Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Eigen- und Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung
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2023
Jan Müller
Angesichts der Veröffentlichung und Einführung der Teile 1 (Planung) und 2 (Produkte) der TR Instandhaltung sowie der nach wie vor andauernden Auseinandersetzung mit der Deutschen Bauchemie ist die Überwachung der Ausführung in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus geraten. Der Vortrag gibt einen Überblick über die aktuelle Regelwerksituation in Bezug auf die Eigen- und Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung sowie einen Ausblick auf das neue digitale FÜ-Portal der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 431 Eigen- und Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung Aktuelle Regelwerke und das neue digitale FÜ-Portal der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbau-werken Dipl.-Ing. (FH) Jan Müller Landesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken Baden-Württemberg + Bayern e.V., Fellbach Zusammenfassung Angesichts der Veröffentlichung und Einführung der Teile 1 (Planung) und 2 (Produkte) der TR Instandhaltung sowie der nach wie vor andauernden Auseinandersetzung mit der Deutschen Bauchemie ist die Überwachung der Ausführung in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus geraten. Der Vortrag gibt einen Überblick über die aktuelle Regelwerksituation in Bezug auf die Eigen- und Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung sowie einen Ausblick auf das neue digitale FÜ-Portal der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken. 1. Einführung Ein Großteil der Mängel in der Betoninstandsetzung sind auf Fehler in der Ausführung und Anwendung von Bauprodukten zurückzuführen. Weiter kommt dem Erkennen von mangelhaften Bauprodukten vor dem Einbau auf der Baustelle im Hinblick auf unsichere Situation bei den Verwendbarkeitsnachweisen und der werkseigenen Produktionskontrolle des Materialherstellers eine erhöhte Bedeutung zu. Da in Deutschland die Standsicherheit eines Bauwerks seitens der Bauaufsicht eine sehr hohe Bedeutung hat, wird für standsicherheitsrelevante Instandsetzungsmaßnahmen hier ein 6-Augenprinzip aus Eigenüberwachung der ausführenden Firma, Fremdüberwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle und Bauüberwachung durch den Sachkundigen Planer verbindlich gefordert. 2. Aktuelle Regelwerke 2.1 Die TR Instandhaltung in Verbindung mit der Instandsetzungs-Richtlinie, DAfStb-Heft 638 Mit Veröffentlichung und Einführung der TR Instandhaltung des DIBt Anfang 2021 wurde nicht die bisherige Instandsetzung-Richtlinie des DAfStb vollständig ersetzt, sondern diese nur in Teilen ersetzt und ergänzt. D.h., dass Teile der Instandsetzungs-Richtlinie nach wie vor Gültigkeit besitzen. Dies betrifft insbesondere den Teil 3 der Instandsetzungs-Richtlinie, der die Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung regelt. Dieser Teil 3 ist komplett und ohne Änderung weiterhin gültig. Insofern ändert sich für die ausführenden Betriebe in Bezug auf die Eigen- und Fremdüberwachung erst einmal nichts. Da es sich jetzt nicht mehr um ein geschlossenes und auf einander abgestimmtes Regelwerk handelt, müssen unter anderem einige Begriffe „übersetzt“ bzw. angepasst werden (z.B. Beton B II Beton ÜK2/ 3, PCC RM/ RC, SPCC SRM/ SRC…). Erfreulicher Weise wurde im Herbst 2022 das Heft 638 des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton als Anwendungshilfe der TR Instandhaltung in Verbindung mit der Instandsetzungs-Richtlinie veröffentlicht, das die schon länger erwartete Lesefassung darstellt und jetzt ein verlustfreies Lesen ermöglicht. 2.2 ZTV-ING und ZTV-W Im Jahr 2017 wurden von den ZTV-ING und ZTV-W „Zwischenversionen“ veröffentlicht, die große Teile der geplanten Instandhaltungs-Richtlinie und somit auch der jetzigen TR Instandhaltung vorweggenommen haben. In Bezug auf die Eigen- und Fremdüberwachung während der Ausführung hat sich auch hier, im Vergleich zu den Vorversionen, nichts geändert. 3. Eigenüberwachung des ausführenden Unternehmens - Was hat der Unternehmer zu leisten? Zunächst einmal muss das ausführende Unternehmen ausreichend qualifiziertes Personal vor Ort haben. Alle Prüfungen auf der Baustelle und deren Dokumentation (! ) sind von einem Vorarbeiter/ Polier mit SIVV-Schein durchzuführen. Auch die entsprechenden Geräte für die Eigenüberwachungsprüfungen müssen auf der Baustelle vorhanden sein. Angaben zur den durchzuführenden Prüfungen enthalten die Instandsetzungs-Richtlinie in Teil 3 sowie die ZTV- ING in Teil 1 Abschnitt 3 „Prüfungen während der Ausführung“ sowie Teil 3 Abschnitt 4 „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ und Abschnitt 5 „Füllen von Rissen und Hohlräumen in Betonbauteilen“. Auf eine detaillierte Auflistung wird an dieser Stelle verzichtet. Unter anderem gehören zu den durchzuführenden Prüfungen auf der Baustelle: 432 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Eigen- und Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung • Führen von prüf baren Aufzeichnungen (Bautagebuch) • Sichtprüfungen am Untergrund • Rautiefenmessung • Oberflächenzugfestigkeit • Bauteilfeuchte • Witterung, Lufttemperatur und -feuchte, Bauteiltemperatur, Taupunktbestimmung • Prüfung gelieferter Stoffe • Frischmörtelrohdichte, Luftgehalt und Ausbreitmaß • Lagerungsbedingungen • Schichtdickenmessung • Haftzugfestigkeiten an Betonersatzsystemen, Feinspachtel und OS-Systemen • Druckfestigkeiten, Biegezugfestigkeiten nach Aushärtung 4. Überwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle (Fremdüberwachung) 4.1 Wann ist eine Fremdüberwachung notwendig? Im Teil 3 der Instandsetzungs-Richtlinie Abschnitt 2.1 wird verbindlich vorgegeben, dass eine „Überwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle“ durchzuführen ist, wenn die Instandsetzungsmaßnahme nach Maßgabe des sachkundigen Planers für die Erhaltung der Standsicherheit erforderlich ist. In der Vergangenheit wurde (und wird zum Teil auch noch heute) darüber diskutiert, wann eine Instandsetzungsmaßnahme standsicherheitsrelevant ist. Dies wurde in der TR Instandhaltung Teil 1, Abschnitt 2 - „Annahmen und Voraussetzungen“ konkretisiert: ANMERKUNG Im bauaufsichtlichen Bereich wird anstelle des Begriffes „Standsicherheitsrelevanz“ der Begriff „Gefährdung der Standsicherheit“ verwendet. Dabei liegt eine Gefährdung der Standsicherheit nicht nur bei einem entsprechenden Schaden vor. Sie liegt auch dann vor, wenn eine Gefährdung der Standsicherheit mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb der planmäßigen Nutzungsdauer zu erwarten ist. Die Standsicherheitsrelevanz ist bspw. beim kathodischen Korrosionsschutz und bei Beschichtungen von Parkdecks regelmäßig zu bejahen. Nach ZTV-ING ist die Durchführung einer Fremdüberwachung eine generelle Forderung. Weiter besteht die Forderung nach einer Fremdüberwachung auch auf Ebene der Bundesländer. In Baden-Württemberg ist die Forderung in der „Verordnung des Umweltministeriums über die Überwachung von Tätigkeiten mit Bauprodukten und bei Bauarten (LBOÜTVO)“ und in Bayern in der „Verordnung über bauordnungsrechtliche Regelungen für Bauprodukte und Bauarten (Bauprodukte- und Bauartenverordnung - BauPAV)“ enthalten. Zusammengefasst: Wenn es um Standsicherheit geht, ist eine Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung eine verbindliche baurechtliche Forderung! 4.2 Wie ist der Ablauf einer Fremdüberwachung und was wird geprüft? Fremdüberwachungen in der Betoninstandsetzung dürfen nur von anerkannten Überwachungsstellen durchgeführt werden. Die Liste der aktuell anerkannten Überwachungsstellen kann beim DIBt heruntergeladen werden. In Deutschland gibt es aktuell 21 vom DIBt anerkannte Überwachungsstellen (Stand 01.03.2022). Eine davon ist z.B. die Landesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken Baden-Württemberg + Bayern e.V. (LGib) bzw. die zugehörige Prüfstelle der Bundesgütegemeinschaft in Berlin. Die Maßnahme muss rechtzeitig vor Beginn der Ausführung bei der Überwachungsstelle schriftlich angezeigt werden, damit eine Überprüfung mit Ortstermin noch während der Ausführung erfolgen kann. Der Überwachungsbeauftragte hat dabei Einblick zu nehmen in: • das Bautagebuch • die Prüfprotokolle und die Eigenüberwachungsunterlagen • die Ausführungsunterlagen, wie LV und Arbeitsanweisungen • die Eignungs- und Überwachungsnachweise (abP, Zulassung, Zustimmung im Einzelfall, DIBt-Gutachten, Leistungserklärungen) sowie die Angaben zur Ausführung der Stoffhersteller • die Lieferscheine • die Mischanweisungen bei Verwendung von auf der Baustelle hergestellten Stoffen • die Aufzeichnungen zu den Funktionskontrollen der eingesetzten Maschinen und Geräte •Der Überwachungsbeauftragte kann bei der Überprüfung der Baustelle die in den Überwachungsbestimmungen festgelegten Prüfungen durchführen bzw. durchführen lassen. Grundsätzlich sind zu überprüfen: • Beschaffenheit und Lagerung der Baustoffe • Beschaffenheit der verwendeten Maschinen und Geräte und deren Funktionsfähigkeit • Einhaltung der Arbeitsanweisungen und der Verarbeitungsvorschriften sowie der Angaben zur Ausführung • Eignung und Unterrichtung des Fachpersonals • In Zweifelsfällen hat er weitere Überprüfungen durchzuführen. Er ist auch berechtigt Rückstellproben und selbst entnommene Proben zu prüfen oder überprüfen zu lassen. • Jede Baustelle ist mindestens einmal zu überwachen. Am Ende der Bauzeit prüfen die anerkannten Überwachungsstellen eine stichprobenartige Auswahl von Prüfergebnissen der Eigenüberwachung. Die Überwachungsstelle muss auf die Vorlage der Daten bestehen, Nichtvorlage führt zur Einstellung der Überwachung mit Information an den Bauherren. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 433 Eigen- und Fremdüberwachung in der Betoninstandsetzung Der Überwachungs-Abschlussbericht enthält zusammengefasst wesentliche Merkmale der Überwachung, nennt die Daten vorangegangener Überwachungsberichte und enthält eine Gesamtbewertung der Überwachung. Er enthält mindestens: • Bezeichnung von Baustelle, Auftragnehmer, • Eigenüberwachungsstelle und anerkannter Überwachungsstelle, • Kurzbeschreibung der Baumaßnahme, • Ergebnisse der Baustellenprüfung(en). 5. Das neue digitale FÜ-Portal Seit Gründung der Landesgütegemeinschaften „kämpfen“ wir darum, dass die Pflicht zur Fremdüberwachung bei ausschreibenden Stellen, Auftraggebern und ausführenden Unternehmen wahrgenommen wird. Dies führte zu einem stetigen Anstieg der Anmeldungen zur Fremdüberwachung, so dass sich die Gesamtanzahl der Meldungen bei der Bundesgütegemeinschaft innerhalb der letzten 10 Jahre verdoppelt hat. Inzwischen übersteigt die Anzahl der zu bearbeitenden Baustellenmeldungen die personellen Kapazitäten. Der bisherige Prozess ist vorwiegend noch analog und für die Beteiligten (Firma, Fremdüberwacher, Landesgütegemeinschaften, P+Ü-Stelle) unübersichtlich, intransparent und ineffektiv. Weiter hat sich die Erwartungshaltung bei den Mitgliedern innerhalb der letzten Jahre ebenfalls geändert (z.B. durch digitale Bauakten). Die Umsetzung wurde 2019 beschlossen, angestoßen und wurde jetzt bis Ende 2022 fertiggestellt. Derzeit laufen noch die letzten Testphasen mit ausgewählten Unternehmen (Beta-Testphase). Mit der Freigabe für alle Mitglieder wird für Ende Q1/ 2023 bzw. Anfang Q2/ 2023 gerechnet. Literatur [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) | Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie, Ausgabe 2001, Teile 1-3, inkl. 3 Berichtigungen [2] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt) | Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Ausgabe 2020-05, Teile 1-2 [3] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) | Heft 638 „Anwendungshilfe zur Technischen Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR IH) in Verbindung mit der DAfStb-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (RL SIB)“, Ausgabe 2022 [4] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten ZTV-ING, Ausgabe Oktober 2022 [5] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen - Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219), Ausgabe 2017