eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 8/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81

30 Jahre Multiringelektrode

21
2023
Rebecca Achenbach
Michael Raupach
Die tiefengestaffelte Überwachung des Elektrolytwiderstandes in der Betondeckung ist in vielen Anwendungsbereichen hilfreich, um Rückschlüsse auf die Feuchteveränderung oder andere Materialparameter zu erhalten. Die Multiring-Elektroden (MRE) werden dabei im Neubau oder nachträglich eingebaut oder kommen in Laborversuchen im kleineren Maßstab zur Anwendung. Es wird zum einen beleuchtet, welche messtechnischen Überlegungen bezüglich der Messparameter relevant sind und welche Einflüsse sich daraus auf die Messergebnisse ergeben. Zum anderen wird vorgestellt, welche Rahmenbedingungen beim Einbau der Sensoren oder bei der Konzeption von Prüfkörpern z. B. in Bezug auf die Größe der Prüfkörper oder die Kabellängen bedacht werden sollten. Die kombinierte Betrachtung von Literaturangaben und eigenen Untersuchungen erlauben dabei, den Einfluss der verschiedenen Parameter auf die Messwerte und spezifischen Widerstände zu quantifizieren.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 285 30 Jahre Multiringelektrode Messtechnische Überlegungen beim Einsatz in Bauwerk und Laborversuchen Rebecca Achenbach, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Zusammenfassung Die tiefengestaffelte Überwachung des Elektrolytwiderstandes in der Betondeckung ist in vielen Anwendungsbereichen hilfreich, um Rückschlüsse auf die Feuchteveränderung oder andere Materialparameter zu erhalten. Die Multiring- Elektroden (MRE) werden dabei im Neubau oder nachträglich eingebaut oder kommen in Laborversuchen im kleineren Maßstab zur Anwendung. Es wird zum einen beleuchtet, welche messtechnischen Überlegungen bezüglich der Messparameter relevant sind und welche Einflüsse sich daraus auf die Messergebnisse ergeben. Zum anderen wird vorgestellt, welche Rahmenbedingungen beim Einbau der Sensoren oder bei der Konzeption von Prüfkörpern z. B. in Bezug auf die Größe der Prüfkörper oder die Kabellängen bedacht werden sollten. Die kombinierte Betrachtung von Literaturangaben und eigenen Untersuchungen erlauben dabei, den Einfluss der verschiedenen Parameter auf die Messwerte und spezifischen Widerstände zu quantifizieren. 1. Einführung Multiring-Elektroden (MRE) werden in die Betondeckung integriert, um eine tiefenabhängige Information über den elektrischen Betonwiderstand zu erhalten. Die zylindrischen Sensoren bestehen aus Ringen aus nichtrostendem Stahl (2,5 mm Dicke), die durch Kunststoffringe elektrisch voneinander isoliert sind (vgl. Abb. 1). Zusätzlich kann ein Platinwiderstand (Pt1000) enthalten sein, um Temperaturmessungen durchzuführen. Die Ringpaare werden nacheinander gemessen, dabei kann die erste Messung am unteren oder oberen Ringpaar erfolgen, je nach Bauform der MRE. Abb. 1: Schematische Darstellung der MRE, in Anlehnung an [1] Das zugrundeliegende Messprinzip ist eine Wechselstromimpedanzmessung zwischen zwei benachbarten Ringpaaren, also im Zwei-Elektroden-Auf bau. Daraus ergeben sich verschiedene Messparameter, die vom verwendeten Messsystem abhängen: Variiert werden können die Messfrequenz und die Spannungsamplitude. Die elektrische Leitfähigkeit des Betons beruht hauptsächlich auf der Ionenleitung der in der Betonporenlösung gelösten Ionen [2]. Das elektrische Feld breitet sich vom Sensor in den Beton aus. Daher ist ein Einfluss der Prüfkörpergeometrie auf das Messergebnis ebenfalls vorhanden. Außerdem ist die Leitfähigkeit der Betonporenlösung temperaturabhängig: Da die Ionen bei höherer Temperatur beweglicher sind, fällt der Widerstand bei steigender Temperatur. Die Umrechnung der Widerstandsmesswerte auf eine Referenztemperatur kann nach der Arrhenius-Gleichung erfolgen: Dabei sind R 0 und R T die Widerstände [Ω] bei den Temperaturen T 0 und T [K]. Für die Konstante b A werden in der Literatur Werte zwischen 3000 und 5000 angegeben. [3] Die mittels MRE gemessenen Widerstände können anhand einer sensorabhängigen Geometriekonstante (k) in spezifische Widerstände umgerechnet werden, um den Geometrieeinfluss der Feldausbreitung um den Sensor zu berücksichtigen und die Messwerte mit anderen Verfahren vergleichbarer zu machen [4]: 286 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 30 Jahre Multiringelektrode Dabei ist ρ der spezifische Widerstand in Ωm, R der gemessene, ggf. temperaturbereinigte Widerstand in Ω und k die Geometriekonstante in m. Die Geometriekonstante für MRE wird mit k = 0,1-m angegeben [5] und wurde experimentell und durch numerische Simulation bestimmt. Dabei ist zu unterscheiden, ob die MRE direkt eingebaut wurde, oder im nachträglichen Einbau mittels Ankopplungsmörtel an den Altbeton angekoppelt wurde. Beim direkten Einbau wurde k in Simulationen zu 0,07-m bestimmt, was in der Größenordnung der oben angegeben 0,1-m liegt. Beim nachträglichen Einbau ist das Verhältnis des spezifischen Widerstandes des Ankopplungsmörtels (Stärke ca. 2-mm umlaufend um die MRE) und des Altbetons entscheidend. Mit steigendem Verhältnis von ρ Mörtel / ρ Altbeton steigt die Geometriekonstante k [6]: Tab. 2: k in Abhängigkeit vom Verhältnis der Elektrolytwiderstände [6]: ρ Mörtel / ρ Altbeton k 0,1 0,46 1,0 0,07 10 0,01 10000 0 2. Mögliche Einflüsse auf den gemessenen Widerstand Die zuvor genannten Einflüsse auf die mit der MRE erfassten Messwerte werden im Folgenden hinsichtlich ihrer quantitativen Auswirkung diskutiert. Dazu wurden Versuche in Lösung durchgeführt. Es wurden verschieden große Behälter mit quadratischer Grundfläche aus Acrylglas gefertigt und je eine MRE, wie in Abb. 2 dargestellt, mittig auf dem Boden installiert. Es wurden drei verschiedene Kantenlängen des Behälters untersucht: 150-mm, 300-mm und 400-mm. Die Behälter wurden mit KCl-Lösung (0,1 Mol/ l) in jeweils drei verschiedenen Füllständen gefüllt. Messungen wurden bei zwei verschiedenen Spannungsamplituden (1-V und-2-V) und bei verschiedenen Frequenzen zwischen 1-Hz und 100-kHz durchgeführt. Abb. 2: Schematische Darstellung des Versuchsauf baus 2.1 Messfrequenz Bei der Impedanzmessung mit zwei Elektroden werden neben dem realen Ohm’schen Betonwiderstand auch imaginäre Widerstandsanteile aus Doppelschicht-kapazitäten, Polarisationswiderständen und ggf. Kabelinduktivitäten gemessen. Der Einfluss der imaginären Widerstandsanteile ist frequenzabhängig und kann durch die Phasenverschiebung quantifiziert werden. Daher beeinflusst die gewählte Messfrequenz den gemessenen Widerstand. [1] Abb. 3 zeigt die EIS-Messung an Ringpaar 3-4 in dem 400-mm großen Behälter (FS = 10-cm) bei einer Spannungsamplitude von 1-V und 2-V. Abb. 3: Einfluss der Messfrequenz auf Widerstand und Phasenwinkel Die Abbildung zeigt, dass der Phasenwinkel mit steigender Frequenz geringer wird. Bei einem Phasenwinkel von 0 ° würde man rein Ohm’sche Widerstände messen. Im Bereich zwischen 100 und 1000 Hz liegt der Phasenwinkel für 2 V zwischen - 11,8 ° und - 5,1 °. Beim gemes- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 287 30 Jahre Multiringelektrode senen Widerstand führt das zu einem Unterschied von 15 Ω bzw. Das heißt, man überschätzt den gemessenen Widerstand hier durch die Wahl der kleineren Messfrequenz um 12 %. 2.2 Spannungsamplitude In Abb. 3 ist außerdem die gleiche Messung mit einer Spannungsamplitude von 1-V dargestellt. Die Phasenverschiebung ist bei kleinerer Spannungsamplitude größer, sodass höhere Impedanzen gemessen werden, weil der Einfluss von Polarisationseffekten größer ist. Die Ergebnisse der Messungen bei beiden Spannungsamplituden bei einer Frequenz von 1000-Hz sind in Abb. 4 dargestellt, als Mittelwert über alle Ringpaare in den 400-mm und 300-mm großen Prüfkörpern, jeweils bei den Füllständen 1-cm und 10-cm. Abb. 4: Einfluss der Spannungsamplitude auf die Messergebnisse Die bei 1 V ermittelten Messwerte liegen im Mittel etwa 5 Ω über den bei 2 V ermittelten Werten. Damit ist der Einfluss zwar bei allen Messungen vorhanden, aber mit 3,8 % eher gering. Bei kleinerer Messfrequenz nimmt die Abweichung zu (vgl. Abb. 3). 2.3 Prüfkörperabmessungen Die Messergebnisse bei einer Frequenz von 1-kHz und einer Spannungsamplitude von 1-V sind in Abb. 5 dargestellt. Die Prüfkörpergröße mit einer Kantenlänge von 150-mm (blaue Kurven) zeigt bei allen drei Füllständen Abweichungen im Randbereich von maximal 75 Ω von den Messwerten in größeren Prüfkörpern. Zwischen den Prüfkörpergrößen 300-mm und 400-mm ist der Unterschied kaum vorhanden. Die Füllhöhe bzw. Prüfkörperhöhe hat einen vernachlässigbar geringen Einfluss auf die Messwerte. Abb. 5: Gemessene Widerstandswerte bei verschiedenen Gefäßgrößen und Füllständen 288 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 30 Jahre Multiringelektrode Die KCl-Lösung hatte eine Leitfähigkeit von 1315 µS*cm -1 , die vor jeder Messung mit der MRE bestimmt wurde um eine Leitfähigkeitsänderung der Referenzlösung auszuschließen. Das entspricht einem spezifischen Widerstand von 7,6 Ωm. Auf Grundlage der Messwerte in dem 400 mm Prüfkörper und 10 cm Füllstand ergibt sich daraus eine Geometriekonstante von k = 0,06 m, was den oben genannten Werten etwa entspricht. Der spezifische Widerstand der Referenzlösung ist im Vergleich zu Beton eher gering, aber auch im Beton sollte bei Prüfkörpern mit weniger als 300 mm Kantenlänge ein Einfluss der Prüfkörperabmessungen in Betracht gezogen werden. 2.4 Kabelinduktivitäten Der Einfluss von Kabelinduktivitäten lässt sich rechnerisch ermitteln. Dazu wird der Leitungs-durchmesser und die Stärke der Isolierung, sowie die Kabellänge benötigt. Mithilfe der Messfrequenz kann die Kabelinduktivität in einen induktiven Blindwiderstand umgerechnet werden. Unter der Annahme eines Leitungsdurchmessers von 0,53 mm und einer Messfrequenz von 1-kHz ergeben sich die folgenden induktiven Blindwiderstände in Abhängigkeit der Kabellänge: Tab. 1: Einfluss der Kabellänge: Kabellänge Induktiver Blindwiderstand 1 m 0,019 Ω 10 m 0,191 Ω 100 m 1,915 Ω Es zeigt sich, dass selbst bei großen Kabellängen der Einfluss der Kabelinduktivität auf den Widerstands-messwert bei 1-kHz vernachlässigbar klein ist. Bei kleinerer Messfrequenz ist der Einfluss noch geringer. 3. Zusammenfassung Die verschiedenen Einflüsse auf die Messung konnten anhand der Versuche für den untersuchten Anwendungsfall und anhand von Berechnungen dargestellt werden. Dabei zeigte sich, dass Kabelinduktivitäten bei geeigneten Messfrequenzen von z. B. 1-kHz einen vernachlässigbar geringen Einfluss haben. Einen minimal größeren Einfluss, von 3,8-% hatte die angelegte Spannungsamplitude von 1 oder 2 V. Die Verringerung der Messfrequenz von 1000-Hz auf 100-Hz führte zu einer Erhöhung des Messwertes um etwa 12- %. Die Wahl eines kleineren Prüfkörpers mit einer Kantenlänge von 150-mm führte zu einem Abweichen des Messwertes in den Randbereichen um etwa 75-Ω im Vergleich zu den größeren Prüfkörpern, was bei einem hier vorliegenden Messwert von nur etwa 110 Ω immerhin 68-% entspricht. Die Prüfkörperhöhe hatte dagegen keinen Einfluss. Literatur [1] B 12: Korrosionsmonitoring bei Stahl und Spannbetonbauwerken. techn. Merkblatt, Ausgabe April 2018. [2] Catharin, P.; Federspiel, H.: Der elektrische Widerstand des Betons. In: Elektrotechnik und Maschinenbau 89, 1972, 89, 399-407. [3] Raupach, M.: Zur chloridinduzierten Makroelementkorrosion von Stahl in Beton. Zugl.: Aachen, Techn. Hochsch., Diss, Deutscher Ausschuß für Stahlbeton Heft 433, Beuth, Berlin, 1992. [4] Mayer, T.F.; Gehlen, C.; Dauberschmidt, C.: Corrosion monitoring in concrete. In: : Techniques for Corrosion Monitoring. Elsevier, 2021, S. 379-405. [5] Sodeikat, C.: Feuchtesensoren in der Bauwerksüberwachung. In: Beton- und Stahlbetonbau 105 (2010), Heft 12, S. 770-777. https: / / doi. org/ 10.1002/ best.201000058. [6] Raupach, M.; Dauberschmidt, C.; Warkus, J.: Indirekte Bestimmung der Feuchteverteilung in zementösen Baustoffen durch Elektrolytwiderstandsmessungen. In: Soil Moisture Group der Universität Karlsruhe und des Forschungszentrums Karlsruhe (Hrsg.): Kolloquium mit Workshop Innovative Feuchtemessung in Forschung und Praxis, Karlsruhe, 2003.