eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 8/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81

Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken

21
2023
Kevin Kriescher
Cynthia Morales Cruz
Michael Raupach
Als Instandsetzungsmaßnahme bei gemauerten Gewölbebrücken kann eine ober- oder unterseitige Abdichtung zur Anwendung kommen. Bei Eisenbahnüberführungen hat eine oberseitige Gleisbettabdichtung jedoch einen erheblichen Eingriff in den betrieblichen Ablauf des Schienenverkehrs zur Folge. Deshalb werden Verfahren zur unterseitigen Abdichtung bevorzugt, die oftmals jedoch nicht die gewünschte Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen. Im Rahmen eines ZIM-Projekts des Instituts für Baustoffforschung der RWTH Aachen University und der BAWAX GmbH wurde ein nachhaltiges mörtelbasiertes, textilbewehrtes Abdichtungssystem für die Gewölbeunterseite entwickelt, das bereits bei geringen Schichtdicken dauerhaft abdichtet. In diesem Beitrag werden neben dem Konzept der unterseitigen Gewölbeabdichtung die besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung des Abdichtungssystems, die durchgeführten experimentellen Untersuchungen sowie die erfolgreiche Anwendung des Abdichtungssystems am Beispiel einer Demonstratorbrücke vorgestellt.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 197 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Kevin Kriescher, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Dr.-Ing. Cynthia Morales Cruz Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Zusammenfassung Als Instandsetzungsmaßnahme bei gemauerten Gewölbebrücken kann eine ober- oder unterseitige Abdichtung zur Anwendung kommen. Bei Eisenbahnüberführungen hat eine oberseitige Gleisbettabdichtung jedoch einen erheblichen Eingriff in den betrieblichen Ablauf des Schienenverkehrs zur Folge. Deshalb werden Verfahren zur unterseitigen Abdichtung bevorzugt, die oftmals jedoch nicht die gewünschte Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen. Im Rahmen eines ZIM-Projekts des Instituts für Baustoffforschung der RWTH Aachen University und der BAWAX GmbH wurde ein nachhaltiges mörtelbasiertes, textilbewehrtes Abdichtungssystem für die Gewölbeunterseite entwickelt, das bereits bei geringen Schichtdicken dauerhaft abdichtet. In diesem Beitrag werden neben dem Konzept der unterseitigen Gewölbeabdichtung die besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung des Abdichtungssystems, die durchgeführten experimentellen Untersuchungen sowie die erfolgreiche Anwendung des Abdichtungssystems am Beispiel einer Demonstratorbrücke vorgestellt. 1. Einführung Viele der rd. 6200 gemauerten Eisenbahnbrücken in Deutschland sind heute instandsetzungsbedürftig. Die Standsicherheit ist auch unter Berücksichtigung des stetig steigenden Verkehrsaufkommens dabei häufig nicht das vorrangige Problem. Die in der Regel am Gewölberücken befindlichen Abdichtungssysteme sind über die Jahre funktionsuntüchtig geworden, wodurch Regenwasser in bzw. durch das Tragwerk sickert [1; 2]. Die Folgen sind Salzausblühungen, Eiszapfenbildung und im Zusammenspiel mit Frost-Tauwechselbeanspruchungen Ausbrüche in Fugen und Steinoberflächen (siehe Abbildung 1). Abb. 1: Ausbrüche in Fugen und Steinoberfläche (links) und Salzausblühungen (rechts) an der Gewölbeinnenseite Konventionelle Brückenabdichtungen sehen eine Instandsetzung der Gleisbettabdichtung auf der Oberseite der Brücke gemäß Richtlinie 804 - Eisenbahnbrücken (Modul 804.6101) [3] vor, die die gesamte Tragschale vor eindringendem Wasser schützen. Die mit dieser Instandsetzungsmaßnahme einhergehenden Sperrzeiten bedeuten neben dem erheblichen Eingriff in den betrieblichen Ablauf des Schienenverkehrs einen deutlichen planerischen Mehraufwand. Eine Möglichkeit diese Sperrzeiten und den damit verbundenen Mehraufwand zu vermeiden besteht in der unterseitigen Abdichtung des Gewölbes mittels Gelinjektion (Vergelung). Dabei wird zwischen einer Flächen- und einer Schleierinjektion unterschieden. Besondere Schwierigkeit bei der Anwendung dieses Instandsetzungsverfahrens für Gewölbebrücken ist das gleichmäßige und fehlerstellenfreie Einbringen des Injektionsstoffs. Des Weiteren wurden bei derart abgedichteten Bauwerken eine Beschleunigung des Verwitterungsprozesses beobachtet, was u. a. ein Grund dafür war, dass die Deutsche Bahn (DB) ihre Vergelungsrichtlinie zurückgezogen hat und diese Maßnahme nur noch mit einer Sonderfreigabe ermöglicht. Alternativ kann eine unterseitige Brückenabdichtung mittels stahlbewehrter Spritzbetonschicht erfolgen. Aufgrund der erforderlichen Betondeckung der Stahlbewehrung ist die resultierende Dicke der Spritzbetonschicht i. d. R. relativ groß (10 bis 20 cm). Die Folgen sind eine deutliche Reduktion der Durchfahrtshöhe und einer Mehrbelastung für das Bestandsbauwerk. Kommerziell erhältliche Abdichtungstechniken mittels zementärer Systeme basieren im Allgemeinen darauf, die kapillarwirksame Porosität soweit zu verringern, dass kein technisch relevanter Feuchtigkeitstransport mehr stattfindet [4]. Eine solche Dichtwirkung wird durch Verrin- 198 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken gerung des Wasser-zu-Zement-Verhältnisses (w/ z-Wert) unterhalb eines Wertes von 0,4 erreicht [5; 6]. Vergleichbare Techniken sind z.-B. für den Einsatz von Mörtelbeschichtungen in Trinkwasserbehältern gut erprobt. Ein wesentlicher Nachteil dieser Technik ist, dass mit verringertem w/ z-Wert die Festigkeit und Steifigkeit solcher Schichten massiv ansteigt. Die Verträglichkeit eines solch steifen Mörtels zum vergleichsweise weichen Bestandsmauerwerk ist oftmals nicht gegeben. Mögliche Folgen sind Hohllagen, klaffende Fugen und u. U. eine empfindliche Schädigung des Untergrunds. Ziel des Forschungsprojekts war die Entwicklung eines leichten, textilbewehrten, mörtelbasierten Abdichtungssystems, das schon bei geringen Applikationsdicken eine abdichtende Wirkung erzielt. Die textile Bewehrung sollte im Zusammenspiel mit einem Ankersystem für eine zusätzlichen Fixierung des Mörtelsystems am Gewölbe sorgen. In Abbildung 2 ist der schematische Auf bau des Abdichtungssystem dargestellt. Die wesentlichen Herausforderungen im Rahmen der Entwicklungsarbeiten waren: • Anpassung der Steifigkeit bzw. der Verformungseigenschaften des Mörtels an das Bestandsmauerwerk bei gleichzeitiger hoher Gefügedichtigkeit • Erreichen eines dauerhaften Haftverbundes zwischen Mörtel und Untergrund • Prüfung der Funktionalität des Abdichtungssystems unter Betriebsbedingungen Abb. 2: Schematische Darstellung des Auf baus des Abdichtungssystems 2. Untersuchungen 2.1 Materialeigenschaften Um den bestehenden Anforderungskonflikt zwischen hoher Dichtigkeit des Gefüges und geringer Steifigkeit zu bewältigen, entwickelte die BAWAX GmbH zu Beginn der Projektarbeiten einen neuen Mörtel. Die Steifigkeit eines Mörtels wird maßgeblich durch die verwendete Gesteinskörnung beeinflusst. Im Rahmen der Mörtelentwicklung wurden daher auf Basis eines erprobten Mörtels der BAWAX GmbH (XDM) verschiedene Mörtelrezepturen erarbeitet, die sich im Wesentlichen hinsichtlich ihrer Zuschlagsart und -zusammensetzung sowie ihres w/ z-Wertes voneinander unterschieden. Zur Beurteilung der Festigkeits- und Verformungseigenschaften wurden die Druck- und Biegezugfestigkeit nach EN 1015-11 [7] und der statische E-Modul nach EN 13412 [8] bestimmt und mit den Ergebnissen des XDM verglichen (siehe Tabelle 1). Der E-Modul und somit die Steifigkeit des entwickelten Mörtels (XLM) konnte um rd. 50-% reduziert werden. Darüber hinaus erfolgte durch die Reduktion der Trockenrohdichte um rd. 30-% eine deutliche Gewichtseinsparung gegenüber der Referenz. Tab. 1: Festmörtelkennwerte des Referenzmörtels (XDM) und des entwickelten Mörtels (XLM) Mörtel r l r d ß D,28d ß BZ,28d E D,28d kg/ dm³ N/ mm² XDM 2,052 1,941 39,0 7,63 21994 XLM 1,396 1,294 23,6 4,98 10497 r l : Rohdichte (lufttrocken) r d : Trockenrohdichte β D,28d : Druckfestigkeit nach 28 Tagen β BZ,28d : Biegezugfestigkeit nach 28 Tagen E D,28d : Statischer E-Modul nach 28 Tagen Die Reduktion der Steifigkeit und des Gewichts wurde zum einen durch die partielle Substitution von Gesteinskörnung durch Leichtzuschläge und zum anderen durch die Erhöhung des w/ z-Werts reduziert. Durch den erhöhten Wassereintrag entstanden beim Erhärten der Mörtel mehr Luftporen, die sich negativ auf die Gefügedichtigkeit des Mörtels auswirken können. Um dies zu überprüfen, wurden Wasserdruckprüfungen in Anlehnung an EN 123908 [9] durchgeführt. Dazu wurden zwei Probekörper (200 ∙ 200 ∙ 40 mm³) gemäß EN 196-1 [10] hergestellt, gelagert und nachbehandelt. Im Alter von 28 Tagen wurde die Einfüllseite der Probekörper abgeschliffen und die Mantelfläche vollflächig mit Epoxidharz abgedichtet. Die untere und obere Grundfläche der Probekörper wurde ebenfalls mit Epoxidharz abgedichtet, wobei jeweils ein kreisförmiger Bereich (Durchmesser 140-mm) ausgespart wurde, auf den später der Wasserdruck aufgebracht wurde. 39 bzw. 41 Tage nach der Herstellung wurden die Probekörper in die Prüfvorrichtung eingebaut. Als Referenz diente wieder der XDM, der nachweislich bei Wasserdrücken bis zu 5-bar dicht ist. Der Wasserdruck wurde stufenweise auf die aufgeraute, untere Grundfläche der Probekörper aufgebracht. Der aufgebrachte Sollwasserdruck betrug zu Beginn der Prüfung rund 0,6 bar und wurde in geregelten zeitlichen Abständen stufenweise auf einen maximalen Wasserdruck von rund 4,0 bar erhöht (vgl. Abb. 3). Die Oberseite der Probekörper wurden mit einer durchsichtigen Folie abgedeckt, um das potentielle Verdampfen geringer ausgetretener Wassermengen feststellen zu können. Einschließlich der Wasserdruckbeaufschlagung von 4,0 bar (40-m Wassersäule) konnte bei keinem der Probekörper ein Wasser- oder Feuchtigkeitsaustritt an der Oberfläche festgestellt werden. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 199 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Abb. 3: Zeitlicher Verlauf der Wasserdruckprüfung Um die Wasserdichtigkeit des entwickelten Mörtels quantifizieren zu können, wurden die Probekörper einzeln aus dem Prüfstand ausgebaut und mittig aufgespalten. Die Messung der mittleren und maximalen Wassereindringtiefe erfolgte durch händisches Abzeichnen und Messen der Wassereindringverläufe unmittelbar nach dem Aufbrechen der Probekörper. In Abbildung 4 ist exemplarisch ein gespaltener Probekörper mit dem entsprechenden Verlauf des eingedrungenen Wassers dargestellt. Die Ergebnisse der Wassereindringprüfung sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Gegenüber dem Referenzmörtel konnte der entwickelte Mörtel trotz des höheren Luftporengehalts eine Reduktion der mittleren (17 %) und maximalen (23 %) Wassereindringtiefen somit eine leichte Verbesserung der Dichtigkeit erreichen. Die zulässige größte Wassereindringtiefe für wasserundurchlässigen Beton (50 mm) wird somit deutlich unterschritten. Die maximalen Eindringtiefen sind vergleichbar mit einem Beton mit einem w/ z-Wert < 0,45 [11]. Abb. 4: Exemplarische Darstellung einer gespaltenen Probe; a) Draufsicht, b) Bruchfläche unmittelbar nach der Prüfung und c) Bruchfläche inkl. aufgezeichnetem Verlauf des eingedrungenen Wassers Tab. 2: Mittlere (t MW ) und maximale (t max ) Wassereindringtiefen des Referenzmörtels XDM und des entwickelten Mörtels XLM Mörtel Wassereindringtiefe t MW t max mm XDM 11,8 17,4 XLM 9,8 113,4 In der klassischen Betontechnologie kann ein erhöhter Wasser-Zement-Wert das Schwinden des Betons begünstigen. Um eventuelle Einflüsse auf das Schwindverhalten infolge der erhöhten Wasserzugabe des XLM zu identifizieren und zu quantifizieren, wurden daher Schwindversuche nach DIN EN 12617-4 [12] durchgeführt. Dabei wurde das Wasser-Feststoff-Verhältnis des Mörtels variiert, um die baustellenbedingten Abweichungen von der Soll-Wasserzugabe abzubilden. Erwartungsgemäß schwindet der XLM aufgrund der höheren Wasserzugabe stärker als der XDM B4 (siehe Abbildung 5). Das Schwindmaß des XLM ist in Kombination mit dem geringeren EModul für den vorgesehenen Anwendungsfall auf vergleichsweise weichem Mauerwerk (E-Modul Mauerziegel ≈ 12000 bis 22000 N/ mm²; E-Modul Normalmauermörtel ≈ 3500 bis 11000 N/ mm) jedoch als unkritisch zu bewerten [13]. Der Vergleich der Schwindverläufe des XLM veranschaulicht, dass eine leichte Erhöhung des Wasser-Feststoff-Verhältnisses (W/ F) keinen messbaren Einfluss auf das Schwindmaß zu haben scheint. Abb. 5: Schwindverläufe in Abhängigkeit des Wasser- Feststoff-Verhältnisses (W/ F) des entwickelten Mörtels XLM und des Referenzmörtels XDM über das Prüfalter 2.2 Verbundeigenschaften 2.2.1 Auswahl und Prüfung der textilen Bewehrung Die primären Aufgaben der textilen Bewehrung sind die zusätzliche Fixierung des Abdichtungssystem an der Gewölbeunterseite und die Rissbreitenbeschränkung. Basierend auf einem zuvor erstellten Anforderungsprofil wurde eine Polyacrylat-getränkte textile Carbonbewehrung ausgewählt. Die kleinsten Rissbreiten können i. d. R. bei Verwendung von Epoxidharz (EP) getränkten Textilien erzielt werden [14]. EP-Tränkungen erhöhen die Steifigkeit des Textils jedoch so stark, dass die Applikation am gekrümmten Gewölbe nicht bzw. schwer möglich gewesen wäre. Die Einbußen hinsichtlich der Rissbreitenbeschränkung gegenüber einer EP-getränkten Bewehrung wurden zugunsten eins besseren Handling in Kauf genommen. 200 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Zur Untersuchung des Verbunds zwischen fünf ausgewählten, Polyacrylat-getränkten textilen Bewehrungen und dem entwickelten Mörtel wurden einaxiale Zugversuche an rechteckigen Streifenproben (Dehnkörper) aus textilbewehrtem Mörtel (TRM) hergestellt und geprüft. Dabei wurden in den Versuchen die Parameter Mörtel, Lagenanzahl, Bewehrungsgeometrie und Bewehrungsgehalt variiert (siehe Tabelle 3). Mit Ausnahme der Serien 10 und 11 betrug das Prüfalter 28 Tage. Pro Serie wurden mindestens drei textilbewehrte Dehnkörper untersucht. Als Referenzmörtel wurde ein zementgebundener, kunststoffmodifizierter Reparaturmörtel (RM-A4) mit einem Größtkorn von 2 mm verwendet. Die Besonderheit Textils 5 war, dass neben den Kettrovings ebenfalls die Schussrovings umwirkt wurden, wodurch eine annähernd gleiche geometrische Ausprägung der Kett- und Schussrovings und somit ein vergleichbares Verbundverhalten in beide Tragrichtungen des Textils erreicht werden sollte. Die Prüfung und Auswertung der einaxialen Zugversuche erfolgte gemäß [15]. Im Folgenden werden die Ergebnisse ausgewählter Serien beschrieben und miteinander verglichen. Abbildung 6 stellt die linearen Fits der textilbewehrten Mörteldehnkörper mit dem RM-A4 Instandsetzungsmörtel in Kombination mit den Textilien 1, 3 und 5 dar. Aufgrund der Bewehrungsgeometrie und der Prüfkörpergeometrie variiert der Bewehrungsgehalt ω t der drei Serien zwischen 0,24 und 0,49. Der Einfluss des Bewehrungsgehalts auf die Rissbreiten wurde im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht untersucht. Serie 3 zeigt die größten mittleren (w m ) und maximalen (w max ) Rissbreiten, obwohl sie den höchsten Bewehrungsgehalt aufweist. Abb. 6: Rissbreiten über der Textilspannung (lineare Fits); Vergleich Serien 1, 3 und 12 Abb. 7: Rissbreiten über der Textilspannung (lineare Fits); Vergleich Serien 5 und 7 Tab. 3: Prüfmatrix der durchgeführten Dehnkörperversuche Serie Mörtel Textile Bewehrung A R A t ω t . Prüfalter Bez. Druckfestigk. Bez. Filamente Rovings Lagen - - N/ mm2 k - mm2 mm2 % d S1 RM-A4 80,3 ± 2,3 Textil 1 24 4 2 0,91 7,28 0,24 28 S2 RM-A4 75,1 ± 2,6 Textil 2 24 4 2 0,91 7,28 0,24 28 S3 RM-A4 73,6 ± 2,5 Textil 3 48 4 2 1,82 14,56 0,49 28 S4 RM-A4 76,3 ± 3,7 Textil 4 12 5 2 0,47 4,70 0,16 28 S5 XLM 27,4 ± 1,0 Textil 1 24 4 2 0,91 7,28 0,24 28 S6 XLM Textil 2 24 4 2 0,91 7,28 0,24 28 S7 XLM Textil 5 24 5 2 0,91 9,10 0,30 28 S8 XLM Textil 1 24 3 1 0,91 2,73 0,14 28 S9 XLM Textil 5 24 4 1 0,91 3,64 0,18 28 S10 XLM Textil 5 24 4 1 0,91 3,64 0,18 90 S11 XLM Textil 5 24 4 1 0,91 3,64 0,18 90 S12 RM-A4 76,3 ± 3,7 Textil 5 24 5 2 0,91 9,10 0,30 28 A R : Rovingquerschnittsfläch, At: Textilquerschnittsfläche, ω t . : Bewehrungsgehalt 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 201 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Der Vergleich der Steigungen der Rissbreite-Textilspannungskurve zeigt, dass die günstigste Rissverteilung mit Textil 5 erreicht wird. In Abbildung 7 werden die Textilien 1 und 5 in Kombination mit dem neuen, deutlich weicheren Mörtel verglichen. Verglichen mit der Serie 5 wurde eine ca. 20-% höhere mittlere Textilspannung mit dem Textil 6 erreicht. Auch hier spricht der Vergleich der Steigung der linearen Fits der Rissbreite-Textilspannungskurven für die Wahl des Textils 5 Bewehrung. 2.2.2 Haftverbund zum Untergrund Aufgrund der Vielfalt an Mauersteinen und -mörteln, die bundesweit bei der Herstellung von gemauerten Gewölbebrücken verwendet wurden, wurde im Forschungskonsortium die Entscheidung getroffen, die Untersuchungen der Verbundfuge zwischen dem entwickelten Mörtel und dem Mauerwerk mittels zweier verschiedener Untergründe durchzuführen, die insbesondere hinsichtlich ihres Saugverhaltens konträre Eigenschaften (stark saugend/ nicht saugend) aufwiesen. Somit konnte ein möglichst breites Spektrum der Materialvielfalt am effektivsten berücksichtigt werden. Als saugender Untergrund wurde ein Mauerziegel Mz-2,0 / 20 im Normalformat in Kombination mit einem Kalkzementmörtel verwendet. Das Saugverhalten des Kalkzementmörtels wurde mittels kapillarer Wasseraufnahme nach DIN EN 13057 [16] quantifiziert. Der ermittelte Sorptionskoeffizient ist mit 7,35 kg/ m 2 ·h 0,5 als hoch zu bewerten. Das Saugverhalten der verwendeten Mauerziegel wurde zudem qualitativ über die zeitabhängige Steighöhe bestimmt. Die Mauerwerk- Grundkörper wurden mit einer Lagerfugendicke von rd. 12 mm und einer Stoßfugendicke von rd. 10 mm hergestellt. Als Gegenstück zu dem saugenden Untergrund wurde ein dichter Referenzbeton Typ MC(0,40) nach DIN EN 1766 [17] verwendet, welcher der Festigkeitsklasse C 50/ 60 zuzuordnen ist. Die Maße der Beton-Grundkörper betrugen 200 ∙ 200 ∙ 60 mm³. Die Prüffläche der Beton- Grundkörper wurde nach 28-tägiger Aushärtung mittels Sandstrahlen auf eine Rauheit von 0,55 mm eingestellt. Vor der Applikation des entwickelten Mörtels wurden die Mauerwerk- und Beton-Grundkörper für 24 Stunden in Wasser gelagert. Der Mörtel wurde nach dem Auftrag auf die mattfeuchte Prüffläche mit einer Zahnkelle abgezogen. Die Schichtdicke betrug rd. 12 mm, Die so beschichteten Prüfkörper wurden anschließend für 7 Tage in einem Feuchtschrank und weitere 7 Tage im Normklima bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchte gelagert, bevor die zweite Mörtellage in analoger Vorgehensweise aufgebracht wurde. Die zweite Mörtellage wurde im Gegensatz zur Ersten nicht mit einer Zahnung versehen, sondern glatt abgezogen und nach leichtem Antrocknen mit einem Reibbreit angeraut. Der Verbund zwischen dem entwickelten Mörtel und dem Untergrund wurde nach verschiedenen Beanspruchungen und Aushärtezeiten anhand der Haftzugfestigkeit und der Breite evtl. entstandener Risse beurteilt. Die Prüfung erfolgte in Anlehnung an DIN EN 1542 [18]. Die Haftzugfestigkeit wurde für die beide Untergrundextreme 14 und 28 Tage nach Auftrag der zweiten Mörtellage bestimmt. Die Ergebnisse sind in den Balken-Diagrammen in Abbildung 8 dargestellt. Die mittlere Haftzugfestigkeit lagen unabhängig vom Prüfalter für den Betonuntergrund bei 1,3 N/ mm² und für die Mauerwerkgrundkörper bei 0,5 N/ mm². Abb. 8: Haftzugfestigkeit in Abhängigkeit des Untergrunds und des Prüfalters (links); Prozentuale Verteilung der Versagensformen in Abhängigkeit des Untergrunds und des Prüfalters (rechts) Während bei den Betonprüfkörpern erwartungsgemäß überwiegend ein Adhäsionsversagen zwischen Untergrund und Mörtel zu beobachten war, versagten die Mauerwerkprüfkörper ausnahmslos kohäsiv im Untergrund, d. h. die Verbundfestigkeit zwischen Mörtel und Mauerwerk lag, über der Oberflächenzugfestigkeit der Mauerziegel. Die Untersuchung des Haftverbundes zwischen der ersten und der zweiten Mörtelschichten erfolgte 28 Tage nach Auftrag der zweiten Schicht. Die mittlere Haftzugfestigkeit betrug 1,5 N/ mm² und lag somit geringfügig über der mittleren Haftzugfestigkeit zwischen erster Mörtellage und Beton. Diese Festigkeitssteigerung könnte u. a. auf die bei der Applikation eingebrachte Zahnung zwischen den beiden Schichten zurückzuführen sein. Um eine Trennschichtbildung durch die textile Bewehrung ausschließen zu können, wurden zusätzliche Haftzug-Prüfkörper erstellt, in die eine textile Bewehrungslage eingebracht wurde. Die Bewehrungslage wurde analog zur späteren Vorgehensweise am Bauwerk in die erste Mörtelschicht eingebettet. 28 Tage nach Auftrag der zweiten Mörtellage wurde die mittlere Haftzugfestigkeit zwischen Mörtel und Bewehrung zu 1,4 N/ mm² bestimmt und ist somit unwesentlich geringer als bei der Referenz ohne textile Bewehrungslage. Das verwendete textile Carbonbewehrung führt dementsprechend nicht zu einer Trennschichtbildung. Das Abdichtungssystem ist am Bauwerk den verschiedensten Witterungsbedingungen ausgesetzt. Eine besondere Herausforderung für das System stellen dabei die Frost-Tauwechsel dar. Beim Phasenwechsel in den festen Aggregatzustand nimmt das Volumen des Wassers, was zu Sprengdrücken im Mörtel führen kann, sofern dessen Porensystem nicht genügend Expansionsraum bietet. Um eventuelle Einflüsse einer Frost-Tauwechselbeanspruchung auf den Mörtel und dessen Verbundeigenschaften zu untersuchen, wurden weitere drei Haftzugprüfkörper mit beiden Untergrundextremen hergestellt 202 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken und beschichtet. Die Rücken- und Mantelflächen der beschichteten Prüfkörper wurden 2-lagig mit Epoxidharz abgedichtet, um einen eindimensionalen Wassertransport bzw. Schädigungsmechanismus zu gewährleisten. 28 Tage nach Auftrag der zweiten Mörtelschicht wurden jeweils zwei der drei Prüfkörper in eine programmierbare Prüftruhe eingelagert und dem in DIN EN 13687-3 [19] beschriebenen Zyklus ausgesetzt. Der dritte Prüfkörper diente jeweils als Referenz und wurde zur Kontrollzwecken im Normklima bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchte gelagert. Nach 24 durchlaufenen Zyklen wurden die Haftzugfestigkeiten nach DIN EN 1542 [18] der Prüfkörper bestimmt. Die Ergebnisse sind in den Balkendiagrammen in Abbildung 9 dargestellt. Für die Betonprüfkörper lag die mittlere Haftzugfestigkeit nach Frost- Tauwechselbeanspruchung deutlich über der mittleren Haftzugfestigkeit des Referenzprüfkörpers. Die Verbesserung des Haftverbundes ist vermutlich auf die zusätzliche Verfestigung durch das zyklische Fluten der Prüftruhe zurückzuführen. Diese Vermutung wird dadurch bekräftigt, dass die Betonprüfkörper nach der Frost-Tauwechselbeanspruchung durch die Stärkung des Verbundes ausschließlich kohäsives Versagen im Mörtel aufwiesen. Abb. 9: Haftzugfestigkeit nach Frost-Tauwechselbeanspruchung (links); Prozentuale Verteilung der Versagensformen in Abhängigkeit der Lagerung (rechts) Für die Mauerwerkprüfkörper konnte kein Einfluss auf die mittlere Haftzugfestigkeit infolge der Frost-Tauwechselbeanspruchung festgestellt werden. Auch die frostbeanspruchten Prüfkörper versagten mit einer Ausnahme im Untergrund. Eine Verschlechterung des Haftverbundes infolge potentieller Sprengdrücke konnte folglich bei beiden Untergründen nicht festgestellt werden. 2.3 Realitätsnaher Großversuch 2.3.1 Dynamische Belastungskollektive Abschluss der Laboruntersuchungen bildete ein am ibac gemauerter Gewölbeabschnitt, an dem die Applikation und Widerstandsfähigkeit des entwickelten Abdichtungssystems bestehend aus Mörtel, textiler Bewehrung und Ankersystem unter realitätsnahen Bedingungen getestet wurde. Allgemein nehmen die dynamischen Belastungen auf das Gewölbe, z.-B. durch Erschütterungen und Verformungen, mit zunehmender Überschüttungshöhe ab. Die tatsächlich am Gewölbe wirkenden Lasten und das Tragverhalten des Gewölbes lassen sich rechnerisch nur schwer allgemeingültig ermitteln, da die wesentlichen Einflussparameter (Stirn-, Quer- und Schrägrisse, Überschüttungsmaterial etc.) bauwerksabhängig stark variieren und oftmals nur schwer abgeschätzt werden können. Zur Ermittlung der tatsächlich wirkenden Lasten und des Tragverhaltens einer gemauerten Gewölbebrücke wird daher i. d. R. eine Einzelfallbetrachtung inkl. umfangreicher Begutachtung und Beprobung erforderlich. Um die Randbedingungen für die dynamische Prüfung im Labor möglichst realitätsnah festlegen zu können, wurden Verformungsdaten verwendet, die im Rahmen verschiedener Bauwerksmessungen unter fahrendem Eisenbahnverkehr aufgezeichnet wurden. In Abhängigkeit der vorliegenden Randbedingungen (Spannweite, Mauersteinart, Zugtyp etc.) wurden bei den verschiedenen Bauwerken maximale Durchbiegungen im Scheitelpunkt zwischen 0,34 und 0,67 mm gemessen [20; 21]. Die zugehörigen dynamischen Belastungsfrequenzen werden u. a. maßgeblich durch die Achsabstände der Züge und deren Geschwindigkeiten bei der Überfahrt beeinflusst. Im Rahmen dieses Projekts wurden sie vereinfachend über die Anzahl an Achs-Überfahrten pro Zeiteinheit ermittelt. So führt ein Güterzug mit einem Abstand von Doppelachsmitte zu Doppelachsmitte von 18,6 m bei einer Überfahrtsgeschwindigkeit von 100 km/ h zu einer approximierten Belastungsfrequenz von rd. 1,5 Hz, während sie bei einem ICE 4 mit einer Höchstgeschwindigkeit von 260 km/ h und einem Achsabstand von 19,5 m rd. 3,6 Hz betragen würde. 2.3.2 Konzeptionierung Die Idee bei der Konzeptionierung des Gewölbe-Prüfstandes war, die während der Prüfung wirkenden horizontalen Lastanteile auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, da diese gesondert abgefangen werden müssen. Hinsichtlich der Bogenform fiel darauf hin die Entscheidung auf einen gestelzten Halbkreis mit einem Innenradius von 95 cm. Die geringfügigen horizontalen Lasten aus Eigengewicht und infolge der späteren Belastung, die trotz der gewählten Bogenform auftraten, wurden durch zwei Stahlplatten abgefangen, die über Gewindestangen miteinander verbunden wurden. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 203 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Abb. 10: Schematische Darstellung des Prüfkörperkonzepts zur Untersuchung der Mörtelschicht unter dynamischer Belastung. Das im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelte Abdichtungssystem bestehend aus zwei Mörtellagen und einer verankerten textilen Bewehrung wurde auf der Innenseite des Gewölbes entsprechend der Vorgaben der BA- WAX GmbH appliziert. Das Konzept des Gewölbeprüfkörpers ist schematisch in Abbildung 10 dargestellt. Die Prüfung des Gewölbes erfolgte durch zyklisches Anfahren einer definierten Verformung ∆u (siehe Abbildung 10). Dazu wurde zunächst experimentell die Kraft F bestimmt, die erforderlich war, um die definierte Verformung ∆u im Scheitelpunkt des Gewölbes zu erzeugen. Diese Kraft wird im weiteren Verlauf als Oberlast F O bezeichnet. Die zugehörige Unterlast F U wurde in Abhängigkeit des Lastniveaus der Oberlast und der Belastungsfrequenz f, die einen maßgeblichen Einfluss auf die regelungstechnischen Leistungsgrenzen des Prüfkolbens hat, festgelegt. Dieser Vorgang wurde für 3 verschiedene maximale Verformungsstufen durchgeführt: ∆u 1 -=-0,3-mm; ∆u 2 -=-0,6-mm und ∆u 3 -=-0,9-mm. Während der Belastungsintervalle wurde zwischen den jeweiligen Ober- und Unterlasten mit einer definierten Belastungsfrequenz f von 3 Hz geschwungen und die Verformung des Gewölbes auf der Stirnseite mit dem optischen 3D-Messsystem ARAMIS ® aufgezeichnet, s. linke Gewölbehälfte in Abbildung 10. 2.3.3 Herstellung Die Herstellung des Gewölbes erfolgte auf einem Stahlträger, an dem zuvor die mit Gewindestangen verbundenen Stahlplatten zur Aufnahme der horizontalen Lasten befestigt wurden. Es wurden Mauerziegel Mz-2,0 / 20 im Normalformat in Kombination mit einem Mauermörtel der Klasse M5 aufgemauert. Die Herstellung erfolgte mittels einer auf den Innenradius abgestimmten Schalungskonstruktion, die darüber hinaus bis zu einem Prüfkörperalter von 7 Tagen als Stützkonstruktion für das Gewölbe genutzt wurde. Das Abdichtungssystem wurde durch einen Mitarbeiter der BAWAX GmbH appliziert. Dazu wurden im ersten Schritt Löcher für die Verankerung der textilen Bewehrung gebohrt und Dübelhülsen eingebracht. Die Bohrlochabstände in Bogenlängsrichtung (50 bis 60 cm) orientierten sich dabei an dem von BAWAX konzipierten Applikationsverfahren. Aufgrund der begrenzten Breite des Gewölbes (ca. 36,5 cm) mussten in Bogenquerrichtung kleinere Abstände (25 cm) gewählt werden. Im nächsten Schritt wurde die erste Mörtellage händisch bis auf Höhe der Abstandshalter der Dübel aufgetragen. Die zugeschnittene textile Carbonbewehrung wurde mit einer Überlappungslänge von rd. 10 cm aufgelegt, leicht in das Mörtelbett eingedrückt und durch das Ankersystem am Gewölbe fixiert. Die textile Carbonbewehrung wurde anschließend mittels Zahnkelle verputzt und der Mörtel für 7 Tage nachbehandelt. Nach 14 Tagen wurde die zweite Mörtellage in einer Stärke von rd. 15 mm aufgebracht, glatt abgezogen und ebenfalls für 7 Tage nachbehandelt. Die einzelnen Applikationsschritte des Abdichtungssystems sind exemplarisch in Abbildung 11 dargestellt. Für die optische Verformungsmessung auf der Stirnseite des Gewölbes wurde eine rd. 1 cm dicke Mörtellage (XLM) aufgetragen, um zunächst eine glatte Oberfläche zu schaffen. Nach 7-tägiger Aushärtung wurde der Mörtel 2-lagig mit weißer Farbe gestrichen und mithilfe einer Rolle mit Kunststoffborsten ein stochastisches Muster aufgebracht. Abb. 11: Exemplarische Darstellung einzelner Applikationsschritte: a) Setzen der Dübelhülsen; b)-Vorlegen des Mörtels; c)-Anbringen und Fixieren der textilen Bewehrung in einem definierten Abstand (7-mm) zur Oberfläche; d)-Verputzen der textilen Bewehrung mit der Zahnkelle; e)-Auftrag der zweiten Mörtellage nach 14-tägiger Aushärtungszeit; f) die Systemdicke beträgt rd. 3-cm 204 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken 2.3.4 Prüfung und Ergebnisse Die dynamische Lasteinleitung erfolgte 80 Tage nach der Applikation der zweiten Mörtellage in Form einer Linienlast mittig auf dem Gewölberücken. Vor jedem ca. 250.000 Zyklen umfassenden Belastungsintervall wurden zunächst die jeweiligen Ober- und Unterlasten mit Hilfe von zwei mittig unter dem Gewölbe platzierten induktiven Wegaufnehmern ermittelt bzw. festgelegt. Die entsprechenden Lasten sind in Tabelle 4 dargestellt. Tab. 4: Ober- und Unterlasten für die drei Belastungsintervalle Verformung ∆u Oberlast F O Unterlast F U mm kN 0,3 9 5 0,6 17,5 15 10 7 0,9 19,5 16 11 8 Die Ober- und Unterlasten des zweiten und dritten Belastungsintervalls mussten im Laufe der Prüfung mehrfach angepasst werden, da die Verformungen infolge von Rissbildungen zugenommen hatten und die zuvor definierten Verformungsstufen ∆u überschritten wurden. Um den möglichen Einfluss der dynamischen Belastung auf den Verbund zwischen Mauerwerk und dem applizierten Abdichtungssystem zu untersuchen, wurden vor und zwischen den einzelnen Belastungsintervallen punktuell Haftzugfestigkeitswerte ermittelt. Die Anordnung der Prüfstellen wurde dabei so gewählt, dass zu jedem Prüfzeitpunkt T verschieden belastete bzw. verformte Bereiche (Stelzen, Nähe des Scheitelpunkts etc.) untersucht wurden. Die Ergebnisse der Haftzugversuchen sind als Säulen-Diagramm in Abbildung 12 dargestellt. Die mittlere Haftzugfestigkeit lag abhängig vom Prüfzeitpunkt bei 0,6 bis 0,7 N/ mm². Hinsichtlich der Versagensform konnte für alle Prüfzeitpunkte nahezu ausnahmslos kohäsives Versagen im Untergrund festgestellt werden. Es ist also davon auszugehen, dass die gewählte dynamische Belastung keinen negativen Einfluss auf den Haftverbund hatte. Die mittels GOM Correlate Pro Software berechnete Hauptformänderung mit Angaben der Einzelrissbreiten des ersten Gewölbes sind für die verschiedenen Ober- und Unterlasten in Abbildung 13 dargestellt. Im Anschluss an die dynamische Belastung wurde der Gewölbeabschnitt durch kontinuierliche Laststeigerung bis zum Versagen belastet. Dabei konnte beobachtet werden, dass die im Untergrund entstehenden Risse in die Textilbetonschale durchschlagen und somit die Prüfbarkeit des Bauwerks weiterhin gegeben ist, s. Abbildung 14 (links). Selbst bei partiellem Verlust der Adhäsion zum Untergrund wurde die Schale durch die Kombination aus textiler Bewehrung und Ankersystem am Gewölbe fixiert. Erst bei einer Rissöffnung von rd. 2,5-cm und einer entsprechend starken Verformung des Gewölbes wurden Mörtelabplatzungen sichtbar, s. Abbildung 14 (rechts). Das Versagen der Schale kündigt sich dementsprechend an. Abb. 12: Haftzugfestigkeit nach dynamischer Belastung (links); Prozentuale Verteilung der Versagensformen in Abhängigkeit der Lagerung (rechts) Abb. 13: Exemplarische Darstellung der Hauptformänderung in den besonders stark verformten Viertelspunkten des Gewölbes zu den jeweiligen Ober- und Unterlasten 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 205 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Abb. 14: Überlastung des Gewölbeabschnitts 3. Demonstratoranwendung Zum Abschluss des Forschungsprojekts wurde die Funktionalität des entwickelten Abdichtungssystems im Zuge einer Referenzanwendung validiert. In enger Absprache mit den Verantwortlichen der DB Netz wurde dazu eine aus sieben Rohrsegmenten à 3,7-m bestehende Eisenbahnüberführung in der Nähe von Großschwabhausen eruiert. Zwei Segmente wurden mittels des entwickelten Systems abgedichtet, während die restlichen fünf Segmente zeitgleich mittels Sanierputz durch die DB Netz instandgesetzt wurden. Dies ermöglichte den direkten Vergleich der Systeme. Analog zum realitätsnahen Großversuch handelte es sich um einen gestelzten Kreisbogen. Der Bogen aus Ziegelmauerwerk wurde auf einen 0,9-m hohem Sockel aus Natursteinmauerwerk aufgelagert. Die lichte Durchgangsbreite des Gewölbes betrug ca. 2,5-m. Als Vorbereitung auf die Demonstratoranwendung wurden in gemeinsamer Absprache mit dem Projektpartner die Voraussetzungen und Voruntersuchungen festgelegt, die vor der Applikation des Abdichtungssystems gegeben bzw. durchgeführt werden müssen. Die festgelegten Voraussetzungen waren: ein tragfähiger Untergrund; keine standsicherheitsrelevanten, beweglichen Risse und ein ebener Untergrund. Diese Voraussetzungen wurden im Rahmen einer Bauerwerksbegehung und -beprobung überprüft. Das Gewölbe war komplett durchfeuchtet und zeigte großflächig abschalende Ziegel, die aus einer Frostschädigung resultierten. Hilfsweise aufgetragene Putzschichten waren bereits hohllagig und teilweise abgängig. In einigen, besonders stark verwitterten Bereichen wurden partiell Steine ausgetauscht. Im ersten Segment löste sich der Stirnring vom Gewölbe ab. Dieser musste vor der unterseitigen Instandsetzung zunächst am Gewölbe verankert werden. Neben einer optischen Begutachtung wurde u. a. eine in situ Ankerauszugsprüfung mit einer am ibac entwickelten, speziell auf den verwendeten Anker abgestimmten Vorrichtung durchgeführt. Die mittlere Auszugskraft betrug 1,56 kN. Bei einer Rohdichte des XLM’s von rd. 1,5 kg/ dm³ könnten bei Verlust des Haftverbundes zwischen Mörtel und Untergrund mit einem Anker das Eigengewicht von ca. 3 m² des Abdichtungssystems gesichert werden. Die effektive Ankeranzahl wurde aus konstruktiven Gründen auf 4 Stück pro m 2 festgelegt. Vor der Applikation des Abdichtungssystems wurden lose bzw. hohllagige Teile entfernt und mittels partieller Reprofilierung ein ebener Untergrund geschaffen. Der Untergrund wurde anschließend mit Hilfe eines Hochdruckreinigers gereinigt und vorgenässt. Der Auftrag des Systems erfolgte in Analogie zum realitätsnahen Großprüfkörper, s. Kapitel 2.2.3. Die einzelnen Applikationsschritte sind exemplarisch in Abbildung 15 dargestellt. Abb. 15: Exemplarische Darstellung einzelner Applikationsschritte: a) Setzen der Dübelhülsen; b)-Reinigung und Vornässen des Untergrunds mittels Hochdruckreiniger; c)-Anker mit integriertem Abstandshalter für die textile Bewehrung ; d)-Vorlegen der ersten Mörtellage bis auf Höhe der Abstandshalter; e)-Verputzen der textilen Bewehrung mit der Zahnkelle; f) Auftrag der zweiten Mörtellage nach 14-tägiger Aushärtungszeit 206 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken Abb. 16: Optische Begutachtung des Demonstratorgewölbes fünf Monate nach der Applikation des Sanierputzes (oben) und der Textilbetonschale (unten). Quelle: Feller, BAWAX GmbH In regelmäßigen Abständen haben Kontrolltermine stattgefunden, um die Wirksamkeit des Abdichtungssystem zu überprüfen und potentielle Unterschiede zu den mit Sanierputz instandgesetzten Segmenten festzustellen. In Abbildung 16 sind Bilder der optischen Begutachtung fünf Monate nach Fertigstellung dargestellt. Während beim Sanierputz deutliche Durchfeuchtungen, insbesondere auch in den Übergangsbereichen zwischen den Segmenten, sichtbar waren, war die Textilbetonschale oberflächlich trocken. Zudem konnten in den mit Sanierputz instandgesetzten Bereichen Ausblühungen, Wasseraustritte in den Übergangsbereichen zum Natursteinsockel und leichte Abplatzungen festgestellt werden [22]. Eine Regelbegutachtung durch die DB Netz AG hat zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht stattgefunden. 4. Zusammenfassung Aus den Ergebnissen der Laboruntersuchungen und der ersten Praxisanwendung konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden: • Der entwickelte Mörtel dichtet ab einer Dicke von 3-cm gegen drückendes Wasser bis 4,0 bar ab. • Durch die deutliche Reduktion des statischen E-Moduls konnten die Verformungseigenschaften des Mörtels an die des Mauerwerks angenähert werden. • Die untersuchte dynamische Belastung hat keinen negativen Einfluss auf den Haftverbund zwischen Mauerwerk und Mörtel. • Risse im Untergrund schlagen durch, wodurch die Prüf barkeit des Bauwerks weiterhin gegeben ist. • Das Abdichtungssystem wurde im Rahmen einer Demonstratoranwendung erfolgreich angewendet. Schlussfolgernd stellt die entwickelte unterseitige Abdichtung eine sinnvolle Instandsetzungsmaßnahme für Gewölbe mit flächigen Durchfeuchtungen dar, bei denen eine oberseitige Fahrbahnabdichtung aus technischer und/ oder wirtschaftlicher Sicht nicht möglich ist. Die Beurteilung der Dauerhaftigkeit des Systems erfolgt im Rahmen einer Regelbegutachtung der Demonstratorbücke durch die DB Netz AG fünf Jahre nach der Instandsetzung. 5. Danksagung Die Autoren danken der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V (AiF) für die Förderung und die Unterstützung des Forschungsprojekts, der CHT Gruppe für die Beratung und das zur Verfügung stellen der textilen Bewehrung, den Beteiligten der DB Netz AG für die Unterstützung und das Vertrauen sowie unserem Projektpartner, der Bawax GmbH insb. Herr Schäfer und Herr Feller, für die angenehme und konstruktive Zusammenarbeit. Literatur [1] Proske D. et al.: Sicherheitsbeurteilung historischer Bogenbrücken, Dresden 2006, S. 165 [2] Mildner K.: Erkenntnisse bei Untersuchungen zur Tragfähigkeit von Gewölbebrücken. 11. Dresdner Brückenbausymposium, Dresden, 2001 [3] Richtlinie 804 - Eisenbahnbrücken, Modul 804.6101 (Deutsche Bahn AG) [4] Rucker-Gramm P.: Modellierung des Feuchte- und Salztransports unter Berücksichtigung der Selbstabdichtung in zementgebundenen Baustoffen, Lehrstuhl für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung, Technische Universität München, München, 2008. [5] Powers T.C., Copeland L.E., Mann H.M.: Capillary continuity or discontinuity in cement pastes, Journal of the PCA Research and Development Laboratories, (1959) 38-48. [6] Powers T.C.: Structure and Physical Properties of Hardened Portland Cement Paste, Journal of the Americal Ceramic Society, 41 (1958). 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 207 Entwicklung eines mörtelbasierten, textilbewehrten Abdichtungssystems für gemauerte Gewölbebrücken [7] DIN EN 1015-11: 2020-01: Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk - Teil 11: Bestimmung der Biegezug- und Druckfestigkeit von Festmörtel [8] DIN EN 13412: 2006-11: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung des Elastizitätsmoduls im Druckversuch [9] DIN EN 12390-8: 2019-10: Prüfung von Festbeton - Teil 8: Wassereindringtiefe unter Druck [10] DIN EN 196-1: 2016-11: Prüfverfahren für Zement - Teil 1: Bestimmung der Festigkeit [11] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e. V. - Heft 555: Erläuterungen zur DAfStb-Richtlinie wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton, Beuth Verlag (2006) [12] DIN EN 12617-4: 2002-08: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Teil 4: Bestimmung des Schwindens und Quellens [13] Pech, A.; Gangoly, H.; Holzer, P.; Maydl, P.: Ziegel im Hochbau - Theorie und Praxis, 2. Auflage, Verlag Birkhäuser, Basel 2018. [14] Kulas C., Hegger J.: Investigations on the Cracking and Bending Behavior of Impregnated Textile Reinforcements for Concrete Members. 11th International Symposium on Fiber Reinforced Polymer for Reinforced; Guimar-es, Portugal, June 2013. [15] Morales Cruz, C.: Rissverteilende Textilbeton Schutzschichten mit textiler Carbonbewehrung, Dissertation, RWTH Aachen University, 2020 [16] DIN EN 13057: 2002-09: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der kapillaren Wasseraufnahme [17] DIN EN 1766: 2017-05: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Referenzbetone für Prüfungen [18] DIN EN 1542: 1999-07: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Messung der Haftfestigkeit im Abreißversuch [19] DIN EN 13687-3: 2002-05: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren; Bestimmung der Temperaturwechselverträglichkeit - Teil 3: Temperaturwechselbeanspruchung ohne Tausalzangriff [20] Krawtschuk A.: Optimierung von Monitoring-konzepten für die Erhaltungsplanung von Bogenbrücken (Dissertation). Universität für Bodenkultur, Wien (April 2014) [21] Mildner K.: Erkenntnisse bei Untersuchungen zur Tragfähigkeit von Gewölbebrücken. Tagungsband des 11. Dresdner Brückenbausymposiums. TU Dresden 2001 [22] Schäfer G., Mölter T.: Abdichtung von Gewölbebrücken mit Textilbeton, Fachzeitschrift - der Eisenbahnigenieur, Verband Deutscher Eisenbahn- Ingenieure (VDEI), Frankfurt (2022)