eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 8/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
21
2023
81

Grundsätzliche Gedanken zur Qualitätssicherung von Betoninstandsetzungsprodukten

21
2023
Andreas Westendarp
Thorsten Reschke
Peter Haardt
Eckhard Kempkens
Vor dem Hintergrund der Probleme bei der baupraktischen Umsetzung des projektspezifischen QS-Ansatzes und der unzureichenden Verfügbarkeit des alternativen QS-Ansatzes ‚Prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO‘ könnte für bestimmte Baumaßnahmen im Verkehrswegebau mit weniger exponierter Bedeutung der Bauwerke bzw. Bauteile hinsichtlich Sicherheit und Verfügbarkeit eine weitere QS-Variante ‚Kontrollprüfungen der Baustoffe‘ verfügbar gemacht werden. Damit würden sich im Verkehrswegebau zur Sicherstellung der erforderlichen Materialeigenschaften künftig folgende Formen des QS-Nachweises der Schutz- und Instandsetzungsprodukte ergeben: 1a Projektspezifischer QS-Ansatz: Projektspezifischer Nachweis der Verwendbarkeit sowie ggf. Nachweis der Übereinstimmung bei mehreren Chargen durch den Auftragnehmer (das bauausführende Unternehmen). 1b QS-Ansatz ‚Prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO‘: Alternative zu 1a. Bei Vorgabe der Variante 1a durch den Auftraggeber liegt es im Ermessen der bauausführenden Firma, alternativ eine Qualitätssicherung gemäß Variante 1b zu verfolgen. Variante 1b kann vom Auftraggeber nicht direkt vorgegeben werden. 2 QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen der Baustoffe‘: Kontrollprüfung der Instandsetzungsprodukte vor dem Hintergrund der gemäß Bauvertrag projektspezifisch vereinbarten Leistungsmerkmale. Seitens des Auftraggebers wäre für jede Baumaßnahme im Vorfeld projektspezifisch zu entscheiden, ob Variante 1a oder 2 zu verfolgen ist. Ein QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ kann nur funktionieren, wenn Materialhersteller, Bauherrn, Planer und bauausführende Firmen diesbezüglich ein entsprechendes grundsätzliches Einvernehmen bzgl. der notwendigen Sicherstellung der Leistungsmerkmale herstellen können.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 409 Grundsätzliche Gedanken zur Qualitätssicherung von Betoninstandsetzungsprodukten Dipl.-Ing. Andreas Westendarp Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Dr.-Ing. Thorsten Reschke Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Dr.-Ing. Peter Haardt Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach Dipl.-Ing. Eckhard Kempkens Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach Zusammenfassung Vor dem Hintergrund der Probleme bei der baupraktischen Umsetzung des projektspezifischen QS-Ansatzes und der unzureichenden Verfügbarkeit des alternativen QS-Ansatzes ‚Prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO‘ könnte für bestimmte Baumaßnahmen im Verkehrswegebau mit weniger exponierter Bedeutung der Bauwerke bzw. Bauteile hinsichtlich Sicherheit und Verfügbarkeit eine weitere QS-Variante ‚Kontrollprüfungen der Baustoffe‘ verfügbar gemacht werden. Damit würden sich im Verkehrswegebau zur Sicherstellung der erforderlichen Materialeigenschaften künftig folgende Formen des QS-Nachweises der Schutz- und Instandsetzungsprodukte ergeben: 1a Projektspezifischer QS-Ansatz: Projektspezifischer Nachweis der Verwendbarkeit sowie ggf. Nachweis der Übereinstimmung bei mehreren Chargen durch den Auftragnehmer (das bauausführende Unternehmen). 1b QS-Ansatz ‚Prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO‘: Alternative zu 1a. Bei Vorgabe der Variante 1a durch den Auftraggeber liegt es im Ermessen der bauausführenden Firma, alternativ eine Qualitätssicherung gemäß Variante 1b zu verfolgen. Variante 1b kann vom Auftraggeber nicht direkt vorgegeben werden. 2 QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen der Baustoffe‘: Kontrollprüfung der Instandsetzungsprodukte vor dem Hintergrund der gemäß Bauvertrag projektspezifisch vereinbarten Leistungsmerkmale. Seitens des Auftraggebers wäre für jede Baumaßnahme im Vorfeld projektspezifisch zu entscheiden, ob Variante 1a oder 2 zu verfolgen ist. Ein QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ kann nur funktionieren, wenn Materialhersteller, Bauherrn, Planer und bauausführende Firmen diesbezüglich ein entsprechendes grundsätzliches Einvernehmen bzgl. der notwendigen Sicherstellung der Leistungsmerkmale herstellen können. 1. Aktuelle Situation 1.1 Projektspezifischer Nachweis, prüffähige Bescheinigungen, Herstellerinformationen Die seit etwa 2017 im Anwendungsbereich von ZTV-W LB 219 [1] und ZTV-ING [2] verfolgte Vorgehensweise, die Qualitätssicherung (QS) von Schutz- und Instandsetzungsprodukten unbekannter Zusammensetzung (Beton/ Mörtel/ Spritzbeton/ Spritzmörtel, Rissfüllstoffe, Oberflächenschutzsysteme) - im Rahmen von projektspezifischen Nachweisen (Nachweis projektspezifisch ausgeschriebener Leistungsmerkmale durch das bauausführende Unternehmen) - bzw. ersatzweise vorrangig über prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 Bau-PVO qualifizierter Stellen („DIBt-Gutachten“), welche dem bauausführenden Unternehmen durch den Materialhersteller zur Verfügung gestellt werden, zu realisieren, hat sich bislang bei Ausschreibung, Vergabe und Ausführung von Betoninstandsetzungsmaßnahmen im Bereich der Bundesverkehrswege nicht durchsetzen können. Hauptgrund hierfür mit Blick auf den projektspezifischen QS-Ansatz ist, dass dieser insbesondere bei Rissfüllstoffen und Oberflächenschutzsystemen einen enormen Zeit- und Kostenaufwand bedingt. Der ersatzweise mögliche QS-Ansatz ‚Prüffähige Bescheinigungen nach Artikel 30 Bau-PVO‘ würde für alle am Baugeschehen Beteiligte erhebliche Vorteile mit sich bringen, weil hierbei wie bei den früheren allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen (abP) projektbezogene Prüfungen entfallen. Dieser QS-Ansatz scheitert aber bislang an der weitestgehend geschlossenen Haltung der in der Deutschen Bauchemie e.V. (DBC) organisierten Hersteller, solche vielfach vorhandenen prüffähigen Bescheinigungen dem Markt nicht verfügbar zu machen. Gleichzeitig ist bislang eine ausreichende Marktnachfrage nach prüffähigen Bescheinigungen nach Artikel 30 BauPVO und damit ein gewisser Druck auf die Hersteller 410 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Grundsätzliche Gedanken zur Qualitätssicherung von Betoninstandsetzungsprodukten von Schutz- und Instandsetzungsprodukten nicht entstanden, weil von den am Baugeschehen Beteiligten (Bauherrn, Planer, bauausführende Firmen) in den allermeisten Fällen Elemente der früheren Qualitätssicherung nach den nationalen Restregelungen zu EN 1504 bzw. TL/ TP BE-PC/ PCC/ SPCC (u. a. Übereinstimmungszertifikate bzw. allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP) bei den Betonersatzsystemen in Verbindung mit dem Nachweis einer freiwilligen Fremdüberwachung der Produktherstellung (FÜ-P)) weiterhin genutzt und akzeptiert werden, auch wenn diese mit dem EuGH-Urteil aus 2014 nicht vereinbar sind, da deren Rechtsgrundlage weggefallen ist. Aktuell werden von den Herstellern nur wenige Informationen zu Kennwerten bzw. Leistungsmerkmalen ihrer Produkte zur Verfügung gestellt. Offizielle schriftliche („vertragsharte“) Erklärungen zum Produkt im Hinblick auf die Einhaltung von ausgeschriebenen Leistungsmerkmalen werden von Herstellerseite derzeit kaum noch abgegeben. Oftmals erfolgt nur ein Verweis auf allgemeine unverbindliche technische Dokumentationen zum Produkt bzw. auf Expositionsklassen, für die die Produkte geeignet seien. 1.2 Leistungsfähigkeit der Produkte, Änderungen bei Ausgangsstoffen und Zusammensetzung Von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung im Auftrag der BAW in den Jahren 2019 bis 2022 durchgeführte Untersuchungen an sechs am Markt verfügbaren spritzbaren Instandsetzungsmörteln für geringer feste Untergründe (S-A2 und S-A3) zeigen, dass selbst bei diesen in jüngerer Zeit konzipierten Materialien in vier Fällen wesentliche Leistungsmerkmale nicht erfüllt werden. Diese, den dauerhaften Verbund über Adhäsion oder Rissbildung betreffende Anforderungen, welche die Mörtel in der Grundprüfung noch erfüllt haben, werden von aktuellen Produktionschargen nicht sicher erreicht. Erkenntnisse aus aktuellen Bauprojekten in verschiedenen Baubereichen zeigen, dass dies zumindest fallweise auch für weitere Instandsetzungsprodukte gilt. Nachvollziehbar ist, dass für die Hersteller aus verschiedenen Gründen Veranlassung bestand und besteht, die teilweise bereits vor Jahrzehnten in Grundprüfungen untersuchten Produkte hinsichtlich der Ausgangsstoffe und der Zusammensetzung und damit auch zumindest fallweise hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu verändern. Als Gründe hierfür sind u. a. die sich wandelnde Verfügbarkeit von Ausgangsstoffen, geänderte gesetzliche Vorgaben (u. a. REACH) und die Notwendigkeit von Produktoptimierungen zu nennen. Aufgrund der veränderten Ausgangsstoffsituation kann z. T. auch eine Verringerung der Leistungsfähigkeit beobachtet werden (u. a. bei PUR-Injektionsstoffen). Auch die Nutzung von Kennwerten aus den Grundprüfzeugnissen als Bezugswerte für Übereinstimmungs- oder Kontrollprüfungen ist vor diesem Hintergrund als fragwürdig anzusehen. 1.3 Aktualität prüffähiger Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO Änderungen an Schutz- und Instandsetzungsprodukten sind aus vorgenannten Gründen kaum vermeidbar. Sowohl der frühere QS-Ansatz nach den nationalen Restregelungen / TL/ TP BE als auch die in jüngerer Vergangenheit verfolgte Vorgehensweise ‚Prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO‘ basieren aber gerade auf dem Ansatz, dass ein Produkt bestimmter Zusammensetzung vorlaufend hinsichtlich seiner Verwendbarkeit geprüft und anschließend in erster Linie dahingehend betrachtet wird, ob es in einem engen Korridor über Jahre hinweg in gleicher Form (mit vermeintlich gleicher Leistungsfähigkeit) produziert wird. Ansätze, mit deren Hilfe versucht wird bzw. worden ist, eine Übereinstimmung von Produktionschargen mit der grundgeprüften Charge sicherzustellen, sind deshalb vor dem Hintergrund der vorstehenden Erkenntnisse (siehe Abschnitt 1.2) hinsichtlich ihrer Aussagequalität grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Im Vergleich zum Ansatz Nationale Restregelungen / TL/ TP BE achtet aber zumindest das DIBt beim QS-Ansatz ‚Prüffähige Bescheinigungen‘, soweit nach außen hin bekannt, in besonderem Maße auf Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zugrunde liegenden Verwendbarkeitsnachweise. Wenn eine Grundprüfung älter als ein Jahr ist, muss vom Antragsteller eine aktuelle Bestätigungsprüfung beim DIBt eingereicht werden, aus welcher eine Übereinstimmung mit dem in der Grundprüfung untersuchten Bauprodukt hervorgeht. 2. QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen der Baustoffe‘ 2.1 Konzept Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation zur Qualitätssicherung von Schutz- und Instandsetzungsprodukten unbekannter Zusammensetzung im Verkehrswegebau ist insbesondere bei Baumaßnahmen mit weniger exponierter Bedeutung hinsichtlich Sicherheit und Verfügbarkeit eine alternative Vorgehensweise zum projektspezifischen Nachweis in Erwägung zu ziehen: Kontrollprüfungen des Auftraggebers an den zum Einbau vorgesehenen Instandsetzungsprodukten. Diese Kontrollprüfungen zielen im Gegensatz zu den bekannten Kontrollprüfungen der Ausführungsqualität auf eine gesonderte Erfassung des Materialrisikos im Rahmen der Baumaßnahme ab. Hinsichtlich der Umsetzung solcher Kontrollprüfungen könnten folgende konzeptionelle Überlegungen angestellt werden: - Der Auftraggeber schreibt wie bisher expositionsklassenabhängig die projektspezifisch erforderlichen Leistungsmerkmale aus. Dem Auftraggeber bzw. dem von ihm beauftragte Sachkundigen Planer (SKP) stehen hierfür die vorhandenen und bekannten Hinweise zu den ZTV-ING [3] bzw. die BAWEmpfehlung [4] zur Verfügung. Auszuschreiben sind allerdings nur solche Merkmale, die für den Erfolg einer Maßnahme zwingend erforderlich sind (originäre Produkteigenschaften, z. B. Druckfestigkeit, E-Modul) sowie solche, die 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 411 Grundsätzliche Gedanken zur Qualitätssicherung von Betoninstandsetzungsprodukten ergänzend Verarbeitbarkeitskriterien bei der Anwendung der Produkte erfassen (z. B. Spritzeignung, Injizierbarkeit). Merkmale, die ausschließlich der Überprüfung der Übereinstimmung dienen, sind beim QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ nicht auszuschreiben. - Der Auftragnehmer, also das bauausführende Unternehmen, ist gegenüber dem Auftraggeber wie beim projektspezifischen QS-Ansatz bauvertraglich zur Einhaltung der geforderten Leistungsmerkmale verpflichtet. Auf das Vertragsverhältnis zwischen bauausführendem Unternehmen und dem von diesem ausgewählten Produkthersteller bzw. Materiallieferanten kann und wird der Auftraggeber keinen Einfluss nehmen. - Der Auftraggeber führt je nach Bedeutung und Umfang der Baumaßnahme baubegleitend Kontrollprüfungen durch, mit denen die projektspezifisch geforderten Leistungsmerkmale teilweise oder in ganzem Umfang überprüft werden. Der Umfang der Kontrollprüfungen sollte vor dem Hintergrund der Bedeutung der Instandsetzungsmaßnahme, aber auch unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus früheren Kontrollprüfungen für das jeweilige Produkt festgelegt werden. Kontrollprüfungen sind nicht zwingend bei jeder Baumaßnahme durchzuführen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber bisherigen QS-Ansätzen besteht darin, dass der Produkthersteller sich in seinen Aussagen gegenüber der bauausführenden Firma auf die aktuelle Leistungsfähigkeit seines Produkts und nicht auf die zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit einmal gegebene Leistungsfähigkeit beziehen kann. Anmerkung: Eine solche Erklärung ist eigentlich auch Voraussetzung bei der Qualitätssicherung nach TR-IH [5], wobei bislang noch nicht deutlich geworden ist, wie die Produkthersteller bzw. die am Baugeschehen Beteiligten diesbezüglich am Markt agieren. Zu prüfen wäre auch hier, welche bauvertragliche Bedeutung eine „Herstellererklärung“ gemäß AVCP-Verfahren 2+ bzw. DIN 18200, Verfahren B, eigentlich besitzt. 3. Bewertung unter europarechtlichen Aspekten Projektspezifische QS-Ansatz Der europäische Ansatz (vereinfacht: keine abweichenden QS-Systeme und keine Forderungen hinsichtlich zusätzlicher Leistungsmerkmale in normierter Form in Bezug auf die harmonisierten Teile der DIN EN 1504-Reihe) wird zumindest hinsichtlich des aktuell für den Verkehrswasserbau geltenden projektspezifischen Ansatzes nicht verletzt. Ein eigenes verkehrswasserbauspezifischen QS- System besteht hier nicht. Von der Zulässigkeit projektspezifischer Anforderungen auch über den EN 1504-Umfang hinaus kann stets ausgegangen werden. QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen der Baustoffe‘ Auch für diesen QS-Ansatz gilt, dass weder ein abweichendes QS-System etabliert wird noch in normierter Form zusätzliche Leistungsmerkmale gefordert werden. Auch dieser Ansatz dürfte deshalb unter europarechtlichen Aspekten unkritisch sein. 4. Vor- und Nachteile für Materialhersteller und am Baugeschehen Beteiligte Die Materialhersteller haben sowohl beim projektspezifischen QS-Ansatz als auch beim QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ den benötigten Freiraum zur kontinuierlichen Modifizierung ihrer Produkte. Gleichzeitig entfallen die Kosten für Prüfungen bzw. Überwachungen durch Dritte. Material- und Ausführungsrisiken können voneinander getrennt betrachtet werden. Die bauausführenden Firmen haben sowohl beim projektspezifischem QS-Ansatz als auch beim QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ ein geringeres (Material-)Risiko, weil die Wahrscheinlichkeit, dass die aktuell zur Anwendung kommenden Chargen der Produkte den geforderten Leistungsmerkmalen tatsächlich genügen, bei beiden Vorgehensweisen vergleichsweise hoch ist. Für den Auftraggeber besteht beim QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ im Hinblick auf Qualitätsprobleme bei Schutz- und Instandsetzungsprodukten, welche erst während der Bauzeit detektiert werden, ein höheres Bauzeitrisiko. Prüfdauern können das Ende der Ausführung überschreiten. Für den Auftraggeber entstehen zusätzlich Kosten für die Durchführung der Kontrollprüfungen. Das Risiko unzureichender Materialqualität wird angesichts der beschriebenen Ausgangssituation gegenüber früheren QS-Ansätzen aber eher geringer sein. 5. Weitere Aspekte zu den verschiedenen QS-Ansätzen Der QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ ist für bestimmte Baumaßnahmen als Alternative zu den eingeführten Nachweisformen projektspezifischer QS-Ansatz bzw. ersatzweise hierfür QS-Ansatz ‚Prüffähige Bescheinigungen gemäß Artikel 30 BauPVO‘ vorstellbar. Der QS-Ansatz ‚Prüffähige Bescheinigung‘ sollte trotz der vorgenannten Problematik (Verfügbarkeit prüffähiger Bescheinigungen am Markt; möglicherweise Veränderung von Produkten über die Zeit) als zulässige QS-Variante beibehalten werden, da solche prüffähige Bescheinigungen in großer Zahl von den Materialherstellern beauftragt worden sind und möglicherweise doch einmal zum Vorteil aller Beteiligten am Markt verfügbar sein werden. Die grundsätzliche Akzeptanz für den QS-Ansatz ‚Kontrollprüfungen‘ wäre bei Produktherstellern und bauausführenden Firmen im Vorfeld auf jeden Fall sicherzustellen, damit eine baupraktische Umsetzung überhaupt gelingen kann. Ein Vertragsverhältnis besteht nur zwischen bauausführender Firma und Auftraggeber, es besteht vertragsrechtlich kein unmittelbarer Zugriff des Auftraggebers auf den Materialhersteller. Bei Einführung der QS-Ansatzes ‚Kontrollprüfungen‘ kann es möglicherweise zu Engpässen hinsichtlich der Prüfkapazitäten kommen, da insbesondere komplexere Prüfungen zeitaufwändig sind und nur von wenigen Laboren durchgeführt werden können. Der Prüfstellenmarkt kann hierauf aber mittelfristig sicherlich reagieren. Ggf. wäre eine Qualitätssicherung der (Kontroll-)Prüf- 412 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Grundsätzliche Gedanken zur Qualitätssicherung von Betoninstandsetzungsprodukten stellen zu initiieren, z. B. durch Anerkennung der Prüfinstitute und entsprechende Listungen, um die Vertrauenswürdigkeit der Prüfaussagen sicherstellen zu können. Hinsichtlich einer besseren Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Produkten und deren Veränderung über die Zeit, aber auch im Hinblick auf die Festlegung von angemessenen Kontrollprüfumfängen unter Berücksichtigung bis dahin gesammelter Erfahrungen mit dem jeweiligen Produkt, wäre eine aus den Daten der Verwender gespeiste verkehrsträgerübergreifende Produktdatenbank für Schutz- und Instandsetzungsprodukte hilfreich und sinnvoll. Literatur [1] ZTV-W LB 219: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219), Ausgabe 2017. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Abteilung Wasserstraßen, Schifffahrt. [2] ZTV-ING: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinie für Ingenieurbauwerke, Teil 3, Abschnitte 4 und 5, Stand 2022/ 01. Bundesministerium für Digitales und Verkehr. [3] Hinweise zu den ZTV-ING: Hinweise zu den ZTV- ING, Teil 3, Abschnitt 4 und 5, Stand 30.04.2019. Bundesministerium für Verkehr, Bau und digitale Infrastruktur, Abteilung Bundesfernstraßen. [4] BAWEmpfehlung: BAWEmpfehlung Instandsetzungsprodukte - Hinweise für den Sachkundigen Planer zu bauwerksbezogenen Produktmerkmalen und Prüfverfahren, Ausgabe 2019. Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe. [5] TR-IH: Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teile 1 und 2, Mai 2020. Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin.