eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 8/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81

Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ

21
2023
Christoph Geyer
Für die energetische Sanierung von Gebäuden wird die Kenntnis des Wärmeschutzes von Bestandsbauteilen immer wichtiger. Daher wächst auch der Bedarf für die zerstörungsfreie Messung des Wärmeschutzes in situ. Von mehreren Herstellern werden daher Messgeräte für die Messung des U-Wertes vor Ort angeboten. Um die Messmethode zu untersuchen, wurden an zwei Testhäusern in Gais, Kanton Appenzell Ausserrhoden der Wärmedurchgangskoeffizient der jeweiligen Nordwand gemessen. Die Wände bestehen zum einen aus einer Massivholzwand aus Appenzeller Holz und zum anderen aus einer Mauerwerkswand mit einem Wärmedämmverbundsystem aus expandiertem Polystyrol. Die Wände sind so konstruiert, dass sie einen rechnerischen Wärmedurchgangskoeffizienten von U = 0,2 W/(m2 K) aufweisen. Es wird ein Messsystem installiert, welches gegenüber marktüblichen Messsystemen mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet wurde. Damit konnten neben dem Wärmedurchgangskoeffizienten auch zusätzliche Größen, wie der Wärmedurchlasswiderstand und die Wärmeübergangswiderstände innen und außen gemessen werden. Die Auswertung der Messwerte wurde weiterentwickelt, um die Messergebnisse besser einzuschätzen. Es werden die Messergebnisse des Wärmeschutzes in situ präsentiert, mit Rechenwerten, aber auch mit Messwerten der Wärmeleitfähigkeit im Plattenmessgerät im Labor der Berner Fachhochschule verglichen.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 275 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Physiker Christoph Geyer Berner Fachhochschule, Biel, Schweiz Zusammenfassung Für die energetische Sanierung von Gebäuden wird die Kenntnis des Wärmeschutzes von Bestandsbauteilen immer wichtiger. Daher wächst auch der Bedarf für die zerstörungsfreie Messung des Wärmeschutzes in situ. Von mehreren Herstellern werden daher Messgeräte für die Messung des U-Wertes vor Ort angeboten. Um die Messmethode zu untersuchen, wurden an zwei Testhäusern in Gais, Kanton Appenzell Ausserrhoden der Wärmedurchgangskoeffizient der jeweiligen Nordwand gemessen. Die Wände bestehen zum einen aus einer Massivholzwand aus Appenzeller Holz und zum anderen aus einer Mauerwerkswand mit einem Wärmedämmverbundsystem aus expandiertem Polystyrol. Die Wände sind so konstruiert, dass sie einen rechnerischen Wärmedurchgangskoeffizienten von U-=-0,2-W/ (m 2 K) aufweisen. Es wird ein Messsystem installiert, welches gegenüber marktüblichen Messsystemen mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet wurde. Damit konnten neben dem Wärmedurchgangskoeffizienten auch zusätzliche Größen, wie der Wärmedurchlasswiderstand und die Wärmeübergangswiderstände innen und außen gemessen werden. Die Auswertung der Messwerte wurde weiterentwickelt, um die Messergebnisse besser einzuschätzen. Es werden die Messergebnisse des Wärmeschutzes in situ präsentiert, mit Rechenwerten, aber auch mit Messwerten der Wärmeleitfähigkeit im Plattenmessgerät im Labor der Berner Fachhochschule verglichen. 1. Beschreibung der Prüfhäuser In Gais, Appenzell Ausserrhoden wurden drei Messhäuser auf dem Gelände der Firma Nägeli AG zur Messung ihres Energieverbrauchs aufgebaut. An zwei Prüf häusern, dem Massivholzbau und dem Massivbau wurde zusätzlich ein Messsystem zur Messung des Wärmedurchgangskoeffizienten der Nordwand in situ installiert. Die folgende Abbildung zeigt die beiden Prüf häuser. Alle drei Prüf häuser weisen die gleiche Geometrie und Orientierung auf. Die Außenbauteile der Prüf häuser wurden so bemessen, dass alle Außenbauteile, Dach, Wände und Boden, einen Wärmedurchgangskoeffizienten von U = 0,2 W/ (m 2 K) erreichen. Abbildung 1: Photographien der beiden Prüf häuser, links das Testhaus aus Appenzeller Holz, rechts das Testhaus in Massivbauart. 276 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ 1.1 Wandaufbau Massivholzbau Alle Außenbauteile werden mit Massivholz aus Appenzellerholz hergestellt. Der Auf bau der Massivholzwand ist im Vertikalschnitt in der folgenden Abbildung dargestellt. Wandaufbau (von außen nach innen) 2 cm Fassadenschalung, hinterlüftet 4 cm Raum für Hinterlüftung 21 cm Massivholzwand aus Appenzellerholz, Windpapier Tyvek Solid 18 cm Massivholzwand aus Appenzellerholz Abbildung 2: Wandauf bau der Massivholzwand mit hinterlüfteter Wandverkleidung [1] Die runden Kreise kennzeichnen die Positionen der Messsensoren: À -Raumlufttemperatur und -feuchte, Á Oberflächentemperatur innen, Â -Wärmestromdichte innen, Ã -Oberflächentemperatur außen, Ä Wärmestromdichte außen, Å Außenlufttemperatur und -feuchte 1.2 Rechenwerte Wärmeschutz Massivholzwand Mit einem Rechenwert der effektiven Wärmeleitfähigkeit von 0,084 W/ (m K) für die Massivholzwand ergibt sich ein Wärmedurchlasswiderstand der Wand, R von Formel 1 Der Wert der effektiven Wärmeleitfähigkeit wird nach Angabe von TWOODS GmbH angesetzt. Für die Genauigkeit der Rechenwerte nehme ich 10 % an. Mit den Standardwerten der Wärmeübergangswiderstände nach EN ISO 6946 [2] von 0,13 m 2 K/ W innen und außen folgt hieraus ein Wärmedurchgangskoeffizient der Wand von Formel 2 1.3 Rechenwert flächenbezogene Wärmekapazität Die flächenbezogene Wärmekapazität c’ berechnet sich aus der volumetrischen Wärmekapazität c V und der Dicke des Bauteils d wie folgt: Formel 3 Mit einer Rohdichte für Fichte von r = 420 kg/ m 3 , einer volumetrischen Wärmekapazität von c V = 0,672 MJ/ (m 3 K) und einer Dicke des Bauteils von d = 0,39 m ergibt sich Formel 4 Damit handelt es sich bei der Massivholzwand um ein schweres Bauteil im Sinne der Norm ISO-9869-1: 2014 [3]. 1.4 Wandaufbau Massivbau Der Massivbau wird mit Ziegelwänden und mit Ortbetondecken hergestellt. Der Auf bau der Mauerwerkswand ist im Vertikalschnitt in der folgenden Abbildung dargestellt. Wandaufbau (von außen nach innen) Spachtelputz 14 cm Wärmedämmung aus expandiertem Polystyrol (l = 0,031 W/ (m K)) 17,5 cm Mauerwerkswand als Standardmauerwerk mit Swissmodulsteinen 1 cm Zementputz Abbildung 3: Wandauf bau des Massivbaus mit Mauerwerkswand und Wärmedämmverbundsystem nach [1]. Die runden Kreise kennzeichnen die Positionen der Messsensoren: À -Raumlufttemperatur und -feuchte, Á -Oberflächentemperatur innen, Â -Wärmestromdichte innen, Ã -Oberflächentemperatur außen, Ä Wärmestromdichte außen, Å Außenlufttemperatur und -feuchte 1.5 Rechenwerte Wärmeschutz Mauerwerkswand Mit einem Rechenwert der Wärmeleitfähigkeit von 0,44 W/ (m K) [4] für das Mauerwerk ergibt sich ein Rechenwert des Wärmedurchlasswiderstands der Wand, R von Formel 5 Mit den Wärmeübergangswiderständen nach EN ISO 6946: 2018 von 0,13 m 2 K/ W innen und von 0,04 m 2 K/ W außen folgt hieraus ein Wärmedurchgangskoeffizient der Wand von 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 277 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ Formel 6 1.6 Rechenwert flächenbezogene Wärmekapazität Mit einer Rohdichte des Mauerwerks von r MW -= (800 bis 1‘000) kg/ m 3 , einer volumetrischen Wärmekapazität von c V,MW -=-(0,749 bis 0,936)-MJ/ (m 3 K) und einer Dicke des Bauteils von d MW = 0,175 m ergibt sich unter Vernachlässigung der Putzschichten Formel 7 Damit handelt es sich bei der Mauerwerkswand um ein schweres Bauteil im Sinne der Norm ISO-9869-1: 2014. 2. Messverfahren Bei dem Messverfahren werden während der Messperiode folgende Messgrößen der Außenwand zu bestimmten Zeitpunkten tk erfasst. • die Wärmestromdichte innen und außen, j i (t k ) und je(tk), • die Raumluft- und die Außenlufttemperatur Q i (t k ) bzw. Q e (t k ), • die Temperaturen der inneren und der äußeren Oberfläche des Bauteils Q si (t k ) bzw. Q se (t k ). Aus diesen Messwerten wird dann der Momentanwert des Wärmedurchgangskoeffizienten U(t k ) berechnet: Formel 8 Allerdings ist der Wärmedurchgangskoeffizient nur für konstante Temperaturrandbedingungen der Außen- und der Innenlufttemperatur definiert. Nur dann ergibt sich ein konstanter Wärmestrom durch das Bauteil und somit ein konstanter Wert für den Wärmedurchgangskoeffizienten. Im Gegensatz zu Labormessungen sind aber die Randbedingungen bei Vor-Ort-Messungen nur sehr eingeschränkt kontrollierbar. Daher muss durch die Auswahl der Messperiode, eine geeignete Mittelung der Ergebnisse und der Kontrolle verschiedener Kriterien sichergestellt werden, dass eine möglichst hohe Messgenauigkeit des Wärmedurchgangskoeffizienten erreicht wird. Die Messung und die Messauswertung lehnt sich an das Verfahren der Norm ISO 9869-1: 2014 an, in der die Anforderungen an das Messverfahren formuliert werden. Der Wärmedurchlasswiderstand des Bauteils zum Zeitpunkt tk berechnet sich aus den Oberflächentemperaturen auf der Raumseite und auf der Außenseite, und , wie folgt: Formel 9 2.1 Mittelung der Messwerte Um aus den zeitlich stark variierenden Messwerten einen konstanten Mittelwert des Wärmedurchgangskoeffizienten der Prüfwand zu erhalten, wird eine Mittelung der Messwerte durchgeführt. 2.1.1 Mittelungsverfahren nach ISO 9869-1 Der Schätzwert des Wärmedurchgangskoeffizienten wird nach dem Verfahren der Norm ISO 9869-1 gebildet. 2.1.1.1 Wärmedurchgangskoeffizient Zunächst wird der arithmetische Mittelwert der Wärmeströme innen für die n Messungen der Messperiode gebildet: Formel 10 In einem zweiten Schritt wird der arithmetische Mittelwert der Temperaturdifferenzen zwischen Raum- und Außenlufttemperatur Δθ(t k ) = (θ i (t k ) - θ e (t k )) berechnet: Formel 11 Hieraus ergibt sich der Schätzwert des Wärmedurchgangskoeffizienten über die Messzeit Formel 12 2.1.1.2 Wärmedurchlasswiderstand Auch der Mittelwert des Wärmedurchlasswiderstands wird aus dem Mittelwert der Temperaturdifferenzen der Oberflächentemperaturen, Δθ s (t k ) = (θ s,i (t k ) - θ s,e (t k )), Formel 13 und dem Mittelwert der Wärmestromdichte φ i berechnet. Der Schätzwert des Mittelwerts des Wärmedurchlasswiderstands des Bauteils über die Messzeit lautet Formel 14 2.2 Auswahlkriterien für die Messwerte nach ISO 9869-1 Die Norm ISO 9869-1 formuliert für die Auswahl der Messwerte eine Reihe von Kriterien, welche vor dem Abbruch der Messung erfüllt sein müssen. Dabei unterscheidet die Norm zwischen leichten und schweren Elementen. Als leichtes Element gelten Bau- 278 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ teile mit einer spezifischen Wärmekapazität von weniger als 20 kJ/ (m 2 K). Wie bereits in Kapitel 1 gezeigt, handelt es sich sowohl bei der Massivholzwand, als auch bei der Mauerwerkswand um schwere Bauteile im Sinne der ISO 9869-1. 2.2.1 Schwere Bauteile Für schwere Bauteile gelten folgende Kriterien für die Auswahl eines Messwerts zum Zeitpunkt t k : • C1: Die Messzeit muss mindestens 72 Stunden oder drei Tage dauern. • C2: Der Unterschied zwischen dem Messwert 24 h vor dem Ende der Messung und dem Wert am Ende der Messperiode darf 5-% nicht übersteigen • C3: Der Unterschied zwischen dem Messwert am Tag nach zwei Dritteln der Messperiode und dem Wert am letzten Tag der Messperiode darf nicht mehr als 5-% betragen • C4: Die Messzeit soll ein ganzzahliges Vielfaches von 24 Stunden sein • C5: falls sich die in der Wand gespeicherte Wärme während der Messperiode um mehr als 5-% des Wärmestroms, welcher durch die Wand fliesst, ändert, sind spezielle Analysemethoden anzuwenden. Dabei werden die ersten drei Auswahlkriterien nacheinander angewandt. D. h. das jeweils folgende Kriterium greift auf die Messwerte der Wärmedurchgangskoeffizienten zurück, die bereits alle vorherigen Auswahlkriterien berücksichtigen. Das vierte und fünfte Kriterium haben sich in der Anwendung als nicht praktikabel erwiesen. Sie werden daher nicht angewandt. 2.2.1.1 C1: Messzeit grösser als 3 Tage Dieses Kriterium wird in der Auswertung so berücksichtigt, dass nur die Messwerte für Zeitpunkte, welche mehr als 72-h nach dem Start der Messung auftreten, berücksichtigt werden. Bei Unterbrechungen der Messzeit wird die Messdauer nicht wieder auf null gesetzt. 2.2.1.2 C2: Differenz zwischen Mittelwert(t) und Mittelwert(t---24-h)-£-5 % Dieses Kriterium wird wie folgt überprüft: zunächst wird für jeden Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten zum Zeitpunkt t k der zugehörige Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten gesucht, der bei t k - 24 Stunden liegt. Der Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten zum Zeitpunkt t k wird dann verworfen, wenn die Differenz zwischen den beiden Messwerten grösser als 5-% ist. 2.2.1.3 C3: Differenz zwischen Mittelwert(t) und Mittelwert(2/ 3t)-£-5-% Dieses Kriterium wird sinngemäss wie das vorherige Kriterium überprüft: zunächst wird für jeden Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten zum Zeitpunkt t k der zugehörige Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten gesucht, der beim Zeitpunkt 2/ 3 ∙ t k liegt. Der Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten zum Zeitpunkt t k wird dann verworfen, wenn die Differenz zwischen den beiden Messwerten grösser als 5-% ist. 3. Messaufbau Die Messung des Wärmeschutzes der Wände erfolgt jeweils an der Nordwand jedes Prüf hauses. Die Messsensoren für die Messung des Wärmedurchgangskoeffizienten werden an den Nordwänden von zwei der drei Messhäuser befestigt. Es wird jeweils ein Almemo ® -Datenlogger mit folgenden Sensoren eingesetzt: • für Lufttemperatur und -feuchte innen • für Oberflächentemperatur innen • für Oberflächentemperatur der Innenseite Hinterlüftungsspalt oder der Außenseite Spachtelputz • für Wärmestromdichte durch innenseitige Bauteiloberfläche • für Wärmestromdichte durch außenseitige Bauteiloberfläche (Innenseite Lüftungsspalt oder Außenseite Spachtelputz) Die Sensoren wurden von der Berner Fachhochschule in Biel kalibriert. Der Messsensor zur Messung der Außenlufttemperatur wird in einem Wetterschutzgehäuse für Außensensoren Typ EMF 8100 der Firma Electro-Mation GmbH untergebracht. Die Messgenauigkeit der Temperatursensoren als Thermodrähte wird mit Formel 15 angesetzt. Die Genauigkeit der digitalen Wärmeflussplatte wird vom Hersteller mit einem relativen Fehler von 5 % des Wärmestroms bei einer Temperatur von 23 °C angegeben. Hierbei handelt es sich um maximal zulässige Abweichungen des Messwerts. 4. Messergebnisse Die Messung startet am 21.12.2019 und endet am 17.01.2020. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 279 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ 4.1 Temperaturen Die Raumlufttemperaturen werden mit einer elektrischen Heizung mit Thermostat-Regelung eingestellt. Die Mittelwerte der Temperaturen am Ende der Messperiode sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Massivholzwand Mauerwerkswand Raumluft (21,1± 0,4) °C (21 ± 0,4) °C Raumseitige Oberfläche (19,6 ± 0,4) °C (19,4 ± 0,4) °C Außenseitige Oberfläche (Innenseite Hinterlüftungsspalt oder Außenseite Spachtelputz) (2,6 ± 0,4) °C (0,7 ± 0,4) °C Außenluft (0,6 ± 0,4) °C Temperaturdifferenz zwischen Raum- und Außenluft (20,7 ± 0,57) K (20,4 ± 0,57) K Tabelle 1: Zusammenstellung der Mittelwerte der Luft- und Oberflächentemperaturen Innen und Außen am Ende der Messung. Die Fehler sind als 95 %-Vertrauensintervall angegeben. Durch die Regelung der elektrischen Heizung kommt es in beiden Prüf häusern zu einer Schwankung der Raumlufttemperatur von 2 K. Hierdurch kommt es zu einem Anwachsen des raumseitigen Wärmeübergangswiderstands. Differenz zwischen Raum- und Außenlufttemperatur Für die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten wird die Temperaturdifferenz zwischen der Raumluft- und der Außenlufttemperatur benötigt. Die Mittelwerte der Temperaturdifferenz zwischen der Raum- und der Außenluft am Ende der Messung sind für beide Prüf häuser in Tabelle 1 aufgeführt. Wärmestromdichten Die Wärmestromdichten werden bei beiden Wänden auf der Raum- und auf der Außenseite gemessen. Die Mittelwerte der Wärmestromdichten über die Messperiode sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Massivholzwand Mauerwerkswand Wärmestromdichte innen Wärmestromdichte außen Tabelle 2: Mittelwerte der Messwerte der Wärmestromdichten innen und außen am Ende der Messung. Die Fehler sind als 95 %-Vertrauensintervall angegeben. 4.2 Wärmedurchgangskoeffizienten Bildet man aus den gemessenen Werten der Wärmestromdichte und der Temperaturdifferenz zwischen der Raum- und der Außenluft für jeden Messzeitpunkt den Wärmedurchgangskoeffizienten, so erhält man stark streuende Werte. In der folgenden Abbildung 4 sind diese Momentanwerte mit dem Zeitverlauf des Wärmedurchgangskoeffizienten nach ISO-9869-1 zusammen dargestellt. Abbildung 4: Momentanwerte (rote Punkte) und zeitlicher Verlauf des Messwerts des Wärmedurchgangskoeffizienten nach ISO 9869-1 (schwarze Linie) für die Massivholzwand 280 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ In der Abbildung 4 ist zu erkennen, dass die Mittelwertbildung nach ISO 9869-1 zu einer starken Reduktion der Streuung führt. Auf den Mittelwert nach ISO 9869-1 sind nun die Auswahlkriterien nach ISO 9869-1, welche in Kapitel-2.2 beschrieben wurden, anzuwenden. Durch diese Kriterien kann die minimal notwendige Messzeit ermittelt werden, welche erforderlich ist, um einen stabilen Messwert zu erreichen. In der nachfolgenden Tabelle 3 sind die Messwerte der Wärmedurchgangkoeffizienten nach ISO 9869-1 zusammengestellt. Zunächst der Messwert am Ende der Messung. Außerdem die Messwerte unter Einhaltung des 1. Kriteriums, des 1. und 2. Kriteriums, sowie aller drei Kriterien. Die Zeit in der Klammer gibt die Zeitdauer vom Start der Messung an, bei der die jeweiligen Kriterien das erste Mal eingehalten werden. Die Messung des Wärmedurchgangskoeffizienten der Massivholzwand benötigt mehr als 7 Tage, bis alle drei Kriterien der ISO 9869-1 eingehalten sind. Allerdings unterscheidet sich der Messwert zu diesem Zeitpunkt noch signifikant vom Messwert am Ende der Messung nach 26 Tagen. Die Messung des Wärmedurchgangskoeffizienten der Mauerwerkswand hält bereits nach knapp 6 Tagen alle drei Kriterien der ISO 9869-1 ein. Bei diesem Messwert kann kein signifikanter Unterschied zum Messwert am Ende der Messung, also nach 26 Tagen festgestellt werden. In den Wärmedurchgangskoeffizienten fließen auch die Wärmeübergangswiderstände ein. Es konnte während der Messung festgestellt werden, dass diese sich signifikant von den standardisierten Werten der EN ISO 6946 mit 0,13-m 2 K/ W innen und 0,04 m 2 K/ W bzw. 0,13 m 2 K/ W außen unterscheiden. Durch diesen Umstand wird der Vergleich der gemessenen Wärmedurchgangskoeffizienten mit nach EN ISO 6946 berechneten Wärmedurchgangskoeffizienten schwierig. Um diese Unsicherheiten auszuschließen, bietet sich die Messung des Wärmedurchlasswiderstands des Bauteils an. Hierzu werden aber noch zwei zusätzliche Temperatursensoren benötigt, um die Temperaturen der inneren und der äußeren Oberfläche zu messen. Massivholzwand Mauerwerkswand Wärmedurchgangskoeffizient nach ISO 9869-1 Wärmedurchgangskoeffizient nach ISO 9869-1 & C1 Messzeit ≥ 3 d Wärmedurchgangskoeffizient nach ISO 9869-1 & C1 Messzeit ≥ 3 d & C2 U(t)-U(t-24 h) £ 5 % Wärmedurchgangskoeffizient nach ISO 9869-1 & C1 Messzeit ≥ 3 d & C2 U(t)-U(t-24 h) £ 5 % & C3 Tabelle 3: Mittelwerte der Wärmedurchgangskoeffizienten nach Einhaltung der Auswahlkriterien gemäß ISO 9869-1. Die Zahlen in der Klammer geben die Messdauer bis zum Ende der Messung bzw. bis zu dem Zeitpunkt, ab dem das jeweilige Kriterium zum ersten Mal eingehalten wird, an. Die Fehler sind als 95 %-Vertrauensintervall angegeben. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 281 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ 4.3 Wärmedurchlasswiderstände Bildet man aus den gemessenen Werten der Wärmestromdichte und der Temperaturdifferenz zwischen der raum- und der außenseitigen Oberfläche für jeden Messzeitpunkt den Wärmedurchlasswiderstand, so erhält man wieder stark streuende Werte. In der folgenden Abbildung sind diese Momentanwerte mit dem Zeitverlauf des Wärmedurchlasswiderstands nach ISO 9869-1 nach Formel 14 zusammen dargestellt. In der Abbildung 5 ist zu erkennen, dass die Mittelwertbildung nach ISO 9869-1 zu einer starken Reduktion der Streuung führt. Auf den Mittelwert nach ISO 9869- 1 werden nun ebenfalls die Auswahlkriterien nach ISO 9869-1, welche in Kapitel 2.2 beschrieben wurden, angewandt. Durch diese Kriterien kann die minimal notwendige Messzeit ermittelt werden, welche erforderlich ist, einen stabilen Messwert des Wärmedurchlasswiderstands zu erreichen. In der nachfolgenden Tabelle 4 sind die Messwerte der Wärmedurchlasswiderstände nach ISO 9869-1 zusammengestellt. Zunächst der Messwert am Ende der Messung. Außerdem die Messwerte unter Einhaltung des 1. Kriteriums, des 1. und 2. Kriteriums, sowie aller drei Kriterien. Die Zeit in der Klammer gibt die Zeitdauer vom Start der Messung an, bei der die jeweiligen Kriterien das erste Mal eingehalten werden. Die Messung der Massivholzwand benötigt mehr als 6 Tage, bis alle drei Kriterien der ISO 9869-1 eingehalten sind. Der Messwert unterscheidet sich zu diesem Zeitpunkt signifikant vom Messwert am Ende der Messung nach 26 Tagen. Die Messung der Mauerwerkswand hält auch nach 6 d alle drei Kriterien der der ISO 9869-1 ein. Bei dieser Messung kann kein signifikanter Unterschied zum Messwert am Ende der Messung, also nach 26 Tagen festgestellt werden. Abbildung 5: Momentanwerte (blaue Punkte) und zeitlicher Verlauf des Mittelwerts des Wärmedurchlasswiderstands des Bauteils nach ISO 9869-1 (rote Linie) für die Massivholzwand 282 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ Massivholzwand Mauerwerkswand Wärmedurchlasswiderstand nach ISO 9869-1 Wärmedurchlasswiderstand nach ISO 9869-1 & C1 Messzeit ≥ 3 d Wärmedurchlasswiderstand nach ISO 9869-1 & C1 Messzeit ≥ 3 d & C2 U(t)-U(t-24 h) £ 5 % Wärmedurchlasswiderstand nach ISO 9869-1 & C1 Messzeit ≥ 3 d & C2 U(t)-U(t-24 h) £ 5 % & C3 Tabelle 4: Mittelwerte der Wärmedurchlasswiderstände nach Einhaltung der Auswahlkriterien der ISO 9869-1. Die Zahlen in der Klammer geben die Messdauer bis zum Ende der Messung bzw. bis zu dem Zeitpunkt, ab dem das jeweilige Kriterium zum ersten Mal eingehalten wird, an. Die Fehler sind als 95-%-Vertrauensintervall angegeben. 5. Diskussion der Messergebnisse und Ausblick Aus dem Messergebnis des Wärmedurchlasswiderstands der Massivholzwand mit kann eine effektive Wärmeleitfähigkeit der Massivholzwand von abgeleitet werden. Im Labor der Berner Fachhochschule in Biel konnte für eine 18 cm dicke Massivholzwand eine Wärmeleitfähigkeit von bestimmt werden. Diese beiden Messwerte stimmen innerhalb der Fehlergrenzen überein. Allerdings muss hier noch die Ursache des Unterschieds zwischen dem Messwert nach 6 Tagen und dem Messwert am Ende der Messung, also nach 26 Tagen, geklärt werden. Aus diesem Messwert des Wärmedurchlasswiderstands folgt nämlich eine geringfügig schlechtere effektive Wärmeleitfähigkeit von . Die minimale Messzeit wird so definiert, dass alle drei Auswahlkriterien nach ISO 9869-1 eingehalten werden. Damit ergibt sich für die Massivholzwand und für die Mauerwerkswand für die Messung des Wärmedurchlasswiderstands eine minimale Messzeit von 6 Tagen. Aus dem Messergebnis des Wärmedurchgangskoeffizient der Massivholzwand mit kann eine effektive Wärmeleitfähigkeit von der Massivholzwand abgeleitet werden. Dieser Messwert für die Wärmeleitfähigkeit unterscheidet sich signifikant vom Messwert im Labor. Auch mit dem Messwert des Wärmedurchgangskoeffizienten am Ende der Messung ergibt sich eine effektive Wärmeleitfähigkeit der Massivholzwand von Diese in situ bestimmte Wärmeleitfähigkeit unterscheidet sich immer noch signifikant vom Laborwert. Diese Messergebnisse demonstrieren den Nachteil der Messung des Wärmeschutzes eines Bauteils mit dem Wärmedurchgangskoeffizienten in situ, da in diesen die beiden in situ Wärmeübergangswiderstände eingehen. Diese Wärmeübergangswiderstände unterscheiden sich in situ aber deutlich von den Standardwerten der Norm EN- ISO- 6946, welche bei der Berechnung angesetzt werden. In der vorliegenden Messung konnten diese Wärmeübergangswiderstände in situ gemessen werden. Sie ergeben sich am Ende der Messperiode zu innen bzw. außen. Die Messung des Wärmedurchgangskoeffizienten in situ wird also von den Wärmeübergangswiderständen verfälscht, nicht aber der Messwert des Wärmedurchlasswiderstands in situ. Daher sollte der Wärmeschutz in situ mittels des Wärmedurchlasswiderstands bestimmt werden. Die minimale Messzeit wird wieder so definiert, dass alle drei Auswahlkriterien nach ISO 9869-1 für den Wärmedurchgangskoeffizienten eingehalten werden. Damit ergibt sich für die Messung des Wärmedurchgangskoeffizienten eine minimale Messzeit von mehr als 7 Tagen für die Massivholzwand und von knapp 6-Tagen für die Mauerwerkswand. Die Messung des Wärmeschutzes der Mauerwerkswand ergibt mit beiden Methoden wesentlich bessere Werte als die Rechenwerte. Die Ursache hierfür konnte noch nicht ermittelt werden. Es sind also weitere Untersuchungen, insbesondere Materialuntersuchungen, beim Massivbau erforderlich. 6. Praktische Hinweise für die Messung Um systematische Messfehler zu vermeiden, muss der Temperatursensor für die Außenluft in einem strahlungsgeschützten Wetterschutzgehäuse untergebracht werden. Zur Vermeidung von Wärmebrückeneffekten darf nicht im Bereich von Laibungen, Ecken etc. gemessen werden. D. h., die Sensoren müssen in einem Abstand von mindestens 1 m von diesen Wärmebrücken befestigt werden. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 283 Neue Ergebnisse zu U-Wert Messungen in situ 7. Danksagung Wir bedanken uns bei den Firmen Nägeli AG und TWOODs GmbH für die Herstellung der Prüf häuser und für die unermüdliche Unterstützung unserer Messungen. Literatur [1] TWOODs GmbH, Zwislenstraße 27, 9056 Gais, Schweiz [2] EN ISO 6946 Bauteile - Wärmedurchlasswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient- Berechnungsverfahren, Ausgabe März 2018 [3] ISO 9869-1: Thermal insulation - Building elements - In-situ measurements of thermal resistance and thermal transmittance - Part-1: Heat flow meter method, Edition 2014-08-01 [4] Technisches Datenblatt ZZWancor