eJournals Kolloquium Erhaltung von Bauwerken 9/1

Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
0225
2025
91

Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton

0225
2025
Konstantin Fache
Sylvia Keßler
Jörg Harnisch
Die hier vorgestellte Arbeit untersucht den Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt (CT) für Bewehrungsstahl in alkalischen Lösungen, die als Idealisierung des Systems Stahl in Beton dienen. Dabei wird der Fokus auf das elektrochemische Potential des Stahls als ein maßgebender Einflussfaktor für die Initiierung von Korrosion gelegt. Die Ergebnisse potentiostatischer Halteversuche zeigen eine Potentialunabhängigkeit von CT, wenn der Stahl positiver als –200 mVSCE polarisiert wird, während CT für Polarisationen, die negativer als –200 mVSCE sind, zunimmt. Die Zunahme von CT infolge kathodischer Polarisation wird hauptsächlich auf Änderungen in der Zusammensetzung des Passivfilms zurückgeführt.
kevb910077
9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 77 Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton Konstantin Fache, M. Sc. FH Münster Prof.’in Dr.-Ing. Sylvia Keßler Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg Prof. Dr.-Ing. Jörg Harnisch FH Münster Zusammenfassung Die hier vorgestellte Arbeit untersucht den Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt (C T ) für Bewehrungsstahl in alkalischen Lösungen, die als Idealisierung des Systems Stahl in Beton dienen. Dabei wird der Fokus auf das elektrochemische Potential des Stahls als ein maßgebender Einflussfaktor für die Initiierung von Korrosion gelegt. Die Ergebnisse potentiostatischer Halteversuche zeigen eine Potentialunabhängigkeit von C T , wenn der Stahl positiver als -200-mV SCE polarisiert wird, während C T für Polarisationen, die negativer als -200-mV SCE sind, zunimmt. Die Zunahme von C T infolge kathodischer Polarisation wird hauptsächlich auf Änderungen in der Zusammensetzung des Passivfilms zurückgeführt. 1. Einführung Die chloridinduzierte Korrosion der Bewehrung in Stahlbetonbauteilen stellt eine der maßgebenden Ursachen für die begrenzte Lebensdauer von Bauwerken dar und führt jährlich zu erheblichen Kosten infolge aufwändiger Instandsetzungsmaßnahmen [1]. Eine durch Chloride bedingte Depassivierung des Bewehrungsstahls und die damit verbundene Initiierung von Korrosionsprozessen setzt die Überschreitung des kritischen Chloridgehaltes (C T ) voraus, dessen Wert von einer Vielzahl an Parametern beeinflusst wird [2]. C T kann als eine Widerstandsgröße von Stahlbetonbauteilen gegen chloridinduzierte Depassivierung angesehen werden. Die Einwirkungsgrößen von Bauwerken (z.-B. Chloridexpositionen) sowie die zugehörigen Widerstandsgrößen (in diesem Fall C T ) sind nicht deterministisch, sondern weisen sowohl systematische als auch zufällige Streuungen auf. Infolgedessen unterliegen chloridinduzierte Schäden an der Bewehrung einer räumlichen Variabilität [3-4]. Wird diese Variabilität bei der Modellierung von Korrosionsprozessen nicht berücksichtigt, können signifikante Abweichungen zwischen prognostizierten und tatsächlichen Schadensentwicklungen auftreten [5]. Ein zentraler Einflussfaktor für die Variabilität von C T ist das elektrochemische Potential des Stahls [6]. Im Falle der Ausbildung einer lokalen Korrosionsstelle verschiebt sich dieses in der Umgebung der Anode in kathodische Richtung. Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Potentialveränderung zu einer Erhöhung von C T in den noch passiven Bereichen der Bewehrung führen kann [7-10]. Dieser Effekt könnte die Korrosionswahrscheinlichkeit in der Umgebung einer lokalen Anode reduzieren und damit Auswirkungen auf die Ausbildung neuer Korrosionsstellen haben. Um die gegenseitige Beeinflussung von Anoden aufgrund einer potentialabhängigen Änderung von C T und die Auswirkungen auf die Ausbildung neuer Anoden in Prognosemodellen zu berücksichtigen, ist ein detailliertes Verständnis der Änderung von C T infolge kathodischer Polarisation erforderlich. Bisher liegen jedoch nur wenige systematische Untersuchungen zu diesem Zusammenhang vor. In der vorliegenden Arbeit werden experimentelle Ergebnisse zum Einfluss kathodischer Polarisation auf C T von Bewehrungsstahl in alkalischer Lösung vorgestellt. Die Untersuchungen von Bewehrungsstahl in Lösung sind die grundlegenden Voruntersuchungen für darauf auf bauende Untersuchungen in Beton. 2. Ursachen und Potentialbereiche kathodischer Polarisation von Bewehrungsstahl Im Vorfeld der Untersuchung des Einflusses kathodischer Polarisation auf C T sind die Ursachen und das Ausmaß kathodischer Polarisation der Bewehrung in Stahlbetonbauteilen zu erörtern. Die maßgebenden Gründe hierfür sind die Bildung eines Makroelements zwischen Bereichen der Bewehrung mit unterschiedlichen elektrochemischen Potentialen [11] sowie die durch externe Maßnahmen erzwungene kathodische Polarisation im Rahmen des (präventiven) kathodischen Korrosionsschutzes [12]. Der Fokus der nachfolgenden Betrachtungen liegt auf der kathodischen Polarisation passiver Bewehrungsbereiche infolge der Bildung eines Makroelements, das durch lokale chloridinduzierte Depassivierungen des Stahls entstanden ist. Eine Potentialdifferenz ΔE zwischen elek- 78 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton trisch und elektrolytisch verbundenen aktiven und passiven Bereichen innerhalb einer Bewehrungsstruktur führt zur Generierung eines Makroelementstroms. Dieser bewirkt eine Polarisation des aktiven Bereichs in anodische Richtung, während die angrenzenden passiven Bereiche der Bewehrung kathodisch polarisiert werden. ΔE entfällt anteilig auf die Polarisation der Anode, die der Kathode und auf einen Spannungsabfall im Elektrolyten (Beton). In der Literatur werden für die Potentialverschiebung der passiven, kathodisch polarisierten Bewehrungsbereiche eines Makroelements Werte im Bereich von etwa -150 bis -600-mV angegeben [11, 13-16]. Diese große Spannweite ist auf Unterschiede bei den Versuchsparametern zurückzuführen. So lagen bei den genannten Untersuchungen z.-B. unterschiedliche Elektrolytwiderstände und Flächenverhältnisse von Anode zu Kathode vor. 3. Versuche in alkalischer Lösung 3.1 Probenvorbereitung und Vorlagerung Zur Untersuchung des Einflusses kathodischer Polarisation auf C T wurden potentiostatische Halteversuche in alkalischer Lösung durchgeführt, die als eine Idealisierung des Systems Stahl in Beton dienen. Stahlproben mit einer Länge von 30- mm und einem Durchmesser von 12- mm wurden aus warmgewalztem Bewehrungsstahl der Güte B500B geschnitten. Um Walzhaut und Korrosionsprodukte zu entfernen, wurden die Proben sandgestrahlt und anschließend mit Isopropylalkohol entfettet. Zur Herstellung eines elektrischen Anschlusses wurde an einem Ende der Proben ein Edelstahldraht mit einem Durchmesser von 1-mm durch Löten befestigt. Der Draht wurde anschließend mit einem Epoxidlack beschichtet, um eine elektrolytische Entkopplung zu gewährleisten. Die Proben wurden bis zur Prüfung in einem Exsikkator gelagert. Alle Prüfungen fanden bei 20-°C und 65-% relativer Luftfeuchtigkeit statt. Zehn Tage vor Beginn der Versuche wurden die Proben in einer künstlichen Betonporenlösung in zylindrischen Kunststoffbehältern eingelagert. Die Lösung wies einen pH-Wert von 13,0 auf und bestand aus einer gesättigten Ca(OH) 2 -Lösung, der 0,01- mol/ l- NaOH und 0,03-mol/ l-KOH zugesetzt wurden. Die Zusammensetzung orientierte sich an den Eigenschaften echter Betonporenlösungen [17-18]. Zur Beobachtung des Passvierungsverhaltens wurde während der Vorlagerung das Freie Korrosionspotential E OC ausgewählter Proben regelmäßig gemessen. Im Folgenden beziehen sich alle angegebenen Potentiale auf die gesättigte Kalomelelektrode (SCE). 3.2 Potentiostatische Halteversuche Der Versuchsauf bau basierte auf einer Drei-Elektroden- Anordnung, wobei die Stahlproben als Arbeitselektrode, ein Gitter aus Titan-Mischoxid als Gegenelektrode und eine Ag/ AgCl-Elektrode als Bezugselektrode dienten [Abb.-1]. Die Bezugselektrode wurde in einer Haber- Luggin-Kapillare eingebaut. Aufgrund der hohen Leitfähigkeit des Elektrolyten von etwa 1,5- S/ m blieb der IR-Drop zwischen Arbeits- und Bezugselektrode unberücksichtigt. Abb. 1: Versuchsauf bau für potentiostatische Halteversuche Nach der Vorlagerungsdauer von zehn Tagen wurde das E OC jeder Probe gemessen. Anschließend wurde eine konstante negative Überspannung η (0 bis -250-mV vs. E OC in Abstufungen von 50-mV) aufgebracht, um die Proben kathodisch auf das Polarisationspotential E pol auszulenken. Insgesamt wurden sechs Versuchsreihen durchgeführt, wobei jede Reihe einer spezifischen Überspannung zugeordnet war. Innerhalb jeder Reihe wurden drei Proben durch eine identische Überspannung polarisiert. Während der Polarisation wurde der Strom I zwischen der Arbeits- und Gegenelektrode gemessen und in die auf die Stahloberfläche bezogene Stromdichte i umgerechnet. Zehn Minuten nach Polarisationsbeginn wurde NaCl unter Rühreinwirkung zum Elektrolyten zugegeben. Die Chloridkonzentration [Cl - ] wurde in Schritten von 0,050- mol/ l in Intervallen von 45- Minuten erhöht, bis eine Korrosionsinitiierung detektiert wurde. Eine Probe wurde als aktiv eingestuft, sobald i einen Wert von 0,1-μA/ cm 2 überschritt. Dieser Schwellenwert hat sich als zuverlässiges Kriterium zur Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Stahl etabliert [19]. 4. Ergebnisse Alle untersuchten Proben wiesen bei Versuchsende optisch erkennbare Korrosionserscheinungen in Form einer lokal begrenzten Korrosionsstelle auf [Abb.-2]. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 79 Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton Abb. 2: Beispiel einer korrodierten Probe In Abb.-3 sind die Ergebnisse für C T sämtlicher Proben als molare Konzentration in Abhängigkeit der Überspannung η dargestellt. Da [Cl - ] in Schritten von 0,050-mol/ l erhöht wurde, liegt der tatsächliche Wert für C T im Bereich [Cl - ] n-1- <-C T -≤-[Cl - ] n , wobei n die Anzahl an Chloridzugaben darstellt. Für die weitere Auswertung wurde konservativ die untere Grenze [Cl - ] n-1- als Wert für C T genutzt. Abb.-4 zeigt den Mittelwert sowie das Maximum und Minimum von C T für jede Gruppe von Proben mit identischer Überspannung η. Abb. 3: Kritischer Chloridgehalt C T in Abhängigkeit der Überspannung η C T nimmt mit zunehmender negativer Überspannung zu. Für die größte Überspannung von η-=--250-mV beträgt der Mittelwert von C T -5,58-mol/ l, während sich für die unpolarisierten Proben (η-=- 0-mV) ein Mittelwert von 0,317-mol/ l ergibt. Die Erhöhung von C T mit zunehmender kathodischer Polarisation verläuft nicht linear, sondern überproportional. Bei η-=--50-mV und η-=-0-mV konnte kein eindeutiger Unterschied im resultierenden C T festgestellt werden. Abb. 4: Mittelwert, Maximum und Minimum vom kritischen Chloridgehalt C T in Abhängigkeit der Überspannung η Abb.-5 stellt C T in Abhängigkeit des Polarisationspotentials E pol dar, das sich aus dem Freien Korrosionspotential E OC und der aufgebrachten Überspannung η ergibt. Aufgrund individueller Unterschiede im E OC der Proben treten innerhalb einer Gruppe mit identischer Überspannung η geringe Streuungen von E pol auf. Der zuvor beschriebene Einfluss der kathodischen Polarisation auf C T ist auch in dieser Darstellung erkennbar. Dabei zeigt sich, dass C T bei Potentialen, die positiver als etwa -200-mV SCE sind, nahezu unabhängig von der Polarisation ist. Eine Zunahme von C T wird ab einem Potential von etwa -200-mV SCE und bei negativeren Potentialen deutlich. Abb. 5: Kritischer Chloridgehalt C T in Abhängigkeit des Polarisationspotentials E pol 5. Diskussion 5.1 Einfluss kathodischer Polarisation auf den Passivfilm Eine kathodische Polarisation beeinflusst die Zusammensetzung des Passivfilms, der sich auf der Stahloberfläche bildet [7, 20]. Die Eigenschaften des Passivfilms hängen vom pH-Wert des Elektrolyten und vom Stahlpotential ab, das wiederum vom Sauerstoffgehalt der Umgebung beeinflusst wird [21-22]. In einer alkalischen Umgebung setzt sich der Passivfilm im äußeren Bereich aus Eisen(III)-Oxiden (Fe 2 O 3 ) zusammen [23], während im inneren Bereich Eisen(II)-Oxide (FeO) vorherrschen [20, 24]. Ein entscheidender Einflussfaktor für die Dicke und Zusammensetzung des Passivfilms ist das Stahlpotential [20, 23]. Die Verfügbarkeit von Sauerstoff während der Bildung des Passivfilms hat maßgeblich Einfluss auf die Ausbildung unterschiedlicher Oxide, deren Stabilität je nach Beschaffenheit variiert [23]. Nach Alonso et al. [7] führt die externe Polarisation eines Stahls, etwa infolge der Bildung eines Makroelements, dazu, dass der Einfluss des Sauerstoffgehaltes und des Alterungsprozesses des Passivfilms vernachlässigbar wird. Stattdessen wird die Zusammensetzung des Passivfilms und die Struktur der sich bildenden Oxide durch das aufgeprägte Potential bestimmt. Infolgedessen können unterschiedliche Polarisationen zu unterschiedlichen Werten von C T führen. Die im Rahmen dieser Untersuchung festgestellte Änderung von C T mit variierendem Stahlpotential könnte daher auf den Einfluss des Stahlpotentials auf die Zusammensetzung des Passivfilms zurückgeführt werden. 80 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton Die Ergebnisse der Korrelation zwischen E pol und C T aus den potentiostatischen Halteversuchen weisen auf das Vorliegen eines Schwellenwertes für das Stahlpotential hin, ab dessen Überschreitung der zuvor beschriebene Effekt einer Erhöhung von C T auftritt: 1. Für Stahlpotentiale, die positiver als -200-mV SCE polarisiert sind, ergibt sich aus den sechs in diesem Potentialbereich untersuchten Proben ein von Epol unabhängiger Mittelwert für C T von 0,308-mol/ l. 2. Die Zunahme von C T für Stahlpotentiale, die negativer als -200-mV SCE polarisiert sind, lässt sich durch einen linearen Zusammenhang zwischen E pol und lg(C T ) beschreiben [Abb.-6]. Abb. 6: Logarithmischer Zusammenhang zwischen kritischem Chloridgehalt C T und Elektrodenpotential E pol für E pol -≤--200-mV SCE Der Nachweis eines Schwellenwertes für den Einfluss des Stahlpotentials auf C T ist mit den Ergebnissen in [7, 9] vereinbar und weicht nur geringfügig von den Ergebnissen in [10, 16] ab, bei denen ein Übergang bei etwa -100-mV SCE festgestellt wurde. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die genannten Untersuchungen an Stahlproben durchgeführt wurden, die in Mörtel bzw. Beton eingebettet waren. Die Identifizierung zweier Bereiche für den Einfluss von E pol auf C T könnte auf Unterschiede in der Zusammensetzung des Passivfilms bei unterschiedlichen Stahlpotentialen zurückgeführt werden. Für Stahlpotentiale, die positiver als etwa -200 bis -300-mV SCE sind, reichert sich Hämatit (Fe 2 O 3 ) im äußeren Bereich des Passivfilms an [20, 25-26]. Bei kathodischeren Potentialen hingegen erfolgt vornehmlich die Bildung von Magnetit (Fe 3 O 4 ) im Passivfilm. Des Weiteren haben Delorme et al. [20] die Bildung von passivierend wirkendem Goethit auf der Oberfläche von in Beton eingebettetem Bewehrungsstahl nach vierjähriger kathodischer Polarisation beobachtet, wodurch sich die Widerstandsfähigkeit des Passivfilms gegenüber lokalen Depassivierungen durch Chloridionen erhöhen könnte. Diese potentialabhängigen Änderungen in der Zusammensetzung des Passivfilms können ursächlich für den unterschiedlichen Einfluss von E pol auf C T ober- und unterhalb eines Stahlpotentials von etwa -200-mV SCE sowie den Anstieg von C T unterhalb dieses Schwellenwertes sein. 5.2 Korrelation von Stahlpotential und kritischem Chloridgehalt Zum Zeitpunkt der Korrosionsinitiierung während der potentiostatischen Halteversuche war das Stahlpotential positiver als das Lochfraßpotential E pit , dessen Überschreitung eine notwendige Bedingung für das Auftreten einer Depassivierung darstellt. Die Einwirkung von Chloriden reduziert den Bereich, in dem sich Stahl passiv verhält, und verschiebt E pit mit zunehmender Chloridkonzentration [Cl - ] in negativere Bereiche [23, 27-28]. Die in dieser Arbeit beobachtete Abhängigkeit von C T vom Stahlpotential E zeigt deutliche Parallelen zu dem in der Literatur umfassend untersuchten Zusammenhang zwischen [Cl - ] und E pit [29-30]. Nach Galvele [27] besteht folgender allgemeiner Zusammenhang zwischen E pit und der Konzentration [A] aggressiv wirkender Anionen (i.-d.-R. Chloride): E pit -=-a---b-·-lg([A]) in mV SCE [1] [Gl.- 1] verdeutlicht, dass E pit mit zunehmendem Logarithmus von [Cl - ] abnimmt. Strehblow und Titze [28] haben diese Korrelation mit der Adsorption der aggressiven Anionen auf der Stahloberfläche erklärt, die sowohl von der Konzentration der Anionen (hier [Cl - ]) als auch vom Stahlpotential abhängt. Für die Konstanten a und b existieren in der Literatur verschiedene Ergebnisse aus Versuchen mit Stahlproben in Lösung [z.-B. 28, 31-32]. Die Korrelation von E pit und lg([Cl - ]) zeigt eine Analogie zur Korrelation von E pol und lg(C T ), die im Rahmen dieser Untersuchung ermittelt wurde. Zum Zeitpunkt der Korrosionsinitiierung entspricht das Polarisationspotential E pol dem Lochfraßpotential E pit . 5.3 Bildung von Hydroxidionen Ein möglicher zusätzlicher Grund für die Erhöhung von C T mit zunehmender kathodischer Polarisation ist die Bildung von Hydroxidionen. Die verstärkte kathodische Teilreaktion und die damit verbundene Bildung von Hydroxidionen kann zu einer lokalen Erhöhung des pH- Wertes an der Stahloberfläche führen [12]. Mit steigendem pH-Wert wird E pit positiver [33, 34], wodurch auch C T erhöht wird [35-36]. Daher könnte die Bildung von Hydroxidionen zu dem beobachteten Anstieg von C T mit stärker werdender kathodischer Polarisation beitragen. 6. Zusammenfassung Die folgenden Schlussfolgerungen können hinsichtlich des Einflusses kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt C T für Bewehrungsstahl in alkalischer Lösung gezogen werden: 1. Die Ergebnisse der potentiostatischen Halteversuche unterstützen die Hypothese, dass zwei voneinander getrennte Potentialbereiche bezüglich des Einflusses des Polarisationspotentials E pol auf C T existieren: a. Wenn E pol positiver als -200-mV SCE ist, lässt sich kein eindeutiger Einfluss von E pol auf C T feststellen. Es ergibt sich ein Basiswert für C T von 0,308-mol/ l. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 81 Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton b. Wenn E pol negativer als -200-mV SCE ist, zeigt der Logarithmus von C T eine Zunahme mit zunehmendem negativen Potential gemäß folgendem Zusammenhang: lg(C T )-=--0,005-·-E pol ---1,195 (mit: C T in mol/ l und E pol in mV SCE ) 2. Das Vorliegen zweier Potentialbereiche wird hauptsächlich auf Änderungen in der Zusammensetzung des Passivfilms aufgrund der kathodischen Polarisation zurückgeführt. Darüber hinaus könnte die vermehrte Bildung von Hydroxidionen einen zusätzlichen Beitrag zum Anstieg von C T bei stärker werdender kathodischer Polarisation leisten. Die vorgestellten Untersuchungen stellen eine Idealisierung des Systems Stahl in Beton dar und dienen somit als Annäherung an die Randbedingungen realer Stahlbetonbauteile. Aufgrund dessen sind weitergehende Untersuchungen erforderlich, um den Einfluss kathodischer Polarisation auf C T für Bewehrungsstahl in Beton zu untersuchen. In diesem Zusammenhang müssen zusätzliche Einflussfaktoren wie z.-B. die Kontaktzone zwischen Stahl und Beton und der Elektrolytwiderstand berücksichtigt werden, da diese wesentliche Auswirkungen auf die Ausbildung möglicher neuer Korrosionsstellen haben können. Literatur [1] D. Yilmaz, U. Angst: Korrosionsbedingte Kosten an Ingenieurbauwerken im Schweizer Straßennetz. In: Beton- und Stahlbetonbau 6/ 2020, S. 448-458. [2] U. Angst, B. Elsener, C. K. Larsen, Ø. Vennesland: Critical chloride content in reinforced concrete - A review. In: Cement and Concrete Research Vol. 39, 12/ 2009, S. 1122-1138. [3] P. Pfändler, S. Keßler, M. Huber, U. Angst: Spatial variability of half-cell potential data from a reinforced concrete structure - a geostatistical analysis. In: Structure and Infrastructure Engineering 11/ 2024, S. 1698-1713. [4] S. Keßler, J. Fischer, D. Straub, C. Gehlen: Updating of service-life prediction of reinforced concrete structures with potential mapping. In: Cement & Concrete Composites 47/ 2014, S. 47-52. [5] S. Keßler: Probabilistic corrosion condition assessment of a tunnel structure. In: Structural Concrete 21/ 2020, S. 1345-1355. [6] K. Fache, S. Keßler, J. Harnisch: On the Impact of Cathodic Polarization on the Chloride Threshold for Carbon Steel in Alkaline Solutions. In: Materials and Corrosion 2024, S. 1-19. [7] C. Alonso, M. Castellote, C. Andrade: Chloride threshold dependence of pitting potential of reinforcements. In: Electrochimica Acta Vol. 47, 21/ 2002, S. 3469-3481. [8] H. Arup: A New Method for Determining Chloride Thresholds as a Function of Potential in Field Exposure Tests, in: P. Sandberg (Hrsg.): Durability of concrete in saline environment. Lund: Cementa 1996, S. 107-112. [9] D. Izquierdo, C. Alonso, C. Andrade, M. Castellote: Potentiostatic determination of chloride threshold values for rebar depassivation - Experimental and statistical study. In: Electrochimica Acta Vol. 49, S.-2731-2739. [10] A. N. Sánchez: Forecasting Corrosion of Steel in Concrete Introducing Chloride Threshold Dependence on Steel Potential. Dissertation, Florida: University of South Florida 2014. [11] L. Bertolini, B. Elsener, P. Pedeferri, E. Redaelli, R.- Polder: Corrosion of Steel in Concrete. Weinheim: Wiley-VCH Verlag 2013. [12] P. Pedeferri: Cathodic protection and cathodic prevention. In: Construction and Building Materials Vol. 10, 5/ 1996, S. 391-402. [13] J. J. W. Gulikers: Experimental investigations on macrocell corrosion in chloride-contaminated concrete. In: Heron Vol. 41, 2/ 1996, S. 107-123. [14] J. Warkus: Einfluss der Bauteilgeometrie auf die Korrosionsgeschwindigkeit von Stahl in Beton bei Makroelementbildung. Dissertation, Aachen: RWTH Aachen 2012. [15] C. Arya, P. R. W. Vassie: Influence of cathode-to-anode area ratio and separation distance on galvanic corrosion currents of steel in concrete containing chlorides. In: Cement and Concrete Research Vol.-25, 5/ 1995, S. 989-998. [16] F. J. Presuel-Moreno, S. C. Kranc, A. A. Sagüés: Steel Activation in Concrete Following Interruption of Long-Term Cathodic Polarization. In: Corrosion Vol. 61, 5/ 2005, S. 428-436. [17] K. Andersson, B. Allard, M. Bengtsson, B. Magnusson: Chemical composition of cement pore solutions. In: Cement and Concrete Research Vol. 19, 3/ 1989, S. 327-332. [18] A. Moragues, A. Macias, C. Andrade: Equilibria of the chemical composition of the concrete pore solution. Part I: Comparative study of synthetic and extracted solutions. In: Cement and Concrete Research Vol. 17, 2/ 1987, S. 173-182. [19] J. A. González, C. Andrade, C. Alonso, S. Feliu: Comparison of rates of general corrosion and maximum pitting penetration on concrete embedded steel reinforcement. In: Cement and Concrete Research Vol. 25, 2/ 1995, S. 257-264. [20] L. Delorme, P. Refait, J.-M. Génin, G. Grimaldi, A. Raharinaivo: Products formed on reinforcing steel under cathodic protection in concrete, in: Proceedings of the International Conference on Corrosion and Corrosion Protection of Steel in Concrete, Sheffield, Vereinigtes Königreich, 24.-28. Juli 1994, S. 1402-1411. [21] O. A. Albani, L. M. Gassa, J. O. Zerbino, J. R. Vilche, A. J. Arvia: Comparative study of the passivity and the breakdown of passivity of polycrystalline iron in different alkaline solutions. In: Electrochimica Acta Vol. 35, 9/ 1990, S. 1437-1444. 82 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Einfluss kathodischer Polarisation auf den kritischen Chloridgehalt für Bewehrungsstahl in Beton [22] N. Sato: A theory for breakdown of anodic oxide films on metals. In: Electrochimica Acta Vol. 16 1971, S. 1683-1692. [23] M. Pourbaix: Lectures on electrochemical corrosion, New York, London: Plenum Press 1973. [24] N. Bouzeghaia, A. Mihi: Effect of passivation on chloride concentration threshold of steel reinforcement corrosion. In: Anti-Corrosion Methods and Materials Vol. 64, 6/ 2017, S. 588-598. [25] C. Andrade, P. Merino, X. R. Nóvoa, M. C. Pérez, L. Soler: Passivation of Reinforcing Steel in Concrete. In: Materials Science Forum Vol. 192-194 1995, S. 891-898. [26] C. Alonso, C. Andrade, M. Izquierdo, X. R. Nóvoa, M. C. Pérez: Effect of protective oxide scales in the macrogalvanic behaviour of concrete reinforcements. In: Corrosion Science Vol. 40, 8/ 1998, S.-1379-1389. [27] J. R. Galvele: Transport Processes and the Mechanism of Pitting of Metals. In: Journal of The Electrochemical Society Vol. 123, 4/ 1976, S. 464-474. [28] H.-H. Strehblow, B. Titze: Pitting potentials and inhibition potentials of iron and nickel for different aggressive and inhibiting anions. In: Corrosion Science Vol. 17 1977, S. 461-472. [29] Z. Szklarska-Smialowksa: Pitting Corrosion of Metals. California: National Association of Corrosion Engineers 1986. [30] H. E. H. Bird, B. R. Pearson, P. A. Brook: The breakdown of passive films on iron. In: Corrosion Science Vol. 28, 1/ 1988, S. 81-86. [31] M. G. Alvarez, J. R. Galvele: The mechanism of pitting of high purity iron in NaCl solutions. In: Corrosion Science Vol. 24, 1/ 1984. S. 27-48. [32] P. Ghods, O. B. Isgor, G. A. McRae, G. P. Gu: Electrochemical investigation of chloride-induced depassivation of black steel rebar under simulated crevice conditions. In: Corrosion Science Vol. 52, 5/ 2010, S. 1649-1659. [33] W. Breit: Kritischer Chloridgehalt - Untersuchungen an Stahl in alkalischen Lösungen. In: Materials and Corrosion Vol. 49, 8/ 1998, S. 539-550. [34] L. Li, A. A. Sagüés: Chloride Corrosion Threshold of Reinforcing Steel in Alkaline Solutions - Cyclic Polarization Behavior. In: Corrosion Vol. 58, 4/ 2002, S. 305-316. [35] D. A. Hausmann: Steel Corrosion In Concrete - How Does It Occur? In: Materials Protection Vol. 6, 11/ 1967, S. 19-23. [36] V. K. Gouda: Corrosion and corrosion inhibition of reinforcing steel - I. Immersed in alkaline solutions. In: British Corrosion Journal Vol. 5, 5/ 1970, S. 198-203. Bautenschutz 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 85 Geklebte Verstärkungen - Brandschutz und hohe Temperaturen CFK-Lamellen im Brandfall und unter Asphalt Dipl.-Ing. (FH) Florian Eberth Simpson Strong-Tie GmbH, Bad Nauheim Zusammenfassung Die Glasübergangstemperatur von Epoxidharzklebstoffen für die CFK Verstärkung liegt bei ca. 50-°C - 60-°C. Ab dieser Temperatur beginnt der Festigkeitsverlust der Klebstoffe und die CFK Verstärkung verliert ihre statische Wirkung. Diese Temperaturen werden im Brandfall und beim Überbau mit Asphalt deutlich überschritten und auch die direkte Sonneneinstrahlung auf die Asphaltdecke kann eine erhöhte Temperatur verursachen. Über eine Heißbemessung lässt sich in den allermeisten Fällen eine ausreichende Tragfähigkeit der Bauteile ohne Verstärkung im Brandfall nachweisen. Je nach Gegebenheit kann das Bauteil durch einen dünnen baulichen Brandschutz zusätzlich geschützt werden. Dicke Beplankungen, um die CFK Lamellen zu schützen, sind meist nicht erforderlich. Forschungsvorhaben [1], [2], [3] der Eidgenössischen Materialprüfanstalt (Empa) in der Schweiz zeigen, dass der Überbau mit Asphalt, das Auf bringen einer Bitumendichtbahn und auch die erhöhte Temperatur durch Sonneneinstrahlung bedenkenlos möglich sind. 1. Einführung Das Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung wie CFK Lamellen ist Stand der Technik. Mit der Richtlinie des DAfStb ergeben sich viele Möglichkeiten der Bemessung und Nachweisverfahren. Auch die Verbundfestigkeit (Verbundkrafterhöhung durch Bügelumschließung) von aufgeklebten CFK Lamellen lässt sich durch geeignete Mittel z. T. deutlich erhöhen. Im Brandfall bzw. bei höheren Temperaturen (direkte Sonneneinstrahlung) ist die Glasübergangstemperatur des Klebstoffes der CFK Lamellen maßgebend, welche bei ca. 50- °C - 60 - °C liegt. Ab dieser Temperatur beginnt der Klebstoff seine Festigkeit zu verlieren und die CFK Lamellen fallen rechnerisch aus. Im Idealfall werden die CFK Lamellen im Brandfall aber gar nicht benötigt. Im Brückenbau ist eine häufig angewendete Methode die oberseitige Verstärkung der Kragarme. Hier werden die CFK Lamellen i. d. R. anschließend mit Asphalt überbaut. Zu den statischen Nachweisen gesellen sich somit zwei Fragestellungen: • Wie verhält sich der Verbund im Zusammenspiel von Klebestoff und dem heißen Gussasphalt? • Und wie verhält sich das Verbundsystem im Hinblick auf die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen? 2. Brandschutzanforderungen bei CFK Verstärkungen Eine immer wiederkehrende Angelegenheit sind die Anforderungen an die geklebten CFK Lamellen im Brandfall. Sind CFK Lamellen im Brandfall überhaupt einsetzbar bzw. müssen oder können die Lamellen brandschutztechnisch verkleidet werden? Brandschutzsysteme für CFK Verstärkungen existieren und haben entsprechende gutachterliche Stellungnahmen. Diese Systeme tragen jedoch ca. 90-mm stark auf (R90) und allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen wurden bisher noch nicht erteilt. Dies liegt auch daran, dass Brandschutzsysteme für CFK Lamellen in den meisten Fällen nicht erforderlich sind und sich eine bauaufsichtliche Zulassung nicht lohnt. Durch eine Heiß- oder auch Brandbemessung kann die Tragfähigkeit im Brandfall nachgewiesen werden. In ca. 80-% - 90-% der Bauvorhaben kann somit auf die Wirkung der Verstärkung im Brandfall verzichtet werden. Somit ist auch eine Beplankung der CFK Lamellen nicht erforderlich. In vielen Bemessungsprogrammen wird eine solche Heißbemessung angeboten. Bemessen wird mit charakteristischen Lasten, wobei die Nutzlasten zusätzlich mehr oder weniger über die ψ 2,1 -Faktoren abgemindert werden dürfen. Im Gegenzug muss jedoch die Zugfestigkeit des Stahls in Abhängigkeit von der Temperatur abgemindert werden. Die Temperatur im Stahl wird wiederum beeinflusst durch den Stahlrandabstand (neutrale Achse der Bewehrung bis beflammte Oberfläche) und somit durch die Betondeckung und die Beflammungsdauer. Der Stahlrandabstand spielt daher eine entscheidende Rolle. Ist dieser zu gering, steigt die Temperatur im Stahl unter hohem Festigkeitsverslust. Gerade bei alten Bauteilen mit geringer Betondeckung kann das zu Problemen beim Brandschutz bzw. der Brandbemessung führen. Der Stahlrandabstand kann jedoch durch eine Brandschutzbeplankung nach Verkleben der CFK Lamellen erhöht werden. Die Brandschutzeigenschaften einer solchen Brandschutzbeplankung sind bei gleicher Dicke zweibis dreifach höher als die des Betons und das Eigengewicht ist zudem noch ca. 3 - 4-mal geringer [4]. Rein wärmebzw. brandschutztechnisch ersetzt eine 15-mm dicke Brandschutzbeplankung somit 45-mm Betondeckung bzw. Stahlrandabstand bei R90 Brandschutzanforderung (siehe [4] Anhang D2). Eine solche Erhöhung hat bereits einen deutlichen Einfluss auf die 86 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Geklebte Verstärkungen - Brandschutz und hohe Temperaturen Tragfähigkeit im Brandfall. Um dies zu verdeutlichen, wird das folgende Beispiel dargestellt: Eine 20-cm starke Bestandsdecke mit 6-m Spannweite (B35) mit 1-kN/ m 2 Ausbaulast und 1-kN/ m 2 Nutzlast erfordert eine Bewehrung von 6,9-cm 2 / m (BSt-420). Durch Umnutzung und Aufstockung wird die Nutzlast auf 4-kN/ m 2 erhöht, was eine erforderliche Bewehrung von nun 10,5-cm 2 / m zur Folge hat (s.u.). Ein Verstärkungsgrad von 1,52-kann in diesem Fall mit 120- mm- ×- 1,4- mm CFK Lamellen im Achsabstand von 100- cm erreicht werden (bemessen mit S&P FRP Lamella [6]). Das einwirkende Moment im Brandfall beträgt bei Nutzlast für Versammlungsräume 37,8-kNm (s.u.). Bei planmäßig vorhanden 10-mm Betondeckung besteht ein Stahlrandabstand von ca. 15-mm (Ø-12-mm Eisen). Die erforderliche Bewehrung im Brandfall liegt in diesem Fall bei 22-cm 2 / m, bei einer Stahltemperatur von ca. 700-°C. (siehe unten; bemessen mit 4H-DULAB [5]). Abb.-1: Erforderliche Bewehrung (BSt 420) nach Umbau bei 63,5-kNm im GZT Abb.-2: Einwirkendes Moment im Brandfall nach Umnutzung; g-=-6-kN/ m 2 , q-=-4 kN/ m 2 (Versammlungsräume) Abb.-3: Erforderliche Bewehrung im Brandfall bei Stahlrandabstand h su -=-15-mm Abb.-4: Erforderliche Bewehrung im Brandfall bei Stahlrandabstand h su -=-35-mm Eine Brandschutzbeplankung von 10- mm erhöht den Stahlrandabstand wärmetechnisch um 30- mm [4] und das einwirkende Moment erhöht sich hier nur um ca. 0,6-kNm. Bereits bei einem Stahlrandabstand von 35-mm beträgt die erforderliche Bewehrung im Brandfall nur noch 6,6-cm 2 / m (s.o.) bei noch ca. 465-°C Stahltemperatur. Die Tragfähigkeit im Brandfall wäre gegeben. Die Verstärkung ist im Brandfall nicht erforderlich und die CFK Lamellen müssen nicht für den Brandfall geschützt werden. Die Brandschutzbeplankung von 10-mm dient im vorliegenden Fall dem baulichen Brandschutz der Decke selbst, und wird im Anschluss der CFK Verstärkung montiert. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 87 Geklebte Verstärkungen - Brandschutz und hohe Temperaturen Abb.-5: Temperaturverlauf im Bauteil von links (beflammte Oberfläche) nach rechts (Deckenoberseite) 3. Temperaturstabilität von geklebten CFK-Lamellen im Brückenbau Um die Fragen hinsichtlich des Überbaus mit Asphalt und der Auswirkungen der jahreszeitlichen Temperaturschwankungen zu untersuchen und zu beantworten, wurde ein Forschungsvorhaben [1] an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in der Schweiz durchgeführt. Im Bereich der Brücke erfolgt der übliche Auf bau der Fahrbahn in drei Arbeitsschritten: • Einbau der CFK Klebelamellen mit dem Epoxidharzklebstoff direkt auf den Rohbeton oder in Schlitze verklebte CFK Lamellen. • Darüber wird eine Polymerbitumen-Dichtungsbahn (PBD) verlegt. • Anschließend wird der heiße Gussasphalt (ca. 220-°C - 240-°C im Fahrmischer) aufgebracht. In einem ersten Teil des Forschungsprojekts wurden in Bauteilversuchen die Temperaturen in der Ebene der Klebstofffuge gemessen, beim Einbau der PBD (Abb.-1), sowie beim Einbau des Gussasphaltes (Abb.-2). Im Nachgang wurde die Haftzugfestigkeit der verklebten CFK Lamellen untersucht und mit den Referenzproben verglichen. Abb.-6: Auf bringen der PBD [1] Abb.-7: Einbau des Gussasphaltes [1] Aufgrund der hohen Einbautemperatur von Gussasphalt war zu erwarten, dass die Temperaturen im Bereich der CFK Verstärkung die Glasübergangstemperatur des Klebstoffs übersteigen. Die Untersuchungen zur Temperaturentwicklung lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Die Temperaturen während des Auf bringens der PBD sind vernachlässigbar. Zwar ist die Temperatur hoch, jedoch ist die Einwirkungsdauer sehr kurz, so dass sich die Klebstofffuge kaum erwärmt. • Beim Auf bringen des Gussasphaltes, kann die Temperatur in der Epoxidharzschicht bis zu 80-°C betragen. Während des Asphalteinbaus können die CFK Lamellen also nicht statisch berücksichtigt werden. Die Abkühlphase bis die Temperatur wieder auf die maximal zulässige Dauerbauteiltemperatur (gemäß Zulassungen und Richtlinien) von 40-°C sinkt, beträgt ca. 3-h. Nach dieser Zeit können die CFK Lamellen wieder voll angesetzt werden. Versuche an den CFK Lamellen ergaben keine Änderung der Festigkeiten. • Die anschließend durchgeführte Prüfung der Haftzugfestigkeit zeigt nur eine minimale Beeinflussung des Verbundes. Diese Restfestigkeit ist jedoch höher als die durch die Bemessung ansetzbare Verbundfestigkeit. Die Bemessung bzw. Bemessungsfestigkeiten müssen somit nicht angepasst werden. • Durch das beschleunigte Erhärten (i. d. R. wird ein Versuchsalter von 28-Tagen für die Glasübergangstemperatur herangezogen) steigt die Glasübergangstemperatur durch Nacherhärtungseffekte nachträglich an. Eine untergeordnete Rolle spielt lediglich die Kontaktfläche zwischen CFK Lamelle und PDB. Aufgrund möglicher Diffusion von Weichmachern aus der CFK Lamelle konnten hier teilweise kleinflächige Verbundstörungen beobachtet werden. Bei zusätzlichem Asphaltauf bau kann dies aufgrund des Eigengewichts des Asphalts jedoch vernachlässigt werden. Sofern es zu CFK Verstärkungen und anschließender PBD, ohne Auflast durch As- 88 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Geklebte Verstärkungen - Brandschutz und hohe Temperaturen phalt o. ä. kommt, kann auf der sicheren Seite eine dünne Schutzbzw. Trennschicht (Bodenbeschichtung oder Epoxidharz) auf die CFK Lamellen aufgebracht werden. Versuche zeigen, dass geringfügige Blasenbildung somit verhindert werden kann. 4. Dauerhaftigkeit von geklebten CFK Lamellen unter Temperatureinfluss In einem zweiten Teil der Studie wurden Langzeitüberwachungen an CFK verstärkten Kragträgern durchgeführt [2], [3]. Die mit Asphalt überbauten verstärkten Platten wurden unter Gebrauchslast und jahreszeitlichen Umwelt- und Temperatureinflüssen über vier Jahre beobachtet (Abb. - 3) [2]. Um den Einfluss der Temperatur auf den Grenzzustand der Tragfähigkeit zu untersuchen, wurden die Probekörper anschließend im Labor zum Versagen unter Bruchlast gebracht [3]. Abb.-8: Probekörper unter Umwelteinfluss [1] Über den gesamten Versuchszeitraum wurde der Temperaturverlauf in und auf den Probekörpern festgehalten. Die maximale Lufttemperatur betrug dabei ca. 38- °C. Aufgrund der direkten Sonneneinstrahlung auf die Probekörper wurde eine maximale gemessene Temperatur in der Klebstofffuge von 42-°C festgestellt. Die in den Bemessungsrichtlinien festgesetzte maximale Temperatur von 40- °C, wurde somit leicht überschritten. Diese ist als Dauerbauteiltemperatur definiert. Somit kann diese Grenze auch hier als intakt angesehen werden, aufgrund der nächtlichen Abkühlung. Im Laufe der Zeit, konnte bei höheren Temperaturen im Probekörper eine größere Dehnung festgestellt werden. Bei geringeren Temperaturen war die viskoelastische Verformung des Klebstoffs deutlich verringert. Der Anstieg der Dehnungen war im Vergleich zur Bemessungsdehnung jedoch moderat. Gleichzeitig war das Verhalten des Klebstoffs zu jeder Zeit stabil, ohne Anzeichen einer Delamination. Ein Zusammenhang von Dehnungszunahme der CFK Lamellen und Kriechen des Betons aufgrund des viskoelastischen Klebstoffverhaltens konnte durch eine MLR-Modellanalyse festgestellt werden. Die Reserve von ca. 10-°C - 20-°C von Glasübergangstemperatur zu der in den Richtlinien festgesetzten max. Dauerbauteiltemperatur ist somit eine sinnvolle Vorgabe. Bei den anschließenden Versuchen im Labor [3], bei welchen die Probekörper zum Bruch gebracht wurden, konnte zunächst eine etwas verringerte Biegesteifigkeit festgestellt werden (Abb.-4). Abb. 9: Bruchversuche im Labor [1] Das Versagen der Probekörper erfolgte aufgrund von Betonquetschungen, ohne sichtbares Delaminieren der CFK Lamellen. Die Biegetragfähigkeit der mit Asphalt überbauten Platten übersteigt die der Referenzversuche ohne Asphalt. Dies wird auf den Asphalteinschluss (Auflast) der CFK Lamellen zurückgeführt, wodurch höhere Dehnungen ermöglicht werden. Bei den Bruchversuchen konnte jedoch bereits ab Gebrauchslastniveau ein deutlicher Schlupf zwischen Asphalt und Beton beobachtet werden. Somit kann auch aufgrund der geringen Steifigkeit des Asphalts ausgeschlossen werden, dass dieser zur Biegetragfähigkeit beiträgt. Die Langzeitversuche zeigen, dass die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen oder der Überbau mit Asphalt keinen Einfluss auf die Tragfähigkeit von CFK verstärkten Bauteilen haben. Die Zunahme der Dehnungen in den CFK Lamellen betrifft lediglich die Gebrauchstauglichkeit. Die Auswertung der Restfestigkeit von mit Asphalt überbauten und mit CFK Lamellen verstärkten Platten zeigt, dass die gleichzeitige Beanspruchung bei höheren Temperaturen keine kritische Anwendung im Hinblick auf den Grenzzustand der Tragfähigkeit darstellt [3]. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 89 Geklebte Verstärkungen - Brandschutz und hohe Temperaturen Literatur [1] Czaderski, C./ Gallego, J.M./ Michels, J. (2017): Temperature stability and durability of Externally Bonded CFRP strips in bridge construction (Forschungsprojekt AGB 2012/ 001). Zürich, Schweiz. Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. [2] Breveglieri, M./ Czaderski, C. (2022): Reinforced concrete slabs strengthened with externally bonded carbon fibre-reinforced polymer strips under long-term environmental exposure and sustained loading. Part- 1: Outdoor experiments. Zürich, Schweiz. Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. [3] Breveglieri, M./ Czaderski, C. (2021): RC slabs strengthened with externally bonded CFRP strips under long-term environmental exposure and sustained loading. Part 2: Laboratory experiments. Zürich, Schweiz. Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. [4] ETA-11/ 0458 (2021): Europäisch Technische Bewertung „AESTUVER“ Brandschutzplatte, James Hardie Europe GmbH. [5] 4H-DULAB [Software] (2024): pcae Gesellschaft für Programmvertrieb und Computer Aided Engineering mbH. https: / / www.pcae.de [6] S&P FRP Lamella 6.0 [Software]: S&P Clever Reinforcement Company AG, Schweiz. https: / / www.spreinforcement.ch/ 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 91 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Dr.-Ing. Roman Sedlmair EnBW AG - Bautechnik Erzeugung Portfolioentwicklung, Stuttgart Zusammenfassung Bauteile aus Stahl- oder Spannbeton zeigen oftmals Defizite oder Schäden, die zu der Notwendigkeit einer Verstärkungsmaßnahme führen. In diesem Fall ist die Verstärkung und Instandsetzung mit aufgeklebten CFK-Lamellen eine häufig angewandte Methode. Die CFK-Lamellen werden hierbei als ergänzendes Zugglied für ein Stahlbetonbauteil mit Klebstoff auf die entsprechende Oberfläche appliziert. Als Klebstoff wird derzeit meist Epoxidharz verwendet, das sich durch hohe Festigkeits- und Steifigkeitswerte sowie gute Adhäsion auszeichnet. Dies resultiert in einem äußerst spröden Verbundverhalten der geklebten CFK-Lamellen. Bei Rissöffnung stellen sich am Rissufer Spannungskonzentrationen in der CFK-Lamelle ein -infolgedessen kommt es zu einer Entlastung der einbetonierten und einer Überbelastung der aufgeklebten Bewehrung. Aufgrund der ungleichmäßigen Kraftaufteilung kann nicht von einem kompatiblen Verstärkungssystem gesprochen werden. Weiterhin führt die Verwendung des Epoxidharzes zu deutlichen Einschränkungen in der Anwendung solcher Verstärkungsmaßnahmen. Zu nennen sind hierbei vor allem die geringe Widerstandsfähigkeit gegen erhöhte Temperaturen und Ermüdungsbelastungen. Diese Verstärkungsmethode wurde nun grundlegend modifiziert. Das hierbei entwickelte und untersuchte Verstärkungssystem unterscheidet sich durch den verwendeten Klebstoff von den derzeit üblichen Systemen. Der auf Polyurethan- Basis hergestellte Klebstoff bildet eine deutlich weichere bzw. elastischere Klebschicht aus. Durch entsprechende Definition der Festigkeiten und Verformungsfähigkeiten der Klebschicht wird das Verbundverhalten der aufgeklebten dem der einbetonierten Bewehrung angenähert. Hierdurch ergibt sich über alle Beanspruchungszustände eine gleichmäßige Zugkraftaufteilung -durch die Angleichung der Verbundsteifigkeiten entsteht ein kompatibles Verstärkungssystem. Das System ist durch die Ausweitung des linear-elastischen Verbundverhaltens in der Lage, Ermüdungsbelastungen deutlich besser abzutragen. Durch die Formulierung des Klebstoffes auf Polyurethan-Basis werden weitere kritische Punkte wie Wärmebeständigkeit implizit verbessert. 1. Einführung Die Verstärkung und Instandsetzung von Bauteilen aus Stahl- oder Spannbeton ist seit geraumer Zeit eine der maßgeblichen Herausforderungen beim Bauen im Bestand. Gründe hierfür lassen sich in der fehlerhaften oder unzureichenden Bemessung und Ausführung, Umnutzung und damit meist einer Erhöhung der einwirkenden Lasten oder außergewöhnlichen Beanspruchungen (Anprall, Erdbeben) finden. Ebenso zahlreich wie die Ursachen sind auch die entwickelten Verstärkungsmethoden- Zu nennen sind hier beispielsweise Spritzbetonergänzung, nachträgliche Vorspannung und andere. Eine weitere, immer stärker aufkommende, Methode ist die Verstärkung mit carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Hierbei werden beispielsweise CFK-Lamellen als ergänzendes Zugglied für ein Stahlbetonbauteil mit Klebstoff auf die entsprechende Oberfläche appliziert. Aufgrund der einfachen Anwendbarkeit und ihrer hohen Zugfestigkeit bei gleichzeitig äußerst geringem Eigengewicht erfreut sich diese Methode einer immer größeren Beliebtheit. Als Klebstoff wird zurzeit meist Epoxidharz verwendet, das sich durch hohe Festigkeits- und Steifigkeitswerte sowie gute Adhäsion auszeichnet. Abb. 1 : Beispiele für Verstärkungen mit Stahllaschen (oben) und CFK-Lamellen (unten) 92 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Der Verbund zwischen der aufgeklebten Bewehrung und dem Beton bestimmt grundlegend das Verformungsvermögen und Tragverhalten der verstärkten Biegebauteile. Die relativ geringe Oberflächenzugfestigkeit von Beton stellt hierbei den limitierenden Faktor dar. Das sich deutlich voneinander unterscheidende Verbundverhalten von aufgeklebter und einbetonierter Bewehrung führt zu ungleichmäßiger Zugkraftaufteilung und einem erheblichen Mehraufwand bei der Bemessung. Die zurzeit bauaufsichtlich zugelassenen Verfahren zur Verstärkung dürfen nur sehr begrenzt für dynamisch belastete Bauteile angewandt werden, da aufgrund von Ermüdungserscheinungen zahlreiche Schadensfälle aufgetreten sind. Im Anwendungsfall ist bei erhöhten Temperaturen ein Durchlaufen des Bereiches der Glasübergangstemperatur als realistisch einzustufen. Hieraus resultiert ein Erweichen der Klebschicht bis hin zum kompletten Festigkeitsverlust. Somit ist lediglich eine geringe Widerstandsfähigkeit der Verstärkungssysteme gegenüber Wärmeinwirkung gegeben. Im Rahmen der Arbeit von Sedlmair [5] wurde diese Verstärkungsmethode grundlegend modifiziert. Der hier vorgestellte Artikel stellt Auszüge aus dieser Arbeit dar. Motivation ist das äußerst spröde Verbundverhalten der geklebten CFK-Lamellen, das maßgeblich auf den mechanischen Eigenschaften des verwendeten Epoxidharzes bzw. dessen ungenügender Verformungsfähigkeit beruht. Ziel ist es, einen Klebstoff zu finden, der eine deutlich weichere bzw. elastischere Klebschicht bildet. Durch entsprechende Definition der Festigkeiten und Verformungsfähigkeiten der Klebschicht wird das Verbundverhalten der aufgeklebten dem der einbetonierten Bewehrung angenähert. 2. Grundlagen zum Verbundverhalten In den folgenden Unterkapiteln werden die zum Verständnis der Modifikation erforderlichen Grundlagen zum Verbundverhalten der beiden Bewehrungspartner (Betonstahl und CFK-Lamelle) mit dem Beton erläutert. 2.1 Verbundverhalten einbetonierter Bewehrung Die günstigen Eigenschaften des Verbundwerkstoffs Konstruktionsbeton beruhen gemäß [6] auf dem Verbund zwischen Beton und dem eingelegten Bewehrungsstahl. Als Verbund wird die schubfeste Verbindung dieser zwei Werkstoffe bezeichnet; er ist entscheidend für die Tragfähigkeit und Duktilität eines Stahlbetonbauteils. Die Übertragung der Kräfte vom gerippten Betonstahl in den Beton wird über drei Verbundmechanismen beschrieben: Haftverbund, Scherverbund und Reibungsverbund, wobei das Verbundverhalten bei gerippten Bewehrungsstählen klar vom Scherverbund dominiert wird. Um das Verhalten zu beschreiben, wird die Relativverschiebung (Schlupf) s zwischen Beton und Bewehrungsstahl in Verbindung zur übertragenen Schubspannung τ in der Kontaktfläche beschrieben - die sogenannte Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung (VSB), siehe Abb. 2. Bestimmt wird diese Beziehung am Normkörper durch Ausziehversuche am einbetonierten Bewehrungsstab. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden entsprechende Kennwerte hier nicht aufgeführt, sondern auf weiterführende Literatur wie [4] und [6] verwiesen. Wichtig ist, dass die hier gezeigte VSB kein Materialgesetz im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr ein Hilfsmittel, um komplexe physikalische Vorgänge in Zusammenhang zu bringen. Abb. 2 : Analytische Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung nach [4] 2.2 Verbundverhalten aufgeklebter Bewehrung Das Verbundverhalten aufgeklebter Bewehrungselemente unterscheidet sich grundsätzlich von dem der einbetonierten Bewehrung. Bei geklebter Bewehrung wird die Verbindung zwischen Beton und Bewehrung durch eine nachgiebige Zwischenschicht, der Klebschicht, hergestellt. Das Verbundverhalten kann grundsätzlich mit den gleichen Mechanismen wie bei einbetonierter Bewehrung beschrieben werden: Adhäsion, Reibung und Verzahnung. Die dominierende Rolle spielt aber mit großem Abstand die Adhäsion. Da die aufgeklebte Bewehrung nicht vom Beton umschlossen ist, kann sich kein dreidimensionaler Spannungszustand einstellen - beim Versagen löst sich die aufgeklebte Bewehrung frei vom Betonuntergrund. Die Relativverschiebungen setzen sich gemäß [6] als Summe aus den Verzerrungen γ der Klebschicht und den Betonverformungen einer gewissen Grenzschicht zusammen. Erstere sind vorrangig von der Steifigkeit und dem elastischen bzw. plastischem Verformungsvermögen der Klebschicht abhängig. Abb. 3 : Verbundmechanismen aufgeklebter Bewehrungselemente