Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
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Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren
21
2023
Sarah Steiner
Philipp Grillich
Turgay Öztürk
Michael Auras
Christian Heese
Die Grundlage einer bedarfsgerechten Instandsetzung ist eine zuverlässige Schadensaufnahme am Bauwerk. In den letzten Jahren hat sich die Kombination verschiedener zerstörungsfreier Prüfverfahren als sinnvoll erwiesen. Insbesondere bei Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne sind geeignete Untersuchungsmethoden entscheidend, da baulich bedingte Schwachstellen (z. B.: geringe Betondeckung, fehlende Entwässerungsvorrichtungen, unzureichend nachbehandelter Beton, etc.) diese in ihrer Dauerhaftigkeit einschränken können. Erschwerend kann hinzukommen, dass das Ausmaß einer Schädigung visuell von außen nicht immer zur Gänze ersichtlich ist. Die kontinuierliche Zustandsbewertung mit bildgebenden Prüfmethoden ist ein vielversprechender Weg, Schäden frühzeitig zu erkennen, sowie die Qualität bereits bestehender Instandsetzungen sicherzustellen. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten und Grenzen zur Detektion von oberflächennahen Schäden und Mängel mit bildgebenden Methoden wie Radar, Ultraschalltomographie und Thermographie aufgezeigt. Um die Interpretation der Ergebnisse aus bildgebenden Prüfmethoden an Sichtbetonbauwerken zu optimieren wurden daher Probekörper mit unterschiedlichen Fehlstellen (Lufteinschlüsse, Delaminationen parallel zur Oberfläche, Kiesnest) hergestellt und systematisch geprüft. Die Erkenntnisse aus den Laboruntersuchungen werden auf ein ausgewähltes denkmalgeschütztes Bauwerk übertragen. Als Praxisbeispiel werden im vorliegenden Beitrag die Untersuchungsergebnisse an der evangelischen Christuskirche in Bingen-Büdesheim vorgestellt.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 239 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren Dr.-Ing. Sarah Steiner Hochschule RheinMain, Wiesbaden Philipp Grillich, M. A. Institut für Steinkonservierung e.V. Dr.-Ing. Turgay Öztürk StoCretec GmbH, Kriftel Dr. Michael Auras Institut für Steinkonservierung e.V. Prof. Dr.-Ing. Christian Heese Hochschule RheinMain, Wiesbaden Zusammenfassung Die Grundlage einer bedarfsgerechten Instandsetzung ist eine zuverlässige Schadensaufnahme am Bauwerk. In den letzten Jahren hat sich die Kombination verschiedener zerstörungsfreier Prüfverfahren als sinnvoll erwiesen. Insbesondere bei Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne sind geeignete Untersuchungsmethoden entscheidend, da baulich bedingte Schwachstellen (z. B.: geringe Betondeckung, fehlende Entwässerungsvorrichtungen, unzureichend nachbehandelter Beton, etc.) diese in ihrer Dauerhaftigkeit einschränken können. Erschwerend kann hinzukommen, dass das Ausmaß einer Schädigung visuell von außen nicht immer zur Gänze ersichtlich ist. Die kontinuierliche Zustandsbewertung mit bildgebenden Prüfmethoden ist ein vielversprechender Weg, Schäden frühzeitig zu erkennen, sowie die Qualität bereits bestehender Instandsetzungen sicherzustellen. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten und Grenzen zur Detektion von oberflächennahen Schäden und Mängel mit bildgebenden Methoden wie Radar, Ultraschalltomographie und Thermographie aufgezeigt. Um die Interpretation der Ergebnisse aus bildgebenden Prüfmethoden an Sichtbetonbauwerken zu optimieren wurden daher Probekörper mit unterschiedlichen Fehlstellen (Lufteinschlüsse, Delaminationen parallel zur Oberfläche, Kiesnest) hergestellt und systematisch geprüft. Die Erkenntnisse aus den Laboruntersuchungen werden auf ein ausgewähltes denkmalgeschütztes Bauwerk übertragen. Als Praxisbeispiel werden im vorliegenden Beitrag die Untersuchungsergebnisse an der evangelischen Christuskirche in Bingen-Büdesheim vorgestellt. 1. Einführung Der Stahlbetonbau eröffnete den Architekten und Ingenieuren des frühen 20. Jahrhunderts hinsichtlich Bauästhetik und technischer Ausführung neue Möglichkeiten, welche beeindruckende Bauwerke hervorbrachte. Die seit inzwischen mehr als 100 Jahren praktizierte Bauweise erlebte insbesondere in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine rasante Entwicklung [1]. Immer mehr Betonbauwerke aus dieser Zeit erlangen den Status eines Denkmals. Die Erhaltung und Instandsetzung dieser historisch bedeutsamen Betonbauwerke erfordern Maßnahmen, die umgesetzt werden, ohne dass die ursprüngliche Konstruktion und Ausdruckskraft dabei verloren geht. Neben einer Instandsetzung nach den geltenden Regelwerken kam in den letzten Jahrzehnten an Baudenkmälern auch vermehrt eine lokal begrenzte, sogenannte behutsame Instandsetzung zum Einsatz [2-5]. Für einen denkmalgerechten Erhalt von, sei es nun konventionell oder behutsam instand gesetzten Bauwerken, ist eine kontinuierliche Überprüfung der Bausubstanz erforderlich, um im besten Fall Schäden zu beheben, bevor bauhistorisch bedeutsame Merkmale verloren gehen. Um ein derartiges Monitoring umzusetzen werden zerstörungsfreie Prüfmethoden benötigt, die es erlauben, die Qualität des Verbunds zwischen historischem Bestandsbeton und Instandsetzungsmaterial bewerten zu können. Bei der Zustandsbewertung von Bauwerken haben sich in den letzten Jahren die bildgebenden Methoden Radar [6; 7], Ultraschalltomographie [8-10] und Thermographie [11; 12] etabliert. In vielen Fällen hat sich die Kombination aus Radar, Ultraschalltomographie und Thermographie als sinnvoll erwiesen, da sich die Ergebnisse dieser Methoden zum Teil gegenseitig stützen oder ergänzen können [13-15]. Um Instandsetzungsmaßnahmen oder oberflächennahe Delaminationen detektieren zu können eignet sich die Thermographie wegen der guten Nachweisempfindlichkeit in Bauteiltiefen von bis zu 7-cm [16]. Die Thermographie ist allerdings auf eine möglichst gleichmäßige Erwärmung der Bauteiloberfläche angewiesen. In der Praxis kommt daher insbesonde- 240 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren re die Sonneneinstrahlung als bevorzugte Wärmequelle zum Einsatz. Zu den wichtigsten Einflussfaktoren gehört hier allerdings eine geeignete Exposition der Fassade (kein Schattenwurf) und ein ausreichender Temperaturgradient. Die Thermographie kann daher nicht überall und zu jeder Zeit erfolgreich zum Einsatz gebracht werden. Ergänzend können hier Messungen mit dem Radarverfahren oder Ultraschalltomographie wertvolle Ergebnisse liefern. Diese Prüfmethoden können allerdings meist erst ab einer Bauteiltiefe von 3 bis 10-cm sinnvolle Messergebnisse erzielen [17]. In diesem Beitrag sollen daher die Möglichkeiten und Grenzen bei der Detektion von oberflächennahen Delaminationen unter dem kombinierten Einsatz von Thermographie, Radar und Ultraschalltomographie untersucht werden. 2. Methodik 2.1 Thermographie Die Thermografie ist ein bildgebendes Verfahren das es ermöglicht, die Wärmestrahlung von Oberflächen aufzunehmen und darzustellen. Unterschiedliche Temperaturfelder auf der Oberfläche können auf Schäden (Delaminationen, Abplatzungen etc.) oder Mängel (Kiesnest) im Bauwerk hinweisen. Derlei Fehlstellen bedingen einen gehemmten Wärmeabtrag in das Bauteilinnere. Es entsteht ein Wärmestau, und das Material, welches durch solche Fehlstellen vom übrigen Bauteil (teilweise) getrennt wird, erwärmt bzw. erkaltet früher als der umgebende Beton. Voraussetzung hierfür ist ein Wärmetransport im Material. Dieser kann von außen nach innen erfolgen und wird meist aktiv (IR-Strahler) oder natürlich (Sonneneinstrahlung-/ Lufttemperatur) angeregt. Im Zuge der Laboruntersuchungen wurden Wärmebilder sowohl bei aktiver, als auch natürlicher thermischer Anregung erstellt. Für die aktive Erwärmung der Probekörper wurden 3 leistungsstarke Heizstrahler in etwa 1,2-m Abstand über der Probe montiert. Während der Auf heizung der Platte wurden kontinuierlich Wärmebildaufnahmen gemacht. Für die natürliche Erwärmung wurde der Probekörper im Freien, in einem unverschatteten Bereich aufgestellt. Die Erwärmung erfolgte hier, wie auch bei dem untersuchten Bauwerk, ausschließlich durch Sonneneinstrahlung. Die Wärmebildaufnahmen der Probekörper wurden mit einer Testo 890 IR Kamera durchgeführt. Bei den Bauwerksuntersuchungen wurde die Wärmebildkamera TiX580 der Firma Fluke verwendet. 2.2 Radar Das Radarverfahren ist ein elektromagnetisches Prüfverfahren. Für Untersuchungen an Bauwerken werden kurze elektromagnetische Impulse im Hochfrequenzbereich (50 MH bis ca. 5 GHz) [7] in das zu untersuchende Bauteil eingeleitet. Die ausschlaggebende Größe bei der Erfassung der Bauteilgeometrie und Detektion von Störungen / Inhomogenitäten ist die materialspezifische Ausbreitungsgeschwindigkeit. Diese ist abhängig von der elektrischen Leitfähigkeit und vor allem von der Dielektrizität des untersuchten Stoffes. Materialgrenzen werden durch Reflexionen des Signals an der Trennfläche, bedingt durch den Unterschied der jeweiligen Dielektrizitätskonstante, detektiert. Je höher die Differenz der genannten Eigenschaften zweier angrenzender Stoffe, desto stärker erscheinen die Reflexionen der Schichtgrenze. An metallischen Einbauteilen kommt es zur Totalreflexion des Signals [18]. Anhand der Wellengeschwindigkeit und der Signallaufzeit lässt sich der Reflektorabstand (Materialwechsel) zur Oberfläche des Prüfkörpers ermitteln. Die Untersuchungen wurden mit dem Georadar GP8000 der Firma Proceq durchgeführt. 2.3 Ultraschall Die Ultraschalltomographie dient der zerstörungsfreien Erfassung eines Bauteilinneren mithilfe der Ausbreitungsgeschwindigkeiten und Laufzeiten von Scherwellen bei gegebener Frequenz. Das im Zuge der Untersuchungen verwendete Prüfgerät A1020 Mira lite der Firma ASC erfasst Impuls-Echo-Ultraschalldaten mittels eines Sensorsystems, welches aus einer Matrix-Antenne von 32 Niederfrequenz-Breitband-Transversalwellen-Trockenkontaktwandlern (DPC) besteht. Zwischen der Aussendung und dem Empfangen eines Signals, erfährt dieses im Bauteil Absorption, Reflexion und Refraktion, abhängig von den Gegebenheiten des untersuchten Körpers. Reflexionen entstehen aufgrund von Impedanzunterschieden beim Übergang verschiedener Materialien. Die sogenannte akustische Impedanz ist in der Ultraschalltomographie ein Maß für den Widerstand, welcher der Scherwelle entgegengesetzt wird. An einer Grenzfläche zweier Materialien mit unterschiedlichen Dichten kommt es zu einem Impedanzsprung. Daraus entsteht ein Echo, welches von dem Prüfgerät erfasst wird [19]. Trifft die Schallwelle auf Luft kommt es zur Totalreflexion. Dadurch lassen sich eingeschlossene Hohlräume, Betonabplatzungen (z. B. durch korrodierte Bewehrung), Ablösungen an Schichtgrenzen durch fehlenden Verbund oder Lufteinschlüsse aufgrund von Verdichtungsmängeln, verorten und deren Tiefe ermitteln. Da die Scherwelle mindestens eine Eindringtiefe von einer halben Wellenlänge benötigt, um sinnvolle Messdaten generieren zu können, kommt es zu einem so genannten „blinden Bereich“. Dieser reicht meist bis in wenige Zentimeter Tiefe. Das genaue Ausmaß des blinden Bereichs ist darüber hinaus abhängig von der Scherwellengeschwindigkeit und kann daher auch materialbedingt variieren. Die Analyse der Ultraschalldaten erfolgte mithilfe der Software INTRO- VIEW-CONCRETE, die eine zweisowie dreidimensionale Visualisierung der Betonsubstanz ermöglicht. 3. Ermitteln von Grenzen und Möglichkeiten der Prüfmethoden an Probekörpern 3.1 Material und Prüfaufbau der Laborversuche Um Delaminationen oder Kiesnester an der Schichtgrenze von Bestandsbeton zu Instandsetzungsmaterial zu simulieren, wurden zwei Probekörper mit unterschiedlichen Fehlstellen hergestellt. Als Basis dienten zwei im Oktober 2007 gefertigte Bodenplatten (200-x-150-x-27-cm3) 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 241 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren aus einem Beton der Festigkeitsklasse C 25/ 30. Die Lagerung der Bodenplatten erfolgte seitdem überwiegend im Freien, wodurch sie der Witterung voll ausgesetzt waren (nicht überdacht). Das im Zuge der Probenherstellung applizierte Instandsetzungssystem besteht aus der zementgebundenen und kunststoffmodifizierten Haftbrücke StoCrete TH 200 sowie dem zementgebundenen und kunststoffmodifizierten Estrichmörtel StoCrete TG 108 der Firma StoCretec. Die wesentlichen Kennwerte der Basisplatte sowie die der verwendeten Materialen des Instandsetzungssystems können den Tabellen Tab. 1 und Tab. 2 entnommen werden. Die Bestandsbetonplatten enthalten beide eine Bewehrungsmatte mit einer Maschenweite von 15-x-15-cm2 sowie je 2 horizontal verlaufende Bewehrungsstäbe im oberen bzw. unteren Viertel der Platte. Die Basisplatte der Probe Sto-1 hat eine Betonüberdeckung zur Bewehrungsmatte von etwa 5-cm. Die Oberfläche des Bestandsbetons wurde vor dem Aufbringen der Fehlstellen und der Instandsetzungsmaterialien lediglich gesäubert. Die Rautiefe belief sich im Mittel auf 0,4-mm. Die Basisplatte wurde in den 24-Stunden vor der Probenherstellung mehrfach gewässert. Bei der Probe Sto-2 wurde die Basisplatte gedreht, was eine Betonüberdeckung zur Bewehrungsmatte von 22-cm ergibt. Im Gegensatz zur Probe Sto-1 erfolgte eine Oberflächenbehandlung durch Feuchtstrahlen mit festem Strahlgut. Die Oberfläche wies danach Rautiefen von im Mittel 1,1-mm auf. Ein weiterer, wesentlicher Unterschied beider Proben ist die Schichtdicke des aufgebrachten Instandsetzungssystems: Auf die Probe Sto-1 wurde Material mit einer Schichtdicke von insgesamt 10-cm appliziert. Haftbrücke und Mörtel der Probe Sto-2 beläuft sich auf eine Schichtdicke von 5-cm. Die Fehlstellen des Probenkörpers Sto-1 bestehen aus einer Luftpolsterfolie (LFP), einem Kiesnest (KN), sowie 4-Styrodurplatten (Styr) mit einer Dicke von je 2-cm und unterschiedlichen Längen. Die Styrodurplatten wurden stufig aufeinandergestapelt und verklebt. Durch die Treppenform des eingebrachten Materials ergibt sich hier eine stufenweise Abnahme des applizierten Materials. Damit soll der Effekt unterschiedlicher Tiefenlagen der Fehlstelle auf die verschiedenen Messmethoden untersucht werden. Abb. 1 zeigt eine Skizze des Probekörpers Sto- 1 mit der Lage und den Maßen der eingebrachten Fehlstellen sowie ein Foto der Probe, vor dem Applizieren der Haftbrücke und des Mörtels. Die Probenkonfiguration der Platte Sto-2 ist in Abb. 2 dargestellt. Die Fehlstellen sind insgesamt kleiner ausgeführt. Zusätzlich wurde eine PE-Folie (2-lagig) eingebracht, um einen gelösten Verbund zwischen Bestandsbeton und Instandsetzungssystem zu simulieren. Abb. 1: A) Skizze des Probekörpers Sto-1. LPF: Luftpolsterfolie, Styr: Styrodurplatten, KN: Kiesnest. B) Foto der Probenherstellung Tab. 1: Kennwerte der Basisplatte (Beton C 25/ 30, hergestellt im Oktober 2007, E-Modul- und Druckfestigkeitsprüfung erfolgten im Dezember 2020, Rautiefe und Haftzugfestigkeit wurden im März 2022 ermittelt). Probe Maße LxBxT [cm] E-Modul [GPa] Druckfestigkeit [MPa] Rautiefe Ø [mm] Haftzug [MPa] Sto-1 200x150x27 34,2 60,9 0,4 - Sto-2 200x150x27 32,7 53,2 1,1 1,3 ± 1 Tab. 2: Frischmörtel- und Festmörteleigenschaften des applizierten Estrichmörtels (Stocrete TG 108) Probe Maße LxBxT [cm] Ausbreitmaß [mm] Luftporengehalt [%] Frischmörtelrohdichte [g/ cm3] Druckfestigkeit fc, 28d [MPa] Sto-1 200x135x10 148 ± 3 4,2 2.24 60,6 ± 1,7 Sto-2 200x135x5 153 ± 3 4,5 2.23 59,3 ± 0,6 242 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren Abb. 2: A) Skizze des Probekörpers Sto-2. LPF: Luftpolsterfolie, Styr: Styrodurplatten, KN: Kiesnest, PE: PE-Folie, wurde 2-lagig eingebracht B) Foto der Probenherstellung 3.2 Ergebnisse Laborversuche 3.2.1 Thermographie Die in Abb. 3 dargestellten Wärmebilder sind Messungen am Probekörper Sto-1 nach 20, 40, 80 und 180-min der aktiven Erwärmung der Platte. Die erste Stufe der Styrodur- Fehlstelle ist nach 20-min zu sehen; Lage und Ausmaß der ersten Stufe sind nach 40-min sehr gut zu auszumachen. Die Schicht des Instandsetzungsmörtels an dieser Stelle beträgt 2-cm. Die zweite Stufe mit einer Materialüberdeckung von 4-cm ist nach 80-min Aufwärmen vollständig am Wärmebild zu erkennen. Nach 80-min können außerdem erhöhte Temperaturen im Bereich der dritten Stufe (6-cm Überdeckung) gemessen werden. Nachfolgende Wärmebildaufnahmen zeigen allerdings bei fortschreitender Erwärmung eine eher diffuse Temperaturverteilung. Wie am Wärmebild nach 180-min zu sehen, können Luftpolsterfolie und Kiesnest nicht klar dargestellt werden. Die Messergebnisse deuten darauf hin, dass Delaminationen oder Inhomogenitäten ab einer Tiefe von ca. 8-cm mit aktiver Thermographie nicht mehr eindeutig detektiert werden können. Abb. 3: Oben: Bild des Probekörpers Sto-1 mit eingezeichneten Positionen der Fehlstellen. Unten: Wärmebilder bei aktiver Thermographie nach verschiedenen Zeitspannen der Auf heizung. Wärmebildaufnahmen des Probenkörpers Sto-2 entstanden nach Erwärmen durch natürliche Sonneneinstrahlung (siehe Abb. 4). Die Messungen weisen den Mörtel über der Styrodurplatte als wärmsten Bereich aus. Die Ergebnisse sind insofern stimmig da die Materialüberdeckung an dieser Stelle nur 3 cm beträgt, während der übrige Probenkörper eine applizierte Mörtelschicht von 5 cm hat. Die wärmedämmenden Eigenschaften des Styrodur könnten diesen Effekt noch verstärken. Luftpolsterfolie, PE-Folie und Kiesnest sind annähernd abbildbar. Dies könnte darauf hindeuten, dass hier unter den gegebenen Randbedingungen die Grenze der nachweisbaren Delamination bei etwa 5 cm Überdeckung liegt. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 243 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren Abb. 4: Oben: Bild des Probekörpers Sto-2 mit eingezeichneten Positionen der Fehlstellen. Unten: Wärmebild nach Auf heizung durch natürliche Sonneneinstrahlung. 3.2.2 Radar Die Lage und Tiefe der Bewehrungsmatte und Bewehrungsstäbe der Basisplatte waren gut darstellbar (siehe Abb. 5). In Abb. 6 sind die Reflexionen an der Styrodurplatte und dem Kiesnest der Probe Sto-2 dargestellt. Trotz der Abwesenheit von oberflächennaher Bewehrung, die möglicherweise die Messauflösung gestört hätte, waren die Luftpolsterfolie (LFP) und die PE-Folie (PE) bei den Radarmessungen jedoch nicht detektierbar (Ergebnisse nicht gezeigt). Abb. 5: Ergebnis der Flächenmessung des Probekörpers Sto-2 mit Radar. Die roten horizontal und vertikal verlaufenden Signale bilden die in 27-cm Tiefe detektierte Bewehrungsmatte ab. Abb. 6: Radaruntersuchungen der Fehlstellen. Styr: Styrodurplatte; KN: Kiesnest 3.2.3 Ultraschall Abb. 7 zeigt die Ergebnisse der Ultraschallmessungen an der Probe Sto-1. Der horizontale Schnitt (B-Bild) stellt einen Linienscan außerhalb der Fehlstellen dar. Der Übergang von Instandsetzungsmaterial zu Bestandsbeton liegt bei der Probe Sto-1 in 10-cm Tiefe, und wird durch deutliche Reflexionen direkt abgebildet. Die Horizontalbewehrung und das Rückwandecho ist ebenfalls durchgängig vorhanden, was auf einen guten Verbund zwischen appliziertem Material und Basisplatte hindeutet. Abb. 7 C zeigt einen vertikalen Schnitt (D-Bild) in Höhe der stufenweise eingebrachten Styrodurplatten. Zwischen Styrodur und Mörtel gibt es keinen direkten Materialverbund. An den damit einhergehenden Lufteinschlüssen erfolgt eine Totalreflektion der Scherwellen. Der Bereich hinter der Fehlstelle kann nicht mehr abgebildet werden, was zu einem fehlenden Rückwandecho führt. Befinden sich Delaminationen im blinden Bereich der Ultraschallmessung, kann ein plötzliches Fehlen des Rückwandechos als Interpretationshilfe herangezogen werden. Dargestellt ist ein solcher Fall in Abb. 7 C) im Bereich der obersten Styrodurplatte. An dieser Stelle liegt lediglich eine Mörtelüberdeckung von 2-cm vor. Die Delamination befindet sich im blinden Bereich und kann nicht direkt dargestellt werden. Da hier aber auch kein Rückwandecho vorliegt, muss es vorher zur Totalreflektion der Scherwellen gekommen sein. 244 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren Abb. 7A: 3D Skizze des Probenkörpers Sto-1. Zu sehen ist die Lage der in 7B (B-Bild) und 7C (D-Bild) dargestellten Ultraschallmessungen. Eine Möglichkeit, die Ergebnisse von Flächenscans auf die Bauteiloberfläche zu projizieren, ist das Ausweisen eines Rückwandechos. In Abb. 8 kennzeichnen die grün markierten Bereiche jene Teile der Probe, in denen das Rückwandecho klar darstellbar ist. Im Gegensatz zu den roten Bereichen (kein Rückwandecho) kann hier von einem intakten Verbund zwischen Instandsetzungsmaterial und Bestandsbeton ausgegangen werden. Zusätzlich deutet ein eindeutig gemessenes Rückwandecho darauf hin, dass sich weder Inhomogenitäten (z. B. Kiesnester) noch wesentliche Delaminationen im Bestandsbeton befinden. Abb. 8A und 8B: graphische Auswertung der Ultraschallergebnisse. Bereiche mit nachweisbarem (grün), diffusem (gelb) oder fehlendem (rot) Rückwandecho wurden auf einer Aufsichtsskizze der Probe ausgewiesen. In 8C sind Einzelmessungen (EM; Position in 8B markiert) als B-Bilder dargestellt. Ein „diffuses Rückwandecho“ (gelber Bereich in Abb. 8) stellt in diesem Zusammenhang Messungen dar, die nicht eindeutig interpretiert werden können. Bei beginnenden Entfestigungen des Verbunds ist das Rückwandecho teilweise unterbrochen oder die Signalstärke ist schwach. Hinzu kommt, dass es zu Überlagerungen der Signale mit Artefakten kommen kann. Die Einzelmessungen (EM) an der Probe Sto-2, zu sehen in Abb. 8C, zeigen neben einer Aufnahme im ungestörten Bereich (EM 1), die mittels Ultraschall detektierte Luftpolsterfolie (EM2) und PE-Folie (EM3). Beide (LPF und PE) befinden sich an der Grenze zum oder im blinden Bereich. Während die LPF, vermutlich wegen der vergleichsweise großen Lufteinschlüsse noch direkt abgebildet werden kann, ist von der PE-Folie kein direktes Signal darstellbar. Die Scherwellen werden oberflächennah reflektiert und vom Messgerät detektiert. Es erfolgt aber anschlie- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 245 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren ßen wieder eine Totalreflektion an der Bauteiloberfläche gefolgt von einer erneuten Reflexion an der oberflächennahen Delamination. Dies verursacht Mehrfachechos mit sich über die Tiefe wiederholenden Abständen. Die Streuung der Scherwellen an der Kante der treppenartig eingebrachten Styrodurplatten in Sto-1 verursachte ein Echo in Form einer lang gezogenen vertikalen Linie (siehe Abb. 7 C). Bei Untersuchungen von Instandsetzungen in der Praxis können Artefakte solcher oberflächennahen Risse und Delaminationen eine Interpretation erheblich erschweren. Zusätzlich können sehr raue Betonoberflächen ein hohes Hintergrundrauschen mit vielen möglicherweise nicht auf reale Strukturen zurückzuführenden Echos (Artefakte) erzeugen. 4. Praxisbeispiel 4.1 Christuskirche (Bingen-Büdesheim) Die evangelische Christuskirche in Bingen-Büdesheim wurde in den Jahren 1962/ 63 errichtet. Geplant wurde das Kirchengebäude mit Pfarrhaus, Campanile und Kindergarten von dem Architekten Gerhard Hauss und seinem Büro Hauss und Richter, aus Heidelberg. Die Kirche mit quadratischem Grundriss ist in Skelettbauweise aus Stahlbeton in Kombination mit Mauerwerk ausgeführt (siehe Abb. 9). Abb. 10 zeigt das um 45 Grad versetzt ausgeführte Kreuzdach in der Innenraumansicht. Die Dachkonstruktion offenbart im Inneren den mit weißem Anstrich versehenen Sichtbeton mit Brettschalstruktur im Bereich der Dachkehle. Die Wände zur Dachkonstruktion sind eine Kombination aus kunstvoll angeordneten Ziegelsteinelementen, unterbrochen von Buntglasfenstern, wodurch eine durchdachte Lichtführung mit Fokus auf den Altar entsteht. Nach Plänen des Architekten sollten die Fassaden des Kirchenbaus sowie die der Campanile als Sichtbeton ausgeführt werden. Aufgrund diverser Ausführungsfehler, wie beispielsweise einer unzureichenden Betondeckung oder nicht ordnungsgemäß angebrachter Rödeldrähte, was unmittelbar nach dem Einbau Korrosionsspuren an der Oberfläche zum Vorschein brachte, wurde beschlossen, die ursprünglich betonsichtig geplante Fassadenfläche zu beschichten. Im Bereich des Sockelgeschosses wurde die Fläche verputzt. Bereits 1980/ 81 wurde eine zweite Betonsanierung angesetzt, mit dem Ziel, die Ausführungsfehler und dadurch entstandene Schäden nochmals zu sanieren. Dabei wurden die unmittelbar nach der Rohbauphase ausgeführten Betoninstandsetzungsmaßnahmen rückstandslos beseitigt. Nach dem Behandeln der freiliegenden Bewehrung wurde eine 2-3-cm dicke Spritzbetonschicht aufgetragen, um die Betondeckung auf mindestens 2-cm zu erhöhen. Es folgte die Beschichtung eines mineralischen Flächendichtungsmaterials. Zuletzt wurde ein Farbanstrich auf Mineralfarbbzw. Acrylfarbbasis appliziert. Abb. 9: Westansicht der evangelischen Christuskirche (Bingen-Büdesheim) Abb. 10: Innenansicht der evangelischen Christuskirche (Bingen-Büdesheim) mit Blick auf den Altarraum In den Jahren 2013/ 14 erfolgte die bislang letzte Instandsetzung des Kirchengebäudes, sowie des Glockenturms. Nach Freilegen der korrodierten Bewehrung wurde die als Rostschutz dienende Eisenmennige, die bei der Instandsetzung in den 1980er Jahren aufgetragen wurde, abgestrahlt. Zur Reprofilierung der geöffneten Stellen wurde größtenteils ein polymervergüteter, zementgebundener Betonersatz und Feinspachtel der Firma Sto- Cretec eingesetzt. Gemäß der gültigen RiLi SIB (Richtline „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“) [20] des DAfStb (Deutscher Ausschusses für Stahlbeton) wurde die Instandsetzung mit einem Oberflächenschutzsystem OS5 inkl. Hydrophobierung ausgeführt. 4.2 Ergebnisse und Diskussion der Untersuchungen an der evangelischen Christuskirche in Bingen- Büdesheim Anhand des vorgestellten Praxisbeispiels wird nun gezeigt, wie die Erkenntnisse aus den Laboruntersuchungen die Interpretation von Messungen am Bauwerk stützen können. Der aktuelle Zustand der evangelischen Christuskirche in Bingen-Büdesheim ist insgesamt noch als sehr gut zu bezeichnen. Es gibt am Kirchenbau vereinzelt, vermutlich durch Materialschwinden verursachte oberflächennahe Risse. Die Sichtprüfung inkl. Klopf- 246 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren tests, Thermographie und Ultraschalltomographie deuten aber darauf hin, dass an diesen Stellen oberflächennah keine Delaminationen vorliegen (Ergebnisse nicht gezeigt). Im Rahmen unserer Untersuchungskampagne konnten wir zwei Bereiche ausmachen, die im Falle eines Monitorings beobachtet werden sollten. Abb. 11 zeigt das im Untersuchungsfeld an der Ostfassade aufgenommene Wärmebild. Abb. 11: Wärmebildaufnahme eines Stahlbetonelements der Ostfassade (Bildquelle links: Google Earth) Eine Besonderheit ist in diesem Fall, dass die Vertikalbewehrung augenscheinlich so oberflächennah liegt, dass sie Wärmeanomalien im IR-Bild verursacht. In Abb. 12 ist die Bewehrungsdetektion mit dem Radarverfahren dargestellt. Ein Projizieren der Messergebnisse auf das Bauteil bestätigt, dass die Vertikalbewehrung im Wärmebild zu sehen ist. Die Horizontalstäbe weisen einen Abstand von ca. 35 cm auf. Der vertikale Abstand der Bewehrung beträgt etwa 20 cm. Die Horizontalbewehrung tritt im IR-Bild nicht oder nur sehr schwach in Erscheinung, was darauf hindeutet, dass sie eine höhere Betondeckung und/ oder einen geringeren Durchmesser aufweist. Gestützt wird dies von Untersuchungen der Materialprüfanstalt (MPA) Wiesbaden im Vorfeld zur letzten Instandsetzung 2013/ 14. Die exemplarisch an einer Stemmstelle freigelegte Bewehrung ergab für die vertikal verlaufenden Eisen eine Betonüberdeckung von lediglich 3 mm. Die darunter befindliche Horizontalbewehrung oder Matte lag entsprechend tiefer eingebettet und hatte einen deutlich geringeren Durchmesser [21]. An der Untersuchungsfläche der Ostfassade wurden ergänzend Messungen mit dem Profometer durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen die höhere Betondeckung bei der Horizontalbewehrung. Während vertikal verlaufende Eisen in diesem Bereich eine Überdeckung von 16 ±4 mm haben, liegt die Horizontalbewehrung etwa in 26 ±7 mm Tiefe. Bei der in Abb. 12 dargestellten Radarmessung ist die Stärke der Reflexion der Bewehrungsstäbe Ì , Í und Î schwächer als die der Horizontalbewehrung. Grundsätzlich gilt, dass die Signalstärke abnimmt je tiefer sich die Bewehrung im Bauteil befindet [15]. Die Messungen mit dem Profometer haben jedoch ergeben, dass diese 3 Bewehrungsstäbe mit 13,5 ± 1,5 mm zu jenen mit der geringsten Betonüberdeckung gehören. Da die Amplitude im Radargramm bei korrodiertem Eisen weniger stark ausgeprägt ist [7], könnte das schwächere Signal auf eine beginnende Bewehrungskorrosion hinweisen. Abb. 12: Ergebnisse aus den Radarmessungen projiziert auf die Untersuchungsfläche an der Ostfassade (Tiefe: 2---5-cm, kumuliert). Ê bis Ð kennzeichnen die einzelnen Stäbe der Vertikalbewehrung. Die rot markierten Bereiche sind Flächen die bei der Sichtprüfung (inkl. Klopftest) Auffälligkeiten zeigten. Der Klopftest im Rahmen der Sichtprüfung ergab an zwei Stellen leichte Klangunterschiede, die auf mögliche Fehlstellen hindeuten können. Diese Bereiche sind in Abb. 12 und Abb. 13 rot umrandet. Zwischen dem Ì . und Í . vertikalen Bewehrungsstab (siehe Abb. 12) deuten die Ergebnisse der Ultraschalltomographie (siehe Abb. 13) ebenfalls auf zumindest eine beginnende, oberflächennahe Entfestigung hin. Das Rückwandecho ist in diesem Bereich nicht oder nur schwach zu sehen. Die Ergebnisse der Thermographie (siehe Abb. 11) lassen allerdings darauf schließen, dass noch nicht von einer ausgeprägten Delamination auszugehen ist. Es ist jedoch zu empfehlen, bei einem zukünftigen Monitoring diesen Fassadenabschnitt zu beobachten. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 247 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren Abb. 13: oben: Auswertung der Ultraschalluntersuchungen an der Ostfassade. Die rot markierten Bereiche sind Flächen, die bei der Sichtprüfung (inkl. Klopftest) Auffälligkeiten zeigten; unten: Linienscan (B-Bild) Während an den Stahlbetonelementen der Wände des Kirchenbaus durchwegs geringe Betonüberdeckungen vorliegen, stellt sich die Situation an dem Campanile anders dar. Dort befindet sich die Bewehrung in einer Tiefe von im Mittel 10 cm, mit einem horizontalen und vertikalen Abstand von etwa 20 cm. Am Wärmebild ist die Bewehrung daher nicht darstellbar. Das in Abb. 14 dargestellte IR-Bild zeigt jedoch eine ausgeprägte Wärmeanomalie an der Südseite des Glockenturms. Abb. 14: Wärmebildaufnahme an der Südseite des Glockenturms (Bildquelle links: Google Earth). Der Klopftest ergab Unregelmäßigkeiten im Bereich der Wärmeanomalie, eine klare Fläche konnte allerdings nicht abgegrenzt werden. Risse oder offensichtliche Abplatzungen waren nicht auszumachen. Abb. 15 zeigt die vergleichende Auswertung der Radar- und Ultraschallmessungen. Der im Wärmebild auffällige Bereich ist rot umrandet. Abb. 15: oben: Bewehrungsdetektion mittels Radarverfahren an der Südseite des Glockenturms; Der rot markierten Bereiche wies bei den IR-Messungen und der Sichtprüfung (inkl. Klopftest) Auffälligkeiten auf. Unten: Ultraschall-Linienscans (B-Bild) Die Messfläche (60 x 120 cm2) bildet den Übergang zwischen dem Erdgeschoss und dem 1. Stock des Turms ab. Die Bewehrungsmatte im Untersuchungsbereich unter dem Deckenanschuss konnte mit Radar deutlich verortet werden. Nennenswerte Reflexionen oberhalb der Bewehrung waren keine vorhanden. Mit Ultraschall konnte unterhalb des Deckenanschlusses annähernd durchgehend ein Rückwandecho (bei 26 cm Tiefe) dargestellt werden. Allerdings ist in den vertikalen Schnitten (B- Scans) auf Höhe der 2. und 3. Vertikalbewehrung durchgehend ein nur schwaches oder kein Rückwandecho auszumachen (bei x=200 mm und x=400 mm, siehe Abb. 15 unterer Linienscan). Obwohl die Messergebnisse auf einen überwiegend intakten Bauteilabschnitt hinweisen, könnten sich um oder an der Vertikalbewehrung Entfestigungen befinden. Von einer Bewehrungskorrosion ist wegen der hohen Betonüberdeckung nicht auszugehen. Der Ultraschallflächenscan unterhalb des Deckenanschlusses zeigt außerdem, trotz darstellbarem Rückwandecho, viele zum Teil diffuse Reflexionen. Diese könnten Artefakte vom Materialübergang Bestandsbeton zu Instandsetzungsmaterial sein oder könnten möglicherweise auf interne Schwindrisse zurückführen sein. Die Bewehrung konnte auf Grund dessen mit Ultraschall meist nicht ein- 248 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Monitoring von Sichtbetonbauwerken der Nachkriegsmoderne mit bildgebenden, zerstörungsfreien Prüfverfahren deutig detektiert werden. Aussagekräftige Messungen und damit ein Urteil über die Qualität des Verbunds zwischen Bestandsbeton und applizierten Instandsetzungsmaterial war auf Höhe des Deckenanschlusses nicht möglich da keine Bauteilrückwand als Referenz vorhanden ist. Die Ultraschallmessungen oberhalb des Deckenanschlusses deuten hingegen auf vermehrte Materialinhomogenitäten hin. Die Bewehrung und das Rückwandecho konnten lediglich in den obersten 10 cm der Messfläche nachgewiesen werden (Ergebnisse nicht gezeigt). Der Bereich, auf dessen Höhe sich auch die mögliche Fehlstelle befindet, wies insgesamt nur ein vereinzeltes, schwaches oder kein Rückwandecho aus (siehe Abb. 15, oberer Linienscan). Die deutlich abgegrenzten Reflexionen bei 6 cm Tiefe können der Vertikalbewehrung zugeordnet werden. Die Radaruntersuchungen im Messbereich oberhalb des Deckenanschlusses zeigten außerdem stark variierende Betonüberdeckungen von bis zu 12 cm Tiefe (Ergebnisse nicht gezeigt). Die im IR-Bild dargestellte Wärmeanomalie konnte mit Ultraschall nicht klar abgegrenzt oder bestätigt werden. Da in dem Bereich aber überwiegend kein eindeutig nachweisbares Rückwandecho vorliegt, sollte dieser Fassadenabschnitt ebenfalls beobachtet und ggf. mit weiterer, ergänzender Messtechnik, wie beispielsweise dem Impact-Echo-Verfahren untersucht werden. 5. Schlussfolgerung Radar, Ultraschall und Thermographie haben sich in der baupraktischen Anwendung über viele Jahre etabliert und kommen insbesondere bei der zerstörungsfreien Bauwerksanalyse zum Einsatz. Um die Dauerhaftigkeit einer Instandsetzung beurteilen zu können, muss die Qualität des Verbunds zwischen Bestandsbeton und Instandsetzungsmaterial bewertet werden können. Bei Ultraschallmessungen ist jedoch eine ausreichende Betonüberdeckung notwendig, um eine mögliche Delamination direkt orten zu können. Entfestigungen des Verbunds oder korrosionsbedingte Abplatzungen können jedoch bereits in wenigen Zentimetern Tiefe entstehen und befinden sich somit häufig im „blinden Bereich“. Mit dem Radarverfahren sind Fehlstellen nur zweifelsfrei nachweisbar, sofern sie sich nicht unmittelbar bei oder hinter einer Bewehrung befinden. Um Fehlstellen mit Thermographie unter natürlicher thermischer Anregung (Sonneneinstrahlung) detektieren zu können, muss eine geeignete Exposition (keine Verschattungen) vorliegen. In diesem Beitrag wird gezeigt, wie anhand der Nachweisbarkeit eines Rückwandechos bei der Ultraschalltomographie in Kombination mit den Ergebnissen aus Radar und Thermographie eine Aussage zu möglichen oberflächennahen Fehlstellen gemacht werden kann. Danksagung Dieser Tagungsbeitrag enthält Auszüge des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) finanzierten Forschungsprojekts „Monitoring von Maßnahmen zur behutsamen Betoninstandsetzung von national bedeutsamen Baudenkmälern der Nachkriegsmoderne“, sowie Auszüge eines vom Verband der Materialprüfungsanstalten e. V. (VMPA) geförderten Forschungsprojekts zum Umgang mit Ultraschalltomographie in der Bauwerksdiagnostik. Literaturverzeichnis [1] Gieler, R. (2019) Denkmalgerechte Instandsetzung historischer Stahlbetonbauwerke - Regelwerke und technische Möglichkeiten in: Eßmann, F.; Klawun, R. [Hrsg.] Flugdach - Faltwerk - Fertigteile: Der bauliche Umgang mit Denkmalen der 1950erbis 1980er-Jahre. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, S. 6-18. [2] Alexandra Fink; Martin Günter (0105) Der Weg der behutsamen Betoninstandsetzung. Das Beispiel Stadthalle in Lahnstein in: Die Denkmalpflege, H. 1, S. 13-25. [3] Müller, H. S.; Günter, M.; Bohner, E.; Vogel, M. 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