Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Untersuchungen zum Passivierungsverhalten von alkaliaktivierten Hüttensandbetonen
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2023
Marina Licht
Michael Raupach
Durch den Austausch von Portlandzement können alkaliaktivierte Bindemittel und aus ihnen hergestellte Betone einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der durch die Zementklinkerherstellung verursachten CO2 -Emissionen leisten. Vor dem Aspekt der Dauerhaftigkeit weisen alkaliaktivierte Bindemittel ein hohes Potential auf, die Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten. Zudem überzeugen sie mit insbesondere in der Bauwerkserhaltung relevanten technischen Vorteilen, wie einer erhöhten chemischen Beständigkeit sowie einem verbesserten Schutz im Brandfall. Bisher fehlen jedoch grundlegende Kenntnisse bzgl. der schützenden Wirkung von alkaliaktivierten Bindemitteln bei korrosiven Angriffen. Eine Voraussetzung für den Einsatz von alkaliaktivierten Bindemitteln in korrosionsexponierten Stahlbetonbauwerken ist die Möglichkeit des Stahls, den passiven Zustand zu erreichen. Die Prozesse der Deckschichtbildung von Stahl in alkaliaktivierten Materialien unterscheiden sich zum Teil jedoch grundlegend von denen in Portlandzementen. Vorgestellt werden die ersten Ergebnisse eines DFG-Forschungsprojektes, in dem gemeinsam mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) das Passivierungsverhalten von alkaliaktivierten Hüttensandbetonen näher untersucht wird. Begleitend zur Untersuchung des Potentialverlaufs von Stahl in Betonprobekörpern wird zu relevanten Zeitpunkten die Betonporenlösung analysiert. Die Untersuchung der Betonporenlösung stellt ein effektives Mittel dar, um das den Stahl umgebende Milieu charakterisieren zu können. Hierbei wird neben der Alkalität auch die stoffliche Zusammensetzung der Lösungen untersucht, welche wiederum Aufschlüsse über die ablaufenden Prozesse auf der Stahloberfläche liefern und zur Bewertung herangezogen werden kann.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 359 Untersuchungen zum Passivierungsverhalten von alkaliaktivierten Hüttensandbetonen Marina Licht, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Zusammenfassung Durch den Austausch von Portlandzement können alkaliaktivierte Bindemittel und aus ihnen hergestellte Betone einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der durch die Zementklinkerherstellung verursachten CO 2 -Emissionen leisten. Vor dem Aspekt der Dauerhaftigkeit weisen alkaliaktivierte Bindemittel ein hohes Potential auf, die Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten. Zudem überzeugen sie mit insbesondere in der Bauwerkserhaltung relevanten technischen Vorteilen, wie einer erhöhten chemischen Beständigkeit sowie einem verbesserten Schutz im Brandfall. Bisher fehlen jedoch grundlegende Kenntnisse bzgl. der schützenden Wirkung von alkaliaktivierten Bindemitteln bei korrosiven Angriffen. Eine Voraussetzung für den Einsatz von alkaliaktivierten Bindemitteln in korrosionsexponierten Stahlbetonbauwerken ist die Möglichkeit des Stahls, den passiven Zustand zu erreichen. Die Prozesse der Deckschichtbildung von Stahl in alkaliaktivierten Materialien unterscheiden sich zum Teil jedoch grundlegend von denen in Portlandzementen. Vorgestellt werden die ersten Ergebnisse eines DFG-Forschungsprojektes, in dem gemeinsam mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) das Passivierungsverhalten von alkaliaktivierten Hüttensandbetonen näher untersucht wird. Begleitend zur Untersuchung des Potentialverlaufs von Stahl in Betonprobekörpern wird zu relevanten Zeitpunkten die Betonporenlösung analysiert. Die Untersuchung der Betonporenlösung stellt ein effektives Mittel dar, um das den Stahl umgebende Milieu charakterisieren zu können. Hierbei wird neben der Alkalität auch die stoffliche Zusammensetzung der Lösungen untersucht, welche wiederum Aufschlüsse über die ablaufenden Prozesse auf der Stahloberfläche liefern und zur Bewertung herangezogen werden kann. 1. Einführung Die Herstellung von Portlandzement ist durch die benötigte Brennenergie von >-1400-°C ein energieintensiver Prozess. Trotz der verbreiteten Verwendung von Kompositzementen, bei denen sukzessive der Zementklinkeranteil verringert wird, macht die Zementherstellung einen Anteil von ca. 8 % der globalen CO 2 -Emissionen aus [1,2]. Ein häufig verwendetes Kompositmaterial ist Hüttensand, ein Nebenprodukt der Stahlherstellung. Eine vollständige Substitution von Portlandzement ist aufgrund seiner latent-hydraulischen Eigenschaften nicht ohne weiteres möglich, da die Festigkeitsbildung von der Hydratation des Zementklinkers abhängt [3]. Die festigkeitsbildenden Prozesse können durch den Einsatz von alkalischen Aktivatoren jedoch gezielt angeregt werden. wodurch ein Bindemittel ohne Portlandzement realisiert werden kann [4]. Durch den Austausch von Portlandzement können alkalisch aktivierte Bindemittel (AAB) auf diese Weise wesentlich zur Senkung der globalen CO 2 - Emissionen beitragen. Trotz der vergleichbar geringen Materialmengen im Instandsetzungssektor bringen AAB hier neben ihrem geringeren CO 2 -Ausstoß auch technische Vorteile mit sich. Betone auf Basis von AAB weisen eine veränderte Porenstruktur auf und zeigten in Untersuchungen unter anderem ein besseres Brandverhalten und einen erhöhten Eindringwiderstand gegenüber Schadstoffen [5,6]. Voraussetzung für den verbreiteten Einsatz von AAB im Stahlbetonbau ist die Eigenschaft des Betons, den Stahl vor korrosiven Angriffen zu schützen. Eine grundlegende Anforderung ist die Möglichkeit des Stahls, den passiven Zustand zu erreichen. Die Eigenschaften und die Zusammensetzung der Betonporenlösung haben einen großen Einfluss auf das Verhalten des eingebetteten Bewehrungsstahls. Ein bedeutender Unterschied in den Betonporenlösungen basierend auf Portlandim Gegensatz zu Hüttensandzementen ist die dominierende Schwefelspezies. In Portlandzementen liegt größtenteils Sulfat (SO 4 2− ) vor, während Sulfide (S 2 ) lediglich in marginalen Anteilen nachgewiesen wurden [7,8]. In alkaliaktivierten Hüttensandmehlen wurden hingegen S 2- -Konzentrationen nachgewiesen, welche die SO 4 2− -Konzentrationen um ein 10-Faches übertrafen [4]. In Korrosionsversuchen mit alkaliaktivierten Hüttensandmörteln wurden freie Korrosionspotentiale von bis zu --700-mV vs. Ag/ AgCl gemessen. Trotz dieser sehr niedrigen Korrosionspotentiale wurden an den untersuchten Bewehrungsstählen keine Korrosionserscheinungen festgestellt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der hohe Anteil sich in der Porenlösung befindlichen Sulfids den vorhandenen Sauerstoff reduziert und auf diese Weise die Kathodenreaktion des Korrosionsprozesses hemmt. In näheren Untersuchungen zur Deckschichtbildung von Stahl in sulfidischem Milieu konnte beobachtet 360 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Untersuchungen zum Passivierungsverhalten von alkaliaktivierten Hüttensandbetonen werden, dass diese sich - im Gegensatz zur oxidischen Passischicht in Portlandzementen - aus Fe-S- Verbindungen bildet. [9,10,11] Um eine breite Anwendung alkaliaktivierter Hüttensandbetone zu ermöglichen, werden die Vorgänge der Deckschichtbildung und des Passivierungsverhaltens dieser vergleichsweise jungen Materialklasse näher untersucht. 2. Materialien und Methoden 2.1 Materialien Es wurden insgesamt acht verschiedene Bindemittelzusammensetzungen untersucht. Vier Mischungen sind hüttensand- und flugaschebasierte alkaliaktivierte Mörtel mit unterschiedlichen Bindemittelsowie Aktivatoranteilen. Die Bindemittelsowie Aktivatorzusammensetzungen wurden von den Forschungsprojektpartnern der BAM entwickelt. Als Referenz wurden drei Normzemente, ein CEM-I, ein CEM-III/ B sowie ein CEM-III/ C untersucht. Zusätzlich wurde ein mit Natriumsulfat (Na 2 SO 4 ) versetzter CEM-III/ C in die Versuchsmatrix aufgenommen, wodurch neben der alkalischen Anregung durch den vorhandenen, hydratisierenden Portlandzement, auch eine sulfatische Anregung erzielt wird. Die Bindemittelzusammensetzungen sind in Tab. 1 dargestellt. Die hergestellten Mörtelrezepturen wurden alle mit einem Bindemittelgehalt von 450 kg/ m³ und einem w/ b-Wert von 0,4 hergestellt. Es wurde ein Größtkorn von 4 mm gewählt. Tab. 1: Bindemittelzusammensetzungen Bezeichnung Anteile der Bindemittelzusammensetzungen Normzement Hüttensand Flugasche Na 2 SO 4 [-] [-] [-] [-] AAS 100 % 0 1 0 0 AAS 90 % 0 0,9 0,1 0 AAS 75 % 0 0,75 0,25 0 AAS 50 % 0 0,5 0,5 0 CEM I 1 0 0 0 CEM III/ B 1 0 0 0 CEM III/ C 1 0 0 0 CEM III/ C + Na 2 SO 4 0,96 0 0 0,04 2.2 Elektrochemische Untersuchungen Die Probekörper zur Untersuchung des Passivierungsverhaltens wurden im Drei-Elektroden-Auf bau hergestellt, vgl. Abb.1. Die Arbeitselektrode, ein S235- Stabstahl mit Durchmesser 8 mm ist mittig im Prüfkörper angeordnet. Der Stab wurde zuvor gesandstrahlt, um eine gleiche Ausgangsoberfläche für alle Probekörper zu erreichen. MMO-beschichtetes Titangitter ist rundherum angeordnet und fungiert als Gegenelektrode. Die Referenzelektrode sitzt in einem Abstand von 4 mm zum Stabstahl. Nach Herstellung der Probekörper wurden diese für 36 Stunden mittels feuchter Tücher und Kunststoffbeutel nachbehandelt, um ein frühzeitiges Austrocknen und Rissbildung zu verhindern. Nach 36 Stunden wurden die Kunststoffbeutel entfernt und die Probekörper ausgeschalt. Um eine gleichmäßige Sauerstoffdiffusion zur Arbeitselektrode sicherzustellen, wurden die Ober- und Unterseite des Zylinderprüfkörpers nach dem Ausschalen mit Epoxidharz versiegelt. Die Mörtelüberdeckung des Stahls beträgt somit über die abgerundete Außenfläche 31 mm. Die Prüfkörper wurden im weiteren Verlauf in Laborklima mit 20°C und ca. 40 % relative Luftfeuchte gelagert. Abb. 1: Schematische Darstellung der Probekörper im Drei-Elektroden-Auf bau Die elektrochemischen Messungen wurden mit einem Potentiostaten der Firma „Gamry Instruments“ unmittelbar nach Herstellung der Prüfkörper gestartet. Das Messregime sieht mehrmalige Messung des Ruhepotentials, die Ermittlung des Polarisationswiderstandes sowie elektrochemische Impedanzspektroskopie in täglichen Abständen vor. 2.3 Untersuchung der Porenlösung Als Ergänzung zu den elektrochemischen Versuchen wurde die Porenlösung untersucht. Basierend auf den o.g. Mörtelrezepturen wurden entsprechende Zement- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 361 Untersuchungen zum Passivierungsverhalten von alkaliaktivierten Hüttensandbetonen leimproben hergestellt. Die Proben wurden luftdicht bei Laborklima in PET-Flaschen zu je 250-ml gelagert und zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgepresst. Die Zementleimprobe wurde unmittelbar vor dem Auspressvorgang aus der PET-Flasche entfernt und in einen Hohlzylinder aus Stahl eingesetzt. Ein passgenauer Stahlstempel wurde in den Hohlkörper gelassen und mithilfe einer hydraulischen Prüfmaschine mit einer Prüfkraft von bis zu 2-MN wurde der Probekörper zusammen- und auf diese Weise die Porenlösung ausgepresst. Die entweichende Porenlösung wurde durch eine Ringnut im Hohlkörper gesammelt und durch einen Schlauch in einen Auffangbehälter geleitet. Der Behälter wurde vor der Prüfung mit Argon befüllt, um ein Eindringen von Sauerstoff zu verhindern. Abhängig von der Mischung und dem Probekörperalter konnten 10-ml - 25-ml Porenlösung aus einer Zementleimprobe gewonnen werden. Unmittelbar nach dem Auspressvorgang wurden mit entsprechenden Messelektroden der pH-Wert, die elektrische Leitfähigkeit sowie das Redoxpotential der Probe gemessen. Des Weiteren wurde die Zusammensetzung der Porenlösung, mit besonderem Fokus auf schwefelhaltige Ionen, untersucht. 3. Untersuchungsergebnisse Die Untersuchungsergebnisse lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vor. Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die finanzielle Förderung im Rahmen des Forschungsprojekts „Einfluss von Sulfiden und Sauerstoff auf die Bildung und Stabilität von Korrosionsschutzschichten auf Bewehrungsstahl in alkaliaktivierten Betonen“. Literatur [1] VDZ (2017): Zementindustrie im Überblick 2017/ 2018 [2] PBL Netherlands Environmental Assessment Agency: Trends in global CO 2 emissions - 2016 report [3] Tigges, V. (2009): Die Hydratation von Hüttensanden und Möglichkeiten ihrer Beeinflussung, Dissertation, TU Clausthal [4] Gruskovnjak A. (2006): Hydration of alkali-activated slag: comparison with ordinary Portland cement, Advances in Cement Research, 2006, 18, No.3, 119-128 [5] Achenbach, R.; Kraft, B.; Ludwig, H.-M.; Raupach, M. (2021) Dauerhaftigkeitseigenschaften von alternativen Bindemitteln. Beton- und Stahlbetonbau. https: / / doi.org/ 10.1002/ best.202100056 [6] Provis, J. L.; van Deventer, J. S. J. 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(2018): Influence of slag composition on the stability of steel in alkali-activated cementitious materials Mater. Sci. 53, 5016-5035. doi: 10.1007/ s10853-017-1919-3
