Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in "Altfällen"
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Gerd Motzke
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 417 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ Prof. Dr. Gerd Motzke Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Motzke, Mering I. Ausgangsfälle als Einstieg in das Problem - zum Anwendungsbereich der TR-Instandhaltung 2021 Die Thematik hat Bezug zu folgenden Fallgestaltungen: (1) Instandsetzung eines in die Jahre gekommenen Beton- Bestandsobjekts, der Auftraggeber verfolgt die Instandsetzung welches Regelwerk gilt? (2) Instandsetzung eines bereits instandgesetzten und in die Jahre gekommenen Beton-Bestandsobjekts - welches Regelwerk gilt? (3) Instandsetzung eines mangelhaft instandgesetzten Beton-Bestandsobjekts bzgl. dessen der Auftraggeber bei offener Gewährleistungsfrist Sachmängelrechte geltend macht - welche Regelwerke gelten? Was fällt auf? Bei (3) geht die Frage dahin, welche Regelwerke gelten, womit es um mehr als ein Regelwerk geht? Bei (1) und (2) geht die Frage lediglich nach dem einen Regelwerk. A. Der Anwendungsbereich der TR-Instandhaltung Die Thematik berührt unmittelbar den Anwendungsbereich der TR-Instandhaltung 2021. Der Abschnitt 1 Abs. 2 der TR-Instandhaltung Teil 1 (nachfolgend: TF-IH T1) bestimmt: „Diese Technische Regel regelt die Planung der Instandhaltung von Betonbauwerken (Teil 1) und die Anforderungen an Produkte und Systeme (Teil 2) für den Schutz und die Instandsetzung von Bauteilen aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton nach …..“ Das bedingt die Notwendigkeit der Definition dessen, was unter Instandhaltung verstanden wird. Eine solche Definition nimmt die TR-IH T1 eigenständig nicht vor. Vielmehr wird im Abschnitt 1 folgende „Anmerkung 1“ vorgenommen: „Unter Instandhaltung wird in Anlehnung an DIN 3105 die Inspektion, die Wartung, die Instandsetzung und die Verbesserung verstanden.“ Im Mittelpunkt steht der Unterbegriff „Instandsetzung“. B. Mängel/ Schäden in Altfällen Diese Anmerkung ist mit dem Sachverhalt, der hier interessiert, zu konfrontieren: Es geht um „Mängel in Altfällen“ bzw. „Schäden in Altfällen“. 1. „Mängel in Altfällen“ Zugespitzt wird unter „Mängel in Altfällen“ der Tatbestand „Instandsetzungsmängel in Altfällen“ mit Gewährleistungsbezug verstanden. Der Auftraggeber (nachfolgend: AG) verlangt die Beseitigung von Mängeln in offener Gewährleistungsfrist; es geht um die Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln unter Inanspruchnahme des werkvertraglichen Sachmängelrechts. Die Instandsetzung wird rechtlich zur Nachbesserung, ist also Mängelbeseitigung. Das wirft die Frage auf, ob die TR- IH T1 mit ihren Regeln die Umsetzung des Sachmängelrechts beeinflusst. Betroffen ist das Verhältnis von Rechtsregeln und Technikregeln. 2. „Schäden in Altfällen“ Diese Fallgruppe machen zwei unterschiedliche Sachverhalte aus; nämlich die Instandsetzung eines Stahlbetonbauwerks und die Instandsetzung eines bereits instandgesetzten Stahlbetonbauwerks, beide Fälle haben keinen Bezug zum Sachmangelhaftungsrecht. Gewährleistungsfragen nach Rechtsregeln spielen keine Rolle. Die Bewältigung der vorhandenen Defizite erfolgt ausschließlich nach Technikregeln. 3. Mängel und Schäden - Nennungen in der TR-Instandhaltung Wegen der Begrifflichkeiten „Mängel“ und „Schäden“ wird darauf verwiesen, dass die TR-IH T1 an verschiedenen Stellen diese beiden Begriffe nebeneinander verwendet, also diesbezüglich keinen Unterschied macht (vgl. Abschnitt 3 Abs. 3, Abs. 7); der Begriff Schädigung kommt in Zusammensetzungen - z.B. Schädigungsgrund - in Abschnitt 3 Abs. 2 mehrfach vor. Merkwürdig berührt. dass nach Abschnitt 3 Abs. 7 bei vorhandenen Schäden deren Ursache ermittelt und angegeben werden muss, was nahelegt, dass derlei bei einem Mangel nicht gefordert sein könnte? 4. Altfälle und die Maßstabsfrage Unter Altfällen sind solche Sachverhalte zu verstehen, bei denen Mängel/ Schäden an Betonbauwerken festgestellt wurden, die unter der Geltung der Instandsetzungs- Richtlinie Oktober 2001 (nachfolgend: RiLi-SIB) geplant und in Stand gesetzt wurden und an denen nunmehr Defizite festgestellt werden. Deren Beseitigung steht nach der Vorstellung des zuständigen Auftraggebers an. Das wirft insbesondere die Maßstabsfrage auf, nämlich dahin, ob die seit 2021 eingeführte TR-IH T1 hierfür den Maßstab für die Mangelbeurteilung, das Planungssoll und das daran ausgerichtete Bausoll liefert? Zugleich ist die Antwort auf die Frage aufzufinden, ob die TR-IH T1 überhaupt einschlägig ist. Der topos lautet also: Welcher Maßstab ist in „Altfällen“ einschlägig, wenn eine Betoninstandsetzung nach Maßgabe der RiLi-SIB erfolgte und erneuter Instandsetzungsbedarf entsteht? 5. Der Altfall „Instandsetzung der Instandsetzung“ Gegenstand der Thematik im Kern ist damit der Fall der „Instandsetzung der Instandsetzung“, wenn das unter der Geltung der RiLi-SIB geplante und ausgeführte In- 418 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ standsetzungswerk instandsetzungsbedürftig geworden ist. Welcher Maßstab gilt für die Zustandsfeststellung und Zustandsbewertung? Welcher Maßstab gilt für die Art und Weise der Instandsetzungsplanung und -ausführung? Die Antwort scheint schnell gefunden zu sein. Ist die TR- IH T1 nämlich Ausdruck von anerkannten Regeln der Technik ist und zudem eine eingeführte Technische Baubestimmung ist, bleibt doch gar nichts anderes übrig, als dieses Regelwerk als Maßstab anzuerkennen. C. „Mängel in Altfällen“ - Der Sonderfall: Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln Diese Feststellung ist vorschnell, weil der Sachverhaltskomplex „Mängel in Altfällen“ zwei verschiedene Fallgruppen enthält, nämlich neben dem in Jahre gekommenen bereits instandgesetzten Werks auch die Gruppe, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der „Mangel im Altfall“, also die „Instandsetzung der Instandsetzung“ ein Gewährleistungsfall, also ein Fall ist, den charakterisiert, dass der Auftraggeber (nachfolgend nur noch: AG) beanstandet, das Werk des mit der Betoninstandsetzung beauftragten Unternehmers (nachfolgend nur noch AN) weise bestimmte Mängel auf, deren Nacherfüllung/ Nachbesserung und damit Mängelbeseitigung nach werkvertraglichen Gewährleistungsregeln verlangt wird. Plakativ geht es neben dem Tatbestand der „Instandsetzung der Instandsetzung“ um den mit dem Sachmängelhaftungsrecht verknüpften Fall der „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“. Die Typologie kennzeichnet also: Geht es um die Instandsetzung eines bereits instandgesetzten Bestandsobjekts oder um die Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln, der zugrunde liegt, dass der AG Mängel des Instandsetzungswerks rügt. Das wirft die Frage des Anwendungsbereichs der TR-IH T1 auf, nämlich kommt dieses Regelwerk zur Anwendung, wenn sich der Sache nach aus rechtlicher Sicht die „Instandsetzung der Instandsetzung“ als Sachmangelhaftungsfall darstellt, also Instandsetzungsmängel nach den Regeln des BGB oder der VOB/ B zu beseitigen sind? Beeinflusst die TR-IH T1 die Art und Weise der Mängelbeseitigung nach § 635 BGB oder § 13 VOB/ B? Damit sind 3 Sachverhaltsgruppen zu unterscheiden: (1) Bei einem Bestandsobjekt entsteht Instandsetzungsbedarf. (2) Bei einem bereits instandgesetzten Bestandsobjekt entsteht erneut Instandsetzungsbedarf. (3) Bei einem bereits instandgesetzten Bestandsobjekt entsteht wegen Mängeln am Instandsetzungswerk erneuter Instandsetzungsbedarf, womit es bei offener Gewährleistungsfrist zur Anwendung des Sachmängelhaftungsrechts kommt. Hier interessieren nur die Fallgruppen (2) und (3). 1. „Mängel in Altfällen“ - „Instandsetzung der Instandsetzung“ als Gewährleistungsfall = „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“ (Fallgruppe 3) Ausgangslage: Die Betoninstandsetzung wurde nach der RiLi-SIB geplant und ausgeführt. Das Werk weist innerhalb offener Gewährleistungsfrist Mängel auf. Der AG verlangt Mängelbeseitigung, also plakativ gesprochen die „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“. Beurteilt sich die planungsbedürftige Mängelbeseitigung nach der RiLi-SIB oder nach der TR. Richtet sich die Planung nach der RiLi-SIB oder nach der TR-IH T1 mit entsprechenden Folgen für die Ausführung? Wonach richtet sich die Mangelfeststellung und -bewertung? , nach der RiLi-SIB oder nach der nunmehr gültigen TR-IH T1? Welcher Stellenwert kommt den Vertragsunterlagen, insbesondere den Leistungsverzeichnissen zu? Das sind die Kernfragen deren Beantwortung ansteht. Die Antwort hat vielfältige Auswirkungen auf die dem AN nach BGB und VOB/ B zukommende Dispositionsfreiheit wie auch auf den AG, wenn der AN der ihm gesetzten Frist für die Mängelbeseitigung nicht nachkommt. Denn dann geht die Dispositionsbefugnis auf den AG über, was nicht ohne Folgen für den Kostenvorschussanspruch und den Kostenerstattungsanspruch ist. In beiden Fällen erfährt die Rechtsposition des AG dadurch eine Grenzziehung, dass es nach § 635 BGB allein um die Mängelbeseitigung geht und § 637 Abs. 1 BGB das Maßnahmenbündel auf das für die Mängelbeseitigung Erforderliche beschränkt. Diese Erforderlichkeit fordert die Bestimmung eines Maßstabs geradezu heraus, nämlich den „Erforderlichkeitsmaßstab“. Liefert die TR- IH T1 oder die RiLi-SIB den Erforderlichkeitsmaßstab und welchen Einfluss hat das Sachmängelhaftungsrecht? 2. „Mängel in Altfällen“ ohne Gewährleistungsqualität = „Schäden in Altfällen“ = Instandsetzung der Instandsetzung“ Weisen „Mängel in Altfällen“ diesen Gewährleistungsbezug nicht auf, kommt das Sachmängelhaftungsrecht des BGB und der VOB/ B nicht in Betracht. Der begrifflichen Klarheit wegen, wird diese Fallgestaltung als „Schäden in Altfällen“ = „Instandsetzung der Instandsetzung“ bezeichnet. Der Begriff „Mangel“ assoziiert nämlich die Einschlägigkeit das Sachmangelhaftungsrechts, was gerade nicht zum Zuge kommt. Technisch gesehen geht es bei dieser Gestaltung um die „Instandsetzung der Instandsetzung“, weil diese misslungen ist, was jedoch keinen Bezug zum Gewährleistungsrecht aufweist. Dieses Sachmängelhaftungsrecht als „Korsett“ setzt damit keine Grenzen. In der Fallgestaltung nach Ziff. I.B.1 geht es um den Mangel nach Technikregeln und vor allem nach Rechtsregeln, die im Ergebnis auf den rechtsgeschäftlichen Abnahmezeitpunkt abstellen und darum, wie der so festgestellte Mangel zu beseitigen ist, damit die durch den Mangel gestörte Äquivalenz zwischen Preisniveau und Leistungsniveau wiederhergestellt wird. Das setzt eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Leistungssoll nach dem Vertragsinhalt in Verbindung mit dem zur Zeit der Beauftragung maßgeblichen technischen Regelwerk voraus. Dem Verständnis eines Leistungsverzeichnisses und dem daraus ablesbaren Qualitätsanspruch kommen große Bedeutung zu. Solche Äquivalenzfragen stellen sich bei Mängeln in Altfällen ohne Gewährleistungszusammenhang in kei- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 419 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ ner Weise. Die Art und Weise der Ertüchtigung des betroffenen Betonbauwerks wird ohne Regress auf irgendeine vertragsrechtlich relevante Vertragsbeziehung ins Auge gefasst. Mit Recht und gerade als Differenz zu den Fallgestaltungen mit Gewährleistungsbezug verwendet die TR-IH T1 auch weniger den Begriff „Mangel“, sondern bevorzugt den Begriff „Schaden“, auch in Verbindung mit „Schädigungsgrad“, Schädigungsausmaß“, „Schadensursache“ (vgl. TR-IH T1, Abschnitt 3 Abs. 1, 2). An anderen Stellen werden freilich auch beide Begriffe verwendet (Abschnitt 3 Abs. 3) D. „Mängel in Altfällen“ und „Schäden in Altfällen“ - ein gravierender Unterschied Beide Bezeichnungen stehen für eine völlig unterschiedliche Art und Weise des Herangehens, was auch die Frage aufwirft, ob die TR-IH T1 auf den Sachverhalt „Mängel in Altfällen“ = „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“ als Sachmangelhaftungsfall überhaupt anwendbar ist. 1. „Mängel in Altfällen“ - „Instandsetzung der Instandsetzungsmängel“ als Sachmangelhaftungsfall“ Der Ausgangspunkt ist regelmäßig entweder ein Privatgutachten oder ein Gerichtsgutachten. Der AG wirft dem AN innerhalb noch laufender Gewährleistungsfrist vor, für Sachmängel am Instandsetzungswerk verantwortlich zu sein und verlangt die Mängelbeseitigung der im Privatgutachten angeführten Mängel auf Kosten des AN. Kommt es im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auf der Grundlage eines Gerichtsgutachtens zu einem Vergleich, heißt die Ziff.1 „Nach ausführlicher Besprechung der Sach- und Rechtslage verpflichtet sich der Beklagte (gemeint der AN), die im Gutachten des Sachverständigen XX auf den Seiten 13 bis 21 unter Ziffern 1. bis 28, bezeichneten Mängel sach- und fachgerecht unter Beachtung der anerkannten Regeln der Technik bis zum ? ? ? ? zu beseitigen.“ Stellt der Gutachter fest, dass Mängel am Instandsetzungswerk bestehen, werden diese im Gutachten nach Ort und Art genau beschrieben. Der Auftragnehmer hat das Recht, diese Mängel zu beseitigen. Der Zugriff auf die Beseitigungsarbeiten beschränkt sich also ausschließlich auf diese Mängel. Der Anspruch des AG auf die Beseitigung der festgestellten Mängel erfasst die Arbeiten nur in dem Umfang, als sie der Mängelbeseitigung dienen (BGH U.v. 25.06.2015 - VII ZR 220/ 14. BauR 2015, 1664 Rn. 68). Charakteristikum: Es geht nur um die konkreten Mängel, deren Ursache bereits zum Zeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Abnahme vorhanden gewesen sein muss. Kennzeichnend: Der Blick geht zurück und wird gleichsam in Scheuklappen geführt. Anwendungsfall: Ist das das Feld der TR-I T 1? Ist der Anwendungsbereich der TR-IH T1 überhaupt eröffnet? Sind die Regeln dieser TR wenigstens entsprechend anwendbar? 2. „Schäden in Altfällen - „Instandsetzung der Instandsetzung“ ohne Gewährleistungszusammenhang Schäden -auch Einzelschäden - sind Anlass, das Gesamte in den Blick zu nehmen. Der Blick richtet sich in die Zukunft. Nach der TR-IH T1 geht es um das Ganze und darum, was für die Zukunft an Maßnahmen geboten ist. Charakteristikum: Es geht um das Ganze oder um Bauteile des Ganzen. Einzelschäden sind Anlass, das Ganze oder Bauteile des Ganzen in den Blick zu nehmen. Kennzeichnend: Der Blick geht gerade nicht zurück, die rechtsgeschäftliche Abnahme ist völlig bedeutungslos und der Blick richtet sich in die Zukunft und weitet sich scheuklappenfrei. Die Beurteilung erfolgt wie in dem Fall, dass das Bestandsobjekt erstmalig einer Instandsetzung zugeführt wird. Anwendungsfall: Das ist das Feld der TR-IH T1! II. Der „Zugriff“ auf eine Instandsetzung nach der TR-IH T1 Für den „Zugriff“ auf die Art und Weise der Instandsetzung nach der TR-IH T1 ist bedeutsam, dass dieses Regelwerk im Teil 1 ausschließlich den Anwendungsbereich und die Planung zum Gegenstand hat. Der Teil 2 betrifft die Produkte und die Systeme. Die TR-I kennt keinen eigenständigen Teil für die Ausführung, sondern verweist insofern auf den Teil 3 der RiLi-SIB (vgl. TR-IH T1 Abschnitt 1 Abs. 1). Womit der Teil 3 der RiLi-SIB 2001, Anforderungen an die Betriebe und die Überwachung der Ausführung, weiter gelten. Eigentlich kennt auch die Ri- Li-SIB keinen eigenständigen Teil, der sich speziell mit der Ausführung befasst. A. Die Prinzipien der TR-IH T1 Die tragenden Prinzipien der TR-IT 1 machen die im Abschnitt 1 Abs.3 genannten übergeordneten Ziele der Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen aus, nämlich die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Betonbauteilen für einen bestimmten Zeitraum. 1. Grundsatz: Es geht um die Gebrauchstauglichkeit von Bauteilen insgesamt (Gesamtbetrachtung). 2. Grundsatz: Die Instandsetzung hat einen Zeitraumbezug, der Faktor Zeit spielt eine Rolle. Der Zeitraumbezug korreliert mit der Restnutzungsdauer. Die Instandhaltungsmaßnahme Instandsetzung ist nach Abschnitt 2 der TR-IH T1 planungsbedürftig (Planungsbedarf), was durch einen sachkundigen Planer (SKP) zu erfolgen hat. 3. Grundsatz: Planungsbedarf, erledigt durch SKP (TR- IH T1Abschnitt 3). Die Instandsetzung vollzieht sich nach einem in der TR- IH T1 Abschnitt 3 geregelten Schema: a) Zustandsfeststellung, Zustandsbewertung (z.B. Schädigungsursache, Schädigungsgrad, Schädigungsausmaß, Abschätzung der weiteren Zustandsentwicklung); b) Festlegung des Mindest-Soll-Zustands in Abstimmung mit dem AG; c) Vergleich von Ist- und Mindest-Soll-Zustand; d) Ab- 420 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ schätzung der Restnutzungsdauer; e) Instandsetzungskonzept; f) Instandsetzungsplan B. TR-IH T1 „Schäden in Altfällen“ ohne Gewährleistungsbezug = Instandsetzung eines Bestandobjekts und „Instandsetzung der Instandsetzung“ Die TR-IH T1 ist auf die Gruppe „Schäden in Altfälle“ in beiden Varianten passgenau zugeschnitten. Für beide Fallgruppen gelten aus technischer Sicht identische Technikregeln. 1. Instandsetzung eines Bestandsobjekts - der klassische Anwendungsfall der TR-IH T1 Das Vorgehen nach Ziff. II.A. passt genau auf in die Jahre gekommene Bestandsobjekte, bei denen eine Instandsetzung ansteht und zwar ohne sonstige irgendwelche Konditionen und Einschränkungen. Es ist gleichsam nur der „Zahn der Zeit“ der dem Bestandsobjekt zugesetzt hat. a) Istzustandsfeststellung und Zustandsbewertung Der Istzustand ist festzustellen, bzgl. welcher für die Gebrauchstauglichkeit maßgeblichen Kriterien sind Defizite festzustellen? Die Tabelle 1 der TR-IH T1 liefert die maßgeblichen Kriterien, z. B. Korrosionszustand des Betonstahls, Carbonatisierungstiefe, Chloridbelastung, die Tabelle 3 liefert die Aspekte hinsichtlich der Erfassung und Bewertung von Rissmerkmalen und Hohlraummerkmalen und die Tabelle 4 liefert Kriterien für die Einordnung des Altbetons. Das Feststellungsergebnis ist die Basis für die Bewertung und damit zugleich für die Abschätzung der verbleibenden Restnutzungsdauer, wenn von einer Instandsetzung abgesehen wird. Das Feststellungsergebnis ist auch die Grundlage für Festlegung des Mindest-Soll-Zustandes, dessen Herstellung eine gewisse von den Vertragsparteien geplante Restnutzungsdauer (vgl. z. B. TR-IH T1, S. 21, 26, 46) sicherstellt. Der Vergleich des Istzustandes mit dem Soll-Zustand ermöglicht die Abschätzung der Restnutzungsdauer auf Basis des Istzustandes und der Restnutzungsdauer bei Erreichung des Soll-Zustandes (vgl. TR-IH T1Ziff. 3 Abs. 2 3. Spiegelstrich). b) Ausrichtung der Instandsetzungsverfahren nach der TR-IH T1 Die TR-IH T1 führt in der Ziff. 6 die einschlägigen Instandsetzungsverfahren in erster Linie unter Planungsgesichtspunkten, woraus für die Verarbeiter jedoch durchaus die Konsequenzen für die Ausführung gezogen werden können. Die Tabelle 5 verschafft einen Überblick über die in Betracht kommenden Verfahren und die nachfolgenden Ziffern konkretisieren die jeweiligen Verfahrensarten c) TR-IH T1 als einschlägige Technikregel seit verbindlicher Veröffentlichung 2021 Der unter Ziff. II. B.1. angeführte Sachverhalt beurteilt sich nach der TR-IH T1, wenn die Instandsetzungsaufträge 2021 erteilt worden sind auch dann, wenn in den Vertragsgrundlagen nicht ausdrücklich auf die Geltung der TR-IH T1 hingewiesen worden ist. Für die TR-IH T1 spricht nämlich die Vermutung, dass sie inhaltlich Ausdruck der anerkannten Regeln der Technik ist. Erfolgte nämlich deren Erarbeitung im Grunde genommen von dem Deutschen Ausschuss für Stahlbeton in Ausrichtung an den Transparenzregeln der DIN 820 mit Einspruchs- und Schlichtungsmöglichkeit, hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass die danach entstandenen Regeln zwar nicht anerkannte Regeln der Technik sind, aber hierfür eine jederzeit widerlegbare Vermutung spricht (BVerwG BauR 1997, 290; BGH NJW 2013, 2271, 2272). Denn was für DIN-Normen nach dieser Rechtsprechung zutrifft, muss auch für solche Regelwerke gelten, die unter Beachtung von in Grundnormen enthaltenen Transparenzregeln mit Einspruchs- und Schlichtungsmöglichkeit gebildet werden. Auch für Instandsetzungsverträge, die vor 2021 geschlossen worden sind, spricht vieles dafür, dass deren Abwicklung nicht nach der RiLi-SIB Fassung Oktober 2001 auszurichten ist. Dafür ist dieses Regelwerk jedenfalls was die Planungsaufgabe und die daran ausgerichtete Ausführung betrifft zu stark in die Jahre gekommen. Man wird auf den Beginn der Überarbeitungsphase dieses Regelwerks abzustellen haben und sich danach ausrichten müssen, was in dieser Phase sich als beständiger Regelungsinhalt durchgezogen hat. Werkvertraglich nicht ausschlaggebend ist, bis zu welchem Zeitpunkt die RiLi-SIB eine eingeführte Technische Baubestimmung gewesen und die TR-IH T1 als Musterverwaltungsvorschrift (TR MVV) in den einzelnen Bundesländern eingeführt worden ist. Denn das betrifft das Bauordnungsrecht und ist nicht ausschlaggebend für das Werkvertragsrecht nach BGB und VOB/ B, das sich inhaltlich unter Qualitäts- und Mangelfreiheitsgesichtspunkten an den anerkannten Regeln der Technik ausrichtet. Die Einführung als Verwaltungsvorschrift ist auch nicht geeignet, einer solchen Verwaltungsvorschrift die Qualität als anerkannte Regel der Technik zuzuweisen. 2. Instandsetzung eines instandgesetzten Bestandsobjekts Nach den unter Ziff. 1 skizzierten Technikregeln wickelt sich auch der Fall ab, dass die Instandsetzung eines in die Jahre gekommenen instandgesetzten Bestandsobjekts ansteht, bei dem Sachmängelrechte nicht im Raum stehen. Aus technischer Sicht geht es allein um Technikregeln, nach denen der Fall zu prüfen, zu planen und abzuwickeln ist. Rechtsregeln scheiden bezüglich des Prüf- und Planungsprogramms auf der Basis der Zustandsfeststellung und Zustandsbewertung aus. III. Der Sachverhalt „Mängel in Altfällen“ - Mängel als Gewährleistungsfall - die „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln Dieser Fall unterscheidet sich von den unter Ziff. II.B. 1. und 2 genannten Fallgruppen total. Denn zur Technikre- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 421 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ gel kommt die Rechtsregel, der sogar im Ergebnis absolute Priorität zukommt. A. Der Ausgangsfall Der Ausgangsfall: Ein Bestandsobjekt wird unter der Geltung der RiLi-SIB nach einem ganz bestimmten Vertrag, dem ein ganz bestimmtes Leistungsverzeichnis zugrunde liegt, instandgesetzt. Dabei wird häufig der Begriff der „Sanierung“ verwendet. Innerhalb offener Gewährleistungsfristen erfolgen Beanstandungen und es entwickelt sich ein Streit über die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliegt wie auch darüber, auf welche Weise der Mangel zu beurteilen ist. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits die TR- IH T 1 als maßgebliche Fassung in Kraft getreten und als Teil der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV-TB) veröffentlicht. Ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt, welche Beurteilungskriterien einschlägig sind, welcher Maßstab maßgebend ist, und auf welche Weise der Mangel zu beheben ist, wird primär durch das Vertragsrecht und ergänzend durch das Gesetz, also das Werkvertragsrecht des BGB bestimmt. B. Der Sitz des Problems Weil es sich damit um ein Vertragsproblem handelt, liegt der Sitz des Problems primär im Rechtsbereich und nur sekundär im Technikbereich. Die Mangelfrage bedarf der Klärung, denn es geht um das nach dem Vertragsinhalt geschuldete Bausoll, also inhaltlich um das vertragliche Mangelfreiheitsversprechen. Die Interpretation eines Ausgangsvertrags, um überhaupt die Mangelfrage beantworten zu können, stellt sich in der Fallgestaltung der „Instandsetzung der Instandsetzung“ überhaupt nicht. Geht es bei der „Instandsetzung der Instandsetzung“ nur um die Technik, nämlich das einschlägige technische Regelwerk und welches Leistungsziel, welche Restnutzungsdauer der AG verfolgt, kommt bei der „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“ das Vertragsrecht nicht nur hinzu, sondern steht eindeutig an erster Stelle. Das Vertragsrecht und dahinter das Gesetzesrecht oder die VOB/ B spielen die erste Geige. Denn die Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln bedingt: Liegt ein Mangel überhaupt vor (C)? , was (D) die Bestimmung des Bausolls und damit des Erfolgssolls als Maßstab voraussetzt. Dem schließt sich an, auf welche Weise ein festgestellter Mangel zu beseitigen ist (E). Auf welchen Erkenntnis-/ Wissensstand es dabei ankommt, ist von entscheidender Bedeutung (F). Abschließend ist (G) auf den Funktionalitätsaspekt einzugehen. C. Die Mangelfrage - Das Misslingen einer Instandsetzung Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Mangelfrage letztlich eine Rechtsfrage, die auf der Grundlage sachverständiger Feststellungen zu beantworten ist (BGH, Urteil vom 13.03.2008 - VII ZR 219/ 06, BauR 2008, 1931 Rn. 11). Das ist selbstverständlich, weil die Antwort nach Maßgabe des § 633 BGB oder bei einem VOB/ B-Bauvertrag nach § 13 VOB/ B aufzufinden ist. Ist eine Beschaffenheit vereinbart, ist jede verfehlte Beschaffenheit ein Mangel (BGH U.v.30.07.2015 - VII ZR 70/ 14, BauR 2015, 1842 Rn. 21). Die Verfehlung einer vertraglich vorausgesetzten Verwendungseignung bedeutet die Mangelhaftigkeit der Leistung ebenso wie das Fehlen einer gewöhnlichen Verwendungseignung in Verbindung mit dem Ausbleiben von Beschaffenheiten, die bei einem Werk der gleichen Art üblich sind und deren Vorhandensein der Besteller nach der Art des Werks auch erwarten kann. 1. Vertragsinhalt, Leistungsverzeichnis, Auslegungsbedarf Letztlich geht es um das Verständnis des Vertragsinhalts und diesbezüglich insbesondere um das Leistungsverzeichnis als den Kern eines Vertrages. Hierfür ist der Vertragstext auszulegen, wobei am Wortlaut anzuknüpfen ist und Sinn und Zweck der Leistung interessengerecht zu ermitteln sind. Dabei kann der Inhalt eines Leistungsverzeichnisses und die darin beschriebene Leistung mit dem Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingung für Bauleistungen - Betonerhaltung DIN 18349 verglichen werden. Defizite lassen Schlussfolgerungen darüber zu, welche Leistungsziele ein Auftraggeber verfolgt. 2. Stellenwert des Abschnitts 0 der DIN 18349 Der Abschnitt 0 der DIN 18349 wird zwar nicht Vertragsinhalt, gibt aber Hinweise für die Aufstellung einer Leistungsbeschreibung, insbesondere eines Leistungsverzeichnisses. Defizite des konkreten in einem Streitfall vorliegenden Leistungsverzeichnisses lassen Schlussfolgerung darüber zu, welche Art einer Betoninstandsetzung gewollt ist, welches Ziel und welche Funktionalität verfolgt werden und seitens des Auftragnehmers angeboten und ausgeführt werden sollen. 3. Konkretes Leistungsverzeichnis und der Abschnitt 0 der DIN 18349 Ein Leistungsverzeichnis, das die Vorgaben des Abschnitts 0 der DIN 18349 beachtet, belegt, dass der Auftraggeber eine qualitativ hochwertige und voll funktionstaugliche Leistung erwartet. Ein Leistungsverzeichnis, das inhaltlich dem nicht entspricht, also durch Auslassungen oder Unklarheiten glänzt, belegt, dass der Auftraggeber in einen Selbstwiderspruch gerät, wenn er das daran ausgerichtete Leistungsergebnis an dem Qualitätsanspruch misst, der einem an dem Abschnitt 0 der DIN 18349 ausgerichteten Leistungsverzeichnis entspricht. a) Das „abgemagerte Leistungsverzeichnis“ Auf den Punkt gebracht: Wer „abgemagert“ ausschreibt, will eine „abgemagerte“ Qualität und gerade keine volle, sondern eine eingeschränkte Funktionalität. Die Verfehlung der „vollen Funktionalität“ ist dann kein Mangel. Dem kann in einem solchen Fall seitens eines Auftraggebers nicht entgegengehalten werden, man habe eine langlebige und nachhaltige Betoninstandsetzung erwartet, eine solche, die auf die Restnutzungsdauer hin aus- 422 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ gelegt sei. Ein derartiger Erwartungshorizont korreliert nicht mit dem, was nach dem Text verlangt und dem Verlangen entsprechend ausgeführt worden ist. Aus dem Inhalt eines LV-Textes wird auf das Leistungssoll, damit auf den geforderten Qualitätsmaßstab und den Funktionalitätsgrad geschlossen. Auf die Einhaltung der Anforderungen einer gewöhnlichen Verwendungseignung kann ein Auftraggeber nicht abstellen, wenn der Leistungsverzeichnistext keinen Anhaltspunkt für das Verlangen einer Leistung liefert, die für eine gewöhnliche Verwendungseignung taugt und die Qualitäten hierfür liefert. Beispiel: Wer das Abwaschen einer Fassade ausschreibt und damit verlangt, bekommt lediglich das Leistungsergebnis, das mit einem solchen ordentlich ausgeführten Vorgang verbunden ist. Wird ansonsten keine Untergrundvorbehandlung ausgeschrieben, kann nicht erwartet werden, dass mit dem verlangten Abwaschen ein Leistungsergebnis verbunden ist, das ausschließlich über eine Untergrundvorbehandlung erreicht wird. Das Bausoll Abwaschen löst ein anderes Erfolgssoll aus, als das Bausoll Untergrundvorbehandlung. Beispiel: Wer als AG eine Untergrundvorbehandlung ausschreibt mit einer Rautiefe von 2 mm, bestimmt damit diese und keine andere Beschaffenheit und kann keinen Mangeltatbestand damit begründen, es sei keine Rautiefe von 3 mm erreicht worden. Entscheidend sind die ausgeschriebene Qualitätsstufe und der damit verbundene Funktionalitätsgrad. Auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass besser 3 mm ausgeschrieben worden wären, liegt kein Mangel der Leistung vor. Denn die bessere Erkenntnis, die zu einer Anhebung des Qualitätsmaßstabs führt, ist nicht geeignet, das vertraglich vereinbarte Bausoll und damit auch das Erfolgssoll anzuheben. b) Das ausgereifte Leistungsverzeichnis Demgegenüber bringt ein Auftraggeber mit einem ausgereiften Leistungsverzeichnis, das die Empfehlungen des Abschnitts 0 der DIN 18349 beachtet, einen dadurch geprägten Qualitätsanspruch und damit auch einen entsprechenden Funktionalitätsanspruch zum Ausdruck (vgl. nachfolgend unter G.). D. Das Bausoll/ Erfolgssoll - das „Kreuz“ der „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln Die Bestimmung des Bausolls/ Erfolgssolls nach Maßgabe des Vertragsinhalts führt in das Gestrüpp der Vertragsauslegung und wird damit zum „Kreuz“ der „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“ nach Sachmängelhaftungsregeln. Dafür sollen mehrere Beispiele von Ausschreibungsmöglichkeiten einer Hydrophobierung dienen bzgl. deren Ergebnisse Mängel beanstandet und Mängelbeseitigungsansprüche erhoben werden. Dem Sachkundigen Planer (nachfolgend: SKP) ging es mit der Hydrophobierung nach der damals geltenden RiLi-SIB um den Korrosionsschutz durch Begrenzung des Wassergehalts im Beton, Instandsetzungsprinzip W nach Abschnitt 6.4.2 der RiLi-SIB Teil 1 mit Verweis auf den Teil 2 Abschnitt 5, dort insbesondere die Tabelle 5.1, Oberflächenschutzsystem OS 1 (OS A). Der Positionstext für die Leistung Hydrophobierung einer Stahlbetonfassade kann völlig unterschiedlich ausfallen, was im Ergebnis Auswirkungen auf das geschuldete Bausoll, damit auf den Erfolg und auch auf die Funktionalität hat. Dabei beschränkt sich die DIN 18349 im Abschnitt 0.2.18 allerdings lediglich auf folgende Aussage: „Art des Oberflächenschutzes“, womit im Ergebnis lediglich an die verschiedenen Oberflächenschutzsysteme nach der einschlägigen Technikregel - RiLi-SIB oder TR-IH T1 erinnert wird. Eine weitere Detaillierung wird unterlassen; dennoch ist angesichts der Tabelle 5.1 des Teils 2 der Ri- Li-SIB wie auch der Tabelle A.2 des Teils 2 und des Abschnitts 6.1.2 der TR-ICH T1 eindeutig, dass die Hydrophobierung eine der Arten des Oberflächenschutzes ist. 1. Ausschreibungsmöglichkeiten Hydrophobierung a. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY Eindringtiefe 4 mm b. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY Eindringtiefe mindestens 4 mm c. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY Eindringtiefe nach Klasse I der DIN EN 1504-2, Oktober 2005 Tabelle 3 Nr. 19 d. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY Eindringtiefe nach Klasse I der DIN EN 1504-2, Oktober 2005 Tabelle 3 Nr. 19, Eindringtiefe mindestens 5 mm e. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY Eindringtiefe nach Klasse II der DIN EN 1504-2, Oktober 2005 Tabelle 3 Nr. 19 f. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY Eindringtiefe nach Klasse II der DIN EN 1504-2, Oktober 2005 Tabelle 3 Nr. 19, Eindringtiefe mindestens 11 mm. g. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY bis der Beton nicht mehr saugt. h. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY bei Bedarf mehrfach nass in nass aufbringen bis der Beton nicht mehr saugt. i. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY bis der Beton nicht mehr saugfähig ist. j. Hydrophobierung der Betonfassade mit YYY bei Bedarf mehrfach nass in nass aufbringen bis der Beton nicht mehr saugfähig ist. 2. Mangeltatbestand nach den Beispielen gem. Ziff. 1 - Mangelfeststellung - Ergebnisse Zu 1.a) Die Beschaffenheit ist eindeutig beschrieben: Wird die Eindringtiefe von 4 mm verfehlt, ist diese also geringer, liegt wegen der Verfehlung einer vertraglichen Beschaffenheit im Rechtssinne ein Mangel vor. Dieser ist zu beheben, also ist die festgestellte geringere Eindringtiefe durch Nachbesserung auf 4 mm zu bringen. Ein Man- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 423 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ gel wird dem Sinn und Zweck nach zu verneinen sein, wenn die 4 mm überschritten werden, denn dann wird der mit dieser Vorgabe verfolgte Zweck (Schutzfunktion mit Auswirkungen auf das Wiederholungsintervall, Dauerhaftigkeit) besser erreicht. Zu 1.b) Die Beschaffenheit ist eindeutig beschrieben: Wird die Eindringtiefe von 4 mm verfehlt, ist diese also geringer, liegt wegen der Verfehlung einer vertraglichen Beschaffenheit im Rechtssinne ein Mangel vor. Im Unterschied zu a) ist eindeutig eine größere Eindringtiefe kein Mangeltatbestand. Zu 1.c) Die in der Klasse I (vgl. DIN EN 1504-2: 2005 Tabelle 3, Nr. 19 und TR-ICH T2 Tabelle A.3) geforderte Eindringtiefe bewegt sich im Bereich < 10 mm. Damit liegt aus rechtlicher Sicht eine Beschaffenheitsvereinbarung vor, die einen Korridor von 0,1 mm ist 9,9 mm ausmacht. Sieht man das dem Wortlaut nach streng, begründen sämtliche Eindringtiefen, die in diesem Korridor liegen, bei einer am Wortlaut ausgerichteter Auslegung keinen Mangeltatbestand. Also würde auch am Wortlaut ausgerichtet eine Eindringtiefe von 0,1 mm keinen Mangeltatbestand darstellen. Ob eine solche Eindringtiefe freilich den Zweck (Schutzfunktion, Wiederholungsintervall; Dauerhaftigkeit) erfüllen würde, ist eine andere Frage. Zu 1.d) Bei diesem LV-Text beinhaltet die Beschaffenheit innerhalb der Klasse I eine Mindesteindringtiefe von 5 mm, womit alles, was darunterliegt als Mangelfall zu qualifizieren ist. Zu 1.e) Die Klasse II (vgl. DIN EN 1504-2: 2005 Tabelle 3, Nr. 19 und TR-ICH T2 Tabelle A.3) beinhaltet eine Eindringtiefe von ≥ 10 mm, womit alles was unterhalb von 10 mm liegt, rechtlich wegen Verfehlung einer Beschaffenheitsvereinbarung einen Mangeltatbestand darstellt. Zu 1.f) Die Beschaffenheitsvereinbarung beinhaltet eine Eindringtiefe von mindestens 11 mm, womit sämtlich Messergebnisse, die darunterliegen, einen Mangelfall auslösen. Achtung: Ab g) zu 1.g) wird es äußerst kritisch, welches Bausoll/ Erfolgssoll verlangt und über den geschlossenen Vertrag auch versprochen wird. Diese Texte lassen die eigentlich erforderliche Klarheit in jeder Weise vermissen. Zu 1.g) Als Beschaffenheit wird vereinbart: Bis der Beton nicht mehr saugt. Welche Qualität wird damit versprochen? Darf aus dem Text überhaupt auf eine Eindringtiefe als Maßvorgabe geschlossen werden? Da das Sachmängelhaftungsrecht auf die Mangelhaftigkeit bzw. Mangelfreiheit zum Zeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Abnahme abstellt, muss dann darauf abgestellt werden, ob der Beton zur Zeit der Abnahme saugt oder nicht saugt? Womit wird das „Saugen“ festgestellt? Ist damit ausschließlich das Karsten-Röhrchen der passende Mess- und Prüfvorgang? Darf die vereinbarte Beschaffenheit „bis der Beton nicht mehr saugt“ mit dem Beschaffenheitsmerkmal „Eindringtiefe“ überhaupt verknüpft werden oder sind das unterschiedliche Beschaffenheitsmerkmale dergestalt, dass die Eigenschaft „bis der Beton nicht mehr saugt“ mit der Eigenschaft „Eindringtiefe“ schlicht - insbesondere aus technischer Sicht - nichts zu tun hat. Um aus dem Text eine sinnvolle Beschaffenheit abzuleiten, kommt der Jurist jedenfalls an seine Grenzen, er kommt ohne Zuziehung technischen Sachverstandes nicht weiter. Wobei freilich das Problem entstehen kann, dass der zugezogene Ingenieur die Qualität „bis der Beton nicht mehr saugt“ wie selbstverständlich mit Eindringtiefe verknüpft und deren Ermittlung z.B. über Saugprofile als Lösungshilfe ansieht. Das Karsten-Röhrchen wäre damit obsolet. Zu 1.h) Bei diesem Text verschärft sich das Auslegungsproblem, weil die Eigenschaft „bis der Beton nicht mehr saugt“ mit einem mehrfachen „Auf bringen“ verknüpft wird. Hieraus könnte geschlossen werden, dass im Vergleich zu g) ein besseres Ergebnis, also eine höhere Eindringtiefe als Bausoll geschuldet ist. Das Auslegungsproblem wird deshalb potenziert. Zu 1.i) Das LV verwendet anstelle des Eigenschaftsworts „saugfähig“ das Verbum „saugt“. Das Problem ist absolut identisch mit g) zu 1.g). Zu 1.j) Das LV verwendet anstelle des Eigenschaftsworts „saugfähig“ das Verbum „saugt“. Das Problem ist absolut identisch mit i) zu 1.i). 3. Auslegungsregeln - Auslegungsmethode Bei den Texten ab g) entstehen demnach erhebliche Auslegungsprobleme, weswegen schließlich erzielte Auslegungsergebnisse als das geschuldete Bausoll mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind. Diese Unsicherheiten bestehen trotzt anerkannter Auslegungsregeln, deren Umsetzung auf den konkreten Fall dennoch nicht frei von Unsicherheiten ist. Generell gehört es zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen ist, eine vertragliche Regelung sollte nach dem Willen der Vertragsparteien einen bestimmten rechtserheblichen Sinn haben, weswegen einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben ist, bei welcher Vertragsbestimmungen eine tatsächliche Bedeutung zukommt, und sich die Bestimmungen ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen (BGH U.v. 13.11.2014 - VII ZR 259/ 13, BauR 2015, 535 Rn. 10). Damit kommt es darauf an, was der Vertrag durch Auslegung hergibt; eine unter- 424 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ lassene Aufklärung ist für die Auslegung bedeutungslos (BGH U.v. 12.09.2013 - VII ZR 227/ 11, BauR 2013, 2017). Eine reine Buchstabenauslegung scheidet aus (BGH, U.v. 21.03.1991 - VII ZR 110/ 90, BauR 1991, 458, 459). Die Auslegung hat neben dem Erklärungsinhalt den Gesamtzusammenhang und den Horizont des Empfängers wie auch die beiderseitigen Interessen der Parteien zu berücksichtigen (BGH U.v. 12.01.2001 - VII ZR 372/ 99, NJW 2001, 1928, 1929; BGH U.v. 20.6.2013 - VII ZR 103/ 12, BauR 2013, 1718 Rn. 18; BGH U.v. 20.06.2013 - VII ZR 103/ 12, BauR 2013, 1718 Rn. 16; BGH U.v. 24.06.2004 - VII ZR 259/ 02, BauR 2004, 1640). Letztlich muss ein sinnvolles und widerspruchsfreies Ergebnis unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien aufgefunden werden (BGH U.v. 08.01.2004 - VII ZR 181/ 02, BauR 2004, 847). Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Ausschreibenden (BGH U.v. 12.09.2013 - VII ZR 227/ 11, BauR 2013, 2017). 4. Übertragung der Regeln nach Ziff. 3. auf die Fälle nach Ziff. III.D.1.g) bis j) Hier wird zu den Fällen nach Ziff. III.D.1.g) bis j) die Auffassung vertreten, dass die verwendeten Formeln die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich einer bestimmte Eindringtiefe des Hydrophobierungsmittels nicht rechtfertigen. Die Unklarheiten sind so zahlreich, dass nicht einmal die Regel „Unklarheiten gehen zu Lasten des Ausschreibenden“ greift. Denn das rechtfertigt die Festlegung einer bestimmten Eindringtiefe nicht. Die Lösung wird in folgendem gesehen: Welche Eindringtiefe konnte gewöhnlich mit dem zur Zeit des Vertragsschlusses am Markt vorhandenen und im LV angegebenen Hydrophobierungsmittel mit der beschriebenen Arbeitsweise an den senkrechten Betonwänden angesichts deren Betonqualität erzielt werden? Welche Eindringtiefe wäre erzielt worden, wenn eine Musterfläche entsprechend der Leistungsbeschreibung zum Zeitpunkt der Beauftragung hydrophobiert worden wäre? Abgestellt wird damit auf das, was erreichbar und damit das Gewöhnlich gewesen wäre. Das Gewöhnliche führt § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB als Mangelfreiheitskriterium an und würde darauf hinauslaufen, dass als Gewöhnliches eine „Standardhydrophobierung“ geschuldet ist. Für die Konkretisierung des „Gewöhnlichen“ als Kriterium kann die zur Zeit des Auftrags geltende RiLi-SIB Teil 2 Tabelle 5.1 herangezogen werden. Dort wird die Hydrophobierung in der Spalte 2 klar von der Beschichtung abgegrenzt, die gerade nicht ausgeschrieben ist. Also wird nach der Tabelle 5.1 Spalte 2, Zeile 2 bewusst ein bedingter Feuchteschutz gewollt, wobei nach dem dortigen Beschrieb der klassische Anwendungsfall vertikale und geneigte freibewitterte Betonbauteile sind, wozu jedoch senkrechte Flächen gerade nicht zählen. Letztlich spricht vieles dafür, dass nach der Ausschreibung an der senkrechten Wand aus Beton der gegebenen Qualität tatsächlich an Eindringtiefe Erreichbare als das nach dem Vertrag Geschuldete anzusehen, wenn man überhaupt so weit geht, den Text als Indikator für die Vereinbarung einer Eindringtiefe anzusehen. E. Mängelbeseitigung Die Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln nach Sachmängelregeln beinhaltet allein und ausschließlich die Mängelbeseitigung. Das Defizit wird dadurch beseitigt, dass der Ist-Zustand qualitativ auf die Höhe des vertraglich versprochenen Bausolls/ Erfolgssolls angehoben wird. Es geht nicht darum, dass ein neu definiertes Soll, das sich z.B. aus einem neuen Regelwerk ergibt, zum Maßstab erklärt wird. 1. Das Leistungsversprechen des Ausgangsvertrags als Maßstab Der Maßstab ist ausschließlich und allein der Ausgangsvertrag. Es sind die Mängel zu beheben, mehr nicht und nichts Anderes. Der Verarbeiter, der Mängel verursacht hat, ist darüber hinaus nicht zu Verbesserungen verpflichtet, weil das damalige Bausoll jetzt zum Zeitpunkt der Mängelbeseitigung nicht mehr für ausreichend gehalten wird, was auf einem zwischenzeitlichen Erkenntnisgewinn zurückzuführen ist. Führt ein Erkenntnisgewinn zu einer Maßstabsanhebung, schuldet der gewährleistungspflichtige AN im Rahmen der Mängelbeseitigung nicht die Erreichung dieses neuen Maßstabs. Mängelbeseitigung beinhaltet die Ertüchtigung der mangelhaften Leistung bis zum vertraglich geschuldeten Niveau. Der mangelhafte Istzustand ist auf das Vertragssoll anzuheben. Beispiel: Geschuldet ist eine Hydrophobierung mit einer Eindringtiefe von 2 mm, erreicht wurde eine solche von 1 mm. Mängelbeseitigung: Es sind nur die 2 mm zu erreichen. Sind nach neueren Erkenntnissen und im Hinblick auf die nunmehr geplante Restnutzungsdauer 5 mm geboten, schuldet der AN nicht die 5 mm Eindringtiefe als Mängelbeseitigung. Eine nunmehr geplante Restnutzungsdauer ist bedeutungslos; maßgeblich ist die Restnutzungsdauer nach Maßgabe des Inhalts des Vertrags. Was zum Zeitpunkt der Mängelbeseitigung gilt und im Ergebnis dazu führt, dass größere Eindringtiefen mit neu formulierten Hydrophobierungsmittels erreichbar sind, ist nicht der Maßstab für die Mängelbeseitigung und bildet weder eine Grundlage für die vom AN einzustellenden Zeitaufwand noch für die Kosten. Galt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als gewöhnlich geschuldet eine sog. Standardhydrophobierung und hat sich im Lauf der Zeit bis zum Zeitpunkt der Mängelbeseitigung angesichts fortgeschrittener Produkte und Verfahrensweise als besser eine sog. „Tiefenhydrophobierung“ erwiesen, schuldet der nachbesserungspflichtige AN keine Tiefenhydrophobierung. Er schuldet nichts anderes als die Beseitigung der festgestellten Mängel der geschuldeten „Standardhydrophobierung“, damit zwischen Vergütung und Leistung Äquivalenz besteht. Die Leistungsseite des AN ist auf das vertraglich versprochene Leistungsniveau anzuheben. Verlangt der AG als Nachbesserung die sog. „Tiefenhydrophobierung“, liegt der AG falsch, weil es sich dabei um etwas Anderes und nicht um die Mängelbeseitigung handelt. Von Rechts wegen bestimmt der AN nach § 635 BGB die Art und Wei- 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 425 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ se der Mängelbeseitigung, deren Ziel eine mangelfreie „Standardhydrophobierung“ ist. Die Mängelbeseitigung ist auf der Basis des Ausgangsvertrags anzugehen. Die Karten werden gleichsam nicht neu gemischt, auch wenn es ein neues „Blatt“ in Gestalt eines neuen Regelwerks gibt, und dieses Regelwerk angesichts des Erkenntnisgewinns neue Maßstäbe, also ein neues technisches Soll formuliert, z.B., damit eine Leistung nachhaltiger ist und Instandhaltungsintervalle länger sind, als sie ausgeschrieben wurden. Eine solche Verbesserung wird im Rahmen der Mängelbeseitigung nach Gewährleistungsregeln nicht geschuldet. 2. Ausrichtung an der TR-IH T1 als falscher Ansatz für die „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln Die Beschreibung der Grundsätze für die Planung der Instandhaltung macht deutlich, dass die TR-IH T1 bei der Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln ein mehr als problematischer Ansatz ist, denn nach Abschnitt 3 Abs. 2, 2 Spiegelstrich, ist der Mindest-Soll-Zustand festzulegen. Im Mangelfall erfolgt die Ausrichtung nicht an einem festzulegenden Mindest-Soll-Zustand, sondern am Mangel, den es nachzubessern, also auf das vertraglich versprochene Soll anzuheben gilt. Es geht auch nicht um eine abzuschätzende Restnutzungsdauer (Abschnitt 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich), oder um eine geplante Restnutzungsdauer (TR-IH T1, S. 21, 26 oder 46), sondern allein um die Beseitigung des festgestellten Mangels. Anstelle des Mindest-Soll-Zustandes ist das vertragliche Bausoll entscheidend. Eine Restnutzungsdauer muss nicht abgeschätzt werden, denn mit der Beseitigung des Mangels wird die Restnutzungsdauer nach dem Vertragsinhalt erreicht. Eine Restnutzungsdauer ist auch nicht neu zu planen. Die Vorgaben der TR-IH T1 betreffen die Instandsetzung eines Bestandsobjekts oder die Instandsetzung eines bereits einmal instandgesetzten Bestandsobjekts aus Stahlbeton, aber im Grundsatz nicht die „Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln“, deren Abwicklung nach den werkvertraglichen Sachmängelhaftungsregeln zu erfolgen hat. Bei dieser Abwicklung ist für eine geplante oder seitens des Auftraggebers vorgegebene Restnutzungsdauer kein Raum; kein Raum ist auch für die Festlegung eines Mindest-Soll-Zustandes. Der Sollzustand ist für die Mängelbeseitigung allein und ausschließlich das Bausoll nach Maßgabe des Ausgangsvertrags, aus dem Sachmängelrechte abgeleitet werden. Dieses vertraglich vereinbarte Bausoll, das verfehlt worden ist, ist herzustellen. Was Schießl-Pecka/ Strehlein in Beton- und Stahlbetonbau 117(2022) Heft 7 ausführen, passt für den Einsatz von Hydrophobierungen nach der TR IH T1 bei der Instandsetzung von in die Jahre gekommene Betonbauwerke wie auch für die Instandsetzung von schon einmal instandgesetzten Betonbauwerken. Das geschilderte Vorgehen ist in Fällen der Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln nach Gewährleistungsregeln zu hinterfragen, weil dieses Thema primär vom Vertragsrecht und Gesetzesrecht besetzt ist und im Zentrum die Mängelbeseitigung zur Erreichung des vertraglich geschuldeten Bausolls steht. Die Festlegung eines neuen Mindest-Soll-Zustandes als das zu erreichende Bausoll ist nicht das Thema: Es geht um die Beseitigung des Defizits durch Anhebung des Ist-Zustands auf den Soll-Zustand nach dem Ausgangsvertrag. Es geht auch nicht um neu vorgegebene und geplante Restnutzungsdauer; es geht schlicht um die Beseitigung der Instandsetzungsmängel nach dem Sachmängelhaftungsrecht. Neue Maßstäbe, die sich aus neuen Materialien und neuen Erkenntnissen ableiten lassen, sind rechtlich bedeutungslos. 3. Mängelbeseitigung unter Beachtung der anerkannten Regeln der Technik Wenn auch die Mängelbeseitigung unter Beachtung der anerkannten Regeln der Technik zu erfolgen hat (BGH U.v. 09.07.1981, VII ZR 40/ 80, BauR 1981, 577) und sich ein Auftraggeber nicht mit provisorischen Maßnahmen zufriedengeben muss, führt dies nicht zur Einschlägigkeit der TR-IH T1 in jeder Weise und damit zur Maßgeblichkeit des dort geregelten Vorgehens in vollem Umfang. Selbst wenn dieses Regelwerk Ausdruck der anerkannten Regeln der Technik sein sollte, passen dessen Prinzipien und die daraus abzuleitenden Vorgehensweisen nicht insgesamt auf den Tatbestand der Nachbesserung von Mängeln eines Instandsetzungswerks in offener Gewährleistungsfrist nach werkvertragliche Sachmängelregeln. Der Anwendungsbereich ist im Grundsatz nicht eröffnet, was den Zugriff und die Ausrichtung an den einzelnen Instandsetzungsverfahren nicht ausschließt. Der Ist-Zustand ist nicht festzustellen und zu bewerten (Abschnitt 3.Abs.2, 1. Spiegelstrich), denn der Anknüpfungstatbestand ist der Mangel; allein die Feststellungen bzgl. der gerügten Mängel, deren Ursache und der Art und Weise der Mängelbeseitigung bildet den Ausgangspunkt. Der Mindest-Soll-Zustand, der während der Restnutzungsdauer nicht unterschritten werden soll (Abschnitt 3.Abs.2, 2. Spiegelstrich) ist kein Thema, weil der verfehlte vertragliche Sollzustand herzustellen ist. Feststellungen zur Restnutzungsdauer und zur geplanten Restnutzungsdauer sind obsolet, weil es auch nicht um Verbesserungen geht, sondern die Mängelbeseitigung im alleinigen Mittelpunkt steht. Mehr als die Restnutzungsdauer, die nach dem Ausgangsvertrag zu erreichen ist, ist nicht geschuldet. F. Erkenntnisstand - neuer Maßstab für das Leistungssoll Forschungen im Materialbereich und Erfahrungen in der Praxis können zu einem Erkenntnisgewinn in Kausalitätszusammenhängen führen wie auch zur Folge haben, dass eine bisherige Praxis aufzugeben ist, was auch zu einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik führt. Sind mit den nunmehr einschlägigen anerkannten Regeln der Technik neue Maßstäbe einschlägig, kommt die genannte Grundregel, dass die anerkannten Regeln der Technik bei der Mängelbeseitigung zu beachten seien, nicht zur Anwendung. Das verbietet das Sachmängelrecht, dessen Ziel die Erreichung des vertraglich geschuldeten Maßstabs durch die Mängelbeseitigung ist. 426 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Vorsicht Falle - Die TR-Instandhaltung und die Maßstabsfrage bei Mängeln in „Altfällen“ Neue Erkenntnisse kommen zum Tragen, wenn es um die Feststellung und Bewertung von Mängeln und damit die Ordnungsmäßigkeit einer Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme geht. Der Zeitpunkt der Abnahme ist nicht maßgebend für den Stand der Erkenntnis zur Beurteilung der erbrachten Leistung. Führt die neue Erkenntnis zu dem Ergebnis, dass die Leistung abweichend hätte vereinbart und ausgeführt werden müssen, was bei Auftragserteilung noch nicht bekannt war, ist diese Erkenntnis, die im Ergebnis zu einer Anhebung des Leistungssolls führt, unmaßgeblich (OLG Nürnberg U.v. 23.06.2005- 13 U 1934/ 02; rechtskräftig durch BGH B.v. 27.07.2006 - VII ZR 197/ 05, BauR 2007, 2077, 2078). Beispiel: War man bisher der Überzeugung, dass mit einer Eindringtiefe des Hydrophobierungsmittels von 4 mm ein Abnutzungsvorrat von 8 Jahren mit der Folge verbunden ist, dass Wiederholungsmaßnahmen erst danach erforderlich würden, was sich als falsch herausgestellt hat, führt diese Erkenntnisse nicht zu einer Mangelhaftigkeit der mit dieser Eindringtiefe erbrachten Leistung. G. Funktionalitätsaspekte In der Praxis besteht die Tendenz, gerade bei „abgemagerten“ Leistungsverzeichnissen auf eine dennoch geschuldete Funktionalität mit dem Ziel abzuheben, über den Inhalt des Leistungsverzeichnisses hinaus weitere Leistungen des Zwecks und der Funktionalität wegen als vertraglich bereits geschuldet zu halten. Das Argument hierfür ist, ein AN schulde ein funktionstüchtiges oder ein funktionsgerechtes Werk mit der Folge, dass ein exakt den Vorgaben entsprechendes Werk dennoch mangelhaft sein könne, wenn es den Funktionsansprüchen nicht genüge. Diesbezüglich ist selbstverständlich die Feststellung geboten, auf welche Funktionsansprüche abgehoben wird. Denn das Werk muss nur solchen Funktionsansprüchen genügen, die sich aus dem Vertrag ergeben. Mit einem LV Text Abwaschen der Fassade ist die Funktion verbunden, dass die Fassade danach sauber ist und ein möglichst einheitliches Bild abgibt, soweit dies der Untergrund hergibt, Das Funktionalitätsergebnis, das mit einer Untergrundvorbereitung verbunden ist, kann mit dem Abwaschen von vorherein nicht verknüpft werden, weswegen sich die mit dem Abwaschen erreichte Funktion Sauberkeit und einheitliches Erscheinungsbild nicht als Funktionsverfehlung erweist. Entscheidend ist allein die nach dem Vertrag geschuldete Funktionalität, also nicht eine Funktionalität, der der AG lediglich erwartet hat, sich jedoch aus dem Vertragstext nicht ergibt. Die vereinbarte Funktionalität ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Deshalb formuliert der BGH wie folgt: „Im Rahmen der getroffenen Vereinbarung schuldet der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk. An dieser Erfolgshaftung ändert sich grundsätzlich nichts, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktionstauglichkeit nicht hergestellt werden kann. “(BGH U.v. 16.07.1996 - VII ZR 350/ 96, NJW 1998, 3707). Damit müssen zwei Vereinbarungen vorliegen: die vereinbarte Ausführungsart und eine geschuldete und damit auch vereinbarte Funktionstauglichkeit. Fehlt letztere, erfolgt ausschließlich die Auslegung des Vertragsinhalts, wobei das Ergebnis durchaus sein kann, dass die Funktionalität eingeschränkt zu verstehen ist. Funktionelle Aspekte erweitern das Bausoll nicht, wenn mit dem vereinbarten Bausoll eine bestimmte, wenn auch eingeschränkte Funktion verbunden ist. Schraubt ein AG seinen Funktionsanspruch hoch, ist das zur Begründung der Mangelhaftigkeit ungeeignet. Sind funktionssichernde Leistungen nicht ausgeschrieben, gehören sie auch nicht zum Bausoll (OLG Hamm, U.v.13.07.2017 - 24 U 117/ 16, rechtskräftig durch BGH, B.v. 10.07.2019 - VII ZR 209/ 17, IBR 2020, 4). Wer ausschreibt bekommt die Funktionalität und den Funktionalitätsgrad, der mit dem gewählten LV-Text zu erreichen ist. Wer eine Hydrophobierung ausschreibt, vereinbart nicht die Funktion einer Beschichtung und die Erfüllung deren Zwecke. Wer eine Standardhydrophobierung ausschreibt, verfolgt die damit verbundene Funktionalität und vereinbart keine Funktionalität, die eine Tiefenhydrophobierung sicherstellt. Beispiel: Ausgeschrieben ist eine Hydrophobierung Klasse I. Festgestellt werden Eindringtiefen zwischen 4 und 6 mm. Der AG rügt die Leistung als mangelhaft, weil die Eindringtiefe von 10 mm nicht erreicht wird und damit auch der Funktionalitätsgrad verfehlt wird, der mit einer Eindringtiefe von 10 mm verbunden ist. Da die Leistungsfreiheitsspanne bei der Klasse I <10 mm ist und diese Spanne eingehalten ist, ist die vereinbarte Beschaffenheit erreicht. Der AG konnte bei dieser Leistungsbeschreibung keine mit einer Eindringtiefe von 10 mm verbundene Funktionalität verlangen, da die „Funktionalitätsspanne“ der „Leistungsspanne“ entspricht. Wer so ausschreibt und vergibt, der verfolgt keine vollständige Funktionalität, die mit einer Eindringtiefe von 10 mm verbunden ist, sondern eine dem eingehaltenen Bausoll entsprechende Funktionalität (vgl. OLG Oldenburg, U.v.14.03.2021 - 2 U 122/ 90. IBR 2022, 59). Dessen Konkretisierung einschließlich der geschuldeten Funktionalität und des zu erreichenden Zwecks erfolgt auf der Grundlage dessen, was gewöhnlich innerhalb einer solchen Spanne erwartet werden kann. IV. Fazit Für die Instandsetzung von Instandsetzungsmängeln bei offener Gewährleistungsfrist nach werkvertraglichem Sachmängelrecht sind sowohl die Rechtsordnung als auch die Technikordnung einschlägig. Der Ausgangsvertrag und das daraus ableitbare Bausoll sind von entscheidender Bedeutung. Denn die Mängelbeseitigung, die technisch durchaus als „Instandsetzung“ qualifiziert werden kann, beinhaltet im Ergebnis die „Anhebung“ der mangelhaften Leistung auf das vereinbarte Leistungsniveau. Eine Verbesserung der Leistung über dieses Niveau hinaus ist nicht Inhalt einer Mängelbeseitigung. Das ist bei der Anwendung der TR-IH zu beachten und hat zur Folge, dass die Regeln der TR-IH nicht uneingeschränkt zur Anwendung kommen.