Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81
Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken
21
2023
Oliver Vogt
Thomas Müller
Die Instandsetzung eines Bauwerkes leistet im Vergleich zu dessen Neubau bereits einen signifikanten Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bauwesen. Für die Instandsetzung mit zementären Systemen kommen unter anderem polymermodifizierte Technische Mörtel als Trockenmörtel zum Einsatz, die jedoch aufgrund des großen Anteils an Portlandzement ein hohes CO2-Äquivalent besitzen. Aus diesem Grund muss bei der zukünftigen Entwicklung von Technischen Mörteln verstärkt auf Zementersatzstoffe wie beispielsweise Flugasche, Hüttensandmehl und natürliche Puzzolane als Ersatz für Portlandzement zurückgegriffen werden. Die Herausforderungen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben, sind die generell höheren Anforderungen, welche an Technische Mörtel gestellt werden, die Vorgaben der Normen und Regelwerke, die charakteristischen Eigenschaften der Zementersatzstoffe sowie deren zukünftige Verfügbarkeit. Für Technische Mörtel muss daher für jedes Instandsetzungsprodukt im Einzelfall geprüft werden, mit welchen Zementersatzstoffen das CO2-Äquivalent des Trockenmörtels reduziert werden kann.
kevb810351
8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 351 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken Normative Vorgaben, Herausforderungen und Lösungsansätze Dr.-Ing. Oliver Vogt Sika Deutschland GmbH, Leimen Dr. Thomas Müller Sika Deutschland GmbH, Leimen Zusammenfassung Die Instandsetzung eines Bauwerkes leistet im Vergleich zu dessen Neubau bereits einen signifikanten Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bauwesen. Für die Instandsetzung mit zementären Systemen kommen unter anderem polymermodifizierte Technische Mörtel als Trockenmörtel zum Einsatz, die jedoch aufgrund des großen Anteils an Portlandzement ein hohes CO 2 -Äquivalent besitzen. Aus diesem Grund muss bei der zukünftigen Entwicklung von Technischen Mörteln verstärkt auf Zementersatzstoffe wie beispielsweise Flugasche, Hüttensandmehl und natürliche Puzzolane als Ersatz für Portlandzement zurückgegriffen werden. Die Herausforderungen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben, sind die generell höheren Anforderungen, welche an Technische Mörtel gestellt werden, die Vorgaben der Normen und Regelwerke, die charakteristischen Eigenschaften der Zementersatzstoffe sowie deren zukünftige Verfügbarkeit. Für Technische Mörtel muss daher für jedes Instandsetzungsprodukt im Einzelfall geprüft werden, mit welchen Zementersatzstoffen das CO 2 - Äquivalent des Trockenmörtels reduziert werden kann. 1. Einführung Technische Mörtel für die Instandsetzung von Betonbauwerken sind Trockenmörtel, die auf der Baustelle mit Wasser angemischt werden. An die Spezialbaustoffe, die zusätzlich zum komplexen Bindemittelgemisch und der Gesteinskörnung noch eine Vielzahl pulverförmiger Additive enthalten, werden verschiedenste Anforderungen gestellt, die je nach Typ des Instandsetzungsproduktes in unterschiedlichen Normen und Regelwerken verankert sind. Um den Haftverbund zwischen dem Altbeton und dem Instandsetzungsmörtel/ -beton zu verbessern sowie aus Gründen der höheren Dichtigkeit, kommen für Instandsetzungsarbeiten kunststoffmodifizierte zementgebundene Mörtel und Betone (PCC) zum Einsatz, wobei die Polymere im Trockenmörtel nach DIN EN 1504-1 [1] unter anderem Acrylat, Vinyl und Epoxide enthalten können. PCC lassen sich in die Typen PCC I (kunststoffmodifizierter zementgebundener Instandsetzungsmörtel für waagerechte und schwach geneigte Flächen) und PCC II (kunststoffmodifizierter zementgebundener Instandsetzungsmörtel für beliebigen Einbau, auch über Kopf) unterscheiden. Je nach Anwendungsfall können PCC I und PCC II im System mit Korrosionsschutzmörtel, Haftbrücke und nachträglich aufgebrachtem Oberflächenschutz ausgeführt werden, beispielhaft dargestellt in Abbildung 1 für einen PCC II. Sofern der Instandsetzungsmörtel dafür ausgelegt ist, kann dieser auch ohne Haftbrücke auf den Altbeton appliziert werden (siehe Abbildung 2, am Beispiel eines PCC I). Abbildung 1: Gesamtsystem für die Instandsetzung einer Stahlbetonwand mit einem PCC II Mörtel. Abbildung 2: Einbau eines PCC I Mörtels im Rahmen der Instandsetzung einer Betonfahrbahn. Normen und Richtlinien wie bspw. die DIN EN 1504- 3 [2], die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung 352 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken Tabelle 1: Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit für statisch und nicht statisch relevante Instandsetzungsprodukte (Auszug aus DIN EN 1504-3 [2], Tabelle 3). Nr Anforderung an die Gebrauchstauglichkeit Referenzbeton (EN 1766) Prüfverfahren Anforderung Statisch relevant Statisch nicht relevant Klasse R4 Klasse R3 Klasse R2 Klasse R1 1 Druckfestigkeit Keine EN 12190 ≥ 45 MPa ≥ 25 MPa ≥ 15 MPa ≥ 10 MPa 3 Haftvermögen MC(0,45) EN 1542 ≥ 2,0 MPa ≥ 1,5 MPa ≥ 0,8 MPa a 5 Karbonatisierungswiderstand Keine EN 13295 d k ≤ Bezugsbeton (MC(0,45)) Keine Anforderung g 6 Elastizitätsmodul Keine EN 13412 ≥ 20 GPa ≥ 15 GPa Keine Anforderung a Der Wert 0,8 MPa ist nicht erforderlich, wenn Kohäsionsversagen im Instandsetzungsmaterial auftritt. Wenn ein Kohäsionsversagen eintritt, ist eine Mindestzugfestigkeit von 0,5 MPa erforderlich. g Nicht geeignet für Schutz gegen Karbonatisierung, sofern das Instandsetzungssystem kein Oberflächenschutzsystem einschließlich eines bewährten Schutzes gegen Karbonatisierung umfasst (siehe EN 1504-2). von Betonbauteilen [3] sowie die vom DIBt veröffentlichte TR-IH (Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken) [4], welche mit Beginn der Einführung im Jahr 2021 weite Teile der zuvor genannten DAfStb-Richtlinie ersetzen wird, klassifizieren Technische Mörtel in verschiedene Kategorien und legen Vorgaben für deren Zusammensetzung, Herstellung, Verwendung und Verarbeitung fest. Darüber hinaus existieren im Bereich der Instandsetzung von Betonbauteilen Vergussmörtel und Vergussbetone, welche den Anforderungen der DAfStb- Richtlinie Herstellung und Verwendung von zementgebundenem Vergussbeton und Vergussmörtel [5] gerecht werden müssen. Auch wenn die Instandsetzung von Beton durch Technische Mörtel bereits einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bauwesen leistet, da kosten- und ressourcenintensive Neubauprojekte in vielen Fällen vermieden werden können, muss ungeachtet dessen ebenfalls die Nachhaltigkeit der Technischen Mörtel in den Fokus zukünftiger Forschungs- und Entwicklungsarbeiten rücken. Die sogenannte Dekarbonisierung von Zement und Beton als erklärtes Ziel der Zement- und Betonhersteller ist ebenfalls im Bereich der Technischen Mörtel ein wichtiger Schritt, hin zu einer nachhaltigeren Baubranche. In den nachfolgenden Kapiteln soll am Beispiel ausgewählter Normen und Richtlinien sowie potenzieller Zementersatzstoffe aufgezeigt werden, welche Herausforderungen, Chancen und mögliche Lösungsansätze im Rahmen der Dekarbonisierung von Technischen Mörteln bestehen. 2. Normative Vorgaben für Technische Mörtel als Instandsetzungsprodukte Für die Hersteller und Verwender von Trockenmörteln zur Instandsetzung von Betonbauteilen existieren diverse Normen und Richtlinien, die es zu beachten gilt. Hierzu zählen insbesondere die DIN EN 1504-03 [2], die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen [3] sowie die TR-IH des DIBt [4]. Tabelle 1 zeigt einen Ausschnitt von Tabelle 3 der DIN EN 1504-3 [2], welche die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit für statisch und nicht statisch relevante Instandsetzungsprodukte festlegt. Zusätzlich zu den in Tabelle 1 aufgeführten Anforderungen werden je nach Klasse des Instandsetzungsproduktes (R1, R2, R3, R4) gemäß Tabelle 3 der DIN 1504-3 [2] noch Anforderungen an den Chloridionengehalt, das behinderte Schwinden und Quellen, die Temperaturwechselverträglichkeit, die Griffigkeit, den Wärmeausdehnungskoeffizienten und die kapillare Wasseraufnahme des Instandsetzungsproduktes gestellt. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 353 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken Die Mindestanforderungen an die Druckfestigkeit, das Haftvermögen, den Karbonatisierungswiderstand und das Elastizitätsmodul beziehen sich dabei auf Prüfkörper im Alter von 28 Tagen. Die grundlegende Unterteilung der Systeme erfolgt in die Kategorien „statisch relevant“ und „statisch nicht relevant“. Ausgehend von der Klasse mit den höchsten Anforderungen (R4), reduzieren sich die Anforderungen an die Druckfestigkeit, das Haftvermögen und das Elastizitätsmodul bereits beim Übergang zur nachfolgenden Klasse R3. Gegenüber den statisch relevanten Klassen R4 und R3 werden an die statisch nicht relevanten Klassen R2 und R1 deutlich niedrigere bzw. gar keine Anforderungen gestellt. Die geringen bzw. nicht vorhandenen Anforderungen der unteren Klassen lassen bereits erahnen, dass in diesen Fällen Bindemittelkompositionen mit niedriger Reaktivität eingesetzt werden können. Daher besteht hier die Möglichkeit, den Anteil des Bindemittels im Trockenmörtel zu reduzieren, bzw. den Anteil an Portlandzement im Bindemittelgemisch zu verringern. Beides führt dazu, dass das CO 2 -Äquivalent des Trockenmörtels sinkt, da der stark CO 2 -belastete Portlandzement anteilig kleiner wird. Insbesondere für die Klasse R4 mit den schärfsten Anforderungen wird jedoch ebenfalls deutlich, dass der Reduktion des Portlandzements zur Verringerung des CO 2 -Äquivalent Grenzen gesetzt sind. Die DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen [3], regelt die Planung, Durchführung und Überwachung von Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen für Bauwerke und Bauteile aus Beton und Stahlbeton, wobei die in der DAfStb-Richtlinie genannten Anforderungen umfangreicher sind als jene der DIN EN 1504-3 [2]. Hierzu zählen neben den in Tabelle 1 aufgeführten Anforderungen der DIN 1504-3 [2] unter anderem Grenzwerte für das Quellen und Schwinden, Mindestfestigkeiten nach 90 Tagen, Mindestwerte des dynamischen E-Moduls, die Beständigkeitsprüfung eines Technischen Mörtels in Calciumhydroxidlösung sowie bestimmte Grenzwerte der Wasserdampfdurchlässigkeit und der Haftzugfestigkeit. Der gegenüber der DIN EN 1504-3 [2] erweiterte Umfang der erforderlichen Prüfungen sowie die für die Prüfergebnisse festgelegten Grenzwerte sind Herausforderungen, die es bei der Entwicklung Technischer Mörtel mit reduziertem CO 2 -Äquivalent zu beachten gilt, da die Substitution von Portlandzement durch Zementersatzstoffe mitunter einen negativen Einfluss auf die Feststoffeigenschaften des jungen Mörtels oder Betons haben kann. Vergussmörtel und Vergussbetone werden werkmäßig als Trockenmörtel hergestellt und unterscheiden sich nach DAfStb-Richtlinie Herstellung und Verwendung von Vergussbeton und Vergussmörtel [5] von konventionellen Mörteln und Betonen nach DIN EN-206-1 [6] und DIN 1045-2 [7] durch eine deutlich fließfähigere Konsistenz und einen erhöhten Mehlkorngehalt. Auch wenn durch die zuvor genannte DAfStb-Richtlinie kein direkter Bezug zu Instandsetzungsprodukten besteht, können Vergussmörtel und Vergussbetone ebenfalls für diesen Anwendungsfall eingesetzt werden. Beispiele hierfür sind der Verguss einer Stahlbetonstütze oder eines bewehrten Wandabschnitts (siehe Abbildung 3), nachdem der carbonatisierte Beton im Zuge der Instandsetzungsmaßnahme entfernt wurde. Die Wiederherstellung der Betondeckung erfolgt dann durch den nachträglichen Verguss der randnahen Zonen des Bauteils. Abbildung 3: Instandsetzung einer Betonstütze (links) und eines Betonwandabschnitts (rechts) mit Vergussmörtel bzw. Vergussbeton. Vergussmörtel- und Vergussbetone nach DAfStb-Richtlinie [5] werden in unterschiedliche Fließmaßklassen (Vergussmörtel) bzw. Ausfließmaßklassen (Vergussbeton) eingestuft werden. Wenn die Nachhaltigkeit des Vergussmörtels oder -betons durch eine Reduktion des Zementgehaltes angestrebt wird, sind die in der DAfStb- Richtlinie festgelegten Frühfestigkeitsklassen jedoch von größerer Bedeutung (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Frühfestigkeitsklassen für Vergussmörtel und Vergussbetone [5]. Frühfestigkeitsklasse Druckfestigkeit in N/ mm² A ≥ 40,0 B ≥ 25,0 N/ mm² bis < 40,0 N/ mm² C ≥ 10,0 N/ mm² bis < 25,0 N/ mm² Vergussmörtel und -beton nach der DAfStb-Richtlinie muss mindestens der Betondruckfestigkeitsklasse C50/ 60 entsprechen. Zusätzlich zu dieser Anforderung existiert mit den Frühfestigkeitsklassen eine Vorgabe, welche die Druckfestigkeit nach 24 Stunden in 3 Klassen unterteilt. Die hohen Anforderungen der Frühfestigkeitsklasse A (Druckfestigkeit > 40,0 MPa) und B (25 MPa ≤ Druckfestigkeit < 40,0 MPa) lassen erkennen, dass der partielle Ersatz von Portlandzement durch Zementersatzstoffe mit niedrigerem CO 2 -Äquivalent mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Sowohl Puzzolane als auch latenthydraulische Stoffe entfalten ihren festigkeitsbildenden Beitrag meist im höheren Alter des Mörtels bzw. des Betons. Wenn an Frühfestigkeiten hohe Anforderungen gestellt werden, wird die Reduktion des Portlandzements nur bis zu einem bestimmten prozentualen Anteil möglich sein, da die verzögerte Reaktion der meisten Puzzolane und latent-hydraulischen Stoffe in der Regel keinen wesentlichen Beitrag zur Frühfestigkeit leisten. Auch ohne im Detail auf die zusätzlichen Anforderungen der DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Be- 354 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken tonbauteilen oder die TR-IH einzugehen, wird am Beispiel der DIN EN 1504-3 [2] und der DAfStb-Richtlinie für Vergussmörtel und -betone [5] bereits deutlich, dass im Vergleich zum Massenprodukt „Standardbeton“ höhere Anforderungen an Technische Mörtel gestellt werden. Dies, sowie die jeweiligen stoffspezifischen Besonderheiten der Zementersatzstoffe und deren zukünftige Verfügbarkeit, werden große Herausforderungen bei der zukünftigen Entwicklung von Instandsetzungsprodukten mit niedrigem CO 2 -Äquivalent sein. 3. Reduktion des CO 2 -Äquivalents Technischer Mörtel - Herausforderungen, Chancen und Lösungsansätze Technische Mörtel enthalten neben Portlandzement, Füllstoffen, Puzzolanen, latent-hydraulischen Stoffen und Gesteinskörnung ein großes Spektrum an pulverförmigen Additiven. Hierzu zählen unter anderem Fließmittel, Stabilisiere, Entschäumer, Fasern, Polymere, Beschleuniger und Verzögerer. Auch wenn jeder der zuvor genannten Additivtypen ein mehr oder weniger großes CO 2 -Äquivalent besitzt, so tritt dieses aufgrund der meist sehr geringen Mengen der Additive im Trockenmörtelgemisch in den Hintergrund. Den größten Einfluss auf das CO 2 - Äquivalent des Instandsetzungsmörtels hat der Portlandzement (CEM I), da dieser ein globales Erwärmungspotenzial von ca. 696 kg CO 2 -Äquivalent/ t besitzt [8]. Zur Reduktion des CO 2 -Äquivalents können Puzzolane, latent-hydraulische und inerte Füllstoffe eingesetzt werden, welche Teile des Portlandzements ersetzen und dadurch das CO 2 -Äquivalent des Trockenmörtels reduzieren. Eine Verringerung des CO 2 -Äquivalents kann theoretisch auch durch den Einsatz von CEM II oder CEM III erfolgen, da diese im Vergleich zu einem CEM I ein niedrigeres CO 2 -Äauivalent besitzen. Für die Trockenmörtelindustrie ergibt sich jedoch bei einer breit gefächerten Produktpalette an Instandsetzungsmörteln eine größere Flexibilität, wenn verschiedene CEM I mit diversen Zementersatzstoffen kombiniert werden, um individuelle Bindemittelkompositionen zu erzeugen. Die in der Vergangenheit am häufigsten eingesetzten Zementersatzstoffe sind kieselsäurereiche Flugasche als industrielles Nebenprodukt der Steinkohleverfeuerung und Hüttensandmehl als industrielles Nebenprodukt der Roheisenherstellung. Infolge von Verfahrensumstellungen und Anlagenstilllegungen werden diese zukünftig jedoch nur noch begrenzt oder gar nicht mehr zur Verfügung stehen [9]. Daher stellt sich seit geraumer Zeit die Frage, welche alternativen Zementersatzstoffe in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Auch wenn langfristig nicht mit Flugasche und Hüttensandmehl geplant werden kann, muss die Trockenmörtelindustrie aufgrund der derzeit noch geringen Anzahl bzw. generell am Markt verfügbarer Mengen an Alternativrohstoffen auf eben diese klassischen Zementersatzstoffe zurückgreifen. Unter Vernachlässigung der Problematik der Verfügbarkeit wird in den nachfolgenden Abschnitten aufgezeigt, welche Herausforderungen, Chancen und Lösungsansätze bei der zukünftigen Entwicklung von Instandsetzungsprodukten mit verschiedensten Puzzolanen, latent-hydraulischen Stoffen und inerten Füllern bestehen, um das CO 2 -Äquivalent von Technischen Mörteln durch die Reduktion von Portlandzement zu verringern und damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bauwesen zu generieren. Abbildung 4 zeigt die Druckfestigkeiten von Vergussbetonen mit unterschiedlichen Anteilen an Hüttensandmehl im Alter von 24 Stunden und 28 Tagen. Mit zunehmendem Anteil des latent-hydraulischen Zusatzstoffes (gleichzusetzen mit geringeren Anteilen an Portlandzement im Bindemittel) sinkt die Druckfestigkeit nach 24 Stunden, die Druckfestigkeit nach 28 Tagen hingegen steigt bis zu einem Anteil von 30 % Hüttensandmehl und besitzt bei 40 % und 50 % Hüttensandmehl immer noch höhere Werte als die Vergussbetone mit 10 % und 20 % Hüttensandmehl. Unter Berücksichtigung der 28-Tage- Druckfestigkeit erfüllt jeder der fünf Vergussbetone in Abbildung 4 die Mindestanforderung der Betondruckfestigkeitsklasse (C50/ 60) nach der DAfStb-Richtlinie [5]. Die Druckfestigkeiten nach einem Tag und die in Tabelle 2 aufgezeigten Frühfestigkeitsklassen lassen jedoch erkennen, dass die für die meisten Vergussbetone übliche Frühfestigkeitsklasse A (Druckfestigkeit nach 24 Stunden > 40,0 MPa) nicht erfüllt wird. Soll trotz höherer Anteile an Hüttensandmehl eine Mindestdruckfestigkeit von 40 MPa nach einem Tag erreicht werden, so wird an dieser Stelle durch den Austausch des Portlandzementes durch Hüttensandmehl der Konflikt zwischen hohen technischen Anforderungen der Instandsetzungsprodukte mit der im Vergleich zu einem Portlandzement deutlich schlechteren Performance der Zementersatzstoffe deutlich. Eine Zunahme der Frühfestigkeit trotz hoher Mengen an Hüttensandmehl kann an dieser Stelle durch die Hydratation beschleunigende Additive, eine Erweiterung des Bindemittelgemischs oder die Reduktion des Wassergehaltes erreicht werden. Zuletzt genannte Maßnahme hängt unter anderem davon ab, ob der Wasseranspruch des Hüttensandmehls geringer ist als jener des Portlandzementes. Bei einem vergleichbaren Wasseranspruch kann der Versuch, den Wassergehalt gegenüber der Referenzmischung ohne Hüttensandmehl zu reduzieren, dazu führen, dass dem Fließmittel zu wenig Wasser zur Verfügung steht und dadurch entweder die Fließmaßbzw. Ausfließmaßklasse nach DAfStb-Richtlinie nicht erreicht wird, oder die Viskosität des Vergussbetons so groß wird, dass dieser nur noch schwer zu applizieren ist. Bei konstantem Wassergehalt zeigen die Ergebnisse in Abbildung 5, dass bei steigendem Anteil an Hüttensandmehl ebenfalls das Schwindmaß zunimmt. Kann das Trocknungsschwinden als Teil der Gesamtschwindverformung nicht durch eine Reduktion des Wassergehaltes kompensiert werden, so besteht durch den Einsatz von organischen und anorganischen schwindreduzierenden Additiven die Möglichkeit, auch bei höheren Anteilen an Hüttensandmehl ein niedriges Schwindmaß zu erreichen. Im direkten Vergleich zum Hüttensandmehl ergeben sich für Flugasche einige Vorteile, was anhand der Ergebnisse in Abbildung 6 und Abbildung 7 näher erläutert wird. Die Druckfestigkeiten nach einem, sieben und 28 Tagen Er- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 355 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken härtung eines PCC I Reparaturmörtels mit unterschiedlichen Flugaschenanteilen (Abbildung 6) zeigen den gleichen Trend der Festigkeitsentwicklung wie im Fall der Vergussbetone mit Hüttensandmehl. Der entscheidende Unterschied ergibt sich jedoch durch die geringere spezifische Oberfläche der Flugasche im Vergleich zum Portlandzement sowie durch die sphärischen Partikel der Flugasche und des dadurch bedingten Vorteils hinsichtlich der Rheologie des frischen Mörtels. Dadurch kann die Menge des Anmachwassers des Mörtels bei gleichbleibender Konsistenz reduziert werden. Der Reparaturmörtel mit 42 % Flugasche besitzt zu allen Prüfzeitpunkten geringere Festigkeiten als die Reparaturmörtel mit 10 %, 30 % und 37 % Flugasche. Durch die Reduktion des Wasserbindemittelwertes (siehe 42*, Abbildung 6) und der dadurch bedingten Reduktion der Gesamtporosität im Festmörtel erhöht sich die Festigkeit zu allen Prüfzeitpunkten und erreicht vergleichbare Werte wie der Reparaturmörtel mit 30 % Flugasche. Der Vorteil des geringeren Wasseranspruchs der Flugasche zeigt sich auch bei den Schwindwerten in Abbildung 7. Bei konstantem Wassergehalt schwindet der Reparaturmörtel mit 42 % Flugasche stärker als jener mit 30 % Flugasche. Wir der Wassergehalt des Reparaturmörtels mit einem Flugaschegehalt von 42 % jedoch verringert, so führt dies zu geringeren Schwindverformungen als dies beim Reparaturmörtel mit 30 % Flugasche der Fall ist. Abbildung 4: Druckfestigkeiten (24 Stunden, 28 Tage) eines Vergussbetons mit unterschiedlichen Anteilen an Hüttensandmehl im Bindemittel. Abbildung 5: Schwindwerte von Vergussbetonen mit unterschiedlichen Anteilen an Hüttensandmehl, über einen Zeitraum von 91 Tagen. Abbildung 6: Druckfestigkeitsentwicklung (1d, 7d, 28d) eines Reparaturmörtels mit unterschiedlichen Anteilen an Flugasche im Bindemittel (*: Reduktion des w/ b-Wertes). Abbildung 7: Schwindwerte eines Reparaturmörtels mit unterschiedlichen Anteilen an Flugasche im Bindemittel und Reduktion des w/ b-Wertes. 356 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, müssen Instandsetzungsmörtel umfangreiche Anforderungen erfüllen. Die zuvor beschriebenen Ergebnisse mit dem Fokus auf der Festigkeit und dem Schwinden der Mörtel stellen daher nur einen Bruchteil der Herausforderungen dar, die es im Zusammenhang mit dem Einsatz größerer Mengen an Zementersatzstoffen zu meistern gilt. Die Dauerhaftigkeit der Instandsetzungsprodukte wird im Rahmen der normativen Vorgaben unter anderem mit dem Karbonatisierungswiderstand, der Frost-Tau-Wechselbeständigkeit und der Temperaturwechselverträglichkeit geprüft und bewertet. Je nach Anforderungsprofil des Technischen Mörtels können hier weitere Prüfungen wie beispielsweise die Sulfat- und Säurebeständigkeit anfallen. In diesem Zusammenhang werden die nachhaltigen Technischen Mörtel der Zukunft nicht nur durch die Substitution des Portlandzementes mit einem Zementersatzstoff allein entwickelt werden können. Die Herausforderung wird darin bestehen, möglichst große Mengen des Portlandzements durch geschickte Kombination verschiedenster Zementersatzstoffe zu erzielen. Eine vielversprechende mögliche Alternative zu konventionellen Zementersatzstoffen (Flugasche, Hüttensandmehl) sind Calcinierte Tone, die derzeit jedoch nicht in ausreichenden Mengen am Markt zur Verfügung stehen und darüber hinaus in keiner deutschen Norm berücksichtigt werden. Ob die gebrannten Tone in vergleichbar hohen Anteilen wie Flugasche und Hüttensandmehl den Portlandzement in Technischen Mörteln ersetzen können, muss sich noch herausstellen. Calcinierte Tone besitzen aufgrund der Morphologie der Tonpartikel einen hohen Wasseranspruch und führen im frischen Mörtel und Beton meist zu einer Zunahme der Viskosität. Nachgewiesen wurde, dass trotz höherem Wasseranspruch des calcinierten Tons gegenüber Flugasche auch bei höheren Wasserbindemittelwerten ein dichteres Gefüge erzielt werden kann [10]. Der viskositätssteigernde Effekt kann bei einem Vergussbeton oder -mörtel einen Vorteil darstellen, da stabilisierende Additive unter Umständen nicht mehr oder nur noch in geringeren Mengen benötigt werden. Im Fall eines manuell oder maschinell zu applizierenden PCC I oder PCC II Reparaturmörtels kann dies jedoch zum Versagen des Systems führen, da der Mörtel bei zu hoher Viskosität nicht mehr applizierbar ist. Die chemische und mineralogische Zusammensetzung des calcinierten Tons wird darüber hinaus die Reaktivität des natürlich getemperten Puzzolans beeinflussen [11]. Aus diesem Grund muss für jeden Rohstoff und jeden Typ eines Instandsetzungsmörtels individuelle geprüft werden, in welchen Mengen Portlandzement im Bindemittelgemisch durch calcinierten Ton ersetzt werden kann, ohne die Leistung des Technischen Mörtels herabzusetzen. An dieser Stelle bisher nicht erwähnte Puzzolane wie beispielsweise Trass, Microsilica und natürlich getemperte Puzzolane unterschiedlicher chemisch-mineralogischer Zusammensetzung können in technischen Mörteln ebenfalls zur Anwendung kommen. Um das CO 2 -Äquivalent der Instandsetzungsmörtel signifikant zu reduzieren, werden diese jedoch nur begrenzt geeignet sein. Beim Trass können durch dessen erhöhten Wasseranspruch im Vergleich zu Portlandzement ähnliche Nachteile im Technischen Mörtel eintreten, wie dies bereits im Zusammenhang mit calcinierten Tonen beschrieben wurde [12]. Darüber hinaus muss unter Berücksichtigung der negativen Einflüsse auf die Frischmörteleigenschaften abgewogen werden, ob dies durch die teils geringe Reaktivität des natürlichen Puzzolans zu vertreten ist. Microsilica wird, wie dies bereits seit Jahren in Mörteln und Betonen praktisch umgesetzt wird, auch zukünftig Bestandteil von Spezialmörteln sein. Dies jedoch nur in geringen Mengen, was das CO 2 -Äquivalent der Instandsetzungsmörtel nicht wesentlich reduzieren wird. 4. Schlussfolgerung und Ausblick Um der Nachhaltigkeit technischer Mörtel mittels Reduktion des CO 2 -Äquivalents langfristig einen größeren Stellenwert einräumen zu können, ergeben sich für die Hersteller von Instandsetzungsmörteln zukünftig Herausforderungen unterschiedlichster Art. Der generellen Verfügbarkeit klassischer Zementersatzstoffen, wie beispielsweise Flugasche und Hüttensandmehl, stehen dabei die technischen Aspekte zukünftiger Ausgangsstoffe der Trockenmörtel gegenüber, wie dies am Beispiel des calcinierten Tons aufgezeigt wurde. Um das CO 2 -Äquivalten der Mörtel deutlich zu reduzieren, müssen größtmögliche Mengen des Portlandzementes durch Alternativen ersetzt werden, die wiederum aufgrund ihrer verzögernden festigkeitsbildenden Eigenschaften die Leistung der Instandsetzungsprodukte beeinträchtigen werden. Hierzu zählen unter anderem viskositätsmodifizierende Eigenschaften der Alternativrohstoffe sowie die durch eine geringe Reaktivität hervorgerufene Reduktion der Frühfestigkeit der technischen Mörtel. Die Kompensation des zuletzt genannten Effekts kann unter Umständen durch den Einsatz hochreaktiver CEM I erfolgen. Da CEM I aus Gründen der Nachhaltigkeit in naher Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch ebenfalls in geringeren Mengen verfügbar sein wird, ergibt sich durch kleinere Produktionsmengen von CEM I eine zusätzliche Einflussgröße, die es bei der Entwicklung nachhaltiger Instandsetzungsprodukte zu beachten gilt. Alle zuvor genannten Parameter werden schlussendlich dazu führen, dass Hersteller von Technischen Mörteln auf den jeweiligen Anwendungsfall des Instandsetzungsproduktes individuell abgestimmte Bindemittelkompositionen mit möglichst geringen Anteilen an Portlandzement entwickeln müssen. Inwiefern dies unter Beibehaltung der Funktionalität der Instandsetzungsmörtel und -betone möglich ist, bzw. ob dabei signifikante Reduktion des CO 2 -Äquivalents realisierbar sind, hängt von allen zuvor genannten Faktoren ab und wird sich anhand der Ergebnisse zukünftiger Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zeigen. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 357 Nachhaltigkeit Technischer Mörtel für die Instandsetzung von Bauwerken Literatur [1] DIN EN 1504-1: 2005-10 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Definitionen, Anforderungen, Güteüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 1: Definitionen; Deutsche Fassung EN 1504-1: 2005. [2] DIN EN 1504-3: 2006-03 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 3: Statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung; Deutsche Fassung EN 1504-3: 2005. [3] DAfStb-Richtlinie - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) - Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze; Teil 2: Bauprodukte und Anwendung; Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung; Teil 4: Prüfverfahren. Ausgabe 2001-10. [4] Technischen Regel (DIBt) „Instandhaltung von Betonbauwerken (Mai 2020). [5] DAfStb-Richtlinie - Herstellung und Verwendung von zementgebundenem Vergussbeton und Vergussmörtel. Ausgabe 2019-07. [6] DIN EN 206-1: 2001-07 Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität; Deutsche Fassung EN 206-1: 2000. [7] DIN 1045-2: 2008-08: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. [8] Verein Deutscher Zementwerke e.V.: Umweltproduktdeklarationen für verschiedene Zemente; verifiziert und freigegeben durch das Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU). [9] Umwelt Bundesamt: Dekarbonisierung der Zementindustrie (Stand: 10.02.2020; https: / / www.umweltbundesamt.de/ sites / default/ files/ medien/ 376/ dokumente/ factsheet_zementindustrie.pdf). [10] N. Beuntner, S. Lange, C. Thienel: Optimierung von Spritzbeton durch calcinierten Ton. Januar 2014. [11] A. Tironi, et al.: Assessment of pozzolanic activity of different calcined clays. Cement & Concrete Composites 37 (2013), S. 319-327. [12] M. Cherrak, A. Bali, K. Silhadi: Concrete mix design containing calcareous tuffs as apartial sand substitution. Construction and Building Materials 47 (2013), S.318-323.
