Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
kevb
expert Verlag Tübingen
0225
2025
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Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile
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Roman Sedlmair
Bauteile aus Stahl- oder Spannbeton zeigen oftmals Defizite oder Schäden, die zu der Notwendigkeit einer Verstärkungsmaßnahme führen. In diesem Fall ist die Verstärkung und Instandsetzung mit aufgeklebten CFK-Lamellen eine häufig angewandte Methode. Die CFK-Lamellen werden hierbei als ergänzendes Zugglied für ein Stahlbetonbauteil mit Klebstoff auf die entsprechende Oberfläche appliziert.
Als Klebstoff wird derzeit meist Epoxidharz verwendet, das sich durch hohe Festigkeits- und Steifigkeitswerte sowie gute Adhäsion auszeichnet. Dies resultiert in einem äußerst spröden Verbundverhalten der geklebten CFK-Lamellen. Bei Rissöffnung stellen sich am Rissufer Spannungskonzentrationen in der CFK-Lamelle ein -- infolgedessen kommt es zu einer Entlastung der einbetonierten und einer Überbelastung der aufgeklebten Bewehrung. Aufgrund der ungleichmäßigen Kraftaufteilung kann nicht von einem kompatiblen Verstärkungssystem gesprochen werden. Weiterhin führt die Verwendung des Epoxidharzes zu deutlichen Einschränkungen in der Anwendung solcher Verstärkungsmaßnahmen. Zu nennen sind hierbei vor allem die geringe Widerstandsfähigkeit gegen erhöhte Temperaturen und Ermüdungsbelastungen. Diese Verstärkungsmethode wurde nun grundlegend modifiziert. Das hierbei entwickelte und untersuchte Verstärkungssystem unterscheidet sich durch den verwendeten Klebstoff von den derzeit üblichen Systemen. Der auf Polyurethan-Basis hergestellte Klebstoff bildet eine deutlich weichere bzw. elastischere Klebschicht aus. Durch entsprechende Definition der Festigkeiten und Verformungsfähigkeiten der Klebschicht wird das Verbundverhalten der aufgeklebten dem der einbetonierten Bewehrung angenähert. Hierdurch ergibt sich über alle Beanspruchungszustände eine gleichmäßige Zugkraftaufteilung -- durch die Angleichung der Verbundsteifigkeiten entsteht ein kompatibles Verstärkungssystem. Das System ist durch die Ausweitung des linear-elastischen Verbundverhaltens in der Lage, Ermüdungsbelastungen deutlich besser abzutragen. Durch die Formulierung des Klebstoffes auf Polyurethan-Basis werden weitere kritische Punkte wie Wärmebeständigkeit implizit verbessert.
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9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 91 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Dr.-Ing. Roman Sedlmair EnBW AG - Bautechnik Erzeugung Portfolioentwicklung, Stuttgart Zusammenfassung Bauteile aus Stahl- oder Spannbeton zeigen oftmals Defizite oder Schäden, die zu der Notwendigkeit einer Verstärkungsmaßnahme führen. In diesem Fall ist die Verstärkung und Instandsetzung mit aufgeklebten CFK-Lamellen eine häufig angewandte Methode. Die CFK-Lamellen werden hierbei als ergänzendes Zugglied für ein Stahlbetonbauteil mit Klebstoff auf die entsprechende Oberfläche appliziert. Als Klebstoff wird derzeit meist Epoxidharz verwendet, das sich durch hohe Festigkeits- und Steifigkeitswerte sowie gute Adhäsion auszeichnet. Dies resultiert in einem äußerst spröden Verbundverhalten der geklebten CFK-Lamellen. Bei Rissöffnung stellen sich am Rissufer Spannungskonzentrationen in der CFK-Lamelle ein -infolgedessen kommt es zu einer Entlastung der einbetonierten und einer Überbelastung der aufgeklebten Bewehrung. Aufgrund der ungleichmäßigen Kraftaufteilung kann nicht von einem kompatiblen Verstärkungssystem gesprochen werden. Weiterhin führt die Verwendung des Epoxidharzes zu deutlichen Einschränkungen in der Anwendung solcher Verstärkungsmaßnahmen. Zu nennen sind hierbei vor allem die geringe Widerstandsfähigkeit gegen erhöhte Temperaturen und Ermüdungsbelastungen. Diese Verstärkungsmethode wurde nun grundlegend modifiziert. Das hierbei entwickelte und untersuchte Verstärkungssystem unterscheidet sich durch den verwendeten Klebstoff von den derzeit üblichen Systemen. Der auf Polyurethan- Basis hergestellte Klebstoff bildet eine deutlich weichere bzw. elastischere Klebschicht aus. Durch entsprechende Definition der Festigkeiten und Verformungsfähigkeiten der Klebschicht wird das Verbundverhalten der aufgeklebten dem der einbetonierten Bewehrung angenähert. Hierdurch ergibt sich über alle Beanspruchungszustände eine gleichmäßige Zugkraftaufteilung -durch die Angleichung der Verbundsteifigkeiten entsteht ein kompatibles Verstärkungssystem. Das System ist durch die Ausweitung des linear-elastischen Verbundverhaltens in der Lage, Ermüdungsbelastungen deutlich besser abzutragen. Durch die Formulierung des Klebstoffes auf Polyurethan-Basis werden weitere kritische Punkte wie Wärmebeständigkeit implizit verbessert. 1. Einführung Die Verstärkung und Instandsetzung von Bauteilen aus Stahl- oder Spannbeton ist seit geraumer Zeit eine der maßgeblichen Herausforderungen beim Bauen im Bestand. Gründe hierfür lassen sich in der fehlerhaften oder unzureichenden Bemessung und Ausführung, Umnutzung und damit meist einer Erhöhung der einwirkenden Lasten oder außergewöhnlichen Beanspruchungen (Anprall, Erdbeben) finden. Ebenso zahlreich wie die Ursachen sind auch die entwickelten Verstärkungsmethoden- Zu nennen sind hier beispielsweise Spritzbetonergänzung, nachträgliche Vorspannung und andere. Eine weitere, immer stärker aufkommende, Methode ist die Verstärkung mit carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Hierbei werden beispielsweise CFK-Lamellen als ergänzendes Zugglied für ein Stahlbetonbauteil mit Klebstoff auf die entsprechende Oberfläche appliziert. Aufgrund der einfachen Anwendbarkeit und ihrer hohen Zugfestigkeit bei gleichzeitig äußerst geringem Eigengewicht erfreut sich diese Methode einer immer größeren Beliebtheit. Als Klebstoff wird zurzeit meist Epoxidharz verwendet, das sich durch hohe Festigkeits- und Steifigkeitswerte sowie gute Adhäsion auszeichnet. Abb. 1 : Beispiele für Verstärkungen mit Stahllaschen (oben) und CFK-Lamellen (unten) 92 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Der Verbund zwischen der aufgeklebten Bewehrung und dem Beton bestimmt grundlegend das Verformungsvermögen und Tragverhalten der verstärkten Biegebauteile. Die relativ geringe Oberflächenzugfestigkeit von Beton stellt hierbei den limitierenden Faktor dar. Das sich deutlich voneinander unterscheidende Verbundverhalten von aufgeklebter und einbetonierter Bewehrung führt zu ungleichmäßiger Zugkraftaufteilung und einem erheblichen Mehraufwand bei der Bemessung. Die zurzeit bauaufsichtlich zugelassenen Verfahren zur Verstärkung dürfen nur sehr begrenzt für dynamisch belastete Bauteile angewandt werden, da aufgrund von Ermüdungserscheinungen zahlreiche Schadensfälle aufgetreten sind. Im Anwendungsfall ist bei erhöhten Temperaturen ein Durchlaufen des Bereiches der Glasübergangstemperatur als realistisch einzustufen. Hieraus resultiert ein Erweichen der Klebschicht bis hin zum kompletten Festigkeitsverlust. Somit ist lediglich eine geringe Widerstandsfähigkeit der Verstärkungssysteme gegenüber Wärmeinwirkung gegeben. Im Rahmen der Arbeit von Sedlmair [5] wurde diese Verstärkungsmethode grundlegend modifiziert. Der hier vorgestellte Artikel stellt Auszüge aus dieser Arbeit dar. Motivation ist das äußerst spröde Verbundverhalten der geklebten CFK-Lamellen, das maßgeblich auf den mechanischen Eigenschaften des verwendeten Epoxidharzes bzw. dessen ungenügender Verformungsfähigkeit beruht. Ziel ist es, einen Klebstoff zu finden, der eine deutlich weichere bzw. elastischere Klebschicht bildet. Durch entsprechende Definition der Festigkeiten und Verformungsfähigkeiten der Klebschicht wird das Verbundverhalten der aufgeklebten dem der einbetonierten Bewehrung angenähert. 2. Grundlagen zum Verbundverhalten In den folgenden Unterkapiteln werden die zum Verständnis der Modifikation erforderlichen Grundlagen zum Verbundverhalten der beiden Bewehrungspartner (Betonstahl und CFK-Lamelle) mit dem Beton erläutert. 2.1 Verbundverhalten einbetonierter Bewehrung Die günstigen Eigenschaften des Verbundwerkstoffs Konstruktionsbeton beruhen gemäß [6] auf dem Verbund zwischen Beton und dem eingelegten Bewehrungsstahl. Als Verbund wird die schubfeste Verbindung dieser zwei Werkstoffe bezeichnet; er ist entscheidend für die Tragfähigkeit und Duktilität eines Stahlbetonbauteils. Die Übertragung der Kräfte vom gerippten Betonstahl in den Beton wird über drei Verbundmechanismen beschrieben: Haftverbund, Scherverbund und Reibungsverbund, wobei das Verbundverhalten bei gerippten Bewehrungsstählen klar vom Scherverbund dominiert wird. Um das Verhalten zu beschreiben, wird die Relativverschiebung (Schlupf) s zwischen Beton und Bewehrungsstahl in Verbindung zur übertragenen Schubspannung τ in der Kontaktfläche beschrieben - die sogenannte Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung (VSB), siehe Abb. 2. Bestimmt wird diese Beziehung am Normkörper durch Ausziehversuche am einbetonierten Bewehrungsstab. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden entsprechende Kennwerte hier nicht aufgeführt, sondern auf weiterführende Literatur wie [4] und [6] verwiesen. Wichtig ist, dass die hier gezeigte VSB kein Materialgesetz im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr ein Hilfsmittel, um komplexe physikalische Vorgänge in Zusammenhang zu bringen. Abb. 2 : Analytische Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung nach [4] 2.2 Verbundverhalten aufgeklebter Bewehrung Das Verbundverhalten aufgeklebter Bewehrungselemente unterscheidet sich grundsätzlich von dem der einbetonierten Bewehrung. Bei geklebter Bewehrung wird die Verbindung zwischen Beton und Bewehrung durch eine nachgiebige Zwischenschicht, der Klebschicht, hergestellt. Das Verbundverhalten kann grundsätzlich mit den gleichen Mechanismen wie bei einbetonierter Bewehrung beschrieben werden: Adhäsion, Reibung und Verzahnung. Die dominierende Rolle spielt aber mit großem Abstand die Adhäsion. Da die aufgeklebte Bewehrung nicht vom Beton umschlossen ist, kann sich kein dreidimensionaler Spannungszustand einstellen - beim Versagen löst sich die aufgeklebte Bewehrung frei vom Betonuntergrund. Die Relativverschiebungen setzen sich gemäß [6] als Summe aus den Verzerrungen γ der Klebschicht und den Betonverformungen einer gewissen Grenzschicht zusammen. Erstere sind vorrangig von der Steifigkeit und dem elastischen bzw. plastischem Verformungsvermögen der Klebschicht abhängig. Abb. 3 : Verbundmechanismen aufgeklebter Bewehrungselemente 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 93 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Bei kleinen Belastungen bzw. Verformungen, s.-Abb.-3-b, verhält sich das Verbundsystemrein linear-elastisch und die auftretenden Relativverschiebungen können allein der Klebschicht zugewiesen werden. Bei steigender Beanspruchung, durch ein entfestigendes Verhalten gekennzeichnet, bilden sich Verbundrisse in der oberflächennahen Betonschicht (Abb. 3-c). Diese sind in Verformungsrichtung geneigt und vereinigen sich beim Verbundversagen zu einer Bruchebene parallel zur Ebene des aufgeklebten Bewehrungselementes, s. Abb. 3-d. Dieser Bruch tritt hierbei aufgrund fehlendem Verformungsvermögen der Klebschicht ohne große Versagensvorankündigung mit geringer Energiedissipation ein - man spricht von einem spröden Verbundversagen. Analog zur Betrachtung in Kap. 2.1 wird die wirksame Kraftübertragung von Bewehrungselement zu Beton hier ebenso an die entsprechenden Relativverschiebungen gekoppelt. Durchgesetzt hat sich aufgrund der vergleichsweisen relativ einfachen Beschreibung bei gleichzeitiger hoher Rechengenauigkeit ein abschnittsweise linearer Ansatz mit einem linear-elastischen und einem linear-entfestigendem Ast, der bilineare Verbundansatz, s.-Abb.-4. Abb. 4 : bilinearer Verbundansatz für aufgeklebte Bewehrungselemente Die Fläche unter der Kurve wird als Verbundbruchenergie G F definiert und kann bruchmechanisch, als die Energie betrachtet werden, die zum vollständigen Lösen bzw. Versagen eines Einheitsverbundelementes notwendig ist. Die Steigung des linear-elastischen Astes ist durch den Wert K 1 definiert. Da der maßgebende Versagensmodus das Ausbrechen oberflächennaher Betonschichten ist, wird die Ermittlung der Parameter auf maßgebliche Eigenschaften des Betons wie Druck und/ oder Oberflächenzugfestigkeit zurückgeführt. Auf die verschiedensten Ansätze in der Literatur und der Normung soll hier nicht eingegangen werden. Es sei aber erwähnt, dass der Entkopplungsschlupf s L0 für aufgeklebte Lamellen, die mit epoxidharzbasierten Klebstoffen appliziert wurden, in der Größenordnung von 0,2-mm bis 0,3-mm liegt. Dies bekräftigt die Definition eines spröden Verbundversagens und der vorzeitigen Schädigung des Verbundes. In Versuchen konnte gezeigt werden, dass eine Vergrößerung der verklebten Länge nicht unweigerlich zu einer Kraftsteigerung führt, sondern eine asymptotische Annäherung an einen Grenzwert erfolgt, der direkt mit der Bruchenergie G F korreliert. Der wirksame Verbund zwischen Bewehrungselement und Beton ist somit auf eine effektive Verbundlänge begrenzt, die von Art und Steifigkeit des Bewehrungselementes, Eigenschaften der Klebschicht und des Betons abhängt. 2.3 Interaktion der Bewehrungselemente Zilch [2] untersuchte im Rahmen einer experimentellen Arbeit die Kraftaufteilung bei gemischt bewehrten Zuggliedern. Hierbei kamen einbetonierter, gerippter Betonstahl und aufgeklebte CFK-Lamellen zum Einsatz, siehe Abb. 5. Ausgewertet wird der Umlagerungsfaktor f S (Betonstahl) bzw. f L (CFK-Lamelle). Der Umlagerungsfaktor ist als Quotient aus gemessener Dehnung bzw. Spannung im Rissquerschnitt und der aus Dehnungsebenheit rechnerisch ermittelten Werten definiert. Bei einem Wert von 1 gilt somit 100 %ige Dehnungsebenheit. Ein ausgewähltes Ergebnis ist in Abb. 6 dargestellt. Abb. 5 : Versuchsauf bau von Zilch et al. (2002) zur Untersuchung der Kraftaufteilung bei gemischt bewehrten Zuggliedern Gerade für geringe Beanspruchungen oder Zugkräfte sind die Abweichungen von der Dehnungsebenheit offensichtlich. Teilweise sind diese bis zu 70 % über den nach Dehnungsebenheit ermittelten. Bei geringer Beanspruchung geht der Großteil der aufzunehmenden Zugkraft in die Lamelle über. Im Rissquerschnitt stellt sich eine Dehnungsbzw. Spannungsüberhöhung in der CFK-Lamelle ein. Der Verbund wird hierdurch stark beansprucht und aufgrund der fehlenden Verformungsfähigkeit sehr schnell geschädigt und schlussendlich zerstört. Erst durch diese Verbundentkopplung der Lamelle bei gleichzeitiger Umlagerung auf den Betonstahl nähern sich die Umlagerungsfaktoren wieder dem Wert für Dehnungsebenheit an. Durch die unterschiedlichen Verbundverhältnisse kann sich keine gleichmäßige Kraftaufteilung einstellen 94 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile - dieser Effekt verstärkt sich bei glattem Betonstahl zusätzlich. Leider hat dies auch einen großen Einfluss auf das Tragverhalten biegeverstärkter Stahlbetonbauteile bei zyklischer Belastung. Durch die frühe Verbundschädigung der aufgeklebten Bewehrung und den kaum ausgeprägten elastischen Verbundbereich muss diesen Systemen ein ungenügendes Ermüdungsverhalten attestiert werden. Abb. 6 : Umlagerungsfaktor für Betonstahl f S und CFK- Lamelle f L aufgetragen über die wirkende Zugkraft [2] Zur Beurteilung der Güte der Interaktion verschiedener Bewehrungsstränge eignet sich der Ansatz nach Bergmeister [1]. Er führte einen Verbundkoeffizienten λ über das Verhältnis zwischen der mittleren Dehnung eines (Zwischen-)Risselementes ε m und der maximalen Dehnung ε max , die sich direkt im Öffnungsbereich des Risses einstellt, ein. (1) Für Betonstahl mit Stabdurchmessern von 12- mm- ≤- d S - ≤- 20- mm und Rissabständen über die Bauteillänge von 250- mm- ≤- sr- ≤- 400- mm, ergibt sich für Betonstahl nach Bergmeister- [1] ein Grenzwert von λ lim,S - =- 0,9- [-]. Für Lamellen liegt der Wert bei λ lim,S -=-0,8-[-]. Wichtig ist: beteiligen sich unterschiedliche Bewehrungsstränge in gleicher Art und Weise am Lastabtrag, müssen sich auch die Verbundkoeffizienten gleichen. 3. Grundidee der kompatiblen Verstärkung Aus den vorangegangenen Erläuterungen wird deutlich, dass eine Schädigung des Verbundes Lamelle-Beton bereits bei sehr kleinen Rissöffnungen eintritt. Weiterhin wird bei sich einstellender Rissbildung ein Großteil der Zugkraft vom Bewehrungselement mit steiferem Verbundverhalten übernommen. Bei den derzeit verwendeten Systemen treten in der CFK-Lamelle somit naturgemäß große Spannungsspitzen und große Spannungs- (bzw. Dehnungs-)gradienten in Rissufernähe auf - die Betonoberfläche wird hier also lokal sehr stark mit Schubbzw Normalspannungen beaufschlagt. Zyklische Belastungen, auch bei relativ kleinen Spannungsschwingbreiten, führen zu einer fortschreitenden Schädigung und einer vorzeitigen Entkopplung des Verstärkungssystem vom Bauteil. Diese Defizite können durch eine Anpassung der Steifigkeit des Verbundes Lamelle-Beton über die mechanischen Eigenschaften der Klebschicht eliminiert werden. Die Erweiterung des linear-elastischen Verbundverhaltens bei gleichzeitiger Anpassung der Verbundsteifigkeit auf die der einbetonierten Bewehrung stellt eine sinnvolle, praktikable und überaus effektive Modifizierung der CFK-Lamellen basierten Verstärkungsmethode dar. Die Verformungsfähigkeit der Klebschicht bestimmt maßgeblich den Schädigungsbeginn bei Rissöffnung. Im Gebrauchszustand auftretende Rissöffnungen sollen über elastische Winkelverformungen der Klebschicht tan- γ überbrückt werden, um eine Schädigung und frühzeitiges Ablösen zu verhindern, s. Abb. 7. Hierfür ergibt sich ein Mindestwert von s L1 -=-0,2-mm insofern die im Stahlbeton üblichen Rissöffnungen von w r -=-0,4-mm zugelassen werden. Abb. 7 : Rissüberbrückung durch Schubverformung in der Klebschicht nach [1] Zur Ermittlung der gewünschten Verbundsteifigkeit von Lamelle und Beton wird bei den folgenden Betrachtungen für den Betonstahl die in [4] enthaltene analytische Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung zu Grunde gelegt und die Verbundsteifigkeiten K 1,S je nach Betongüte für gewisse Rissöffnungen ermittelt, s.-Tab 1. Tab. 1: Verbundsteifigkeiten K 1,S [N/ mm³]von einbetoniertem, gerippten Betonstahl je nach Rissöffnung w r und Betongüte Rissöffnung [mm] C20/ 25 C50/ 60 0,0 - 0,2 53 76 0,2 - 0,4 17 25 0,4 - 0,6 12 17 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 95 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Für die derzeit üblichen Klebschichten ergeben sich unter Annahme der in Abb. 4 dargestellten bilinearen Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung im als linear-elastisch betrachteten Bereich eine Verbundsteifigkeit von K 1,L -=-400-N/ mm³. Zu beachten ist, dass die Gültigkeit der Rissüberbrückung lediglich bei Mikrorissen als wirksam betrachtet werden - für übliche Rissöffnungen ist der Verbund in Rissnähe bereits teilweise oder vollständig beschädigt. Werden nun als Zielparameter die in Tab. 1 aufgeführten Werte bei im Gebrauchszustand üblichen Rissöffnungen von 0,2-mm bis 0,4-mm definiert, linear-viskoelastisches Verhalten der Klebschicht und Gleichung (2) von Ranisch [3] mit K 1,L -=-G a / t a zu Grunde gelegt, ergibt sich bei einer Klebschichtdicke t a- =-5mm ein Schubmodul im Bereich von G a- =-60-N/ mm² bis 100-N/ mm². (2) Bei einer theoretischen Querdehnzahl elastischer Klebschichten von ν-=-0,5 ergibt sich somit ein gewünschtes Elastizitätsmodul zwischen 180 N/ mm² und 300 N/ mm². Derzeit übliche Klebschichten sind durch einen Elastizitätsmodul E a von ca. 3000 N/ mm² charakterisiert. Eine derartige Reduzierung der Verbundbzw. Klebschichtsteifigkeit wirkt sich massiv auf das Verbundverhalten aus. Durch eine verformungsfähigere, elastische Klebschicht wird in erster Linie die Verankerungslänge (effektive Verbundlänge) vergrößert und die auftretenden Schubspannungen werden reduziert, bzw. die Verbundfläche homogener beansprucht. Da hieraus eine flächenmäßig größere Aktivierung der Betonoberfläche resultiert und, Kohäsionsversagen annehmend, der Beton weiterhin das schwächste Glied der Fügepartner darstellt, wird eine höhere Ausnutzung der geklebten Bewehrungselemente ermöglicht. Die gezielte Anpassung der Verbundeigenschaften der Lamelle an das Verbundverhalten der einbetonierten Bewehrung durch die Änderung der mechanischen Klebschichteigenschaften resultiert in einer Annäherung bzw. Gleichsetzung der Verbundkoeffizienten für Betonstahl und CFK-Lamelle über alle Beanspruchungszustände hinweg. Hierdurch ergibt sich automatisch die Gültigkeit des Ebenbleibens der Querschnitte ohne Verbundentkopplung über alle Rissbildungsstadien (f L = f S = 1). Streng genommen gilt dies bei den epoxidharzbasierten Systemen lediglich für den Grenzzustand der Tragfähigkeit bzw. nach bereichsweiser Verbundschädigung oder -entkopplung der Lamelle. 4. Numerische Untersuchungen Um den Einfluss des Klebstoffes auf das Interaktionsverhalten numerisch zu untersuchen, wurden unter anderem gemischt bewehrte Zwischenrisselemente (ZRE) modelliert. Das Modell ist mit dem verwendeten Netz für einen Rissabstand von 150mm in Abb. 8 dargestellt. Die 80mm breite Lamelle ist hierbei blau und der Betonstahl in rot eingefärbt. Der Betonkörper hat für alle Modelle eine konstante Breite und Höhe von 200mm bzw. 150 mm. Abb. 8 : Mit Abaqus modelliertes, gemischt bewehrtes Zwischenrisselement Als Betonstahlbewehrung wird hier ein Stab mit d S -=-12-mm mit den Materialeigenschaften eines B500A verwendet. Die Last wird verschiebungsgesteuert symmetrisch auf alle Bewehrungsflächen aufgebracht. Da vor allem die Verbesserung des Verbundverhaltens im GZG Ziel war, werden die sich einstellenden Dehnungsverhältnisse und Schubspannungs-verteilungen bei Rissöffnungen w r von 0,1-mm, 0,2-mm und 0,4-mm ausgewertet. Da die Beurteilung des Einflusses der mechanischen Klebschichteigenschaften von Interesse war, wurden nur die Verbundparameter der aufgeklebten Bewehrung variiert, s. Tab. 2. Tab. 2: Inputparameter der Kontaktelemente zur Definition der Klebschichteigenschaften K1 K2 K3 τ L1 3,93 3,93 3,93 s L0 0,019 0,2 0,27 s L1 0,258 0,258 0,50 G F 0,507 0,507 0,9825 K 1,L 206,8 19,7 14,6 Eine mit dem Klebstoff K1 gebildete Klebschicht lässt sich hinsichtlich ihrer Eigenschaften mit denen eines handelsüblichen Epoxidharzes vergleichen. K2 zeichnet sich durch eine sehr ausgeprägte Elastizität aus. Die aus dem Klebstoff K3 gebildete Klebschicht stellt einen Kompromiss aus ausgeprägter Elastizität bei K2 und einer ausreichenden Sekantensteifigkeit K 1,L (orientiert an der VSB von Betonstahl) dar und ist somit als ein optimierter Klebstoff zu betrachten. Die Ergebnisse für einen Rissabstand von s r = 150mm sind in Abb. 9 dargestellt. Die gestrichelte Linie deutet das Dehnungsverhältnis ε L -=-ε S -=-1 an, das für die Gültigkeit der Bernoulli-Hypothese steht. 96 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Abb. 9 : Dehnungsverhältnis über Verbundlänge für eine Rissbreite w r -=-0,2-mm Zur Beurteilung des Beanspruchungszustandes kann die Schubspannungsverteilung über die Verbundlänge herangezogen werden. Diese sollte im GZG über den gesamten Verbundbereich unter τ L1 bleiben, um einen intakten bzw. ungeschädigten Verbund zu gewährleisten. Wie in Abb. 10 ersichtlich, ist dies bei K1 durch den steifen Verbund bereits für kleine Rissöffnungen nicht mehr der Fall. Bereits hier findet ein erheblicher Zugkraftauf bau in der Lamelle statt und der Verbund wird geschädigt. Die mit dem Klebstoff K3 gebildete Klebschicht zeichnet sich, ebenso wie K2, bei GZG üblichen Rissöffnungen immer noch durch ein linear-elastisches Verbundverhalten aus. Weiterhin ist die Bernoulli-Hypothese in allen Laststufen über den Großteil der Verbundfläche auch ohne Verbundschädigung weitestgehend gültig. Werden die Verbundkoeffizienten der Bewehrungsstränge mit Gleichung (1) ermittelt, ergeben sich für die drei ausgewerteten Zustände die in Abb. 11 dargestellten Ergebnisse. Die im Dehnungsverhältnis bereits beobachtete starke Dehnungskonzentration im Rissquerschnitt der Lamelle bei einer mit K1 gebildeten Klebschicht äußert sich im Vergleich zu K2, K3 und dem Betonstahl durch einen deutlich reduzierten Verbundkoeffizienten. Durch die bei fortschreitender Rissöffnung einsetzende Schädigung nähert sich der Wert für K1 dem Wert des Betonstahls an. Für K2 ergibt sich durch den sehr weichen Verbund und somit fehlendem tension stiffening ein annähernd konstanter Verbundkoeffizient λ L,K2 -=-0,98. Bei K3 ergibt sich durch den ungeschädigten Verbund über alle Zustände ein konstanter Wert von λ L,K3- =- 0,87, der nahe an dem Wert für Betonstahl aus Tab. 1 für einen Betonstahldurchmesser von 12mm liegt. Es ist somit ersichtlich, dass über die Steifigkeit der Klebschicht das Verbundverhalten der aufgeklebten Bewehrungselemente dem des einbetonierten Betonstahls angenähert werden kann. Abb. 10 : Schubspannungsverteilung über Verbundlänge für eine Rissbreite w r -=-0,1-mm (oben) und wr-=-0,2-mm (unten) Abb. 11 : Entwicklung des Verbundkoeffizienten λ L für Betonstahl und aufgeklebter Lamelle für unterschiedliche Verbundsteifigkeiten je Rissöffnung w r 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 97 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile 5. Experimentelle Untersuchungen Zur Demonstration der Wirksamkeit der in der Arbeit von Sedlmair- [5] entwickelten Verstärkungsmethode wurden Versuche auf Material-, Verbund- und Bauteilebene durchgeführt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden hier nur Auszüge aus den Ergebnissen der Verbundversuche (Endverankerungsversuch s. Abb. 12 ) und 4-Punkt-Biegeversuche am verstärkten Biegebalken (s. Abb. 13) dargestellt. Die zur Applikation der CFK- Lamelle verwendeten Klebstoffe sind in Tab. 3 aufgeführt. Die Bestimmung der Zugeigenschaften des Polyurethan-Klebstoffes erfolgte nach DIN EN 257-2 mittels Knochenprüfkörpern des Typs 1B bei einer Belastungsgeschwindigkeit von 100- mm/ min. Für K4e wurde im Torsionsschwingversuch nach DIN 53445 der elastische- Bereich der reinen Polymerprobe bei Raumtemperatur bis zu einer Schubverformung im Bereich von tan-γ-=-0,003 bis 0,005 ermittelt. Bei den durchgeführten Haftzugversuchen erfolgte der Bruch wunschgemäß immer kohäsiv im (oberflächennahen) Beton. Tab. 3: Klebstoffeigenschaften K1e (EP) K3e (PU) K4e (PU) Zugfestigkeit [N/ mm 2 ] ≥ 14,0 14,0 16,0 Bruchdehnung [%] - 100,0 32,0 E-Modul [N/ mm²] ≥ 2000,0 180,0 280,0 Neben der traditionellen Messtechnik, wie induktive Wegaufnehmer (IWA) und Dehnungsmessstreifen (DMS), kamen bei den Endverankerungs- und Bauteilversuchen zur Rissdetektion bzw. Dehnungsermittlung in der Lamelle zwei Verfahren zum Einsatz - die optische Messtechnik und faseroptische Sensoren. (a) Prinzipskizze (b) Beispielfoto Abb. 12 : Versuchsauf bau Verbundversuch: Druck-Zug-Einzellaschenkörper Abb. 13 : Bauteilversuch: 4-Punkt-Biegeversuch 98 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile 5.1 Ergebnisse Verbundversuche Alle Versuche wurden in einer Universalprüfmaschine mit einer maximalen Kapazität von 1000 kN weggesteuert durchgeführt. Die Zugkraft wurde mit hydraulischem Spannzeug in die Lamelle eingeleitet. Die Prüfkörper wurden mittels Wasserwaage und Lasermessgerät so ausgerichtet, dass die Zugkraft exakt in der Längsachse der Lamelle angriff. Die Belastungsgeschwindigkeit wurde je nach verwendetem Klebstofftyp so angepasst, dass ein Versagen innerhalb von zwei bis fünf Minuten eintrat. D as Ziel der Experimente war die Quantifizierung des Einflusses der verwendeten Klebschicht auf das Trag- und Verformungsverhalten. Somit ergaben sich folgende, zu bestimmende Parameter: maximale Tragfähigkeit, Verformungsverhalten, aktive bzw. effektive Verbundlängen (engl. STZ (stress transfer zone)) und Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung (VSB). Die Quantifizierung des Verformungsverhaltens erfolgt über die jeweiligen Dehnungs-Schlupf-Kurven. Die Bestimmung der aktiven bzw. effektiven Verbundlängen erfolgte über eine (kontinuierliche) Dehnungsermittlung in der Lamelle. Die Messergebnisse der faseroptischen Sensoren wurden mit einer Ortsauflösung von 0,65 - mm bei einer Datenrate von 12,5 - Hz aufgezeichnet. Das Vorgehen zur Bestimmung ist in [5] erläutert. 5.1.1 Ergebnisse für K1e (Epoxidharz) In Abb. 14 ist der Dehnungsverlauf in der CFK-Lamelle über die Verbundlänge dargestellt. Die Verbundlänge liegt zwischen x = 0mm und x = 1000mm, wobei sich an letzterem Punkt die lastzugewandte Seite befindet. Deutlich zu sehen, ist die fortgeschrittene Entkopplung (Bereich mit konstanter Dehnung der Lamelle). Die STZ (Bereich mit sich ändernder Dehnung) wandert aufgrund fortschreitender Entkopplung in Richtung der lastabgewandten Seite. Die im Experiment gemessene Größe der STZ ergibt sich ca. zu 200-mm bis 250-mm. Um die Gültigkeit der hier ermittelten Kennwerte und die Möglichkeit einer Vereinfachung zu zeigen, werden Vergleichsrechnungen, mit dem in [9] bereits vorgestellten numerischen Gleichungslöser, durchgeführt. Wird bei der Auswertung ein bilinearer Ansatz als Zielfunktion gewählt, ist die in Abb. 15 dargestellte Näherung eine Möglichkeit. Ergänzend sind zusätzlich sechs zuvor experimentell ermittelten Verbundspannungs-Schlupf-Kurven dargestellt. Im Mittel ergibt sich eine Bruchenergie von G F; K1e -=-0,92N/ mm. Abb. 14 : Dehnungsverlauf ε L über die Verbundlänge x für K1e und einen Schlupf von 1,42-mm Abb. 15 : Vergleich von experimentell ermittelten VSB und bilinearem Ansatz für K1e 5.1.2 Ergebnisse für K3e (Polyurethan) Bei dieser Versuchsreihe mit dem deutlich weicheren Polyurethan wurde gezielt der Einfluss der Klebschichtdicke untersucht - es wurden Klebschichtdicken von 2-mm und 5-mm verwendet. Die Ausbruchtiefe des Betons war teilweise um das fünffache größer als bei K1e, was auf eine verbesserte Durchdringung des Betons hindeutet - das Versagen trat wie gewünscht kohäsiv in der Betonoberfläche ein. Ein im Versuch ermittelter Dehnungsverlaufe und die sich bei der Versuchsreihe daraus ergebenden Verbundspannungs-Schlupf-Beziehungen sind in Abb. 16 und Abb. 17 dargestellt. Ergänzt ist in Abb. 17 wiederum die Annäherung über den bilinearen Verbundansatz. 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 99 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile Abb. 16 : Dehnungsverlauf ε L über die Verbundlänge x für K3e (t a -=-5-mm) und einen Schlupf von 2,26-mm Abb. 17 : Vergleich von experimentell ermittelten VSB und bilinearem Ansatz für K3e und Klebschichtdicke t a -=-2-mm (oben) und t a -=-5-mm (unten). Der Entkopplungsvorgang der Lamelle ist auch hier ersichtlich, allerdings nicht in dem Ausmaß wie in vorangegangenem Abschnitt. Die STZ kann hier je nach Klebschichtdicke mit einer Ausdehnung von 400- mm bis 700- mm definiert werden. Bis zu einer Beanspruchung von ca. 50 Prozent der maximalen Verbundspannung τ L1 kann von einem weitestgehend linear-elastischen Verbundverhalten gesprochen werden. Die im Torsionsschwingversuch ermittelte rein linear-elastische Verformung bildet den steigenden Ast der VSB in guter Näherung ab. Die Bestimmung der klebschichtspezifischen Eckwerte des bilinearen Ansatzes erfolgt u. a. mittels Glg. 2 - die gute Übereinstimmung des Ansatzes mit den Versuchswerten kann in Sedlmair [5] im Detail nachvollzogen werden. Es ergeben sich die in Tab. 4 aufgeführten Kennwerte, die für mittelweiche Klebschichten mit einem Schubmodul Ga-≤-100-N/ mm² Gültigkeit besitzen. Tab. 4: Verbundparameter eigener Ansatz Verbundspannung τ L1 el. Grenzschlupf s L1 Entkopplungsschlupf s L0 Bruchenergie G F Eine verformungsfreudige, elastische Klebschicht erhöht nicht nur die absolute Tragfähigkeit, sondern führt bei entsprechender Last zu einer Schubspannungsreduktion. Es ist möglich, einen rein linear-elastischen Verformungsbereich des Verbundsystems Lamelle-Klebschicht- Beton, lediglich über die mechanischen Eigenschaften und die Geometrie der Klebschicht, zu bestimmen. Wie im Folgenden gezeigt wird, kann bei einer elastischen Klebschicht generell, trotz fortgeschrittener Rissöffnung, von einem kompatiblen und intakten Verbundsystem aus Lamelle-Klebschicht-Beton und Betonstahl-Beton gesprochen werden, da die Verbundsteifigkeiten direkt aufeinander abgestimmt sind. 5.2 Ergebnisse Bauteilversuche Um den Einfluss des Klebstoffes auf das Gesamttragverhalten am Biegebauteil zu untersuchen, wurde ein Versuchsauf bau gewählt, bei dem für die derzeit üblichen Systeme der Tragmechanismus im Bereich der Zwischenrisselemente maßgebend wird. Für detailliertere Beschreibungen der Versuche sei auf [5] verwiesen. Ein im Experiment ermitteltes Verformungsverhalten ist in Abb. 18 dargestellt. Der mit dem Klebstoff K1e und Lamelle C1 verstärkte Balken B04-K1e-B19-C1 versagte durch die typische Entkopplung der CFK-Lamelle, nachdem der Betonstahl bereits ins Fließen gekommen war. Der Entkopplung der Lamelle ging die Bildung eines massiven Biegeschubrisses direkt unter der Lasteinleitung voraus. Durch die hohe Aufzeichnungsrate des faseroptischen Systems konnte auch ein Dehnungszustand der Lamelle aufgezeichnet werden, bei dem ein Teil der Lamelle unter der rechten Lasteinleitungsstelle bereits entkoppelt war. Da dieser Vorgang in ms vonstattengeht und kein Lastplateau in der Last-Durchbiegungs-Kurve 100 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile erkennbar ist, muss hier von einem spröden Versagen gesprochen werden. Der Balken B03-K4e-B19-C1 zeigte ein abweichendes Versagensbild. Die Lamelle entkoppelte zwar ausgehend von einer Lasteinleitungsstelle schlussendlich auch durch Kohäsionsversagen im Beton, jedoch trat dieses Versagen nicht in der oberflächennahen Betonschicht, sondern auf Höhe der Längsbewehrung ein. Diesem Versagen ging das Fließen der Betonstahlbewehrung und eine geringfügige Plastifizierung der Betondruckzone voraus. Dies entspricht einem teilweise duktilen Versagen. Abb. 18 : Last-Durchbiegungs-Kurve und Schadensbilder für Balken mit K1e (Mitte) und K3e (unten) Bei der Auswertung der Dehnungsmessungen der CFK- Lamelle zeigt sich eine signifikante Reduktion der Spannungsspitzen in der Lamelle an den Diskontinuitätsstellen. Durch das kompatible Verstärkungssystem kann die Verformungsfähigkeit bzw. Duktilität der Balken aufrecht erhalten werden. Weiterhin übersteigen die Bruchlasten jene der mit dem handelsüblichen Klebesystem verstärkten Balken deutlich, wobei keine Einbußen bei der Biegesteifigkeit zu beobachten sind. Durch die gesteigerte Bruchenergie des Verbundsystems Lamelle-Klebschicht-Beton wird der Nachweis am Zwischenrisselement nichtmehr maßgebend. Für das EP-System K1e ergeben sich bei niedrigen Belastungen und kleinen Rissöffnungen Verbundkoeffizienten λ L zwischen 0,6 und 0,9. Gerade erstgenannte Werte sind ein Indiz für die Spannungsüberhöhung in der Lamelle im Rissquerschnitt. Durch Schädigung des Verbundes nähern sich die Werte für größere Dehnungen wieder einem Wert von 0; 95 bis 1; 0 an. Für das PU-System K4e ergeben sich für den Dehnungsbereich der verbundaktiven Lamelle Verbundkoeffizienten zwischen 0,8 und 0,95. Diese Werte ergeben sich über alle Belastungszustände hinweg. Dies spricht auch bei kleineren Belastungen und sich einstellenden Rissöffnungen im Gebrauchszustand für eine ausreichende, aber nicht übermäßige Aktivierung der Lamelle. Weiterhin werden deutlich weniger Spannungsspitzen im Rissquerschnitt aufgebaut, als dies bei einer mit K1e gebildeten Klebschicht der Fall ist. Zusätzlich bleibt der Verbund weitestgehend intakt, da die Werte annähernd konstant bleiben. 6. Fazit Die hier vorgestellten Auszüge aus [5] stellen die Grundlage einer neuartigen Verstärkung mit geklebten CFK-Lamellen dar. Durch die grundlegende Änderung des verwendeten Klebstoffes, der eine elastische Klebschicht mit ausgeprägter Plastizität ausbildet, wird das Verbundverhalten der geklebten dem der einbetonierten Bewehrung über sämtliche Beanspruchungs- und Rissbildungsstadien angenähert. Dies erkennt man auch daran, dass die Rissabstände des Biegebalkens mit dem neuen Klebstoff, dem von reinem Stahlbeton gleichen und keine Verringerung der Rissabstände erzeugt wird. Zusätzlich wird die über Verbund übertragbare Kraft durch die Vergrößerung der aktivierbaren Verbundflächen gesteigert. Durch die Ausweitung des elastischen Verbundbereiches wird ein nennenswerter Widerstand gegenüber Ermüdungsbelastung erreicht. Die erhöhte Widerstandsfähigkeit der Polyurethanklebstoffe bei Temperaturbelastung, ist als überaus positiv zu beurteilen. Das hier entwickelte und untersuchte Verstärkungssystem kann wie der übliche Stahlbeton, der um eine zweite Zugebene erweitert wird, betrachtet und bemessen werden. Dies bedarf aber noch weiterer Untersuchungen, da vor allem eine zyklische Belastung im Rahmen dieser Arbeit nur angerissen wurde. Weiterhin konnten keine Untersuchungen 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 101 Entwicklung einer neuartigen CFK-Lamellenverstärkung für Stahlbetonbauteile zur Dauerstandfestigkeit derartiger elastischer Klebungen durchgeführt werden, sodass derzeit noch mit den in der Literatur auffindbaren Abminderungsfaktoren gearbeitet werden muss. Durch Torsionsschwingversuche an der reinen Polymerprobe, ist es aber möglich einen rein linear-elastischen Belastungsbereich festzulegen, bei dem keinerlei Kriech- oder Schädigungseffekte auftreten. Literatur [1] BERGMEISTER, Konrad: Kohlenstofffasern im konstruktiven Ingenieurbau, Berlin. 2003 (Bauingenieur-Praxis) [2] ZILCH, Konrad; ZEHETMAIER, Gerhard; NIE- DERMEIER, Roland: Zusammenwirken von einbetonierter Bewehrung mit Klebearmierung bei verstärkten Betonbauteilen: Forschungsbericht. München: Techn. Univ. Inst. für Baustoffe u. Konstruktion Lehrst. Für Massivbau, 2002 [3] RANISCH, Ernst-Holger: Zur Tragfähigkeit von Verklebungen zwischen Baustahl und Beton - Geklebte Bewehrung,1982 [4] Bulletin / International Federation for Structural Concrete Draft model code. Bd. 65: Model Code 2010: Final draft. Lausanne: International Federation for Structural Concrete [5] SEDLMAIR, Roman: Theoretische und praktische Entwicklung einer aufgeklebten CFK Stahlbetonverstärkung unter Berücksichtigung der vollständigen Kompatibilität zum Betonstahl, Karlsruhe, 2020 [6] ZILCH, Konrad; ZEHETMAIER, Gerhard: Bemessung im konstruktiven Betonbau: Nach DIN 1045-1 (Fassung 2008) und EN 1992-1-1 (Eurocode 2). 2., neu bearb.und erw. Aufl. Berlin and Heidelberg and New York, NY: Springer, 2010. [7] HOLZENKÄMPFER, Peter: Ingenieurmodelle des Verbunds geklebter Bewehrung für Betonbauteile. Braunschweig, IBMB, Zugl.: Braunschweig, Univ., Diss., 1994, 1994 [8] ULAGA, Tomaž: Betonbauteile mit Stab- und Lamellenbewehrung: Verbund- und Zuggliedmodellierung [9] WALENDY, Bernhard; SEDLMAIR, Roman; STEMPNIEWSKI, Lothar: Standardization approach for a new class of retrofitting systems. In: SMAR 2017 (Hrsg.), Zürich, Switzerland
