Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
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2023
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Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings
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2023
Iris Hindersmann
Jennifer Bednorz
Die Bauwerke in Deutschland stehen großen Herausforderungen wie steigenden Verkehrslasten und dem Klimawandel gegenüber. Durch die Digitalisierung ergeben sich enorme Potentiale diesen Herausforderungen zu begegnen und die Erhaltung von Bauwerken zukünftig prädiktiv zu gestalten. Hierbei ist der Digitale Zwilling als digitales Abbild einer realen Struktur, das sämtliche Eigenschaften und das Verhalten über den gesamten Lebenszyklus hinweg widerspiegelt, eine entscheidende Grundlage. Der Digitale Zwilling ist in der höchsten Entwicklungsstufe durch einen automatisierten Datenfluss zwischen digitalem und realem Objekt gekennzeichnet. Die Vorstufe des Digitalen Zwillings mit einem manuellen Datenfluss vom digitalem zum realen Objekt wird als Digitaler Schatten bezeichnet. Im Rahmen dieses Papers wird das Pilotprojekt „Digitaler Schatten duraBASt-Brücke“ vorgestellt. Bestandteile des Projektes sind die Erstellung eines Betriebsmodells und die Verknüpfung mit den Messdaten der am Bauwerk verbauten Sensorik. Hierbei werden Modellanforderungen, Hard- und Softwareanforderungen, Chancen und Herausforderungen bei der Erstellung und Nutzung eines Digitalen Schattens im Rahmen verschiedener Anwendungsfälle in der Betriebsphase sowohl im Büro als auch vor Ort am Bauwerk untersucht. Auf Grundlage eines parametrischen BIM-Modells der Brücke erfolgt eine Verknüpfung mit vorliegenden und künftigen Messdaten, sowie mit Daten aus weiteren Quellen. Weiterhin wird anhand des Modells und einer entsprechenden Fachanwendung u.a. der Anwendungsfall „Bauwerksprüfung“ als Prozess umgesetzt. Hiermit sollen die relevanten Informationen und Arbeitsschritte für die Verantwortlichen übersichtlich aufbereitet und vollständig und digital verknüpft verfügbar gemacht werden.
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8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 455 Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings Dr. Iris Hindersmann Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach Jennifer Bednorz, M. Eng. Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach Zusammenfassung Die Bauwerke in Deutschland stehen großen Herausforderungen wie steigenden Verkehrslasten und dem Klimawandel gegenüber. Durch die Digitalisierung ergeben sich enorme Potentiale diesen Herausforderungen zu begegnen und die Erhaltung von Bauwerken zukünftig prädiktiv zu gestalten. Hierbei ist der Digitale Zwilling als digitales Abbild einer realen Struktur, das sämtliche Eigenschaften und das Verhalten über den gesamten Lebenszyklus hinweg widerspiegelt, eine entscheidende Grundlage. Der Digitale Zwilling ist in der höchsten Entwicklungsstufe durch einen automatisierten Datenfluss zwischen digitalem und realem Objekt gekennzeichnet. Die Vorstufe des Digitalen Zwillings mit einem manuellen Datenfluss vom digitalem zum realen Objekt wird als Digitaler Schatten bezeichnet. Im Rahmen dieses Papers wird das Pilotprojekt „Digitaler Schatten duraBASt-Brücke“ vorgestellt. Bestandteile des Projektes sind die Erstellung eines Betriebsmodells und die Verknüpfung mit den Messdaten der am Bauwerk verbauten Sensorik. Hierbei werden Modellanforderungen, Hard- und Softwareanforderungen, Chancen und Herausforderungen bei der Erstellung und Nutzung eines Digitalen Schattens im Rahmen verschiedener Anwendungsfälle in der Betriebsphase sowohl im Büro als auch vor Ort am Bauwerk untersucht. Auf Grundlage eines parametrischen BIM-Modells der Brücke erfolgt eine Verknüpfung mit vorliegenden und künftigen Messdaten, sowie mit Daten aus weiteren Quellen. Weiterhin wird anhand des Modells und einer entsprechenden Fachanwendung u.a. der Anwendungsfall „Bauwerksprüfung“ als Prozess umgesetzt. Hiermit sollen die relevanten Informationen und Arbeitsschritte für die Verantwortlichen übersichtlich auf bereitet und vollständig und digital verknüpft verfügbar gemacht werden. 1. Einführung Die Bauwerke im Bundesfernstraßennetz stehen einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber, der Verkehr ist in den letzten Jahren stark angestiegen und der Güterverkehr hat dabei überproportional an Menge und Gesamtgewicht zugelegt. Hinzu kommt die Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Brücken, die auf einen Rückstau der Erhaltungsmaßnahmen schließen lässt [1]. Weitere wichtige Aspekte sind das hohe Bauwerksalter und die gestiegenen Anforderungen an Sicherheit, Verfügbarkeit und Dauerhaftigkeit. Eine Möglichkeit den aktuellen und künftigen Herausforderungen zu begegnen, ist die Entwicklung von der derzeitig reaktiven Erhaltung hin zu einem prädiktiven Lebenszyklusmanagement. Die aktuellen Entwicklungen in der Digitalisierung stellen für den Übergang zu einem prädiktiven Lebenszyklusmanagement eine gute Grundlage dar. Der Masterplan BIM Bundesfernstraßen und der hierin angekündigte Masterplan Digitaler Zwilling Bundesfernstraßen stellen mit der durchgängigen Planung mit BIM einen hohen Informationsgehalt zur Bauwerkserstellung und somit eine wichtige Grundlage für den Auf bau von Digitalen Zwillingen bereit [2]. Vor allem in der Betriebsphase bietet der Einsatz digitaler Methoden einen deutlichen Mehrwert. Beispiele sind die Ergänzung konventioneller Prüfungs- und Bewertungsverfahren, wie die handnahe Bauwerksprüfung, Nachrechnung oder objektbezogene Schadensanalyse (OSA) durch digitale Methoden der Bauwerksdiagnostik. 2. Digitaler Zwilling und Digitaler Schatten im Allgemeinen Als Digitaler Zwilling wird das digitale Abbild der realen Straßeninfrastruktur (Objekt-, aber auch Netzebene, beispielsweise ein Bauwerk oder ein Streckenzug) definiert, das in Wechselwirkung mit der realen Struktur steht, sämtliche Eigenschaften über den gesamten Lebenszyklus hinweg erfasst (u. a. Geometrie-, Struktursowie Zustandsdaten) und aus den Daten Informationen zur Entscheidungsunterstützung erzeugt (z. B. durch Anwendung von Vorhersagemodellen). Der Digitale Zwilling aktualisiert sich kontinuierlich, um den aktuellen Zustand der realen Straßeninfrastruktur darzustellen [3]. Der Digitale Zwilling kann durch die Dynamik und Aktualität der Daten als effizientes Werkzeug für die Betriebsphase in Bezug auf die Aspekte Analyse, Vorhersage, Steuerung und Überwachung dienen. Damit können z. B. Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen perspektivisch optimiert geplant und erfasste Daten zur Nachhaltigkeitsbewertung herangezogen werden. Der Digitale Zwilling bildet somit eine wesentliche Grundlage für ein optimiertes, prädiktives und nachhaltiges Lebenszyklusmanagement. 456 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings Der Digitale Zwilling kann in unterschiedliche Stufen eingeteilt werden [4]. In der höchsten Entwicklungsstufe ist der Digitale Zwilling durch einen automatisierten Datenfluss zwischen digitalem und realem Objekt gekennzeichnet. Der Digitale Schatten ist die Vorstufe des Digitalen Zwillings mit einem manuellen Datenfluss vom digitalem zum realen Objekt. Abb. 1: Komponenten des Digitalen Schatten dura- BASt-Brücke [verändert nach [3]] In der Abb. 1 wird der Digitale Schatten als Vorstufe des Digitalen Zwillings dargestellt. Der Digitale Schatten hat den Fokus auf der linken farbigen Seite der Abbildung. Die Abbildung fokussiert auf den Digitalen Schatten der duraBASt-Brücke, da die dort vorhandenen Datenquellen dargestellt werden. Ziel des Digitalen Schattens ist die Zusammenführung und Auf bereitung der vorhandenen Daten zum Bauwerk. Daten, welche in die Betrachtung einbezogen werden, sind: • die grundlegenden Bauwerksdaten aus dem parametrischen BIM-Modell, • die Daten des installierten Messsystems mit zugehörigem Sensormodell, • die Daten aus den Ausführungsplänen und • die Daten der Straßeninformationsbank Bauwerke (SIB-Bauwerke), wie beispielsweise Materialkennwerte, Maßnahmen zur Erhaltung, Ergebnisse der Bauwerksprüfung und Schadensdaten. Um den Zustand des Bauwerks und dessen Entwicklung darstellen zu können, stellt die Einbindung aller hierfür erforderlichen (Echtzeit-)Daten den wesentlichen Aspekt für ein späteres prädiktives Lebenszyklusmanagement mittels eines Digitalen Zwillings dar. Hierzu wird auf Messdaten aus dem Reallabor (reales Bauwerk) zurückgegriffen. Diese Daten können aus bereits bestehenden Systemen oder je nach Anwendungsfall erforderlichen neu zu installierenden Sensoren oder Systemen bereitgestellt werden. Darüber hinaus können Informationen aus weiteren Datenquellen wie z. B. vernetzten Fahrzeugen, Satellitendaten, Smartphones und sozialen Medien genutzt werden. Mit diesen Daten besteht die Möglichkeit Hinweise zu bislang unentdeckten Veränderungen oder Schäden an den Ingenieurbauwerken aufzuzeigen, wie beispielsweise Schäden im Fahrbahnbelag oder Verschmutzungen. Weiterhin ist das Ableiten von Hinweisen zur Verkehrsauslastung und Verkehrszusammensetzung aus diesen Daten möglich. Hierbei sind beispielsweise Laserscandaten, Sensordaten, Fotos und Ergebnisse aus der Anwendung von zerstörungsfreien Prüfungen (Zf P) zu nennen. Der Datenaustausch zwischen dem Digitalen Schatten und den Datenquellen läuft über verschiedene Datenaustauschformate und Schnittstellen. Hierbei steht die Offenheit der Dateiformate im Vordergrund. Für den Datenaustausch der Betriebsmodelle und zugehörigen Anmerkungen stehen beispielsweise IFC (Industry Foundation Classes) und BCF (BIM Collaboration Format) zur Verfügung. 3. Digitaler Schatten duraBASt-Brücke 3.1 Ziele im Projekt Über den gesamten Lebenszyklus von Brücken werden eine Vielzahl von Informationen und Daten erzeugt. Zu den einzelnen Bauwerken liegen Unterlagen mit Entwurfs-, Ausführungs- oder Bestandsplänen vor, Fotos, Schadensdatenbanken und Bauwerksinformationen beispielsweise zu den eingesetzten Materialien und geplanten/ durchgeführten Maßnahmen zur Erhaltung der Bauwerke. Teilweise werden die Bauwerke zusätzlich mit Monitoringmaßnahmen überwacht, beispielsweise zur Erfassung der Verkehrsbelastung oder zur Überwachung von Schäden und deren zukünftiger Entwicklung. Im Rahmen des Projekts soll die Erstellung eines Digitalen Schattens erfolgen, hierbei steht die automatische Datenzuführung vom realen zum digitalen Objekt im Vordergrund. Die zum Bauwerk vorliegenden Informationen werden zusammengeführt und für den Betreiber gewinnbringend nutzbar gemacht. Um diese Zusammenführung zu ermöglichen, werden Modellanforderungen und Hard- und Softwareanforderungen erfasst und im Pilotprojekt zusammengeführt. Die Chancen und Herausforderungen bei der Erstellung und Nutzung von Digitalen Schatten im Rahmen verschiedener Anwendungsfälle sowohl im Büro als auch vor Ort am Bauwerk sollen untersucht und praktisch angewendet werden. 3.2 duraBASt-Brücke Das Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der Bundesanstalt für Straßenwesen kurz dura- BASt wurde im Jahr 2017 eröffnet (Abb. 2). Das Gelände liegt auf einer bisher ungenutzten Fläche am Autobahnkreuz Köln-Ost (BAB A3/ A4) [5]. 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 457 Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings Abb. 2: Gelände duraBASt [5] Auf dem Gelände befindet sich eine Brücke, die 1973 erbaut, jedoch nie in Betrieb genommen wurde. Es handelt sich um eine zweifeldrige Hohlkasten-Spannbetonbrücke mit einer Gesamtlänge von 66 m (Abb. 3). Im Zuge des Baus der duraBASt wurde das Bauwerk grundhaft instandgesetzt, hierbei wurden der Fahrbelag inklusive der Abdichtung und die Brückenkappen erneuert. Mit der duraBASt-Brücke wird das Ziel der Realisierung von Teilaspekten der „Intelligenten Brücke“, wie das Testen von neuer Sensorik, Bestimmung der Messtechniklangzeitstabilität oder der Einsatz von Zf P an Bauwerken, verfolgt. Ein Beispiel für neue Sensorik sind Ultraschall- Transmissionsmessungen und deren Signalauswertung im Codawellenbereich (Ultraschall-Coda-Wellen-Interferometrie) zur Untersuchung von Veränderungen im Beton. Im Rahmen eines BASt-Forschungsvorhabens konnte nachgewiesen werden, dass sich die Spannungsverhältnisse mit der Ultraschalltechnik visualisieren lassen und mit dem späteren Rissbild korrelieren [6]. Im Rahmen des EU-Vorhabens Infrastar wurde die Brücke der duraBASt mit Transducern instrumentiert und deren technische Funktionsfähigkeit nachgewiesen [7]. Abb. 3: duraBASt-Brücke 3.3 Digitaler Schatten duraBASt-Brücke 3.3.1 Erstellung eines Betriebsmodells Als Grundlage für den Auf bau des hier beschriebenen Digitalen Schattens sind semantisch hochwertige „Asbuilt“ Modelle erforderlich. Nach [8] entspricht dabei das „As-built“ Modell im Wesentlichen dem digitalen Bauwerksmodell, das im Laufe der Ausführungsplanung des Bauwerks erstellt wurde. Dabei sind alle für den Betrieb und die Erhaltung relevanten Informationen, die auch Teil der Modelle der Planung und Ausführung sind, enthalten. Prinzipiell kann zwischen drei Modellarten unterschieden werden, die im Zuge des Lebenszyklus des Bauwerks aufeinander auf bauend erstellt werden. Im Rahmen der Ausführungsplanung wird zunächst das „as-planned“- Modell erstellt. Im Laufe der Bauausführung und durch die Abbildung des Ist-Zustands wird das Modell zu einem „as-built“-Modell fortgeschrieben. Durch die Anreicherung des Modells mit weiteren für den Betrieb erforderlichen Informationen und Daten entstehen „as-maintained“-Modelle (Abb. 4). 458 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings Abb. 4: BIM-Modelle im Lebenszyklus Bei der Erstellung von „as-built“-Modellen ist grundsätzlich zwischen neuen und bestehenden Bauwerken zu unterscheiden. Im Zuge der Erstellung eines Neubauwerks liegt es in der Verantwortung des Auftraggebers, sicherzustellen, dass das finale „as-built“-Modell dem tatsächlich gebauten Zustand entspricht. Die korrekte und vollständige Erstellung eines „as-built“-Modells sollte daher entsprechend den Anforderungen aus den Anwendungsfällen vertraglich sichergestellt und in entsprechenden Auftraggeber-Informationsanforderungen festgehalten sein. Für Bestandsbauwerke liegen derzeit kaum digitale Bauwerksdaten oder „as-built“-Modelle vor, sodass fehlende Informationen nachträglich ergänzt werden müssen. Sinnvolle Ansätze zur Modellerzeugung sind hierbei die Methoden manuelles Modellieren, parametrisches Modellieren, wissensbasiertes Modellieren und automatische Geometriegenerierung z.B. aus 3D-Punktwolken erzeugt aus terrestrischen Laserscanning [9]. Im Rahmen dieses Projekts wird die Methode des parametrischen Modellierens auf Grundlage der vorliegenden Ausführungs- und Umbaupläne für die Erstellung des „as-built“-Modells angewendet (Abb. 5). Abb. 5: „as-built“-Modell der duraBASt-Brücke Für eine dauerhafte Überwachung, mit dem Ziel Schäden und Veränderungen frühzeitig detektieren zu können, wurde das Bauwerk mit Sensorik ausgestattet. Dazu wurde neben dem „as-built“ Modell ein Sensormodell erstellt, um erfasste Messdaten im Modell verorten zu können und so eine direkte Verknüpfung zwischen Modell und Messdaten herzustellen. Anhand von Lageplänen der verbauten Sensorik wurde das Sensormodell einschließlich der Kabelführung ebenfalls parametrisch modelliert. Durch die protokollierten Einbauhöhen konnten die Sensoren im dreidimensionalen Raum dargestellt werden. Abb. 6 zeigt farblich hervorgehoben das Sensormodell. Für eine bessere Orientierbarkeit ist das „asbuilt“ Modell farblich hell hinterlegt. Abb. 6: Sensormodell der duraBASt-Brücke Im Rahmen des Projekts wird mit einem Betriebsmodell gearbeitet. Das Betriebsmodell kann in diesem Zusammenhang als Fachmodell verstanden werden. Nach [10] beschreibt das Fachmodell die gesamte modellbasierte Planung einer einzelnen Fachdisziplin beziehungsweise eines Gewerks. Im hier beschriebenen Kontext ist dies die Fachdisziplin des Betriebs und der Erhaltung von Ingenieurbauwerken, die in der Verantwortung des zuständigen Betreibers liegt und die Planung und Durchführung verschiedener Anwendungsfälle auf Grundlage des Betriebsmodells erfolgt. Das Fachmodell Betrieb kann sich dann aus weiteren Teilmodellen zusammensetzen: „Als Teilmodell wird eine Untermenge eines jeweiligen Fachmodells bezeichnet. Es stellt demnach einen Teilinhalt der Fachdisziplin dar.“ [10] Aktuell vorhandene Teilmodelle sind das „as-built“ Modell und das Sensormodell. Es sind auch weitere Teilmodelle denkbar, wie beispielsweise das Teilmodell Schaden. 3.3.2 Datenverknüpfung am Digitalen Schatten An der duraBASt-Brücke wurden bereits eine Vielzahl von Arbeiten durchgeführt, die als Grundlage für einen späteren Digitalen Zwilling der Brücke dienen können. Im Ergebnis liegen unterschiedliche Modelle und Messergebnisse aus Monitoring und Zf P-Anwendungen vor. Diese Ergebnisse werden auf Grundlage eines parametrischen, semantisch angereicherten, dreidimensionalen BIM-Modells der duraBASt-Brücke mit den vorhandenen Bauwerksinformationen verknüpft und die aggregierten Daten somit in ein Betriebsmodell der duraBASt-Brücke überführt. Für die Erstellung des Digitalen Schattens sind Modell- und Bauwerksdaten sowie Dokumente sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Hierfür wird der 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 459 Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings Linked-Data Ansatz verwendet, da so sichergestellt ist, dass jede Information nur einmal vorhanden ist („SSOT single source of truth“) und so auch nur an einer Stelle gepflegt werden muss. Die Verknüpfung des Betriebsmodells mit weiteren Informationen ist der nächste Arbeitsschritt. Die Verknüpfung erfolgt über eine zuvor festgelegte Konvention, welche sich aus Ortsinformationen und Bauteilinformationen zusammensetzt [8]. Im Rahmen des hier vorgestellten Projekts wird die folgende Konvention genutzt: ASB-Nummer, Teilbauwerksnummer, Bauwerksart, Bauteilgruppe, Bauteil, Teilelement, Ort, Hauptgruppe, Dokumentenart und die laufende Nummer. Hierüber ist eine eindeutige Zuordnung aller Dokumente gewährleistet. Die Informationen, die in Digitalen Schatten der dura- BASt-Brücke verortet sind, zeigt Abb. 7. Abb. 7: aktuell vorhandene Datenquellen des Digitalen Schatten duraBASt Grundlage des Digitalen Schattens sind, wie oben beschrieben, die Modelldaten, hierbei sind aktuell die Teilmodelle „as-built“ und das Sensormodell eingefügt. Die Bauwerksdaten enthalten die Ausführungspläne aus dem Jahr 1972, die Umbaupläne aus 2016 und Informationen aus SIB-Bauwerke, wie beispielsweise Materialkennwerte. Aus dem Reallabor werden Daten zu Feuchte, Korrosion und Dehnung im Digitalen Schatten abgebildet. Weitere verknüpfte Datenquellen sind Informationen aus Zf P-Anwendungen, ein Laserscan aus dem Jahr 2017 und Fotos. Die im Modell verknüpften Informationen aus Feuchtemessungen und den Zf P Daten werden im Folgenden beschrieben. Bei den Feuchtesensoren an der duraBASt handelt es sich um passive RFID-Sensoren, also Sensoren ohne Batterien, die regelmäßig vor Ort mit einem Messgerät ausgelesen werden. Die Sensoren zur Überwachung der Feuchtigkeit wurden in der Fahrbahn, an den Abläufen und dem Fahrbahnübergang in Bohrlöcher eingebaut und mit Mörtel abgedichtet. Die Feuchtigkeit wird bei dieser Art von Sensorik über die elektrische Leitfähigkeit gemessen und anschließend in Masseprozent Feuchtigkeit umgerechnet. Für die Abläufe der Fahrbahn zeigt Abb. 8 den abnehmenden Verlauf der Feuchtigkeit nach Einbau der Sensoren. Die Feuchtegehalte haben sich mittlerweile für alle 3 Sensoren auf ein Niveau von ca. 2 Masseprozent Feuchte eingependelt. Die Informationen zu den Feuchtesensoren können im Digitalen Schatten abgerufen werden, die Umsetzung einer Warnmeldung bei Überschreitung von zuvor festgelegten Grenzwerten soll erprobt werden. Abb. 8: Sensormesswerte: Feuchtegehalte an den Fahrbahnabläufen Die Ermittlung der Fahrbahnschichtdicke erfolgte auf der duraBASt-Brücke mit Hilfe von Radarmessungen [11]. Die Ergebnisse (Abb. 9) werden aktuell als Dokument mit dem Modell verknüpft. Zukünftig soll die Umsetzung der ZfP Ergebnisse in Form eines Teilmodells geprüft werden. Abb. 9: Schichtdicke des Fahrbahnauf baus [verändert nach [11]] 3.3.3 Umsetzung des Digitalen Schattens Die Umsetzung des Digitalen Schattens der duraBASt-Brücke erfolgt in einer BIM-Fachsoftware. Über eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche werden die Daten im Digitalen Schatten der duraBASt-Brücke aggregiert dargestellt und dienen als Grundlage für mögliche Anwendungsfälle im Rahmen der BIM-gestützten Umsetzung von Betrieb und Erhaltung. Abb. 10 zeigt das Betriebsmodell mit zugehörigen Sensorinformationen unter Verwendung eines Tablets. Der Einsatz von Tablets erleichtert durch die handliche und kompakte Form die Arbeit vor Ort. Anhand vordefinierter Checklisten können Arbeitsabläufe optimal geplant und digital unterstützt vor Ort durchgeführt werden. Benötigte Informationen können direkt aus dem Modell, auch über eine integrierte AR-Funktion aufgerufen werden. Ein weiterer Vorteil der mobilen Anwendung ist, dass Daten am Bauwerk in Echtzeit online und offline erfasst werden können. So werden auch Arbeiten in Bereichen mit beschränkter Netzverfügbarkeit ermöglicht, wie beispielsweise im Inneren eines Hohlkastens. Eine Synchronisation der Daten erfolgt, sobald eine Netzverfügbarkeit gegeben ist. 460 8. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2023 Digitaler Schatten des Pilotprojekts duraBASt-Brücke als Vorstufe des digitalen Zwillings Abb. 10: Betriebsmodell mit Sensorinformationen eines Feuchtesensors am Digitalen Schatten der duraBASt- Brücke 4. Ausblick Die Umsetzung des Digitalen Zwillings erfolgt aufgrund der Vielseitigkeit und des großen Umfangs des Konzepts über die Implementierung von Anwendungsfällen. Anwendungsfälle lassen sich aus den Projektzielen ableiten und stellen in diesem Kontext Prozesse dar, die mittels digitaler Modelle zur Zielerreichung beitragen [12]. Die Anwendungsfälle des Masterplans BIM Bundesfernstraßen legen den Schwerpunkt auf die Lebenszyklusphasen „Planung“ und „Ausführung“. Die Phasen „Betrieb und Erhaltung“ wurden in dem Anwendungsfall 200 zusammengefasst, aber nicht näher ausformuliert [2]. Für den Anwendungsfall 200 wurden in [8] die Anwendungsfälle Bauwerksprüfung, Nachrechnung, Schwertransporte, Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen, Erweiterung des Bauwerks in Form von Um- und Ausbau sowie die Auswertung von Netzstatistiken näher betrachtet. Der Digitale Zwilling fokussiert die Lebenszyklusphase Betrieb mit dem Ziel der optimierten Erhaltung. Im Rahmen des BASt-Forschungsprojekts zum Konzept des Digitalen Zwillings konnten für den Betrieb Anwendungsfälle in den Themenbereichen „Betriebsprozesse“, „Erhaltungsplanung und -durchführung“ sowie „Strategisches Lebenszyklusmanagement“ ermittelt werden [13]. Für den Digitalen Schatten wird der Anwendungsfall der „Bauwerksprüfung“ als Prozess in einer Fachanwendung umgesetzt. Dazu werden die relevanten Informationen für den Bauwerksprüfer im Büro und vor Ort an der Brücke bereitgestellt und für die Bauwerksprüfung anhand digitaler Unterstützungsmöglichkeiten nutzbar gemacht. Dabei kommt der schnellen Verfügbarkeit der gesamten relevanten Informationen, wie beispielsweise bereits durchgeführter Erhaltungsmaßnahmen, als auch den Ergebnissen der letzten Bauwerksprüfung, eine wichtige Rolle zu. Von Vorteil ist hier vor allem das Wiederauffinden von vorhandenen Schäden (wie Risse und Abplatzungen) und der Abgleich mit vorherigen Bauwerksprüfungen zur Abschätzung der Schadensentwicklung. Mit den vorhandenen Informationen wird die Nachvollziehbarkeit der Bewertung erhöht und eine verbesserte Objektivität der Bauwerksprüfung erreicht. Anhand des Betriebsmodells und der Fachanwendung kann der Anwendungsfall „Bauwerksprüfung“ als digitaler Prozess umgesetzt werden. Die relevanten Informationen und Arbeitsschritte werden für die Verantwortlichen übersichtlich auf bereitet, vollständig und digital verknüpft verfügbar gemacht. Relevante, noch offene Arbeitsschritte der Umsetzung im Digitalen Schatten duraBASt sind: • Bereitstellung der Möglichkeit die digitalen Informationen zum Bauwerk vor der Bauwerksprüfung vor Ort und im Büro zu filtern und damit die relevanten Bereiche, Schäden oder Sensoren gezielt auswählen zu können. • Verknüpfung von Daten und Modellen für ein schnelles Auffinden der relevanten Stellen auf der Brücke inklusive der Darstellung der relevanten Ergebnisse von vorhandener Messtechnik. Beispielsweise sollen Messergebnisse mit der Überschreitung von Grenzwerten im Modell angezeigt werden, damit diese speziell geprüft werden können (z.B. anhand von Hinweisen) • Erfassung von Schäden und Mängel im Rahmen der Bauwerksprüfung vor Ort im Modell inklusive einer Fotodokumentation mit georeferenzierter Verortung anhand vordefinierter Eingabemasken mit Schadenskatalog nach RI-EBW-Prüf [14]. Langfristig ist das Hinzufügen neuer Aufnahmen anhand bildgebender Verfahren wie Laserscanning denkbar, um beispielsweise Abplatzungen darstellen und bewerten zu können. • Entwicklung von Ansätzen zur Bewertung der Bauwerksprüfung einschließlich Maßnahmenempfehlung und Übertragung der Ergebnisse in SIB-BW Wie die Umsetzung des Anwendungsfalls „Bauwerksprüfung“ zeigt, bietet bereits der Digitale Schatten einen Mehrwert für die Erhaltung und den Betrieb von Brücken. Eine leichtere Verfügbarkeit der gesamten Informationen und die bessere Nachvollziehbarkeit und Objektivität der Bauwerksprüfung sind hierbei wesentliche Vorteile. Die gewonnenen Erkenntnisse manifestieren einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Digitalen Zwilling. Darauf auf bauend kann die Umsetzung weiterer Anwendungsfälle erfolgen, so dass die großen Potentiale der Digitalisierung immer besser greif bar werden. Literaturverzeichnis [1] Marzahn, G. (2016) Instandsetzungsbedarf von Infrastrukturbauten in Deutschland in: Müller, H. S.; Nolting, U.; Haist, M. [Hrsg.] 12. Symposium Baustoffe und Bauwerkserhaltung. Karlsruhe. [2] BMVI (2021) Masterplan BIM Bundesfernstraßen. [3] Bednorz, J. et al. (2021) BIM auf dem Weg zum Digitalen Zwilling in: Straße + Autobahn, H. 11, S. 917-924. [4] Kritzinger, W. et al. 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