eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 8/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
21
2023
81

Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX

21
2023
Cynthia Morales Cruz
Kevin Kriescher
Michael Raupach
Im Zuge der Bauwerksinspektionen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts (WSA), zuletzt im Jahr 2019, wurde eine instandsetzungsbedürftigte Arbeitsfuge im östlichen Umlaufkanal der Westkammer der Schleuse Anderten festgestellt. Im folgenden Beitrag werden die vier geplanten Einzelmaßnahmen zur Wiedergewinnung und dauerhaften Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit der Kammerwand und des Umlaufkanals nach einem Konzept der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) [1] erläutert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Maßnahme 4, die Instandsetzung des Umlaufkanals mittels textilbewehrtem Spritzbeton in Anlehnung an das BAWMerkblatt „Flächige Instandsetzung von Wasserbauwerken mit textilbewehrten Mörtel- und Betonschichten (MITEX)“, Ausgabe 2019. Die ausgewählten Materialien und der Nachweis ihrer Verwendung werden ebenfalls erläutert. Neben den wesentlichen Abläufen des Instandsetzungskonzepts werden die wichtigsten Ergebnisse von Laborversuchen an Bohrkernen aus dem Umlaufkanal sowie an eigens hergestellten Verbundkörpern aus der Konzeptphase vorgestellt.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 297 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Konzept und Laborversuche Dr.-Ing. Cynthia Morales Cruz Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Kevin Kriescher, M.-Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Zusammenfassung Im Zuge der Bauwerksinspektionen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts (WSA), zuletzt im Jahr 2019, wurde eine instandsetzungsbedürftigte Arbeitsfuge im östlichen Umlaufkanal der Westkammer der Schleuse Anderten festgestellt. Im folgenden Beitrag werden die vier geplanten Einzelmaßnahmen zur Wiedergewinnung und dauerhaften Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit der Kammerwand und des Umlaufkanals nach einem Konzept der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) [1] erläutert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Maßnahme 4, die Instandsetzung des Umlaufkanals mittels textilbewehrtem Spritzbeton in Anlehnung an das BAWMerkblatt „Flächige Instandsetzung von Wasserbauwerken mit textilbewehrten Mörtel- und Betonschichten (MITEX)“, Ausgabe 2019. Die ausgewählten Materialien und der Nachweis ihrer Verwendung werden ebenfalls erläutert. Neben den wesentlichen Abläufen des Instandsetzungskonzepts werden die wichtigsten Ergebnisse von Laborversuchen an Bohrkernen aus dem Umlaufkanal sowie an eigens hergestellten Verbundkörpern aus der Konzeptphase vorgestellt. 1. Einführung Die Schleusenanlage Anderten liegt bei Kanal-km 174,24 östlich von Hannover-Anderten und ist die größte Schleuse am Mittellandkanal [2]. Dabei handelt es sich aus technischer, konstruktiver und hydraulischer Sicht um ein herausragendes Bauwerk der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) [1]. Die Schleuse wurde 1928 mit zwei Kammern mit je einer Nutzlänge von 214-m und einer nutzbaren Breite von 11,6-m in Betrieb genommen (z.-B. [1, 2]) und entspricht damit immer noch den Anforderungen des modernen Schiffsverkehrs [2]. Die Hubhöhe der Schleuse zwischen der Westhaltung (UW+- 50,30- m ü. NN) und der Scheitelhaltung (OW +-65-m ü. NN) beträgt 14,70-m [2]. Natürliche Wasserzuflüsse sind in der Scheitelhaltung nicht vorhanden [2]. Um den Wasserverbrauch der Schleuse gering zu halten, wurde die Schleuse als Doppelsparschleuse konzipiert [2]. Die Doppelsparschleuse hat fünf übereinanderliegende Sparbeckenebenen, welche seitlich an den Kammern angeordnet sind [z.-B.-1]. Die Sparbecken sind in Längsrichtung zusätzlich in fünf je 42,3- m lange Blöcke, sogenannte Speicher, unterteilt [z.-B.-1]. Während die außenliegenden Sparbecken erdhinterfüllt sind, sind die Inneren im Bereich der Gründung monolithisch verbunden und oberhalb der ersten Sparbeckensohle durch eine entwässernde Fuge voneinander getrennt [z.-B.-1]. Die Speicher sind mit Erdreich überschüttet [z.-B.-1]. Im Gründungsbereich unterhalb der Speicher befinden sich die Überlaufkanäle für die Sparbecken sowie die Umlaufkanäle [z.-B.-1]. Der Wasseraustausch von den Sparbecken zur Kammer erfolgt über Zylinderschütze in den Zentralschächten [3]. Von dort fließt das Wasser durch den Umlaufkanal (Durchmesser 2,60-m) über kleinere Stichkanäle (Durchmesser 0,90-m) in die Kammer [3]. Mit Hilfe der 50 Sparbecken je Kammer, werden bis zu 75-% des Schleusenwassers eingespart [2]. Über das Pumpwerk wird die Bewirtschaftung der Scheitelhaltung oberhalb der Schleuse ermöglicht [2]. Bei den Bauwerksinspektionen von 2006, 2012 und 2019 des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Braunschweig zeigte sich eine Schadenszunahme an einem kammerseitigen, horizontalen Riss (Arbeitsfuge) im östliche Umlaufkanal der Westkammer sowie in der Schleusenwand. Der Längsriss befindet sich auf einer Höhe von 2-m und durchläuft mit einer Rissbreite von bis zu 2,5-mm die gesamte Länge des Umlaufkanals. Der Riss setzt sich mit geringerer Ausprägung auch auf der von der Kammerwand abgewandten Seite des Umlaufkanals, auf Seiten des Überlaufkanals, in vergleichbarer Höhe 298 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX weiter über den Querschnitt fort. Stellenweise sind Ausblühungen und Aussinterungen im Rissbereich erkennbar. Durch zusätzliche Betonabplatzungen und -ausbrüche sind an mehreren Stellen die Bewehrungseisen freigelegt. Die sichtbaren, vertikalen Bewehrungsstäbe weisen eine leichte abtragende Korrosion an der Oberfläche auf und sind stellenweise durchtrennt. [1] Nach statischen Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in [1] ist der vorhandene Bewehrungsgehalt für den Grenzzustand der Tragfähigkeit ausreichend. Ferner zeigten FEM-Berechnungen, dass große Zwangsbeanspruchungen infolge jahreszeitlicher Temperaturschwankungen für die auffälligen Risse in der Arbeitsfuge verantwortlich sind, welche über der Streckgrenze des Bewehrungsstahls liegen können. Darüber hinaus befinden sich Schäden im Bereich der gemauerten Blockfugen, die alle 42,3-m angeordnet wurden. Die ausgeprägten, vertikal verlaufenden Risse entlang der Mauerziegel deuten auf eine bewegliche Fuge hin. [1] Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Instandsetzungsmaßnahmen am Bauwerk durchgeführt. Beispielsweise wurde im Jahr 1976 der Großteil der Kammerwände durch eine Vorsatzschale ergänzt [3]. Weitere Maßnahmen waren die Anordnung von lokal bzw. streifenförmig bewehrten Mörtelschichten und die flächige Mörtelauskleidung der gesamten Umlaufkanalinnenflächen. Um die weitere, langfristige Nutzung des Bauwerks zu gewährleisten, wird derzeit ein ca. 23-m langes Teilstück zwischen Speicher 2 und 3 des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten probeinstandgesetzt [3]. Dieser Bereich wurde aufgrund der unterschiedlichen Querschnitte in den Speichern 1 und 2 bzw. 3 bis 5 gewählt. Ziel dieser Probeinstandsetzung ist es, technische und fiskalische Planungssicherheit für die Gesamtmaßnahme zu erlangen [1]. Um die Wirksamkeit der Maßnahmen später bewerten zu können, wird ein Riss- und Korrosionsmonitoring seitens des Instituts für Baustoffforschung der RWTH Aachen Universtiy (ibac) installiert. Im Folgenden werden die geplanten Maßnahmen 1-4 sowie deren Zweckmäßigkeit zur Instandsetzung der Kammerwand und des Umlaufkanals der Westkammer zusammengefasst, wobei der Schwerpunkt auf Maßnahme 4, der Instandsetzung des Umlaufkanals mittels textilbewehrtem Spritzbeton in Anlehnung an das BAWMerkblatt „Flächige Instandsetzung von Wasserbauwerken mit textilbewehrten Mörtel- und Betonschichten (MITEX)“, Ausgabe 2019 [4], liegt. Das Institut für Baustoffforschung (ibac) wurde gemeinsam mit der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) mit der Ausarbeitung eines Instandsetzungskonzepts sowie der Durchführung von Laborversuchen für Maßnahme 4 beauftragt. Dieser Beitrag zeigt hierzu die wesentlichen Schritte sowie die Überlegungen zu den Anforderungen an die Materialien des Instandsetzungskonzepts auf. Darüber hinaus werden die wichtigsten Ergebnisse von Laborversuchen an Bohrkernen aus dem Umlaufkanal und an im Labor hergestellten Verbundkörpern aus der Konzeptphase vorgestellt. 2. Beschreibung der Instandsetzungsmaßnahme 2.1 Instandsetzungsziele Auf Basis der Beurteilung des Ist-Zustands sowie der Ursachenklärung im BAW-Gutachten „Begutachtung des Schadensfalls im östlichen Umlaufkanal der Westkammer der Schleuse Anderten“ [1] wurden Empfehlungen zur Instandsetzung der Kammerwand und des Umlaufkanals formuliert. Die Instandsetzungsziele lauten wie folgt: I. „Unterbinden der Wasserdurchströmung in der geschädigten Arbeitsfuge zwischen Kammer und Umlaufkanal zur Verhinderung bzw. Minimierung weiterer Korrosion der Bewehrung II. Ertüchtigung der Randzone der Kammerwand zur Wiederherstellung bzw. Erhöhung der Gebrauchstauglichkeit, zur Verbesserung des Bauteilwiderstands hinsichtlich Wasserundurchlässigkeit und Verschleiß sowie zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung III. Ertüchtigung der Randzone des Umlaufkanals insbesondere im Bereich der Längsrisse (Arbeitsfuge) zur Wiederherstellung bzw. Erhöhung der Gebrauchstauglichkeit, zur Verbesserung des Bauteilwiderstands hinsichtlich Wasserundurchlässigkeit und Verschleiß infolge hydraulischer Beanspruchung sowie zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung.“ 2.2 Instandsetzungsmaßnahmen Zur Erreichung der Instandsetzungsziele I und II wurden auf Empfehlung der BAW die folgenden in [3] beschriebenen Maßnahmen gewählt: 1. Ersatz des unteren Kammerwandabschnitts durch Installation einer bewehrten und verankerten Vorsatzschale aus Beton (Dicke ≈65- cm, Höhe =- 4,50- m). Dadurch wird nicht nur eine dichte Betonoberfläche mit begrenzten Rissbreiten erreicht, sondern auch ein neuer wirksamer Korrosionsschutz für die vorhandene Bewehrung geschaffen. Unsicherheiten hinsichtlich der vorhandenen Bewehrung (z.-B. Menge, Verlegegeometrie und Zustand) können ebenfalls kompensiert werden. 2. Einbohren zusätzlicher Bewehrungsstäbe seitlich des Umlaufkanals, um die Arbeitsfuge zu vernadeln und somit den betriebsbedingten zyklisch auftretenden Risswasserdruck sowie die temperaturbedingten, jahreszeitlichen Dehnungen zu begrenzen. 3. Injektion der Risse und Hohlräume des Umlaufkanals mit zementgebundenen Materialien, um die Passivität der Bewehrungsoberfläche im Rissbereich wiederherzustellen. Zur Erreichung des Ziels III sowie zur Unterstützung hinsichtlich Instandsetzungsziel I soll ein Instandsetzungssystem in Anlehnung an [4], in einer Schichtdicke von mindestens 30 bis maximal 40 mm aufgebracht werden. Dabei handelt es sich um ein weiteres Verfahren zu den in Abschnitt 0.5 der ZTV-W LB 219, Ausgabe 2017, aufgelisteten Instandsetzungsverfahren für die 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 299 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX flächige Instandsetzung von Wasserbauwerken, welches Rissbreitenänderungen im Untergrund berücksichtigt. Nachfolgend wird die Maßnahme beschrieben: 4. Ersatz der vorhandenen Mörtelschichtauskleidung im Umlaufkanal (s. Abschnitt 3.1) durch die flächige Applikation eines textilbewehrten Spritzbetons in Anlehnung an [4]. Dadurch wird eine Beeinträchtigung der hydraulischen Leistung der Schleuse ausgeschlossen. Die Maßnahme 4 wird nach Abschluss der Maßnahmen 3 (Rissinjektion) und 2 (Einbohren zusätzlicher Bewehrungsstäbe), ausgeführt. Das Monitoringsystem wird während Maßnahme 4, nach der Untergrundvorbereitung und vor der Applikation des Enthaftungsmaterials, durch das ibac installiert. In Abbildung-1 ist eine Skizze der Maßnahmen 1-4 gemäß [1] dargestellt. Zusätzlich sind Einzelmaßnahmen geplant, die parallel zu den Maßnahmen 1-4 durchgeführt werden: 5. Ausbesserung von Betonausbrüchen an zwei Betonierfugen der Vorsatzschale. 6. Instandsetzung der Sohle der Schleusenkammer auf einer Fläche von ca. 250-m². Abb. 1: Skizze der geplanten Maßnahmen 1-4 gemäß [1] 3. Baustoffe 3.1 Bestandskonstruktion Am ibac wurden Laboruntersuchungen an vier Bohrkernen mit einem Durchmesser von 100-mm und einer Länge von mindestens 275-mm zur Ermittlung von Baustoffkennwerten durchgeführt. Die Bohrungen erfolgten von der Umlaufkanalseite aus zwischen Speicher 2 und 3. Alle Bohrkerne wiesen auf der Stirnseite eine ca. 1,6-cm dicke Mörtelschicht auf. Gemäß bauzeitlicher Veröffentlichungen zum Schleusenbau wurde dieser als „Torkretbeton“ auf den Bauteiloberflächen aufgetragen [1]. Abb. 2: Mantelfläche des Bohrkerns (K4) mit Darstellung der Untersuchungsmethodik Die Bestimmung der Mörtelschichtdicke erfolgte an jeweils 10 Stellen je Bohrkern. Aus den Bohrkernen wurden anschließend Prüfkörper zur Ermittlung der Druckfestigkeit, des statischen sowie dynamischen E-Moduls, der tiefengestaffelten Oberflächenzugfestigkeit und der Verschleißfestigkeit vorbereitet. An der Mörtelschicht wurde lediglich die Verschleißfestigkeit, die Druckfestigkeit an Würfeln mit einer Kantenlänge von 25 mm und zum Vergleich die Fugendruckfestigkeit an Quadern mit den Abmessungen 50 x 50 x 10 (L x B x H) in mm geprüft. Abbildung 2 veranschaulicht die Lage der Prüfstellen an den Bohrkernen. Tab. 1: Zusammenfassung der Laborergebnisse an Bohrkernen aus dem Umlaufkanal Prüfung Einheit Norm Material Mörtel Beton Mörtelschichtdicke (MW ± s/ gEW) mm - 16,3 ± 6,9/ 30 n. b. Druckfestigkeit (MW ± s) N/ mm² DIN EN 12390-3: 2019 25,3 ± 11,4 20,6 ± 4,0 Fugendruckfestigkeit (MW-±-s) DIN 18555-9 57,1 ± 18,6 n. b. Stat. E-Modul (MW ± s) DIN EN 12390-13: 2014 n. b. 19000 ± 6500 Oberflächenzugfestigkeit (Gesamttiefe 30-40 mm MW ± s/ Gesamttiefe 45-120 mm MW ± s) DIN EN 1542: 1999 n. b. 0,8 ± 0,7 / 1,6 ± 0,9 Verschleißwiderstand (MW ± s) bzw. (kEW - gEW) cm³ DIN EN 13892-3: 2015 10 ± 1,6 5,2 - 11,1 MW: Mittelwert s: Standardabweichung gEW: größter Einzelwert kEW: kleinster Einzelwert 300 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Eine Übersicht der durchgeführten Prüfungen und deren Ergebnisse sind in Tabelle 1 zu finden. Die ermittelten Druckfestigkeiten variieren zwischen 18,2 und 26,6 N/ mm². Die mittlere Oberflächenzugfestigkeit im oberflächennahen Bereich (30-40 mm ab Bohrkern Oberkante) beträgt 0,8 N/ mm² und der kleinste Einzelwert 0,3 N/ mm². Die Streuung der Ergebnisse ist unter Berücksichtigung des 90 mm Größtkorns und den Abmessungen der Bohrkerne (50 mm) als angemessen zu bewerten. In den tiefer liegenden Bereichen liegt die mittlere Oberflächenzugfestigkeit bei 1,6 N/ mm² und der kleinste Einzelwert bei 0,7 N/ mm². Die Werte deuten auf eine Variation des Betons in Abhängigkeit der Tiefenlage hin. Aufgrund der Ergebnisse der Oberflächenzugfestigkeit und der Druckfestigkeit lässt sich der Beton in die Altbetonklasse A2 nach ZTV-W LB 219 einordnen. 3.2 Materialien des Instandsetzungssystems Auf Basis des Ist-Zustands des Umlaufkanals (s. Abschnitt 3.1) und der Erkenntnisse aus [5] wurde ein Instandsetzungssystem bestehend aus einem an den Betonuntergrund (hier Altbetonklasse A2) angepassten Spritzbeton (SRC-A2) gemäß ZTV-W-LB-219, Abschnitt 5 und einer oberflächenmodifizierten textilen Carbonbewehrung gewählt (solidian ANTICRACK Q85-CCE-21). Die in den Spritzbeton eingebettete textile Carbonbewehrung ermöglicht die Realisierung von dünnen, bewehrten Schichten. Bei Rissen mit einer Rissbreitenänderung 0,2-mm-<-Dw op -≤-0,4-mm (vgl. [4], Rissüberbrückungsklasse (RÜK) 3), kommt zudem ein Enthaftungsmaterial zur Anwendung [4]. Das Enthaftungsmaterial (mineralische Dichtungsschicht) soll im Bereich der Arbeitsfuge den Verbund zwischen Untergrundbeton und textilbewehrtem Spritzbeton verhindern und so zu einer Erhöhung der freien Dehnlänge des textilbewehrten Spritzbetons führen. Infolge der maximalen jahreszeitlichen Rissbreitenänderung Dw verteilt sich so die Rissöffnung aus dem Betonuntergrund in der gespritzten Textilbetonschicht im Bereich des Enthaftungsmaterials auf mehrere Risse mit Einzelrissbreiten w i -<-0,1-mm. Diese sind aus technischer Sicht wasserundurchlässig (s. Abbildung-3). Mit dem gewählten Instandsetzungssystem soll zum einen die Restlebensdauer des Umlaufkanals um 30 bis 50 Jahre bei geringerem Instandhaltungsaufwand verlängert werden. Zum anderen werden erhebliche Mengen an Beton/ Mörtel sowie Stahl eingespart [4]. Der Nachweis der Verwendbarkeit der Einzelkomponenten (Spritzbeton, textile Carbonbewehrung und Enthaftungsmaterial) sowie der Nachweis der Verwendbarkeit des Instandsetzungssystems (Systemprüfung) für das Belastungsszenario 1a nach [4] für die RÜK-3 liegt bereits vor. Abb.-3: Rissverteilungsanalyse mittels DIC. Links: Einzelrissbreiten-Rissöffnungskurven bzw. Kraft-Rissöffnungskurve, rechts: Darstellung der Hauptformänderung im Messbereich bei einer Rissöffnung von ca. 0,7-mm [5] 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 301 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX 3.3 Konzept zur Ausführung Auf Grundlage von [1] läuft die Probeinstandsetzung eines Umlaufkanals zwischen Speicher 2 und 3 von ca. 23-m Länge seit Oktober-2022. Die Applikation der 30-mm (max. 40-mm) dicken Instandsetzungsschicht ist ausschließlich im Bereich des Umlaufkanals mit einem Neigungswinkel von mind. 45° zur Bodenfläche geplant, um Spritzschatten bzw. Fehlstellenbildung zu vermeiden. Die instandzusetzende Innenfläche des Umlaufkanals wird nach ZTV-W LB 219, Abschnitt 2.2.2 vorbehandelt. Die erforderliche Rauheit liegt zwischen 1,5 und 3,0-mm. Die angestrebte Abtragtiefe beträgt 30-mm. Durch letztere soll erreicht werden, dass die Kanten der Instandsetzungsschicht bündig an die alte, nicht zu entfernende Mörtelschicht anschließt (s. Abbildung-4). Die abzutragende Fläche besteht aus einer ca. 16-mm dicken Mörtelschicht mit anschließendem A2-Beton (s.-Tabelle-1). Um den Verlegeplan der textilen Carbonbewehrung und die Lage der planmäßigen Enthaftungsbereiche sowie der Risssensoren festlegen zu können, ist eine sorgfältige Erfassung aller in der Innenfläche des Umlaufkanals befindlichen Risse inkl. Rissbreite, Rissverlauf sowie Rissart erforderlich. Die Gesamtfläche wird in 4 Teilbereiche (TB) gemäß Abbildung-5 aufgeteilt. Davon werden ca. 6-m als Referenzfläche (TB4) unbewehrt und unverankert, nach ZTV- W-LB-219, Abschnitt-5, ausgeführt. Die Randbereiche der einzelnen TBs sowie der Blockfuge werden ausnahmslos verankert. Hierzu wird 1 Anker je m² gesetzt. Dabei handelt es sich um Verbundanker aus nicht rostendem Stahl-A4 (im Folgenden Ankertyp-1 genannt) bestehend aus je einer M10- x- 260 Ankerstange mit oberflächenmodifizierter Sechskantmutter nach DIN-439: 1972 M10 Form-B aus nichtrostendem Stahl-A4 und oberflächenmodifizierter Unterlegscheibe nach DIN-9021: 1990---10.5 ebenfalls aus nichtrostendem Stahl-A4. Abb.-4: Geplanter Einsatzbereich des Instandsetzungssystems Abb.-5: Teilwandansicht, Teilbereiche der Maßnahme-4 302 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Bei TB2, TB3 und TB4 wird in den Bereichen, in denen bewegliche Risse und Arbeitsfugen vorhanden sind, die zu Undichtigkeiten führen können, eine flexible mineralische Dichtungsschlämme beidseitig des Risses/ der Arbeitsfuge in Form eines min. 10 cm breiten Streifens aufgetragen, was zu einer Gesamtbreite von min. 20 cm führt. Die Sollschichtdicke nach zweilagigem Auftrag beträgt 3 mm. Nach Aushärtung des Enthaftungsmaterials wird der textilbewehrte Spritzbeton lagenweise aufgetragen. Abb.-6: Variation des Enthaftungsmaterials. Oben: mit mineralischem Dichtungsschlamm (Breite-=-20-cm), unten: ohne Enthaftungsmaterial. Links: Einzelrissbreitenauswertung in 8 Ebenen über die Dicke der Instandsetzungschicht, rechts: Darstellung der Hauptformänderung bei einer Rissöffnung von 0,6-mm. Abbildung 6 veranschaulicht den Einfluss der Rissentkopplung mittels Enthaftungsmaterial. Bei sonst identischer Materialzusammensetzung ist das Rissbild mit Enthaftungsbereich vorhersehbar, da die Risse, wie in [5] gezeigt, in einem regelmäßigen Abstand, hier ca. 21-mm, entsprechend der Maschenweite der Carbonbewehrung, verlaufen. Abbildung-6 zeigt die Einzelrissbreiten entlang des Messbereichs von 240-mm sowie die Rissverteilung in der Textilbetonschicht ausgehend von einer Rissöffnung von 0,6- mm. Bei dem Probekörper ohne Enthaftungsmaterial (Abbildung 6 unten rechts) schlägt der Riss aus dem Untergrundbeton erwartungsgemäß durch. Es entstehen jedoch mehrere Risse, was auf den guten Verbund zwischen Bewehrung und Mörtel zurückgeführt werden kann. Die maximale Rissbreite mit Enthaftungsmaterial beträgt 0,094-mm, ohne dagegen 0,258-mm. Für die Bemessung der Tragfähigkeit der Anker und der Vorsatzschale ist der Riss- und Porenwasserdruck mit einem Wert von 5-mWS maßgebend. Die Verankerung der textilbewehrten Spritzbetonschicht erfolgt anhand zwei verschiedener Ankertypen (s. Abbildung-7), die Bereichsweise (TB2 und TB3) eingesetzt werden. In beiden TB werden aus konstruktiven Gründen 2-Anker pro m² und zusätzlich am Rand des Enthaftungsbereich alle 30-m ein Anker gesetzt. Der TB1 wird zum Vergleich nicht verankert (Ausnahme: Randbereich). Folgende zwei Ankertypen werden eingesetzt: • Ankertyp 1 (Verbundanker aus nichtrostendem Stahl A4) für TB2 • Ankertyp 2 (nichtmetallischer Anker, solidian L-Shape 300 der Fa. solidian) für TB3 Bei dem Ankertyp 1 handelt sich um den bereits oben beschriebenen Anker, welcher für die Verankerung des gesamten Randbereichs (s. Abbildung 5) von Maßnahme 4 verwendet wird. Der Einbau erfolgt vor der Applikation des Instandsetzungsmörtels. Der Einbau von Ankertyp 2 erfolgt mit Ausnahme der Variation des Bohrlochdurchmessers (hier 10 mm) im Untergrundbeton analog zum Ankertyp 1. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 303 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Abb.-7: Skizze zum Einbau der Verankerung. Oben: Ankertyp-1 für TB2 sowie Randverankerung, unten: Ankertyp-2 für TB3 4. Laboruntersuchungen an Verbundkörpern 4.1 Materialien und Proben Die Erweiterung dieses Instandsetzungsverfahrens wird mit Laborversuchen des ibac parallel zur Probeinstandsetzung begleitet. Die Ergebnisse der bislang durchgeführten Tests in [5] bestätigen die Eignung des Verbundwerkstoffs für diesen Zweck. Unter anderem haben die Laboruntersuchungen bereits gezeigt, dass die Bewegungen der Risse/ Arbeitsfugen in der textilbewehrten Spritzbetonschicht durch die Bildung vieler, sehr feiner Risse (Einzelrissbreite w i <-0,1-mm) aufgenommen werden, wodurch das Eindringen von Wasser in ausreichendem Maße behindert wird. In zyklischen Zugschwellversuchen mit rückseitigem Wasserdruck sowie unter Bewitterung (Gewitterregen und Frost-Tau-Wechselbeanspruchung) wurde nachgewiesen, dass diese feinen Risse auch langfristig zu keiner Beeinträchtigung der Dichtigkeit der Schicht führen [5]. Durch Haftzugversuche konnte ein dauerhafter Haftverbund der textilbewehrten Spritzbetonschicht auf dem vorbereiteten Betonuntergrund belegt werden [5]. Ergänzend zu den bisherigen Laboruntersuchungen wurden drei Rissüberbrückungskörper mit den Abmessungen 700-x-100-x-90-(L-x-B-x-D) in mm nach [5] untersucht, um den Einfluss des Poren- und Risswasserdrucks bei zyklischer Zugschwellbelastung von Instandsetzungsschichten in Anlehnung an [4] mit ausreichender Sicherheit zu untersuchen. Die Herstellung der textilbewehrten Carbonbetonschicht erfolgte mit einem steiferen Mörtel, um größere Rissbreiten zu erhalten, als sie im Umlaufkanal zu erwarten sind. Der Prüfkörper Nr.-1 wurde bis zum Versagen statisch aufgeweitet. Die beiden anderen wurden einer kombinierten zyklischen Belastung mit rückseitigem Wasserdruck (0,5-bar) unterzogen. Bei allen drei Proben wurden die Rissverteilung und einzelnen Rissbreiten mittels DIC analysiert. Die Probekörper bestanden aus einem normalfesten Instandsetzungsmörtel (im Folgenden RM-A4 genannt) in Kombination mit einer heißhärtenden Epoxidharz (EP)getränkten textilen Carbonbewehrung, die anschließend mit einer EP-Beschichtung oberflächenmodifiziert und mit Quarzsand besandet wurde (im Folgenden Q85b genannt) und einem 20-cm breiten Poly(butylmethacrylat)- Klebeband (im Folgenden DT-1 genannt) als Enthaftungsmaterial. Als Betonuntergrund wurde die entsprechende Altbetonklasse A4 nach [6] gewählt. Die Herstellung der Rissüberbrückungskörper erfolgte wie in [5] beschrieben. Ein 20-cm breiter Enthaftungsstreifen wurde symmetrisch über den Riss des gerissenen Betonuntergrunds aufgebracht. Vor dem Auf bringen der textilbewehrten Carbonbetonschicht wurde die Oberfläche des Altbetons 24 Stunden lang vorgenässt. Die Applikation der textilbewehrten Carbonbetonschicht erfolgte manuell mittels Handlaminiertechnik. Sie wurde in fünf Schichten mit zwei symmetrisch eingebetteten Lagen der Q85b Bewehrung (Bewehrungsgrad ω t von 0,60-%) hergestellt und war insgesamt 30-mm dick. Die Mörteldeckung betrug ca. 8-mm. Vor dem Verkleben der starren Rissüberbrückungskörper auf die Trägerplatten, wurden die Proben Nr. 2 und 3 zusätzlich präpariert, um einen Poren- und Risswasserdruck zu ermöglichen [5]. Nach 56 Tagen wurden die Rückseiten der Rissüberbrückungskörper auf Edelstahlträgerplatten geklebt. Diese Trägerplatten sind zur Befestigung an Untergestell und Kopfrahmen mit Bohrungen versehen. Die für die Proben Nr. 2 und 3 verwendeten Stahlplatten besitzen eingefräste Taschen sowie zusätzliche Bohrungen zur Wasserableitung. Anschließend wurden zwei induktive Wegaufnehmer mit einem Messbe- 304 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX reich von +/ --1-mm im Rissbereich des Betonuntergrunds positioniert. Der in [5] entwickelte Versuchsaufbau lässt den Wasserdruck auf die Rückseite der Instandsetzungsschicht wirken, d.-h. in der Verbundebene zwischen dem gerissenen Betonuntergrund und dem Enthaftungssmaterial. Ausgehend von den wassergefüllten Taschen in den Trägerplatten dringt das Wasser durch Kapillarsog bis zur Sättigung in den Untergrund ein. Gleichzeitig wird das Wasser durch den gerissenen Untergrund zum Enthaftungsmaterial gedrückt. In diesem Fall wurde das Material DT-1 verwendet, welches ungerissen blieb. Dies führt dazu, dass das Wasser unter das Enthaftungsmaterial fließt. Zur Beurteilung der Rissbildung und -entwicklung in der Instandsetzungsschicht mit dem optischen 3D-Messsystem ARAMIS ® der Fa. Carl Zeiss GOM Metrology GmbH wurde ein 250-mm langes stochastisches Muster im Bereich des Enthaftungsmaterials innerhalb der textilbewehrte Carbonbetonschicht wie in [5] aufgebracht. Mit Ausnahme des Ausschnitts für die digitale Bildkorrelationsanalyse (DIC) wurden die Proben Nr.-2 und 3 zusätzlich mit der in [5] entwickelten Versiegelungsmethode versiegelt, um ein seitliches Austreten von Wasser zu verhindern und einen konstanten Wasserdruck zu gewährleisten. Im Anschluss an die DIC-Messung wurde der restliche Bereich versiegelt. 4.2 Rissverteilungsprüfung Für die Versuche wurde der in [5] beschriebene einachsige Rissüberbrückungsversuch mit der Kriechprüfmaschine und dem Führungsauf bau verwendet. Der Versuchsauf bau ermöglicht sowohl statische (d.-h. Kurzzeit-) als auch Langzeitversuche (bis zu 10000 Stunden) und verfügt über eine eingebaute Spritzwasserschutzvorrichtung zum Schutz der Maschinenausrüstung. Während der Prüfung wurde die Kraft, der Traversenweg und die Dehnung der RÜKs mit einer Rate von 10-Hz aufgezeichnet. Der Probekörper Nr.-1 wurde, wie bereits beschrieben, nur einmal aufgeweitet. Dazu wurde der Betonuntergrund mit einer konstanten Prüfgeschwindigkeit von 0,05-mm/ min auf ca. 1,5-mm aufgeweitet. Das Versagen erfolgte im Betonuntergrund. Die Bewehrung erreichte eine Textilspannung von 1300-N/ mm². Dies entspricht ca. 33-% der maximalen Zugbelastung der textilbewehrten Carbonbetonschicht. In Abbildung- 8 links ist die Entwicklung der einzelnen Risse in der textilbewehrten Carbonbetonschicht während des Rissbildungsversuchs in der Kraft-Rissöffnungs-Kurve (d.-h. WA,m) der Probe Nr.-1 dargestellt. Die Spannungsabfälle in der Textilspannungs-Rissöffnungskurve entsprechen der Rissbildung. Zeitgleich zur Zugbelastung nahm das 3D-Messsystem mit 0,2-Hz Bilder der Probe Nr.-1 auf. Die Deformationsanalyse wurde seitlich am Probekörper durchgeführt, so dass die Rissverteilung entlang der Schichtdicke untersucht werden konnte. Die Auswertung erfolgte mit der Software GOM Correlate Professional. Die einzelnen Rissbreiten innerhalb des Enthaftungsmaterials wurden über die gesamte Dicke der textilbewehrte Carbonbetonschicht an den Schnittpunkten mit 3 Hilfslinien gemessen, die jeweils in der Mitte der RM-A4-Schicht nach [5] lagen. Dies reichte aus, um die mittlere Rissbreite w m , die maximale Rissbreite w max und das 95-%-Quantil w 0,95 statistisch zu validieren. Ausführlichere Informationen zur Deformationsanalyse finden sich in [5]. Abbildung- 8 rechts zeigt die Rissverteilung mit einer Hauptformveränderung ε max in % bei WA, m = 0,6-mm. Die Berechnungsmaske wurde hierbei über den Betonuntergrund gelegt. Die grün dargestellte Berechnungsmaske mit ca. 205- mm Länge (x-Richtung) umfasst das komplette Enthaftungsmaterial. Die Hauptformveränderung ε max des Probekörpers gegenüber der Referenz ist zwischen 0 und 1,5-% skaliert. Auf diese Weise können Risse und mögliche Enthaftungen innerhalb der textilbewehrten Carbonbetonschicht sichtbar gemacht werden. In Abbildung-8 rechts sind insgesamt 11 durchgehende Risse zu sehen, die innerhalb des DIC-Messbereichs durch die Instandsetzungsschicht verlaufen. Der Riss am rechten Rand des Messbereiches kann nicht vollständig gemessen werden und wird daher nicht in die Rissanalyse mit einbezogen. Abb.-8: Analyse der Rissüberbrückungsfähigkeit der Probe Nr.-1. Links: Textilspannungs-Rissöffnungskurve, rechts: Visualisierung der einzelnen Risse innerhalb des Messbereichs (Seitenansicht) 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 305 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Die Risse entwickeln sich analog zu den Befunden in [5] mit Rissabständen in Höhe der einzelnen Rovingachsabständen (sog. Maschenweite) von 21 mm. Bis zu einer Rissöffnung von 0,6 mm ist die Rissbildung innerhalb des Enthaftungsmaterials nicht vollständig. Die Rissbreiten w m , w max und w 0,95 betrugen entsprechend 0,059; 0,084 und 0,077 mm. Über die dargestellte Rissöffnung hinaus bildeten sich drei weitere Risse mit einer Rissöffnung von 0,98 mm. Bei dieser Rissöffnung betrugen die Rissbreiten w m , w max und w 0,95 0,068; 0,100 und 0,089 mm. Außerdem ist zu erkennen, dass die einzelnen Rissbreiten über die gesamte textilbewehrte Carbonbetonschicht variieren, was auf die Position der Bewehrung zurückzuführen ist [5]. Darüber hinaus ist in Analogie zu [5] eine Rissverzweigung in Form von v-förmigen Rissen durch die gesamte textilbewehrte Carbonbetonschicht zu beobachten. Dieses Verhalten wird auf den Versatz der Rovings im Schussfaden senkrecht zur Belastungsrichtung zurückgeführt. Wie in [5] gezeigt, entstehen Primärrisse entlang der Rovings senkrecht zur Belastungsrichtung. Entscheidend für den Wassertransport sind Trennrisse oder durchgehende Risse in der textilbewehrten Carbonbetonschicht. Die Teilung der Risse erfolgt in der Ebene der Bewehrung. In diesem Beispiel geschieht dies in der ersten Bewehrungslage bei mindestens 2 Rissen. 4.3 Zyklische Rissöffnung Die Probekörper Nr.-2 und 3 wurden einer Zugschwellbelastung unterzogen, um eine Rissöffnung und Rissverteilung in der Instandsetzungsschicht z.-B. durch Temperaturschwankungen zu simulieren. Analog zu [5] wurden die Proben auf den Mittelwert der induktiven Wegaufnehmer WA, m von 0,6-mm aufgeweitet und mit einer Kraft von 70-N entlastet. Die Probe Nr.-2 wurde zunächst 1000 Trockenzyklen unterzogen. Dies entspricht einer Dauer von ca. 2 Wochen. Die aus dem Mittelwert der Wegaufnehmer des zyklischen Zugversuchs des Rissüberbrückungskörpers Nr.-2 berechnete Textilspannungs-Rissöffnungskurve ist beispielhaft in Abbildung-9 links dargestellt. Beide Proben weisen im ersten Zyklus 10 Risse auf. Die folgenden 999 Zyklen verlaufen ohne Spannungsabfall entsprechend der oben genannten Kurve und damit ohne weitere Rissbildung. In Abbildung-9 links ist zu erkennen, dass der Mittelwert der Wegaufnehmer am Belastungsmaximum jedes Zyklus einen konstanten Wert anzeigt, während die maximale Textilspannung pro Zyklus in den ersten 10 Zyklen schnell abnimmt und sich dann einem konstanten Wert nähert. Dieses Verhalten wurde auch bei Probe Nr.-3 beobachtet. Abb.-9: Links: Textilspannungs-Rissöffnungskurve der Probe Nr.-2 unter zyklischer Zugschwellbelastung ohne (schwarze Linien) und mit rückseitigem Wasserdruck (blaue Linien), rechts: Einfluss der zyklischen Zugschwellbelastung auf die Rissbreiten 306 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Die Rissanalyse wurde an 8 verschiedenen Trockenzyklen der Proben Nr. 2 und 3 mittels DIC durchgeführt. Ähnlich wie bei den Untersuchungen in [5] wurde eine Verringerung der Rissbreiten während der Zugschwellbelastung beobachtet (s. Abbildung 9 rechts). Dies entspricht der reduzierten Textilspannung zwischen dem ersten und den folgenden Zyklen, die nach einigen Zyklen stagniert. 4.4 Zyklische Rissöffnung mit Poren- und Risswasserdruck Unmittelbar nach dem Start des 1001. Zyklus (d.-h. bei geringer Belastung) wurde ein Wasserdruck von 0,5-bar eingestellt. Der gewählte Wasserdruck entspricht einem mittleren Rückstaupegeln von Wehren in Deutschland [5]. Es wurde Leitungswasser mit einer Wasserhärte von 4,9°dH verwendet. Detaillierte Angaben zu den Randbedingungen finden sich in [5]. Die Probe Nr.-2 wurde mit einem konstanten rückseitigen Wasserdruck von 0,5-bar über 752 Zyklen belastet. Bereits nach der ersten Dehnung (Zyklus Nr.-1001) werden auf der Oberfläche der textilbewehrten Carbonbetonschicht, wie erwartet, im unteren Teil des DT-1-Materials feuchte Stellen sichtbar. Der untere Riss entspricht der unteren Begrenzung des DT-1-Materials. Bei der gewählten Grundkörperdicke wird zuerst der Risswasserdruck und dann, mit zeitlicher Verzögerung, der Porenwasserdruck wirksam. Diese Flecken nehmen zu Beginn des Versuchs an Größe zu (s. Abbildung-10, 1.-Tag), und die Anzahl der nassen Flecken entspricht der Anzahl der Risse in der textilbewehrten Carbonbetonschicht am 4. Tag. Diese bleiben jedoch zwischen dem 5. und dem 9. Tag konstant. Nach dem 9. Tag sind die ersten Zeichen der Selbstheilung (Verfärbung) zu beobachten. Während dieser Zeit heilt die Probe von selbst aus (s.-Abbildung-10, 13.-Tag). Unmittelbar danach wurde die Probe für weitere 106 Zyklen belastet, um zu zeigen, dass die Funktionalität des Reparatursystems nicht beeinträchtigt wurde. Nach einer weiteren Dehnung der Probe um 0,6-mm treten neue Risse außerhalb des Enthaftungsmaterials auf. Nach weiteren 10 Tagen wird die Probenoberfläche an mehreren Stellen trocken, was auch am Farbwechsel zu erkennen ist. Die Prüfung wurde nach insgesamt 23 Tagen beendet. An jedem Riss ist eine weiße Verfärbung zu erkennen. Abb.-10: Rissverteilung der Probe Nr.-2 bei zyklischer Belastung mit Poren- und Risswasserdruck zu verschiedenen Prüfzeiten Obwohl an der Oberfläche der textilbewehrten Betonschicht kein messbarer Wasseraustritt zu verzeichnen ist, kann dies nicht als Beweis für die Selbstheilung herangezogen werden. Daher wurde eine chemisch-mineralogische Untersuchung mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) einschließlich energiedispersiver Röntgenanalyse (EDX) durchgeführt, um die Ablagerungen auf den Rissen der Probe Nr. 2 zu charakterisieren. Die Durchführung erfolgte im Großkammer-REM der Zentraleinrichtung für Elektronenmikroskopie (GFE) der RWTH Aachen University. Abb.-11: Nahaufnahme eines Risses mit weißer Verfärbung (Maßstab in mm) Im Untersuchungsgebiet befinden sich Verfärbungen, die weißlich aussehen (s. Abbildung 11). Neben Sauerstoff, Natrium und Silizium wurden auch vergleichsweise große Mengen an Calcium gemessen. Probekörper Nr. 3 wurde insgesamt 7500 Zyklen unterzogen, davon 6900 mit rückseitigem Wasserdruck. Der Probekörper wurde 3420 Zyklen bis zu einer durchschnittlichen WA, m -Verschiebung von 0,6 mm ausgesetzt, gefolgt von weiteren 3561 Zyklen bis zu einer WA,m von ca. 0,7 mm (s. Abbildung 12 links). Anschließend wurden Haftzugversuche an dem Rissüberbrückungskörper senkrecht zur Bewehrungslage durchgeführt. Im Mittel beträgt die Haftzugfestigkeit der textilbewehrten Carbonbetonschicht 4,1 ± 0,6 N/ mm² und der kleinste Einzelwert 3,2 N/ mm². Es gibt messbare Unterschiede zwischen den Prüfstellen innerhalb und außerhalb des Enthaftungsmaterials. Außerhalb des Enthaftungsmaterials werden Werte von 4,5 ± 0,2 N/ mm² erreicht. Innerhalb des Enthaftungsmaterials erreicht die Haftzugfestigkeit nur einen Wert von 3,4 ± 0,3 N/ mm², was einem um 25 % niedrigeren Wert entspricht. Abbildung 12 rechts vergleicht die Haftzugfestigkeit nach statischer und zyklischer Beanspruchung. Die Ergebnisse zeigen, dass die Haftzugfestigkeit der zyklisch belasteten Probe (Nr. 3) um bis zu 7 % geringer ist als die der statisch belasteten Probe (Nr. 1). Verglichen mit der Zugfestigkeit des Betonuntergrundes (2,3 ± 0,2 N/ mm²) und den Anforderungen nach [4] liegen die ermittelten Wer- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 307 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX te auch nach statischer oder zyklischer Belastung auf der sicheren Seite. 5. Zusammenfassung Mit der Probeinstandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten wird erstmalig eine textilbewehrte Carbonbetonschicht, welche beidseitig mit Wasserdruck beansprucht wird, in einer realen Anwendung erprobt. Die in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX ausgelegte Instandsetzungsmaßnahme weist vielversprechende Eigenschaften auf, die dauerhafte Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit der Kammerwand und des Umlaufkanals zu gewährleisten. Die durchgeführten Laboruntersuchungen unterstreichen die Eignung der Maßnahme. Abb. 12: Links: Textilspannungs-Rissöffnungskurve des Rissüberbrückungskörpers Nr.-3 unter Zugschwellbelastung, rechts: Vergleich der Haftzugfestigkeit der textilbewehrten Carbonbetonschicht nach statischer oder zyklischer Belastung In Anlehnung an den Versuchsauf bau in [5] wurde eine weitere Materialkombination, bestehend aus einem normalfesten Reparaturmörtel RM-A4, der Q85b Bewehrung mit einer Maschenweite von 21 mm und dem 20 cm breiten Enthaftungsmaterial DT-1, einer zyklischen Belastung mit rückseitigem Wasserdruck unterzogen. Am Probekörper Nr. 2 wurden insgesamt 1850 Zyklen durchgeführt, am Probekörper Nr. 3 7560. Davon wurden 1000 bzw. 580 ohne Wasserdruck im Voraus durchgeführt. Dies entspricht einem Vielfachen der zu erwartenden Rissbewegung aufgrund jahreszeitlicher Temperaturschwankungen von Wasserbauwerken in Deutschland. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie sind im Folgenden zusammengefasst: • Die gewählte Materialkombination ermöglicht die gewünschten Rissbreiten (w max- <-0,1-mm) und ist sowohl für statische als auch für zyklische Rissöffnungen bis zu 0,6-mm geeignet • Weder die Haftzugfestigkeit noch das Zugtragverhalten der textilbewehrten Carbonbetonschicht werden durch die Zugschwellbelastung mit Poren- und Risswasserdruck beeinträchtigt. • Darüber hinaus wurde die Selbstheilungsfähigkeit der gewählten Materialkombination trotz zyklischer Belastung nachgewiesen. Es wurde beobachtet, dass gerissene Instandsetzungsschichten mit w max -=-0,084-mm unter Zugschwellbelastung bei einer konstanten Prüfgeschwindigkeit von 0,05- mm/ min (kolbengesteuert) mit einem Poren- und Risswasserdruck von 0,5-bar nach ca. 2-Wochen selbst heilen und wieder dicht werden können. Derzeit werden Studien zur Untersuchung der Dauerhaftigkeit von textilbewehrten Carbonbetonschichten ohne Enthaftungsmaterial und somit ohne zusätzliche Abdichtungswirkung durchgeführt. Bisherige Untersuchungsergebnisse sind auf 5 m Wassersäule (d. h. 0,5 bar) beschränkt. Für zukünftige Anwendungen ist es notwendig, die Grenzen des rückseitigen Wasserdrucks bzw. des hydraulischen Gefälles zu definieren, bei denen eine Selbstheilung trotz zyklischer Belastung möglich ist. Darüber hinaus werden die Grenzen einer wiederholten Selbstheilung zur Nachbildung des Jahreszyklus erforscht. 6. Danksagung Die Autoren bedanken sich bei der BAW und die WSA Braunschweig für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Konzepterstellung. 308 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Instandsetzung des östlichen Umlaufkanals der Westkammer der Schleuse Anderten in Anlehnung an das BAW-Merkblatt MITEX Literatur [1] Rahimi, A.; M. Lutz: Begutachtung des Schadensfalls im östlichen Umlaufkanal der Westkammer der Schleuse Anderten, BAW-Nr. B3951.03.12.10470, Karlsruhe, 03.07.2020 [2] http: / / www.schiffundtechnik.com/ lexikon/ s/ schleu se-anderten.html, zuletzt Besucht am 14.12.2022 [3] Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Mittellandkanal, Elbe-Seitenkanal: Schleuse Anderten (Westkammer) - Probeinstandsetzung, Allgemeine Baubeschreibung der Bauleistung, Braunschweig, 2022 [4] Bundesanstalt für Wasserbau (BAW): BAWMerkblatt für Flächige Instandsetzung von Wasserbauwerken mit textilbewehrten Mörtel- und Betonschichten (MITEX), 2019 [5] Morales Cruz, C.; Crack-distributing Carbon Textile Reinforced Concrete Protection Layers, Ph.D. Thesis, RWTH Aachen University, 2020 https: / / publications.rwth-aachen.de/ record/ 811247/ files/ 811247.pdf [6] Bundesanstalt für Wasserbau (BAW): Instandsetzungsprodukte - Hinweise für den Sachkundigen Planer zu bauwerksbezogenen Produktmerkmalen und Prüfverfahren, 2019