Kolloquium Erhaltung von Bauwerken
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expert Verlag Tübingen
0225
2025
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Mit KI die Bauwelt neu denken – Digitalisierung im Bestand
0225
2025
Simon Stemmler
Bastian Stahl
Das Bauen im Bestand – einschließlich Revitalisierung, energetischer Sanierung und Umnutzung – wird in Zeiten steigender Nachhaltigkeitsanforderungen immer bedeutsamer. Ein zentrales Element hierbei ist die Digitalisierung, die eine effiziente und präzise Planung ermöglichen soll. Hierbei werden digitale Plangrundlagen allerdings häufig unterschiedlich interpretiert: Während gescannte Pläne, CAD-Zeichnungen oder 3D-Modelle als Ausgangspunkt dienen können, fehlt oft eine einheitliche Grundlage für die Prozesse. Eine vielversprechende Lösung bieten 3D-Scans, die präzise Datengrundlagen liefern und eine nachhaltige Digitalisierung vorantreiben. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) können aus diesen Scans automatisch Pläne und 3D-Modelle abgeleitet werden, was die Planungsprozesse erheblich beschleunigt und vereinfacht. Dadurch lassen sich Kosten und Zeit sparen, während die Qualität der Planung erhöht wird. Das Ziel dieser Entwicklungen ist es, die Prozesse von der Bestandserfassung bis zur Umsetzung effizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender zu gestalten. Mit klaren digitalen Standards und nahtlosen Prozessen können die Herausforderungen des Bauens im Bestand besser bewältigt werden. Die Digitalisierung bietet damit die Möglichkeit, bestehende Gebäude nicht nur zukunftssicher zu revitalisieren, sondern auch ökologischen und ökonomischen Ansprüchen gerecht zu werden.
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9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 149 Mit KI die Bauwelt neu denken - Digitalisierung im Bestand Simon Stemmler bimeto GmbH, Freiburg im Breisgau Bastian Stahl bimeto GmbH, Fraunhofer IPM, Freiburg im Breisgau Zusammenfassung Das Bauen im Bestand - einschließlich Revitalisierung, energetischer Sanierung und Umnutzung - wird in Zeiten steigender Nachhaltigkeitsanforderungen immer bedeutsamer. Ein zentrales Element hierbei ist die Digitalisierung, die eine effiziente und präzise Planung ermöglichen soll. Hierbei werden digitale Plangrundlagen allerdings häufig unterschiedlich interpretiert: Während gescannte Pläne, CAD-Zeichnungen oder 3D-Modelle als Ausgangspunkt dienen können, fehlt oft eine einheitliche Grundlage für die Prozesse. Eine vielversprechende Lösung bieten 3D-Scans, die präzise Datengrundlagen liefern und eine nachhaltige Digitalisierung vorantreiben. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) können aus diesen Scans automatisch Pläne und 3D-Modelle abgeleitet werden, was die Planungsprozesse erheblich beschleunigt und vereinfacht. Dadurch lassen sich Kosten und Zeit sparen, während die Qualität der Planung erhöht wird. Das Ziel dieser Entwicklungen ist es, die Prozesse von der Bestandserfassung bis zur Umsetzung effizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender zu gestalten. Mit klaren digitalen Standards und nahtlosen Prozessen können die Herausforderungen des Bauens im Bestand besser bewältigt werden. Die Digitalisierung bietet damit die Möglichkeit, bestehende Gebäude nicht nur zukunftssicher zu revitalisieren, sondern auch ökologischen und ökonomischen Ansprüchen gerecht zu werden. 1. Einführung Während sich die 3D-Planung für Neubauten in den letzten Jahren zunehmend etabliert hat und international als Standard durchgesetzt ist, stellt die Dokumentation und Planung für sanierungsbedürftige Bestandsgebäude nach wie vor eine große Herausforderung dar. Häufig liegen für diese Gebäude nur noch alte 2D-Pläne auf Papier vor, die in der Regel nicht die gesamte Gebäudestruktur oder aktuelle Veränderungen widerspiegeln. Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für eine solche klassische Plangrundlage eines Bestandsgebäudes. Abb. 1: Klassische Plangrundlage eines alten Bestandsgebäudes. 150 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Mit KI die Bauwelt neu denken - Digitalisierung im Bestand Für eine effiziente Instandhaltungsplanung, ein modernes Facility-Management, die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen sowie Umnutzungsvorhaben ist jedoch eine präzise, digitale Erfassung der Gebäudegeometrie unerlässlich. 3D-Modelle sind in diesem Kontext von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur eine detaillierte Darstellung der bestehenden baulichen Strukturen ermöglichen, sondern auch die Grundlage für eine optimierte Planung und Durchführung von Renovierungen oder Umnutzungen bieten. Fehlen solche Pläne, erfolgt die Erfassung der Gebäudegeometrie nach dem aktuellen Stand der Technik in der Regel direkt vor Ort. Hierbei kommen sowohl traditionelle manuelle Messgeräte als auch moderne digitale Technologien zum Einsatz. Im einfachsten Fall werden zur Messung der wichtigsten Dimensionen noch klassische Maßbänder verwendet. Diese Methode reicht jedoch nur für grundlegende Messungen aus und ist für eine vollständige Erfassung komplexer Gebäudestrukturen nicht geeignet. Um präzise und umfassende Daten zu erhalten, werden heutzutage vor allem terrestrische Laserscanner verwendet [1]. Diese Geräte ermöglichen eine vollständige, hochpräzise Aufnahme der Gebäudestruktur aus einem festen Standpunkt. Sie erfassen eine Vielzahl von Punkten, die die gegebene Umgebung in einem 3D-Koordinatensystem abbilden. Diese Punktdaten werden dann zu einer Punktwolke zusammengefügt. Nach Abschluss eines Scans muss der Laserscanner manuell an den nächsten Messpunkt bewegt werden, um die Erfassung an anderen Positionen fortzusetzen. Der Bediener ist hierbei verantwortlich für die Auswahl geeigneter Messstandorte, die eine vollständige Erfassung des Objekts ermöglichen. Nachdem alle Scans durchgeführt wurden, erfolgt ein sogenannter Registrierungsprozess, bei dem die verschiedenen Scans miteinander verknüpft werden, um eine vollständige, konsistente Darstellung der gesamten Gebäudegeometrie zu erzeugen. Neben den terrestrischen Laserscannern gewinnen jedoch auch tragbare Messsysteme zunehmend an Bedeutung, da sie eine höhere Flexibilität bieten. Diese Geräte, wie zum Beispiel mobile Mapping-Systeme oder tragbare Laserscanner, ermöglichen eine kontinuierliche Datenerfassung in der Bewegung. Solche Systeme kombinieren häufig verschiedene Sensortechnologien wie LiDAR, Kameras und Inertialsensoren. Diese Sensoren arbeiten zusammen, um die geographische Position und die Umgebung in Echtzeit zu erfassen. Tragbare Systeme reduzieren die Notwendigkeit der manuellen Positionierung und können insbesondere in komplexen Gebäudestrukturen von großem Vorteil sein, da sie sich leichter in engen und schwer zugänglichen Bereichen einsetzen lassen. Ein Beispiel für tragbare Laserscanner sind handgeführte Modelle, die aufgrund ihrer kompakten Bauweise und ihrer Leichtigkeit eine einfache Handhabung in beengten Räumen ermöglichen. Die Erfassung der Gebäudegeometrie stellt jedoch nur den ersten Schritt dar. Nachdem die Punktwolken erfolgreich aufgenommen wurden, muss der nächste Schritt die Umwandlung dieser rohen Punktdaten in ein nutzbares 3D-Modell sein. Diese Umwandlung ist nicht trivial, da die Punktwolken häufig sehr detailliert sind und große Mengen an Daten enthalten. Die Qualität der Daten kann variieren, und es gibt oft Rauschen, unvollständige Daten oder überflüssige Informationen, die vor der Weiterverarbeitung entfernt werden müssen. Ein solcher Bereinigungs- und Strukturierungsprozess ist notwendig, um die Daten für die anschließende Modellierung und Analyse nutzbar zu machen. Ein weiterer wichtiger Schritt in diesem Prozess ist die Segmentierung der Punktwolke. Hierbei geht es darum, die erfassten Punktwolken in einzelne bauliche Elemente wie Wände, Decken, Türen oder Fenster zu unterteilen und diese voneinander abzugrenzen. Die Segmentierung erfordert häufig eine Kombination aus manueller Nachbearbeitung [2] und dem Einsatz von fortschrittlichen Algorithmen, um eine hohe Präzision und Genauigkeit zu gewährleisten. Für eine vollständige Modellierung muss die Punktwolke zudem mit semantischen Informationen angereichert werden, um die baulichen Elemente eindeutig zu identifizieren und in ein Building Information Model (BIM) zu integrieren. Ein weiteres Hindernis stellt die Interoperabilität zwischen verschiedenen Softwarelösungen und Datenformaten dar. Die Punktwolken und 3D-Modelle müssen so auf bereitet werden, dass sie problemlos in verschiedene Planungs- und Verwaltungssysteme integriert werden können. Dies erfordert nicht nur spezialisierte Software, sondern auch leistungsstarke Rechenressourcen und umfangreiches Fachwissen. Die Umwandlung und Integration der Daten in bestehende Arbeitsprozesse kann deshalb ein zeitaufwändiger und ressourcenintensiver Prozess sein. 2. Digitalisierung im Bestand Die 3D-Erfassung von Bestandsgebäuden spielt eine zentrale Rolle bei der Erstellung präziser digitaler Repräsentationen, die als Grundlage für umfangreiche Planungs- und Analyseprozesse dienen. Dieser Prozess beinhaltet mehrere Schritte, angefangen bei der Datenerfassung mittels verschiedener Messsysteme wie terrestrischen Laserscannern, mobilen Mapping-Systemen oder tragbaren Geräten. Nach der Erfassung werden die gewonnenen Punktwolken registriert, um sie zu einer konsistenten und vollständigen Darstellung des Gebäudes zu verbinden. Die so erzeugten Modelle bilden die Basis für weiterführende Anwendungen, wie etwa die Erstellung von Building Information Models (BIM) oder die Analyse von Sanierungsmaßnahmen und Facility-Management-Prozessen. Ein wesentlicher Faktor bei der Durchführung der 3D- Erfassung ist die Wahl der eingesetzten Technologie, die stark von verschiedenen Einflussfaktoren abhängt. Die bauliche Komplexität des Gebäudes, die Zugänglichkeit der zu scannende Bereiche und die geforderte Detailgenauigkeit der Modellierung bestimmen die Auswahl der Messsysteme. Bei komplexen oder schwer zugänglichen Strukturen kann der Einsatz tragbarer oder mobiler Systeme von Vorteil sein, da diese eine flexible und effiziente Datenerfassung ermöglichen. In Fällen, in denen eine 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 151 Mit KI die Bauwelt neu denken - Digitalisierung im Bestand besonders hohe Präzision erforderlich ist, kommen meist terrestrische Laserscanner zum Einsatz. Im weiteren Verlauf dieses wird der vollständige Prozess der 3D-Erfassung und Überführung in 3D-Modelle Schritt für Schritt detailliert beschrieben. Beginnend mit der Auswahl der geeigneten Technologie und der Erfassung der Punktdaten bis hin zur Registrierung der Scans und der Umwandlung der Punktwolken in präzise, konsistente 3D-Modelle. 2.1 3D-Erfasssung mittels LiDaR-Systeme Der erste Schritt zur digitalen Erfassung eines Gebäudes ist die Durchführung eines vollständigen 3D-Scans mithilfe von LiDAR-Systemen. LiDAR seht für Light Detection and Ranging und bezeichnet eine Technologie zur präzisen Distanzmessung durch den Einsatz von Laserlicht. Sie basiert auf der Aussendung von Laserimpulsen und der anschließenden Messung der Rücklaufzeit des Signals (Time-of-Flight, ToF) [3] oder der Phasenverschiebung (Phase-Shift) des reflektierten Laserstrahls. Bei ToF-Systemen wird die Zeit gemessen, die der ausgesendete Laserimpuls benötigt, um von einer Oberfläche zurück zum Sensor zu gelangen. Aus dieser Laufzeit kann die Entfernung zur Oberfläche berechnet werden. Im Gegensatz dazu analysieren Phase-Shift-Systeme die Verschiebung der Phase des reflektierten Lasersignals im Vergleich zum ausgesendeten Signal. Diese Methode bietet eine höhere Präzision bei der Abstandsmessung und eignet sich besonders gut für kürzere Distanzen. Beide Messtechnologien, sowohl ToF als auch Phase-Shift, finden in verschiedenen Arten von Messsystemen Anwendung. Sie kommen sowohl in terrestrischen, stativgetragenen Laserscannern als auch in mobilen, tragbaren Systemen wie handgeführten Scannern oder Rucksacklösungen zum Einsatz. Abbildung 2 zeigt einen Kollegen, der mit einem stativgetragenen 3D-Scanner von Leica Geosystems arbeitet. Diese Systeme werden in der Regel für hochpräzise Scans von Bestandsgebäuden oder anderen komplexen Strukturen verwendet, da sie eine hohe Genauigkeit bei der Erfassung der Gebäudegeometrie ermöglichen. Abb. 2: Ein Kollege bedient einen stativgetragenen 3D- Scanner von Leica Geosystems. Bei der Durchführung der Scans ist, muss bereits mit hoher Aufmerksamkeit vorgegangen werden. Es müssen alle relevanten Bereiche sichtbar sein, damit sie auch vom Scanner erfasst werden können. Vorhänge müssen so positioniert werden, dass die Randbereiche der dahinterliegenden Struktur sichtbar sind, abgehängte Decken sollten, wenn möglich geöffnet werden ebenso wie Einbauschränke, die die volle Wandfläche abdecken. Die Qualität des finalen 3D-Modells ist direkt abhängig von der Vollständigkeit des 3D-Scans. Ein wesentlicher Schritt nach der Datenerfassung ist die Zusammenführung der einzelnen Scans zu einer konsistenten und vollständigen 3D-Punktwolke. Dieser Prozess wird als Registrierung bezeichnet. Dabei werden überlappende Bereiche der Punktwolken verwendet, um die relative Position und Orientierung der einzelnen Scans zueinander präzise zu bestimmen. Durch moderne automatisierte Verfahren wird die Punktwolke iterativ ausgerichtet, sodass die Abweichung zwischen den überlappenden Punkten auf ein Minimum reduziert wird. Dies ermöglicht eine präzise und nahtlose Integration der verschiedenen Scans. Zur weiteren Unterstützung wird die automatisierte Registrierung häufig durch zusätzliche Sensordaten wie GPS, Inertialsensoren oder Kamerabilder ergänzt. Diese zusätzlichen Informationen verbessern die Positionierung der Scans und verringern den manuellen Aufwand während des Registrierungsvorgangs. Trotz der Fortschritte in der Automatisierung erfordert der Registrierungsprozess bei komplexen oder symmetrischen Geometrien nach wie vor gelegentlich manuelle Eingriffe, um eine höchstmögliche Genauigkeit sicherzustellen. Die automatisierten Verfahren zur Registrierung von Punktwolken sind von entscheidender Bedeutung, um große Mengen an Daten effizient zu verarbeiten und so die Grundlage für die Erstellung vollständiger und präziser 3D-Modelle aus mehreren Scan-Positionen zu schaffen. Abbildung 3 zeigt eine Beispiel-Punktwolke, die mit einem terrestrischen Laserscanner und ca. 100 Scan-Standpunkten erfasst wurde. Diese Punktwolke stellt eine detaillierte digitale Darstellung eines Bestandsgebäudes dar und bildet die Grundlage für die weiteren Schritte in der Modellierung und Analyse. Abb. 3: Fusionierte 3D-Punkwolke eines vollständigen Gebäudes, aufgenommen mit ca. 100 Scanstandpunkten mit einem terrestrischen Laserscanner. 2.2 Segmentierung der Punktwolken Die Segmentierung von Punktwolken stellt einen grundlegenden Schritt in der Verarbeitung von LiDAR-Daten dar, der es ermöglicht, aus den rohen Messdaten strukturierte, nutzbare Informationen zu extrahieren. Punktwolken bestehen aus Millionen von Einzelpunkten, die die Geometrie der erfassten Umgebung mit hoher Präzi- 152 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Mit KI die Bauwelt neu denken - Digitalisierung im Bestand sion abbilden. Diese Punkte müssen in verschiedene bauliche Einheiten wie Wände, Decken, Türen Treppen oder Fenster unterteilt werden, um die gewonnenen Daten für Planung, Analyse und Modellierung weiterverwenden zu können. Für diesen Prozess sind präzise und effiziente Segmentierungsverfahren erforderlich, die in der Lage sind, diese Vielzahl von Punkten schnell und genau zu kategorisieren. Der Einsatz von KI hat den Segmentierungsprozess erheblich beschleunigt und automatisiert. Mit maschinellen Lernverfahren, insbesondere Deep Learning, können KI-Systeme Muster und Strukturen innerhalb der Punktwolken erkennen und diese automatisch in geometrische Segmente unterteilen [4]. Dies geschieht basierend auf Merkmalen wie Planarität, Krümmung und Dichte der Punkte. Die KI erkennt also, ob ein Punkt zu einer Wand, einer Tür, einem Fenster, dem Boden oder der Decke gehört. Diese Automatisierung führt zu einer präziseren und viel schnelleren Datenverarbeitung im Vergleich zu traditionellen, regelbasierten oder gar manuellen Segmentierungsansätzen, bei denen die Punkte oft von einem Fachmann händisch kategorisiert werden müssen. Trotz der Fortschritte, die durch den Einsatz von KI erzielt wurden, gibt es weiterhin erhebliche Herausforderungen bei der Segmentierung von Punktwolken. Dies riesigen Datenmengen erfordern eine enorme Rechenleistung, was die effiziente Verarbeitung und Analyse erschwerten. Zudem enthalten Punktwolken keine expliziten geometrischen oder semantischen Informationen, sodass die KI-Modelle in der Lage sein müssen, relevante Muster aus den rohen, unstrukturierten Daten zu extrahieren. Dies stellt die Entwicklung und das Training der Algorithmen vor komplexe Herausforderungen. Ein weiteres Hindernis ergibt sich aus der variierenden Datenqualität, die durch unterschiedliche Scanbedingungen und Aufnahmequellen verursacht wird. Unterschiedliche Umgebungen, Messgeräte oder auch atmosphärische Bedingungen können die Qualität der erfassten Punktwolken beeinflussen. Dadurch entstehen Inkonsistenzen und Störungen in den Daten, die die Anpassungsfähigkeit der KI-Modelle erfordern. Auch Rauschen in den Daten oder unvollständige Messungen, die in Punktwolken häufig vorkommen, müssen zuverlässig vom KI-System erkannt und korrekt interpretiert werden. Dies stellt sicher, dass auch fehlerhafte oder unvollständige Messdaten in das Modell integriert werden können, ohne die Modellgenauigkeit zu stark zu beeinträchtigen. Ein besonders herausfordernder Aspekt der Segmentierung ist die semantische Interpretation von Strukturen wie Wänden, Fenstern oder Türen im Kontext eines Gebäudemodells. Diese Interpretation geht über die rein geometrische Erkennung hinaus und erfordert ein tieferes Verständnis des Gebäudeauf baus sowie der Beziehung zwischen den verschiedenen Bauelementen. Um eine präzise 3D-Modellierung zu ermöglichen, müssen die KI-Modelle diese Strukturen erkennen, klassifizieren und richtig zuordnen. Diese Aufgabe erfordert nicht nur die genaue Identifikation von Punktgruppen, sondern auch eine umfassende semantische Analyse der Punktwolken, um die Bedeutung jeder Struktur im Gesamtkontext des Gebäudes zu verstehen. Ein weiteres Problem stellt das Training der KI-Modelle dar. Um eine hohe Genauigkeit zu erreichen, müssen die Modelle mit einer großen Menge an gelabelten Daten trainiert werden. Diese Daten müssen manuell oder semiautomatisch annotiert werden, was zeitaufwändig und ressourcenintensiv ist. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die KI-Modelle in der Lage sein müssen, auf neue, unbekannte Datensätze zu verallgemeinern, was ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Praxis erhöht. In vielen Fällen müssen die Modelle auf Daten angewendet werden, die unter anderen Bedingungen oder mit anderen Messmethoden erfasst wurden. Diese Herausforderungen erfordern den Einsatz fortschrittlicher Algorithmen und robuster Trainingsmethoden, um die Potenziale der KI in der 3D-Punktwolkenverarbeitung effektiv zu nutzen. Um eine zuverlässige Segmentierung und Analyse der Punktwolken zu gewährleisten, müssen die Algorithmen kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert werden. Bei bimeto haben wir eine KI speziell für die Auswertung und Segmentierung von 3D-Punktwolken von Bestandsgebäuden entwickelt. Unsere KI ist darauf ausgelegt, die großen Mengen an Punktdaten schnell und präzise zu analysieren, um eine effiziente Modellierung zu ermöglichen. Abbildung 4 zeigt ein Beispiel für eine Segmentierung, die mit Hilfe unserer KI erstellt wurde und verdeutlicht die hohe Präzision und Effizienz dieses Prozesses. Abb. 4: Mittels bimeto segmentierte Punktwolke, aufgeteilt in Einzelräume (Draufsicht). 2.3 3D-Modellerstellung Die Erstellung präziser 3D-Modelle aus segmentierten Punktwolken erfolgt durch die Anwendung fortschrittlicher geometrischer Algorithmen, die die rohen Messdaten in strukturierte digitale Repräsentationen überführen. Der Prozess beginnt mit einer detaillierten Analyse der Punktwolken, um glatte Flächen zu generieren. Dabei wird eine Planaranpassung durchgeführt, bei der 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 153 Mit KI die Bauwelt neu denken - Digitalisierung im Bestand Punktgruppen, die durch ihre geometrische Verteilung einer Ebene entsprechen, mathematisch modelliert werden. Dies geschieht durch die Berechnung optimaler Ebenenparameter, die die Punktgruppen mit minimalen Abweichungen repräsentieren. Die resultierenden Ebenen dienen als Grundlage für die Rekonstruktion von Wänden, Böden, Treppen und Decken. Dieser Schritt reduziert Unregelmäßigkeiten und Rauschen in den Daten und gewährleistet eine präzise geometrische Darstellung der baulichen Elemente. Im nächsten Schritt werden Öffnungen, wie Fenster Durchgänge oder Türen, aus den generierten Flächen subtrahiert. Die Geometrien dieser Öffnungen werden aus den segmentierten Punktwolken extrahiert, wobei spezifische Algorithmen die Konturen und Abmessungen der Öffnungen identifizieren. Diese Informationen werden anschließend verwendet, um die Öffnungen durch Subtraktion von den zugehörigen Flächen zu entfernen. Dieser algorithmische Prozess gewährleistet eine präzise und konsistente Anpassung der Geometrie, sodass die modellierten Strukturen exakt den baulichen Gegebenheiten entsprechen. In Abbildung 5 ist ein Teilmodell überlagert auf der Eingangspunktwolke zu sehen. Abb. 5: Teilmodell der 3D-Rekonstruktion mit der bimeto Software überlagert auf der Rohpunktwolke. Der gesamte Prozess folgt einem klar definierten Workflow, bestehend aus der Planaranpassung und der gezielten Subtraktion von Öffnungen, um ein vollständiges und konsistentes 3D-Modell zu erzeugen. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der exakten geometrischen Rekonstruktion, um eine hohe Modellgenauigkeit zu erzielen. Zusätzlich werden den modellierten Flächen Metadaten zugeordnet, die diese als spezifische Bauelemente, wie Wände, Böden, Decken, Fenster oder Türen, eindeutig klassifizieren. Diese Anreicherung mit semantischen Informationen bildet die Grundlage für eine weiterführende Verwendung der Modelle. Zum Abschluss erfolgt der Export des 3D-Modells im Industry Foundation Classes (IFC)-Format, einem internationalen Standard für den modellbasierten Datenaustausch. Der IFC-Export stellt sicher, dass die geometrischen Daten und die zugehörigen Metadaten strukturiert und interoperabel verfügbar sind. Dies ermöglicht eine nahtlose Integration in verschiedene Planungs- und Analysetools und stellt sicher, dass die erstellten Modelle effizient in nachfolgenden Prozessen genutzt werden können. Durch diesen standardisierten Ansatz wird eine hohe Kompatibilität mit bestehenden Softwaresystemen und ein reibungsloser Datenaustausch gewährleistet. Die folgende Abbildung 6 zeigt ein vollständige Vormodell eines vollständigen Gebäudes in der Außenansicht inklusive der Rohpunktwolke. Abb. 6: Vollständiges Gebäudemodell in der Außenansicht überlagert die Rohpunktwolke in der noch die umgebende Vegetation sichtbar ist. 2.4 Grundrisse-Rückführung in 2D Um den Anforderungen an Bauanträge und planerische Arbeiten gerecht zu werden, erstellen wir aus den 3D- Modellen vereinfachte Grundrisse. Diese Grundrisse bieten eine klare und strukturierte Darstellung der wesentlichen baulichen Gegebenheiten, wie Wände, Türen, Treppen, Durchgänge und Fenster, und bilden eine solide Basis für weiterführende Planungen. Hierbei werden die dreidimensionalen Daten in projektionierte 2D-Darstellungen überführt. Dieser Prozess erfordert eine präzise Auswahl der Projektionsebenen und Darstellungsparameter, um eine klare Wiedergabe der baulichen Strukturen zu gewährleisten. Einen solcher Basisgrundriss ist in Abbildung 7 zu sehen. 154 9. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken - Februar 2025 Mit KI die Bauwelt neu denken - Digitalisierung im Bestand Abb. 7: Vereinfachter, vollständig automatisiert, mit bimeto erstellter Grundriss. Allerdings reicht die vereinfachte Darstellung in vielen Fällen nicht aus, um die komplexen normgerechten Anforderungen vollständig zu erfüllen. Für die endgültige Auf bereitung und Detaillierung der Zeichnungen ist die Expertise von Architekten oder technischen Zeichnern erforderlich. Diese Fachkräfte ergänzen die Pläne durch maßgerechte Bemaßungen, Schraffuren, Symboliken und spezifische Darstellungselemente, die den geltenden Normen und gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Mit diesem zweistufigen Ansatz - von der automatisierten Erstellung vereinfachter Grundrisse bis zur normgerechten Nachbearbeitung durch Fachpersonal - gewährleistet bimeto Effizienz in der Planerstellung und eine hohe Qualität der finalen Dokumente. 3. Ausblick In der Zukunft wird der Einsatz moderner Scansysteme zur Gebäudeerfassung weiter zunehmen. Diese Technologien ermöglichen eine präzise und effiziente Dokumentation bestehender Bausubstanz und sind insbesondere in der Sanierung von großem Nutzen. Mit dem stetigen technologischen Fortschritt werden die erfassten Datenmengen jedoch immer größer und komplexer, was die Verarbeitung und Analyse zu einer Herausforderung macht. Hier kann der Einsatz von KI entscheidend sein. KI-gestützte Algorithmen ermöglichen die automatische Analyse und Strukturierung umfangreicher Punktwolken sowie die Generierung detaillierter 3D-Modelle. Dies reduziert den manuellen Aufwand und beschleunigt den Übergang von der Datenerfassung zur nutzbaren Planungsgrundlage. Künstliche Intelligenz entwickelt sich kontinuierlich weiter und wird zunehmend leistungsfähiger in der Analyse und Verarbeitung von Gebäudedaten. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, immer detailliertere Informationen in die generierten 3D-Modelle zu integrieren. Neben der geometrischen Erfassung und Segmentierung umfasst dies auch die automatisierte Identifikation und Modellierung technischer Gebäudeausrüstung (TGA) sowie die präzise Zuordnung von Oberflächenmaterialien. Diese Fortschritte werden eine noch genauere digitale Repräsentation von Bestandsgebäuden ermöglichen, die über die reine Geometrie hinausgeht. KI-gestützte Verfahren sollen in Zukunft beispielsweise Leitungen, Rohre und Lüftungskanäle in Punktwolken erkennen und automatisch als separate Elemente im Modell abbilden. Ebenso könnten Texturanalysen und Materialklassifikationen genutzt werden, um Oberflächen wie Beton, Holz oder Fliesen zu identifizieren und diese Informationen im Modell zu hinterlegen. Angesichts des hohen Sanierungsstaus, vor allem auch kommunaler Gebäude [5], in Deutschland bietet diese Entwicklung eine vielversprechende Möglichkeit, die Sanierungsrate signifikant zu erhöhen. Durch die beschleunigte Erstellung von Planungsgrundlagen und die Automatisierung wesentlicher Prozessschritte können Bauvorhaben schneller und effizienter umgesetzt werden. Der verstärkte Einsatz dieser Technologien könnte somit einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Sanierungsherausforderungen leisten. Literatur [1] C. Wu, Y. Yuan, Y. Tang, B. Tian: Application of terrestrial laser scanning (TLS) in the architecture, engineering and construction (AEC) industry. Sensors, 22(1), 265, 2021. [2] L. Brumatti Pinho: Scan-to-BIM workflow: an overview and case study. Politecnico Milano, 2021. [3] Ma, J., Zhuo, S., Qiu, L., Gao, Y., Wu, Y., Zhong, M., ... & Chiang, P. Y.: A review of ToF-based LiDAR. Journal of Semiconductors, 45(10), 101201, 2024. [4] Wang, Jun; Shan, Jie: Segmentation of LiDAR point clouds for building extraction. In: American Society for Photogramm. Remote Sens. Annual Conference, Baltimore, MD. 2009. S. 9-13. [5] von Hebel, E., Jahn, K., Clausnitzer, K. D.: Der energetische Sanierungsbedarf und der Neubaubedarf von Gebäuden der kommunalen und sozialen Infrastruktur. Bremer Energie Institut, Bremen, 2011.
