermauerwerk aus normal bis stark saugenden Ziegeln besteht, wobei häufig auch nicht mehr für die Vormauerschale verwendbare Klinkerbruchstücke im Hintermauerwerk mit eingebaut wurden Die Klinker sind zumeist mit Zementmörteln verbaut worden. Das erste Beispiel repräsentiert den oberen Teil einer Schule in Hamburg-Veddel mit Blickrichtung auf die Westecke (Abb. 16), d. h. die Nordwest- und Südwestseite stellen die Wetterseiten dar und sind am stärksten dem Schlagregen ausgesetzt. Bei der Südwestseite kommt im Wechsel mit dem Schlagregen die stärkste Sonneneinstrahlung hinzu. Abb. 16: Ansicht des oberen Gebäudeteils der Schule von Westen. Schule Auf der Veddel. Der starke Regeneinfluss äußert anhand des Moosbewuchses im Fugenbereich. Die in den 1990er Jahren erneuerten Fugen weisen zugleich Fugenflankenabrisse auf (Abb. 17). Im oberen Teil der Westecke liegt sowohl auf der Nordwestseite als auch auf der Südwestseite eine massive Rissbildung vor (Abb. 18), resultierend aus der korrodierten Verankerung des weiß beschichteten, aus Eisen bestehenden und umlaufenden Fensterbandes unter dem Dach. Die Risse setzen sich aus dem Stahlbetonband unter dem Fensterband in das Mauerwerk hinein fort. Abb. 17: Moosbewuchs auf der Hauptwetterseite entlang von Fugenflankenabrissen. Abb. 18: Rissbildung auf der Südwestseite. Die Risse folgen treppenartig den Fugenflanken. Hinter dem Stahlbetonband mit scharrierter Dekorputzauflage befindet sich ein Ringanker, der sich hinter den oberen Klinkerlagen des Vormauerwerks nach unten fortsetzt. Aufgrund von Putzabplatzungen im Innenbereich sollte der Zustand des Vormauerschale und des Ringankers untersucht werden. Der Sandwichbohrkern stammt aus einer Lagerfuge, die mit bloßem Auge keine Fugenflankenabrisse erkennen ließ. Anders ist das bei der Übersichtsaufnahme von dem petrographischen Dünnschliff dieser Probe in Abb. 19. Darüber hinaus zeigt das Mörtelgefüge, dass der Fugenmörtel bereits zweimal erneuert wurde. Bei dem jüngsten Fugenmörtel lässt sich eine Zunahme der Porosität mit der Tiefe feststellen. Da keine Verdichtungszone etwa in der Mitte dieses Mörtels vorhanden ist, kann man davon ausgehen, dass der Fugenmörtel in nur einem Arbeitsgang eingebaut wurde. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 143 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 19: Übersichtsaufnahme von dem petrographischen Dünnschliff im Bereich einer Lagerfuge mit angrenzenden Klinkern. Lange Bildkante: 38 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Der nächste Dünnschliff (Abb. 20) stellt eine Übersicht von dem Mauerwerk im Übergangsbereich zum Ringbalken dar. In der linken Bildhälfte sind die Steine mit der Lagerfuge, in welcher kein Mörtel vorhanden ist, erkennbar. Bei dem unteren Stein handelt es sich um einen Klinker der als Kopfstein eingebaut wurde und bei dem oberen um einen gelben Hintermauerziegel, der sich hinter dem an der Außenseite als Läufer eingebauten Klinker befindet. Zur Bildmitte folgt der Versetzmörtel. Im linken Bilddrittel befindet sich der vergleichsweise poröse Beton des Ringbalkens, charakterisiert durch seine gröbere Gesteinskörnung. Abb. 20: Dünnschliffübersicht aus dem Übergangsbereich zwischen Mauerwerk und Ringbalken. Rechte Bildkante: 28 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Das Mörtelgefüge hinter den Steinen und das Betongefüge weisen einen sehr unregelmäßigen, aber stellenweise auch sehr starken Umbau auf. CSH-Phasen sind in deutlichem Umfang abgebaut. Das Bindemittelgefüge lässt eine starke Karbonatisierung erkennen, wobei die großen Calcitkristalle und deren Verteilung auf einen Umbau des primären karbonatisierten Gefüges hindeuten. Viele Bestandteile der ursprünglichen Phasen des hydratisierten Zementes sind gelöst und abtransportiert worden. Der hellblaue Schimmer infolge der Probentränkung mit blau eingefärbtem Kunstharz belegt die hohe Porosität. In großen Poren. Im Bereich des ehemaligen Bindemittels lässt sich sekundär gebildeter Ettringit nachweisen (Abb. 21). Abb. 21: Detail aus Abb. 20. Ettringitbildung in einer runden Luftpore. Das ehemalige Bindemittelgefüge ist durch Auflösung von bestimmten Phasen sehr porös geworden. Lange Bildkante: 0,5 mm. Parallele Polarisatoren. Der gleiche Ausschnitt in Abb. 22, nur mit teilgekreuzten Polarisatoren, zeigt sehr gut die großen sekundär gewachsenen Calcitkristalle mit ihren typischen Interferenzfarben. Abb. 22: Gleicher Ausschnitt wie Abb. 21, aber mit teilgekreuzten Polarisatoren. Der Prozess der Karbonatisierung hält anscheinend noch an, wenn die Ettringitbildung abgeschlossen zu sein scheint oder sich in einen anderen Bereich verlagert hat. Dies lässt sich aus Abb. 23 mit parallelen Polarisatoren und Abb. 24 mit teilgekreuzten Polarisatoren schließen. In diesem Fall bilden die Ettringitkristalle einen Saum auf der Porenwand der runden Luftpore und sind von Calcitkristallen überwachsen worden. Hierbei handelt es sich eindeutig um einen sehr späten Effekt einer sekundären Calcitbildung. Dieser stabilisiert zumindest in gewissem Umfang das Gefüge. 144 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 23: Das Wachstum von Ettringitkristallen auf der Porenwandung. Lange Bildkante: 1 mm. Parallele Polarisatoren. Abb. 24: Die Ettringitkristalle sind von Calcit überwachsen worden und breiten sich auch unregelmäßig in der stark porösen Matrix aus. Gleicher Ausschnitt wie Abb. 23, aber mit gekreuzten Polarisatoren. Während das zuvor beschriebene Beispiel stellvertretend für die Wetterseite eines Gebäudes mit sekundärer Ettringitbildung und dem Auf bau aus Vor- und Hintermauerwerk mit integrierten Betonbauteilen steht, befindet sich das nächste Bauwerk allseitig dem Wetter ausgesetzt. Es handelt sich dabei um ein unter Denkmalschutz stehendes Seezeichen auf der Insel Norderney. Da das Seezeichen extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt ist, soll kurz die Baugeschichte wiedergegeben werden. Das erste Seezeichen bestand gänzlich aus Holz, hatte eine Höhe von 12 m mit einer quadratischen Basis von 5 m Seitenlänge und einem Dreieck als Topzeichen. Es wurde im Jahr 1848 errichtet. Eine vollständige Erneuerung erfolgte 1870. An gleicher Stelle wurde gemäß den Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Norderney Nr. 5 aus dem Jahr 1998 ein ca. 15 m hoher Turm mit sechseckigem Grundriss aus Ziegeln und Kiefernholz erbaut. Die Kantenlänge betrug 3 m. Die Pfeiler waren in einer Höhe von ca. 4,3 m durch Rundbögen verbunden. Darüber war eine Balkenkonstruktion vorhanden, welche das auf den Kopf gestellte Dreieck aus Holz trug. 1930 wies das Kap wiederum starke Schäden auf, so dass zunächst die Vormauerschale gänzlich abgetragen und ersetzt werden sollte. Bei den Arbeiten stellte sich aber heraus, dass die Schäden so stark waren, dass erneut ein Abriss und völliger Neubau mit identischer Gestalt erfolgen musste. Für die äußere Hülle wurden 24000 Stück Bockhorner Klinker beschafft. Als Hintermauerziegel sollten Steine aus der alten Hafenstraße verwendet werden. Zement wurde ebenfalls vom Festland beschafft, während der Zuschlag vor Ort gewonnen wurde, d. h. es handelt sich dabei um Dünensand. 1977 erfolgte eine Erneuerung des Fugennetzes. Risse wurden geschlossen und abbröckelnde Steine laut Badzeitung vom 01.07.1977 ersetzt. Abb. 25 zeigt das Kap im Zustand von 2013 in der Übersicht in seiner exponierten Position auf der Düne. Abb. 25: Das Kap von Norderney im Jahr 2013. Die Schäden am Kap sind im oberen Bereich massiv. Insbesondere in den Eckbereichen hatten sich die Ziegel entlang von Fugenmörtelabrissen aus dem Verbund gelöst und drohten herabzustürzen, wie der Abb. 26 zu entnehmen ist. Für die sehr starken Schäden im oberen Bereich spielt die besonders exponierte Position auf der Düne eine entscheidende Rolle. Hinzu kommt bei der Konstruktion, dass dieses Seezeichen kein Dach besitzt, da es als reines Funktionsbauwerk der Schiffsorientierung dient. Deshalb besitzt die Mauerkrone zum Schutz vor Schlagregen lediglich eine Blechabdeckung. Aufgrund dessen kann Regenwasser nicht nur auf der Außenseite ablaufen, sondern auch innen. Je nach Windrichtung können im Wechsel sämtliche Außen- und Innenseiten des Hexagons davon betroffen sein. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 145 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 26: Schäden im Oberen Bereich des Kap. Abb. 27: Massive Kalkfahnen im unteren Bereich des Kap. Weiße Ablaufspuren aus Calciumkarbonat (Calcit) im unteren Bereich (Abb. 27) zeugen von sehr viel aus dem Mörtel gelöstem Calciumhydroxid, welches an der Oberfläche durch Zutritt von Kohlendioxid aus der Luft karbonatisierte und damit von einer etwas leichter löslichen in eine schwerlösliche Verbindung überging. Die Ablaufspuren befanden sich vornehmlich auf der Innenseite des Hexagons und den Seitenflächen der Pfeiler. Außen fehlen die Ablaufspuren, da sicherlich ein Großteil wieder durch Regen noch vor der Karbonatisierung entfernt wurde. Um die Schadensursache zu klären, wurden die Wasseraufnahme vor Ort, die Feuchteparameter (tiefenabhängiger Feuchtegehalt, maximale Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck), die quantitative Salzbelastung, die röntgendiffraktometrische Phasenzusammensetzung (XRD), polarisationsmikroskopisch und rasterelektronenmikroskopisch der Gefügeauf bau und die Mineralzusammensetzung bestimmt. In diesem Zusammenhang wurde die sekundäre Ettringitbildung und die damit einhergehende Veränderung des Gefügeauf baus als Hauptschadensursache erkannt. Bereits bei der Probenahme fielen in dem völlig durchnässten Mauermörtel interne Risse und weiße Neubildungen parallel zu den Fugenflanken im Mörtel auf, wie es Abb. 28 beispielhaft wiedergibt. In diesem Fall wurde der gelöste Läufer entfernt und dahinter die starken Veränderungen entdeckt. Abb. 28: Blick in eine Probenahmestelle im oberen Bereich des Kaps nach Entfernung des Läufers. Dahinter finden sich fugenparallele Risse und weiße Einlagerungen. Proben aus diesem Bereich, die der Röntgendiffraktometrie unterzogen wurden, ließen neben den kristallisierten Hauptbestandteilen des Mörtels die Neubildung Ettringit erkennen. Abb. 29 zeigt einen Ausschnitt aus dem Diffraktogramm aus einem Bereich, in welchem sich überlagerungsfreie Röntgenreflexe von Ettringit befanden. 146 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 29: Röntgendiffraktometrischer Nachweis von Ettringit im Mörtel des Kaps auf Norderney. Die starke interne Mörtelschädigung kommt in der Übersichtsaufnahme eines Dünnschliffes mit blau eingefärbtem Kunstharz in Abb. 30 sehr gut zum Ausdruck. Es handelt sich dabei um einen Mörtel mit einer Gesteinskörnung aus Dünensand und Zement als Hauptbindemittel. Geringe Anteile von Kalkhydrat können beigemischt sein. Bei den runden braunen Einschlüssen handelt es sich um Zementklümpchen, die sich bei der Anmischung vor Ort nicht mit der Gesteinskörnung vermengt haben. Abb. 30: Dünnschliffübersicht von Probe 3.3, eines Mörtels aus einer Lagerfuge im oberen Bereich. Lange Bildkante: 37 mm. Parallele Polarisatoren. Bereits in der Übersicht lassen sich in den Rissen Neubildungen feststellen. Diese stellt Abb. 31 exemplarisch stärker vergrößert dar. Von der unteren Rissflanke aus sind nadelige Kristalle gewachsen, die wie eine Art Filz wirken und den Riss in seiner Breite zunächst ausfüllten. Nach weiterer Rissöffnung hatte sich anscheinend die Lösungszusammensetzung des penetrierenden Wassers geändert, so dass letztlich Karbonatkristalle die nadeligen Kristalle überwachsen haben. Ob es sich zunächst um andere Mineralphasen wie z. B. Calciumhydroxid handelte und diese sich später durch CO 2 -Zutritt aus der Luft in Karbonat umwandelten oder sofort Caliumcarbonat gewachsen ist, ließ sich nicht rekonstruieren. Auch andere Prozesse unter Einbeziehung eines Teils der Treibminerale sind denkbar. Abb. 31: Detailaufnahme von einem Riss. Im unteren Bereich findet sich ein Filz aus nadeligen Kristallen und oben (weiß) im Riss Calcitkristalle in denen die Kristallnadeln sichtbar sind. Lange Bildkante: 1 mm. Parallele Polarisatoren. Ein weiteres Beispiel von einer anderen Probe soll die Vielfalt der Gefügeveränderungen verdeutlichen. Abb. 32 zeigt im unteren Bereich ebenfalls einen Riss, der weitgehend mit Ettringit-Kristallen gefüllt ist und sich erneut öffnete (obere Rissflanke). Zudem lassen sich Veränderungen feststellen, die in die Mörtelmmatrix hineinreichen. Hier finden sich rundlichen Gebilde aus fast schwarzen, nicht identifizierten Bestandteilen am Rand oder diese Bereiche durchsetzend, im Wechsel mit Ettringitkristallen. Da hier die Gesteinskörnung fehlt, werden diese Areale als ehemalige Zementklümpchen interpretiert, die sich im Laufe der Zeit unter Wassereinfluss verändert haben. Abb. 32: Weiteres Beispiel für die Gefügeveränderung und Ettringitbildung im Mörtel. Lange Bildkante: 2,5 mm. Parallele Polarisatoren. Die Untersuchung mit dem Rasterelektronenmikroskop von einem Querbruch im Bereich eines Risses ergab eine Durchsetzung des Gefüges mit den Ettringitnadeln und im Zentrum des Risses ein Überwachsen mit Calcitkristallen, wie es Abb. 33 als prägnantes Beispiel darstellt. Der Riss verläuft im Bild von links oben nach rechts unten und zeigt keine rauen Bruchkanten mehr, sondern den Karbonatbelag. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 147 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 33: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Risses, der von links oben diagonal durch das Bild nach rechts unten verläuft. Nadelige Kristalle sind unter dem Belag im zentralen Rissbereich und in den Poren bzw. der verdrängten Matrix im rechten oberen Bilddrittel erkennbar. RE-Bild. Abb. 34: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer großflächigen Umwandlung des Mörtelbindemittels. Ettringitkristalle. RE-Aufnahme. Abb. 35: Die Elementzusammensetzung belegt Ettringit. In bestimmten Arealen herrscht die Ettringitbildung im Gefüge vor, wie Abb. 34 bestätigt. Die Hauptelemente im dazu gehörenden EDX-Spektrum sind Calium (Ca), Schwefel (S), Aluminium (Al) und Sauerstoff (O). Die drei erstgenannten Elemente lassen sich durch eine ansteigende Gerade verbinden, wie es für klassische Ettringite typisch ist. Der kleine Siliciumpeak (Si) kann dem Untergrund angehören oder ist in das Kristallgitter eingebaut. Der Goldpeak (Au) resultiert aus der Besputterung. 2.4 Moderne Verblendschalen Unter Berücksichtigung der geforderten Energieeinsparung besitzen heutige Gebäude eine Verblendschale aus Ziegeln oder Klinkern mit Kerndämmung oder ein Wärmedämm-Verbundsystem mit einer keramischen Bekleidung (Klinkerriemchen), um eine Fassade in Ziegel- oder Klinkeroptik zu erzielen. Für einen Neubau mit Verblendschale stellt Abb. 36 ein typisches Beispiel dar. Abb. 36: Mehrfamilienhaus in Hamburg. Häufig lassen sich Klinker oder Ziegel nicht ohne wieteres in der Optik zweifelsfrei unterscheiden. Erst unter Zuhilfenahme des Prüfzeugnisses oder einer Prüfung der maximalen Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck ist dies möglich. Vollziegel sind bei modernen Verblendschalen tendenziell seltener als Hochlochziegel, die zum einen preisgünstiger sind und zum anderen eine bessere Maßhaltigkeit als die meisten Vollziegel besitzen. Für Verblendschalen existieren keine Grenzwerte im Hinblick auf die maximale Wasseraufnahme, wenn es um die Beurteilung der Schlagregensicherheit geht, da davon ausgegangen wird, dass eindringendes Wasser sicher über die Rückseite nach unten ablaufen und über die Z-Folie unter Fensterbänken oder im Sockel austreten kann. Die Vermauerung der Ziegel/ Klinker erfolgt mit einem Vormauermörtel mit Fugenglattstrich oder aber mit einem separaten Fugendeckmörtel nach dem Auskratzen der Fugen im noch nicht erhärteten Zustand bis in mindestens 1,5 cm Tiefe. Das Maximum wird unter Berücksichtigung der Steindicke angegeben. Bei dem gezeigten Gebäude wurden Hochlochziegel verwendet und nach Auskratzen der Fugen und Reinigung der Fassade separat mit einem Fugenmörtel im vom Bauherrn gewünschten Farbton mit dem Fugeisen verfugt. Abb. 37 gibt einen Ausschnitt der Wandoberfläche 148 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden wieder. Die Fugen wirken augenscheinlich gut verfugt. Aufgrund einer Durchfeuchtung in einer Wohnung sollte überprüft werden, wie groß die Wasseraufnahme des Verbendmauerwerks ist. Abb. 37: Ausschnitt aus der Verblendschale. Die Verfugung scheint augenscheinlich nicht in der handwerklichen Ausführung zu beanstanden zu sein. Da die Wasseraufnahme größer als erwartet war, wurden weitergehende Untersuchungen durchgeführt. Die gleiche Herangehensweise erfolgte bei anderen Objekten. In diesem Fall wurde auch sekundärer Ettringit in geringem Umfang nachgewiesen. Ansonsten lag bei anderen untersuchten Gebäuden mit Verblendschale und Kerndämmung keine sekundäre Ettringitbildung vor. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen historischen Fassaden und den nachfolgenden Wärmedämm-Verbundsystemen trat eine Ettringitbildung also sehr selten auf. Auch wenn die Anzahl der untersuchten Gebäude sicherlich nicht repräsentativ bzw. statistisch signifikant ist, so lassen sich doch Tendenzen erkennen, die möglicherweise auf Basis der Mörtelrezepturen und deren Adaption zu einer Vermeidungsstrategie der sekundären Ettringitbildung beitragen können. Von dem Gebäude wurden aus entnommenen Sandwichbohrkernen petrographische Dünnschliffe hergestellt und untersucht. Abb. 38 gibt eine Dünnschliffübersicht wieder, mit der zur linken Bildseite weisenden Außenseite der Verblendschale. Auch wenn der Dünnschliff nicht die gesamte Unter- und Oberkante über den gesamten Querschnitt der beiden Verblendziegel zeigt, so lässt sich doch an dem oberen Stein ablesen, dass es sich um Hochlochziegel handelt. Die Lochung beginnt in ca. 2 bis 2,2 cm Tiefe. Bei dem unteren Stein handelt es sich einen halben Kopfstein. Da die Lochung von den Seitenflächen aus betrachtet in größerer Tiefe beginnt, ist sie im Dünnschliff nicht sichtbar. Abb. 38: Übersichtsaufnahme von einem petrographischen Dünnschliff aus dem Bereich einer Lagerfuge. Sehr gut lässt sich der bindemittelreichere Fugenmörtel vom bindemittelärmeren Vormauermörtel unterscheiden. Lange Bildkante: 35 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Die gleiche Übersicht, nur mit teilgekreuzten Polarisatoren, gibt Abb. 39 wieder. Darin lässt sich etwa in der Bildmitte ein hellerer Streifen feststellen. Es handelt sich dabei um die Karbonatisierung der oberen Zone des Vormauermörtels, direkt hinter dem Fugenmörtel. Abb. 39: Gleiche Dünnschliffübersicht wie in Abb. 38, aber mit teilgekreuzten Polarisatoren. Schaut man sich nur die Fugenflanken an, so ist bei stärkerer Vergrößerung sichtbar, dass das Bindemittel des Fugenmörtels nur punktuell oder gar nicht die Ziegelflanke berührt (Abb. 40). Die Poren sind also am Rand viel größer als im Mörtelquerschnitt. Obgleich noch kein Fugenflankenabriss existiert, kann aufgrund der hohen Porosität sehr viel Wasser über die Fugenflanken des Fugenmörtels zumindest bis zum Vormauermörtel gelangen und infolge der besseren CO 2 -Aufnahme in den feuchten Partien die vordere Zone des Vormauermörtels karbonatisieren. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 149 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 40: Dünnschliffbild der unteren Fugenflanke. Lange Bildkante: 2,5 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Den Übergang von dem karbonatisierten zum nicht karbonatisierten Bindemittel verdeutlicht die Detailaufnahme in Abb. 41. Die karbonatisierte Zone weist die hellbraune Interferenzfarbe von Calcit auf, während der nicht karbonatisierte Bereich fast schwarz erscheint. Abb. 41: Dünnschliffdetail. Übergang des karbonatisierten Bindemittelanteils (links) zum nicht karbonatisierten (rechts). Lange Bildkante: 1 mm. Teilgekreuzte Polarisatoren. Außenseite: links. Abb. 42: Ausschnitt aus dem Vormauermörtel hinter der karbonatisierten Zone im Dünnschliff. Lange Bildkante: 0,5 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Abb. 43: Gleicher Ausschnitt wie in Abb. 38, aber mit teilgekreuzten Polarisatoren. Im Anschluss an die karbonatisierte Zone finden sich in den großen runden Poren des Vormauermörtels randlich Säume aus nadeligen Kristallen. Teilweise füllen diese Kristalle auch die Poren aus. Abb. 42 zeigt einen Ausschnitt mit diesen Kristallen mit parallelen Polarisatoren und Abb. 43 mit teilgekreuzten Polarisatoren. Die rasterelektronische Untersuchung eines Querbruches aus diesem Bereich kombiniert mit einem EDX-Spektrum der Kristalle bestätigte die Einstufung. Die Verbreitung ist aber sehr begrenzt, wie aus der polarisationsmikroskopischem Aufnahme zu schließen ist. 2.5 Moderne Riemchenfassaden (WDVS) Viele Neubauten von Mehrfamilienhäusern erhalten auf der Außenseite ein Wärmedämm-Verbundsystem mit keramischer Bekleidung. Diese Systeme werden auch zur Altbausanierung eingesetzt wenn die Ziegeloptik erhalten werden soll. Abb. 44: Wärmedämm-Verbundsystem mit keramischer Bekleidung. Auf diesem Fassadenbereich finden sich weiße Ablaufspuren. Manche Fassaden werden aufgrund von weißen Ablaufspuren, die bereits innerhalb der Gewährleistung auftreten können, vom Bauherrn beanstandet. Fast immer handelt es sich dabei um aus dem Unterputz und Verlegemörtel in wässriger Lösung ausgetragenes Calciumhy- 150 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden droxid, welches durch Zutritt von Kohlendioxid aus der Luft karbonatisiert. Tritt dieses Merkmal auf, so sollte das labortechnische Untersuchungen nach sich ziehen. Abb. 45 gibt den Auf bau der keramischen Bekleidung an der Außenseite des Wärmedämm-Verbundsystems im Querschnitt wieder. Auf dem Dämmstoff (Polystrol) folgt der gewebearmierte Unterputz, der Verlegemörtel, die Riemchen und zwischen den Riemchen der Fugenmörtel. Dieser Auf bau lässt sich auch in der Dünnschliffübersicht nachvollziehen. Abb. 45: Keramische Bekleidung auf Polystyrol als Dämmstoff. Links: Makroskopische Aufnahme des sägerauen Querschnittes mit nach links zeigender Außenseite. Rechts Dünnschliffübersicht dieser Probe. Vor der Präparation wurde der Dämmstoff entfernt. Lange Bildkante: 92 mm. Parallele Polarisatoren. Anforderungen an Schichtdicken und die Art der Verarbeitung legt die Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Systems fest. Danach soll das kunststoffummantelte Glasfasergewebe zumeist im oberen Drittel des Unterputzes eingebracht werden. Mit dem Verlegemörtel müssen die Riemchen im beidseitigen Verfahren (floating-buttering) vollflächig auf dem Unterputz verklebt werden. Im vorliegenden Fall traten bereits mehrere Fehler auf. Das Gewebe lag zu tief, der zu dünne Verlegemörtel wurde nur einseitig auf dem Unterputz aufgetragen und nicht auf der Riemchenrückseite. Darüber hinaus lag auch ein beidseitiger Fugenflankenabriss des Fugenmörtels vor, wie es das Detailfoto in Abb. 46 von der unteren Riemchenflanke der horizontalen Fuge verdeutlicht. Abb. 46: Dünnschlifffoto von der unteren Fugenflanke. Der mit dem Fugeisen eingebrachte Fugenmörtel besitzt keinen Kontakt zum Riemchen. Lange Bildkante: 8,7 mm. Parallele Polarisatoren. Außenseite: links. Abb. 47: Dünnschliffbild im Fugenbereich bei gekreuzten Polarisatoren. Unter der 2 - 3 mm dicken Oberflächenzone des Fugenmörtels ist der restliche Querschnitt vollständig karbonatisiert. Linke Bildkante: 11,5 mm. Der Fugenflankenabriss führte trotz eines Fugenmörtels mit hydrophober Ausrüstung zu einer hohen Wasseraufnahme. Dies lässt sich in der Regel durch zerstörungsfreie Wasseraufnahmeprüfungen vor Ort mittels Wasseraufnahme-Prüfplatte nach Franke oder an vorsichtig entnommenen Ausbauproben im Labor nachweisen. An diesem Beispiel gab die starke Karbonatisierung des unteren Teils des Fugenmörtels, des gesamten Verlegemörtel- und Unterputzquerschnittes indirekt Auskunft über die starke Wasseraufnahme (Abb. 47). 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 151 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 48: Detail aus dem Verlegemörtel mit Ettringitkristallisation in den Poren und Gefügeschädigung durch Rissbildung. Lange Bildkante: 0,5 mm. Parallele Polarisatoren. Im Verlegemörtel sind in den runden lichtmikroskopischen sichtbaren Poren nadelige Kristalle gewachsen, bei denen es sich um Ettringit handelt. Ein Bespiel stellt Abb. 48 dar. Zudem sind Risse in dem Gefüge des Riemchenklebers aufgrund der blauen Einfärbung des Kunstharzes sichtbar. Bei teilgekreuzten Polarisatoren lässt sich der hohe Grad der Karbonatisierung feststellen (Abb. 49). Abb. 49: Gleicher Ausschnitt wie Abb. 48, aber mit teilgekreuzten Polarisatoren. Kontrollen mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM/ EDX) an diesem und anderen Gebäuden mit im Dünnschliff nadeligen Kristallen bestätigten, dass sekundärer Ettringit in den Hohlräumen und Poren wuchs und schließlich zum Umbau des Gefüges führte, wie es Abb. 50 zeigt. Abb. 50: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Gefügeumbaus des Mörtels infolge der Ettringitbildung bei einem massiven Schadensfall. RE-Modus. Ein typisches EDX-Spektrum aus dem oben dargestellten Areal gibt Abb. 51 wieder. Abb. 51: EDX-Spektrum der nadeligen Kristalle in Abb. 50. Mit der starken sekundären Ettringitbildung im keramischen Belag von Wärmedämm-Verbundsystemen geht zumeist eine Schädigung des Gewebes im Unterputz einher. Diese kann so stark sein, dass man das vorsichtig freigelegte Gewebe mit dem Fingern leicht zerreißen kann. Das stark geschädigte Gewebe in Abb. 52 wurde im Dünnschliff bei teilgekreuzten Polarisatoren aufgenommen. Es handelt sich dabei um einen Kreuzungspunkt von Kett- und Schussfaden. Etwas heller setzt sich die Kunststoffummantelung von den Glasfasern, die im Längs- und Querschnitt vorliegen, ab. Durch die Karbonatisierung des Calciumhydroxids (Portlandit) lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie tief ursprünglich alkalische Lösungen zwischen die Glasfasern penetrieren konnten und damit die stabilisierende Funktion des Gewebes zerstörten. 152 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 52: Schnittpunkt eines Gewebestranges im Unterputz mit Zerstörung der Appretur (Ummantelung aus Kunststoff) und der Glasfasern. Lange Bildkante: 2,5 mm. Teilgekreuzte Polarisatoren. Das Detail in Abb. 53 stammt aus obiger Aufnahme und lässt im einfach polarisierten Licht den Calcit zwischen den quergeschnittenen Glasfaserbüscheln erkennen (dunkelbraun) und oberhalb davon die parallel zum oberen Bildrand ausgerichteten Fasern des anderen Stranges, deren einzelne Fasern zerbrochen sind. Abb. 53. Zerbrochene Glasfasern in dem Faserbündel, welches parallel zur oberen Bildkante ausgerichtet ist. Lange Bildkante: 1 mm. Parallele Polarisatoren. Abb. 54: Blick auf einen Kreuzungspunkt des Gewebes (horizontal: Kettfaden; vertikal: Schussfaden). An vielen Stellen fehlt bereits die Appretur. RE-Bild. Auch im Rasterelektronenmikroskop lässt sich eine Schädigung des Gewebes sehr gut nachvollziehen. Abb. 54 gibt einen Kreuzungspunkt zwischen Kett- und Schussfaden in der Aufsicht wieder. An vielen Stellen fehlt bereits die Kunststoffummantelung (Appretur). Darüber hinaus lassen sich zerbrochene Glasfasern feststellen, insbesondere an der Unterkante des in der Abbildung horizontal verlaufenden Kettfadens. Abb. 55 zeigt in einem Ausschnitt aus der Übersichtsaufnahme die beginnende Schädigung der Kunststoffummantelung. Im oberen Bereich der Fehlstelle wirkt der Kunststoff leicht wulstartig zusammengeschoben, als wenn er bereits erweicht war. Abb. 55: Detail aus Abb. 54. Rechte Seite des Schussfadens ober halb des Kettfadens. RE-Bild. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 153 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden Abb. 56: Totalverlust des geschädigten keramischen Belages infolge von Erschütterungen bei der Tiefgaragensanierung. Die Kombination aus sehr starkem Gefügeumbau des Verlegemörtels und Unterputzes in Zusammenhang mit der Ettringitbildung und der Schädigung des Gewebes kann im Extremfall zum Totalverlust der keramischen Bekleidung führen, wie bei einem Mehrfamilienhaus aus den 1970er Jahren, welches mit einem WDVS mit einem Belag aus Kermikriemchen energetisch saniert wurde (Abb. 56). Aufgrund einer festgestellten Durchfeuchtung von einer Außenwand erfolgte eine Untersuchung des Wärmedämm-Verbundsystems mit dem Resultat, dass sich in dem völlig durchnässten Querschnitt das Gefüge durch Ettringit völlig verändert und das Gewebe seine Stabilität verloren hatte. Die Empfehlung möglichst schnell den Rückbau des noch nicht einmal 5 Jahre alten WDVS vorzunehmen und einen Neuauf bau durchzuführen, wurde zunächst nicht umgesetzt, bis schließlich ein halbes Jahr später Erschütterungen durch Bauarbeiten an der Tiefgarage zum Totalverlust der keramischen Bekleidung führten. 3. Schadensprozess Grundsätzlich haben sämtliche vorgestellten Wandaufbauten, in denen eine sekundäre Ettringitbildung festgestellt wurde, eines gemeinsam und zwar besitzen sie einen hoch zementhaltigen Mörtel, dessen Erhärtung vergleichbar der von Zement im Beton ist. Der Unterschied besteht in der Art der Gefügeveränderung. Während im Beton durch die Volumenzunahme bei der sekundären Ettringitbildung ein interner Druck auf das Gefüge wirkt und sich Risse bilden, lässt sich im Mörtel ein Sekundärgefüge feststellen, in welchem viele der bei Erhärtung des Zementes entstandenen primären Phasen fehlen. Dies leitet zu der Frage über wie es überhaupt zu der sekundären Ettringitkristallisation kommen kann. Die Fugen oder Fugengrenzflächen müssen sehr viel Wasser aufnehmen, welches im Porengefüge weiter transportiert wird. Dabei kommt es zur Lösung des Portlandits (Calciumhydroxid), welches eine Löslichkeit von ca. 1,7 g/ l besitzt, ähnlich wie Gips mit 2,0 g/ l, aber sehr viel schwerer löslich ist als die üblichen wasserlöslichen Salze. Das an Calciumhydroxid gesättigte Wasser wird in den Poren oder über Fehlstellen nach unten transportiert. Bei dem nächsten Regen aufgenommenes Wasser löst erneut Calciumhydroxid bis die Lösung gesättigt ist. Auf diesem Weg erfolgt sukzessive eine Auflösung zunächst dieser Mineralphase, andere folgen. Das für die Ettringitbildung erforderliche Sulfat stammt aus dem Monosulfat und das Aluminium aus den im erhärteten Zustand vorhandenen Aluminiumphasen des hydratisierten Zementes. Aufgrund des Nachweises von Ettringit in den modernen Wärmedämm-Verbundsystemen mit keramischem Belag kann ein äußerer Sulfatangriff ausgeschlossen werden. Das Sulfat muss aus dem Monosulfat des erhärteten Zementes kommen und mit Aluminium und Calcium rekombinieren, ebenfalls aus den hydratisierten Zementphasen. Ein Großteil des Portlandits hatte sich zuvor gelöst und ist abtransportiert worden und bildet häufig weiter unten auf der Oberfläche der keramischen Bekleidung weiße Ablaufspuren. Der Austritt erfolgt häufig an der Unterkante von Lagerfugen. Das Wasser hat sich in Hohlräumen hinter den Riemchen gesammelt und wenn der hydrostatische Druck der Wassersäule ausreicht, kann es entlang der unteren Fugenflanke austreten und die Ablauffahnen bilden, die durch Zutritt von Kohlendioxid aus der Luft karbonatisieren. Bei dem keramischen Belag geht die Ettringitbildung zumeist mit der Zerstörung des Gewebes einher. Ursächlich dafür ist die hohe Alkalität der an Calciumhydroxid gesättigten wässrigen Lösung. Insbesondere auf Südwestseiten mit starkem Regenfall im Wechsel mit der stärksten Sonneneinstrahlung, wird das Gewebe nach einer Auffeuchtung des Verlegemörtels und Unterputzes hinter den Riemchen im Sommer praktisch gekocht. Oberflächen mit dunkelroten Riemchen können Oberflächentemperaturen von ca,. 70 bis 80°C erreichen. Die hohe Wasseraufnahme resultiert zumeist aus einer mangelhaften Verarbeitung, wie z. B. der nur einseitigen Verklebung der Riemchen auf dem Unterputz, keiner vollflächigen Verklebung (zu viele verbundene Hohlstellen) und einer unzureichenden Verfugung (nur in einem Arbeitsgang, anstatt in zwei Arbeitsgängen eingebrachter Fugenmörtel, zu geringer Anpressdruck, Verarbeitung über die offene Zeit hinaus). Der Fugenmörtel muss nach [13] und [14] einen Wasseraufnahmekoeffizienten von w < 0,1 kg/ (m 2 h 0,5 ) aufweisen. In Einzelfällen konnte die fehlende wasserabweisende Wirkung auf einen Materialmangel zurückgeführt werden, in der Mehrzahl auf Verarbeitungsfehler. Nach [15] muss die Wasseraufnahme bei der zerstörungsfreien Messung mit der Franke-Plat- 154 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden te gegen „0“ gehen. Weitere Möglichkeiten von zu hoher Wasseraufnahme stellen Fehler bei den Anschlüssen dar. Als Beispiel seien Fensterbänke und Feldbegrenzungsfugen genannt. Bei den historischen unter Denkmalschutz stehenden Bauwerken lassen sich nur selten noch Verarbeitungsfehler nachweisen. Zumeist erfolgte der Nachweis von Ettringit eher zufällig, insbesondere wenn sich auf den Außenseiten keine weißen Ablauffahnen abzeichnen. Der Mechanismus ist aber identisch. Entscheidend sind die hohe Wasseraufnahme über das Fugennetz und der Abtransport des an Calciumhydroxid gesättigten Wassers, so dass stets ungesättigtes Regenwasser erneut Lösungsvorgänge erzeugt. Die Zeitdauer ist wesentlich größer als bei den Wärmedämm-Verbundsystemen mit diesen Merkmalen. Erst wenn deutliche Schäden auftreten, wie im Beispiel des Seezeichens (Kap), werden solche Prozesse entdeckt. Hier spielte die besonders exponierte Lage und die suksessive sich verstärkende Wasseraufnahme eine entscheidende Rolle für den Zerstörungsprozess. Die historischen Gebäude an der norddeutschen Küste kennzeichnen hohe Salzgehalte von Natriumchlorid (Halit), welches hauptsächlich durch „seaspray“ auf die Gebäudeoberflächen gelangt und sich dort gleichermaßen über die Höhe verteilt, abhängig von der Ausrichtung des Gebäudes im Hinblick auf die Hauptwetterseite, und nicht wie bei Streusalz auf den Sockel begrenzt ist. Die Ettringitbildung kann theoretisch über die Zwischenstufe von Friedelschem Salz erfolgen, bei dem Chlorid im Kristallgitter vorhanden ist. Die gemessenen Chloridgehalte waren für diese Zwischenstufe zu gering. Sulfat wurde in sehr viel höherer Konzentration im wässrigen Auszug bestimmt. Das Sulfat korrespondiert mit Calcium, so dass von Gips auszugehen war. Auch diese Gehalte reichten nicht aus, um als Sulfatquelle für Ettringit in Frage zu kommen. Bei diesem Bauwerk, wie auch bei den andern untersuchten Objekten werden hydratisierte Zementphasen als Quelle für die Ettringitbildung angesehen. Als Motor diente der hohe Wasserdurchgang durch das Baustoffgefüge. Bei Verblendmauerwerk trat nur im Einzelfall sehr wenig Ettringit auf. Konnte dieses Treibmineral nachgewiesen werden, so war auch hier die hohe Wasseraufnahme von Bedeutung. Umgekehrt ergibt sich die Frage, warum in Verblendmauerwerk die sekundäre Ettringitbildung anscheinend in sehr viel geringerem Umfang auftritt. Die heute verwendeten Vormauermörtel besitzen Zement als alleiniges oder Hauptbindemittel, dessen Anteil aber durch Zugabe von Puzzolanen wie Trass oder Flugasche reduziert wurde. Hinzu kommt in der Regel ein Luftporenbildner, der für eine bessere Verteilung des Zementes im Mörtelgefüge sorgt. Dadurch konnte der Zementgehalt deutlich verringert werden, denn sonst würde eine unerwünschte, sehr hohe Druckfestigkeit des Mörtels entstehen. Viele Vormauermörtel erhalten an der Fugenoberfläche nur noch einen Glattstrich. Auch bei den nachträglich verfugten Verblendschalen finden in der Regel die oben beschriebenen Vormauermörtel Anwendung. Ein Problem stellt häufig die notwendige Ausräumtiefe bei der Erstellung von Verblendschalen mit Hochlochziegeln dar. Wenn die Fugen zu tief ausgeräumt werden, kann eindringendes Regenwasser sich unkontrolliert über die Lochung nach unten verteilen. Durch gerichteten Wassertransport über einen langen Zeitraum, ist auch hier die sekundäre Ettringitbildung nicht völlig auszuschließen. 4. Mögliche Maßnahmen Angefangen bei den neusten Fassadenbaustoffen, den Wärmedämm-Verbundsystemen mit keramischer Bekleidung, kann bei starker Schädigung ein Totalabriss notwendig werden. Grundsätzlich muss die Ursache für die hohe Wasseraufnahme herausgefunden werden, die zu der Ettringitbildung führte. Entspricht die Verarbeitung nicht den Vorgaben und ist der Grund für die hohe Wasseraufnahme und Durchfeuchtung bleibt zumeist auch kein andere Möglichkeit als der Rückbau und Neuauf bau. In manchen Fällen kann es möglich sein, nur die keramische Bekleidung zu entfernen und diese zu erneuern. Wird diese Vorgehensweise in Betracht gezogen, müssen zwingend Musterflächen angelegt werden, an welchen die Entfernung des der keramischen Bekleidung geprobt und das Ergebnis beurteilt wird. Wird die Dämmstoffoberfläche dabei zerstört, bleibt nur noch ein Rückbau der gesamten Dämmung. Im Einzelfall wurde unter Beteiligung des Herstellers auch nur die Westseite, also die Hauptwetterseite rückgebaut und die anderen Gebäudeseiten hydrophobiert, um die Wasseraufnahme zu unterbinden. Dies setzt voraus, dass nur geringfügige technische Mängel vorhanden sind, so dass man nach Applikation eines Hydrophobierungsmittels von einer gleich langen Lebensdauer wie bei einem intakten System, ausgehen kann. In Zusammenhang mit einer solchen Maßnahme hat es sich bewährt, eine Wasseraufnahme vor Ort zerstörungsfrei oder an unbeschädigt ausgebauten Verbundproben im Labor zu prüfen. Ein Fugenmörtelersatz an einer keramischen Bekleidung lässt sich erfahrungsgemäß nicht schadenfrei durchführen. Da die zementgebundenen Fugenmörtel in der Regel sehr hart sind, auch wenn partiell Fugenflankenabrisse vorliegen, muss die Fuge an beiden Flanken mit der Flex eingeschnitten werden, um den Fugenmörtel zu entfernen. Diese Schnitte reichen immer weider bis in den Unterputz hinein und beschädigen stellenweise auch das Gewebe. Dies stellt keine Verbesserung dar. Deshalb sollte unbedingt bei der Verarbeitung sehr genau auf die fachgerechte Verarbeitung des WDVS mit keramischer Bekleidung geachtet werden. Dies stellt die beste Möglichkeit dar Schäden zu vermeiden und im Sinne der Kosten und CO 2 -Einsparung (keine Reparaturen oder vollständige Erneuerung innerhalb der Gewährleistung oder bis zum Ende der Lebensdauer) nachhaltig zu arbeiten. Für die Ausführung des keramischen Belages sollen einige Hinwiese gegeben werden, die sich teilweise bereits aus der allgemeine bauaufsichtlichen Zulassung für diese Systeme ergeben und teilweise noch darüber hinaus 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 155 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden gehen. Grundsätzlich sind die vorgegebenen Schichtdicken einschließlich der Höhenlage des Gewebes einzuhalten. Dies gilt insbesondere auch für die Verklebung der Riemchen. Der Verlegemörtel muss beidseitig aufgetragen werden, wobei der Auftrag auf den Unterputz mit einem Kammspachtel erfolgt. Dabei hat es sich bewährt den Kleber horizontal abzuziehen. Auf diese Weise kann über die Fugen oder Fugengrenzflächen eindringendes Regenwasser hinter den Riemchen nicht unkontrolliert nach unten transportiert werden und sich am unteren Ende von Hohlräumen aufstauen (drückendes Wasser) selbst wenn nicht sämtliche Vertiefungen zwischen den Stegen bei dem Einschwimmen und Anpressen der Riemchen geschlossen werden. Dies haben einige Hersteller übernommen, aber nicht alle. Wird der Verlegemörtel weiterhin auf dem Unterputz in senkrechter Richtung aufgetragen, muss der Verlegemörtel entlang der Oberkante und Unterkante des Riemchens im Fugengrund verstrichen werden, so dass sämtliche Hohlräume verschlossen sind. Auf der Rückseite des Riemchens wird der Verlegemörtel in der Regel glatt abgezogen. Dies darf aber keine hauchdünne Schicht sein, sondern muss dick genug sein, um der „Einschwimmen“ und „Anpressen“ der Riemchen problemlos zu ermöglichen. Dabei ist darauf zu achten, welche Art von Riemchen verwendet wird. Von verblendsteinen abgesägt Scheiben lassen sich einfacher verarbeiten als Riemchen aus Spaltklinkern. Letztgenannte besitzen auf der Rückseite ein Relief, welches das „Einschwimmen“ erschwert. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass der Kleberauftrag auf der Riemchenrückseite auch vollflächig erfolgt. Häufig ist zu beobachten, dass die Randbereiche, je nach Halten des Riemchens, bei dem Kleberauftrag keinen Kleber aufweisen. Die meisten Fugenmörtel müssen in erdfeuchter bis eher leicht plastischer Konsistenz verarbeitet werden. Da in der Vergangenheit die Konsistenz teilweise falsch eingestellt wurde, geben viele Hersteller im Technischen Merkblatt einfache Methoden zur Prüfung der richtigen Konsistenz an. Grundsätzlich sollen die Fugenmörtel mit dem Fugeisen heute auch in zwei Arbeitsgängen eingebracht werden und das in einer bestimmten Abfolge. Trotz dieser sehr genauen Vorgaben wird häufig nicht darauf geachtet. Einfacher gestaltet sich eine Schlämmverfugung. Diese Mörtel weisen einen geringere Körngröße auf und füllen aufgrund der Art der Einbringung und ihrer plastischen Konsistenz auch verbliebene Hohlräume aus. Als Folge des Zeitgeistes tritt die Schlämmverfugung inzwischen in den Hintergrund, da immer mehr Bauherren sich eine Fuge wünschen, die wie im Verblendmauerwerk aussieht, mit dem Fugeisenabdruck an der Oberfläche. Weitere Fehler und Eintragswege für Wasser kann die Ausführung von Anschlüssen sein. Das betrifft einmal Feldbegrenzungsfugen im keramischen Belag, die durch Einbau von Schlaufenprofilen und nachträglicher Füllung mit einem Kompriband und abschließender elastischer Verfugung sicherer gemacht werden können. Der andere Punkt sind die Fensterbänke. Zumeist werden aus Kostengründen pulverbeschichtete Metallfensterbänke, die vor Ort auf Länge geschnitten werden, mit einfachen Bordprofilen zum Aufstecken verwendet. Dabei bleibt die hintere Ecke offen, so dass die Abdichtung unter der Fensterbank absolut wasserdicht sein muss. Dies ist häufig aber nicht der Fall. Zusätzliche Sicherheit würde man durch sogenannte Rillengleiter erhalten, die in der hinteren Ecke verschweißt sind. Die Fensterbank liegt an den Rändern auf diesen Profilen auf. Hinten sowie seitlich eindringendes Wasser wird über die Rillen nach vorn abgeführt. Bei den historischen Bauwerken und insbesondere bei Denkmälern ist anders vorzugehen, wobei zunächst der „worst case“ angesprochen werden soll. Das Kap auf Norderney wurde zurückgebaut, da aufgrund der massiven Schäden keine Restaurierung in Form eines Teilaustausches und Erneuerung der Fugennetzes erfolgversprechend erschien, um eine ausreichende Dauerhaftigkeit zu prognostizieren. Deshalb wurde vorgeschlagen, dass Kap vollständig zurückzubauen, da dies auch nicht das erste Mal in der Geschichte des Seezeichens sein würde. Nach Einholung eines weiteren Gutachtens auf Wunsch der zuständigen Denkmalpflege wurde dem zugestimmt. Dabei sollte zunächst ein völlig identischer Neuauf bau mit Bockhorner Klinker erfolgen. Mit dem Wechsel des Eigentümers - das Denkmal ging in das Eigentum der Stadt Norderney über - änderte sich das Konzept. Statt eines identischen Nachbaus erfolgte der Auf bau eines Stahlbetonkerns, der von einer Verblendschale mit Luftschicht umbaut wurde. In der Verblendschale erhielten die Klinker die gleiche Anordnung wie im ursprünglichen Baukörper. Es handelt sich nunmehr um eine Rekonstruktion. Vorgabe für den verwendeten Mörtel war Kompositzement, um den Zementanteil und damit den Gipsgehalt als Erstarrungsverzögerer reduzieren zu können. Bei den anderen historischen Bauwerken, in denen sekundär gebildeter Ettringit nachgewiesen wurde, erfolgte eine Fugenmörtelerneuerung. Für die Bauwerke mit einem Vormauerwerk aus Lochverblendziegeln eignet sich am besten eine Schlämmverfugung. Da der Bestandsmörtel am dargestellten Beispiel nicht nur Fehlstellen aufwies, sondern auch absandete, wurde der Fugenmörtel bis in eine Tiefe von wenigen mm (4 - 6 mm angestrebt) vorsichtig entfernt ohne die Ziegelflanken zu beschädigen. Dabei wurden weitere Fehlstellen, insbesondere im Bereich der Stoßfugen freigelegt. Diese wurden zunächst fachgerecht verschlossen (möglich mit Kartuschenmörtel). Anschließend erfolgte die Schlämmverfugung. Die vorherige und nachträgliche Hydrophobierung bei diesem System musste weggelassen werden, da es sich um ein Denkmal handelt. Die Ziegeloberfläche ist ausreichend glatt, um die auf den Ziegel noch vorhandenen Schlämmereste vollständig zu entfernen, ohne das ein Grauschleier zurückbleibt. Anders verhält es sich mit den dunkelroten Klinkern. Eine Fugenschlämme lässt sich in der Regel nicht rückstandslos von den relativ rauen Oberflächen abwaschen. Deshalb müssen die Fugen ausgeräumt und durch geeigneten Fugenmörtel in Kellenverfugung ersetzt wer- 156 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Sekundäre Ettringitbildung in historischem Ziegelmauerwerk bis hin zu modernen Riemchenfassaden den. Auch hier sind Fehlstellen im Fugengrund zunächst vorher zu verfüllen. Ggf. ist dabei eine Nachbehandlung nötig, um ein Auf brennen zu verhindern. Dieser Mörtel darf zwischen Altbestand und neuer Verfugung nicht als Trennlage dienen, sondern muss mit beiden einen festen Verbund eingehen. Der Fugenmörtel bildet zusammen mit den Klinkern den Schlagregenschutz. Dahinter befinden sich hochporöse, schlechter vermauerte Ziegel. Deshalb muss der Fugenmörtel von seiner Siebline so abgestimmt sein, dass ein möglichst dichtes, wenig poröses Gefüge entsteht. Da der Fugenmörtel, auch wenn es sich um eine hochzementhaltigen Mörtel handelt, nach bisherigem Kenntnisstand nicht durch Austrag und Verfrachtung gelöster Bestandteile zur Ettringitbildung beitrug, kann ein Kompositzement verwendet werden, muss aber nicht. Wichtig ist die Vergütung des Fugenmörtels, damit zusätzlich zur mechanischen Verkrallung an den Fugenflanken auch eine Verklebung erfolgt. Bei diesem Bauwerk ist die Instandsetzung noch nicht abgeschlossen. Im nächsten Schritt werden Musterflächen mit verschiedenen kommerziell erhältlichen Werktrockenmörteln angelegt. Obgleich in Norddeutschland sehr viele Bauwerke mit diesen Klinkern in den 1920er und 1930er Jahren ausgeführt wurden, existieren bisher keine optimal dafür geeigneten Instandsetzungsmörtel, die auf die geringe Wasseraufnahme der Steine und der Herstellung eines optimalen Verbundes zur Gewährleistung der Schlagregensicherheit ausgerichtet sind, ohne Zusatz eines Hydrophobierungsmittels. Literatur [1] Stark, J., Wicht, B.: Dauerhaftigkeit von Beton. Birkhäuser Verlag 2001, 340 S. [2] Eckart, A., Nehring, C., Romstedt, H.: Kurzer Abriss zu Schadensmechanismen im gipshaltigen Mauerwerk., WTA Schriftenreihe, H. 30, Gipsmörtel im historischen Mauerwerk und an Fassaden, 2008, S. 45 - 58. [3] Zier, H.-W.: Nachweis von Ursachen für Schäden im Mauerwerk mit gipshaltigen Mörteln nach Sanierungen mit hydraulischen Bindemitteln. WTA Schriftenreihe, H. 30, Gipsmörtel im historischen Mauerwerk und an Fassaden, 2008, S. 59 - 84. 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